Trinkgeld fürs Leben

maulinaZweite Bände von Geschichten sind nicht zu beneiden. Noch bevor sie käuflich zu erwerben sind, ist die Erwartungshaltung bei den Lesern bereits gesetzt. Und die ist hoch, vor allem wenn Band eins ein Knaller war. Der Druck auf den Autor und sein Baby ist enorm, wahrscheinlich größer, als bei einer neuen, unabhängigen Geschichte. Finn-Ole Heinrich und seine Maulina Schmitt kann das jedoch nicht schrecken, erfüllen die beiden zusammen mit Rán Flygenrings Illustrationen doch in Warten auf ein Wunder alle Wünsche.

Maulina lebt weiterhin in Plastikhausen, redet immer noch nicht mit dem Mann und muss mit ansehen, wie es ihrer Mutter von Tag zu Tag schlechter geht. Bei den Dingen im Haushalt hilft Ludmilla mit und bekocht Mutter und Tochter mit köstlichen Suppen-Variationen. Im Laufe des Sommers zieht Rollstuhl Rolf in das winzige Haus ein. Er mag zwar angeblich die Mobilität der Mutter erleichtern, doch er ist ein sichtbares Zeichen eines behinderten Lebens. Maulina lässt sich davon aber immer noch nicht unterkriegen. Sie wartet mit dem General für Käse auf ein Wunder. Zur Überbrückung der Wartezeit hilft sie Paul bei einem Referat über die Berufe der Eltern, woraus sich ein Business für Brauseeis entwickelt.
Derweil hat der Mann eine neue Freundin, die Maulina von ihren Freunden bespitzeln lässt und so mit den neuesten Neuigkeiten versorgt wird. Wenn es wirklich unumgänglich ist, kommuniziert Maulina mit dem Mann über schriftliche Botschaften,  entführt kurzerhand das Zebra aus Mauldawien und nähert sich langsam dem Mann zwischen einer Maulplosion und der nächsten wieder an …

Das bis obenhin vollgepropfte Leben von Maulina lässt keine Zeit für Atempausen oder Langeweile – weder ihr noch dem Leser. An allen Ecken und Enden scheint es zu brennen: die MS-Krankheit der Mutter, der neu verliebte Vater, Pauls Eltern-Geheimnis, das Brauseeis-Unternehmen. Mit all dem jongliert Maulina auf bewundernswerte Weise, ohne dass ein Ball herunterfällt. Finn-Ole Heinrich verleiht ihr dabei – wie schon im ersten Band – eine Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Die übersprudelnden Ideen verpackt Heinrich wie gewohnt und geliebt in flockig-freche Sprache und zeigt dabei so viel Wärme und Menschlichkeit, dass man ganz ergriffen vor all dem Glück und Unglück zurück bleibt.
In genau so einem Augenblick, in dem Maulina total glücklich ist, möchte sie dem Leben ein Trinkgeld geben. Es ist zum Heulen. Und Lachen. Und Nachsinnen, wann man selbst mal dieses Trinkgeld  gegeben hat oder hätte geben sollen. Man nimmt sich sofort vor, nach diesem Moment im eigenen Leben zu suchen.
Und man möchte Maulina sofort, jetzt, hier in die Arme nehmen, sie schnuckeln und ihr die Auszeichnung in Gold für außerordentliche Tapferkeit und Maulhaftigkeit verleihen.
Der Autor bekommt zudem den Orden für das Wunder einer extrem hellsichtigen männlichen Selbstreflektiertheit, deren Sprachrohr natürlich Maulina ist.

Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Warten auf ein Wunder ist ein Hoffnungsbuch. Jungen Lesern zeigt Finn-Ole Heinrich, dass Krankheit kein Grund für absolute Verzweiflung sein muss. Das, was er im ersten Teil schon zum Niederknien angelegt hat, führt er in Band zwei weiter und erfüllt damit alle Erwartungen. Die Andeutungen zum nächsten Band lassen zwar schon Schlimmes erahnen, doch bei Maulinas sonniger Maulhaftigkeit ist man als Leser bereits guter Dinge, dass sie die ganz großen Herausforderungen des Lebens ebenfalls heldenhaft meistern wird.

Auch diesen zweiten Band hat Rán Flygenring wieder total liebevoll und detailreich illustriert und bereichert: das ist das nächste Wunder in diesem Wunderbuch. Einen herrlichen Eindruck von ihrem Strich und der gezeichneten Maulina gibt es hier:

Finn-Ole Heinrich/Rán Flygenring: Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Warten auf Wunder, Hanser, 2014, 208 Seiten, ab 10,  12,90 Euro

 

[Jugendrezension] Klein, aber richtig schlau

munkel 2Ein kleiner Mann in der großen Welt der Riesen, ja das ist Munkel Trogg. Er ist der kleinste Riese von allen, doch gleichzeitig auch der Schlauste. Der König der Riesen will ihn deshalb zum weisen Mann ernennen, doch Munkel Trogg hat Angst, dass die anderen Riesen finden, er könnte für eine solche Ehre zu klein sein. Warum sollte er zu klein hierfür sein, werdet ihr euch vielleicht fragen. Tja, er wird schon mal gemobbt wegen seiner Winzigkeit, nur sein kleiner Bruder, der ihn im Übrigen um einige Meter überragt, hält immer zu ihm.

Es gibt eine weitere Angelegenheit, die Munkel große Sorgen bereitet. Der Vulkan Rumpelberg, die Heimat der Riesen, scheint sich auf einen Ausbruch vorzubereiten, dass weiß er von seiner „Menschenfreundin“ Emily, die in ihrer eigenen Menschen-Welt im Rumpelbergtal lebt. Natürlich muss Munkel seine Freundschaft zu einem Menschenkind vor den anderen Riesen geheim halten.

Gemeinsam mit Emily versucht Munkel Trogg nun, eine gute Lösung für die beiden unterschiedlichen Probleme zu finden und das in großer Eile, denn mittlerweile herrscht Alarmstufe „rot“…

Alle Menschen aus dem Rumpelbergtal – außer Emily – sind bereits auf der Flucht vor den erwarteten Lavamassen…

Ich finde das Buch von Janet Foxley sehr interessant, denn in den meisten Büchern gibt es entweder Riesen oder Menschen. In diesem Buch funktioniert eine Kombination aus Menschen- und Riesenwelt.
Zu Beginn der Geschichte hatte ich ein paar Schwierigkeiten, mich in die Handlung einzufinden, was aber auch damit zusammenhängen kann, dass mir der erste Munkel-Trogg-Band unbekannt ist. Im Verlauf der Geschichte habe ich dann aber begonnen, sehr stark mitzufiebern, ob vielleicht ein gewisser „Esel“ bei der Rettung der Heimat von Riesen und Menschen helfen kann, und habe auch kräftig um das Schicksal des Riesen gebangt.

Kleiner Tipp am Rande: Ich würde empfehlen, zunächst den ersten Band von Munkel Trogg zu lesen. Meiner Meinung nach ist das Buch für Jungen – aber auch für Mädchen – im Alter von 9-12 Jahren geeignet. Ich kann es mit gutem Gewissen zum Lesen empfehlen.

Übrigens: Mein Bruder, der sonst eigentlich nur Bücher liest, auf denen an irgendeiner Stelle der Begriff „Star Wars“ aufgedruckt ist, hat jetzt Munkel Trogg neben seinen Bett liegen…

Bücherwurm (11)

Janet Foxley: Munkel Trogg – Der kleinste Riese der Welt und der fliegende Esel,
Übersetzung: Sigrid Ruschmeier, Illustration: Steve Wells, Fischer KJB, 2013, 256 Seiten,  ab 8, 12,99 Euro

[Jugendrezension] Flucht in ein anderes Leben

zoe willZwei Jugendliche, die erste große Liebe, Freiheit, der Highway – was sich kitschig anhört, entpuppt sich als das Gegenteil. Die Geschichte von Zoe und Will von Kirsten Halbrook ist ein wirklich berührender Liebesroman mit Tiefe und Nachwirkung.

Die 15-jährige Zoe und der 18-jährige Will haben ein Leben voller Leiden hinter sich: Zoes Mutter starb, als sie ein Kleinkind war. Sie wird immer wieder von ihrem betrunkenen Vater verprügelt.  Will wuchs in Kinderheimen und Pflegefamilien auf. Zoe ist die Erste, die an Will glaubt, und er würde alles für sie tun. Um ein anderes Leben zu beginnen, brechen sie eines Nachts mit Wills altem Camaro (ein alter Sportwagen) auf. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist alles perfekt – doch Zoe und Will ahnen, dass ihr Glück nicht ewig währen wird …

Mit Die Geschichte von Zoe und Will hat Kristin Halbrook einen tollen Debütroman geschrieben. Eine Besonderheit ist, dass der Roman abwechselnd aus Zoes und Wills Perspektive erzählt, sodass man sich gut in die beiden hineinversetzen kann.

In dem Roman geht es um große Gefühle, die Kristin Halbrook beeindruckend gut schildert.  Zoes und Wills Geschichte ist traurig. Es ist die Geschichte zweier Jugendlicher, denen das Leben übel mitspielt, die sich aber gegenseitig Kraft und Mut geben. Man wünscht den beiden so sehr, dass sie endlich ihr Glück finden. Doch das Leben ist nicht gerecht. Am Ende wird die Handlung immer dramatischer, und man kann das Buch kaum aus der Hand legen.

Zoe und Will sind mir noch lange im Kopf geblieben. Es sind für mich nicht einfach gewöhnliche Romanfiguren. Es gibt viele Zoes und Wills auf dieser Welt. Kristin Halbrook hat ihnen durch diesen Roman eine Stimme gegeben.

Juliane (14)

Kristin Halbroh: Die Geschichte von Zoe und Will, Übersetzung: Beate Brammertz,   Heyne fliegt, 2013,  320 Seiten ab 14, 14,99 Euro

 

London gestern und heute

colferEigentlich bin ich kein großer Fan von Zeitreisegeschichten, über die genauen Gründe meiner Abneigung gegen dieses Gedankenspiel muss ich jetzt allerdings noch mal genau nachdenken. Denn Eoin Colfer hat mit WARP – Der Quantenzauberer eine Variante dieses Genres vorgelegt, die ich nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Die 16-jährige Chevron arbeitet als jugendliche Hilfsagentin für das FBI. Nach einem misslungenen Einsatz in Los Angeles wird sie nach London strafversetzt, bis Gras über die Sache gewachsen ist. In der britischen Hauptstadt wartet ein langweiliger Bewachungsjob auf sie – was aber natürlich nicht so bleibt … denn das Objekt, das Chemie im Auge behalten soll, ist eine Zeitreisemaschine des anonymen Zeugenschutzprogramms „Witness Anonymus Relocaton Programme“ – kurz WARP. Damit schickt das FBI gefährdete Zeugen in der Zeit zurück ins 19. Jahrhundert, wo angeblich niemand an sie herankommt. Dass dieses Konzept nicht aufgeht, merkt Chevie ganz schnell, als in dem Ding plötzlich ein Toter und ein Junge aus der Vergangenheit auftauchen.

Der ebenfalls 16-jährige Riley ist Assistent des Zauberers Albert Garrick. Dieser arbeitet jedoch hauptsächlich als Auftragsmörder im London von 1898. Gerade als Riley von Garrick zu seinem ersten Mord gezwungen wird, aktiviert das Opfer einen so genannten Timekey und katapultiert sich durch ein Wurmloch in die Gegenwart. Garrick, der merkwürdigerweise an seinem Assistenten wie an einem Sohn hängt, folgt Riley später in die Zukunft. Ein rasantes Hin und Her zwischen Vergangenheit und Gegenwart entspinnt sich, bei dem Garrick durch das Zeitreisen zu einem Magier mit Superkräften mutiert und nun in James-Bond-Bösen-Manie leicht größenwahnsinnig die Weltherrschaft in seiner Zeit erlangen will.
Chevie, die mit Riley zusammen vor Garrick flüchtet, erlebt nicht nur das sehnlichst herbeigewünschte Agenten-Abenteuer, sondern lernt dabei auch den Gestank und das Elend des viktorianischen Englands kennen. In all dem Trubel von Verfolgungsjagden durch die Zeiten findet Riley schließlich heraus, wer seine Eltern getötet hat …

Eoin Colfer ist ein rasant-frecher Pageturner gelungen, der mit einem Augenzwinkern auf Charles Dickens, Arthur Conan Doyle und Jules Vernes anspielt und auch die Gegenwart mit ihren Absonderlichkeiten aufs Korn nimmt. Claudia Feldmann hat diese Geschichte entsprechend pfiffig ins Deutsche übersetzt. WARP ist spannendes Lesefutter für Liebhaber von Agentengeschichten – und wird zum Glück erst einmal nicht von einer Liebesgeschichte der Helden Chevie und Riley überlagert, sondern lebt ganz von dem Kontrast der verschiedenen Epochen in London. Das wird besonders anschaulich, wenn Riley in der Zukunft feststellt, dass er die Menschen gar nicht mehr riechen kann. Eine feinsinnigere Beobachtung, in was für einer angenehmen und bequemen Zeit wir heutzutage leben, kann es eigentlich kaum geben.

Eoin Colfer: WARP – Der Quantenzauberer, Übersetzung: Claudia Feldmann, Loewe Verlag, 201,4 352 Seiten, ab 14, 16,95 Euro

PS: Und endlich gibt es mal einen wirklich reizenden Buchtrailer, den ich hier gerne einbinde…

 

[Jugendrezension] Über den Wolken

barnabyBei dem Buch Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket von John Boyne haben mir gleich das Titelbild und die Bilder sehr gefallen, weil sie sehr lustig gezeichnet sind.

In dem Buch geht es um den zehn Jahre alten Barnaby Brocket, der – wie man nach dem Titelbild schon vermuten kann – etwas ganz Besonderes ist: Er schwebt. Er kann seit seiner Geburt nicht aus eigener Kraft auf dem Boden bleiben. Um nicht fortzuschweben, muss er an ein Seil gebunden werden oder einen Rucksack mit Sandsäcken tragen. Das Erste  wird ihm fast zum Verhängnis, als seine Spezialschule abbrennt und er, während  alle anderen fliehen, an seinen Stuhl gebunden vergessen wird. Er muss jetzt auf eine normale Schule gehen und, damit er nicht unangenehm auffällt, den Rucksack mit Sandsäcken tragen. Das geht gut, bis eines Tages seine Mutter Eleanor Brocket mit ihm spazieren geht und ein Loch in Barnabys Sandsäcke schneidet. Der Sand läuft aus und als logische Konsequenz fliegt Barnaby los. Zum Glück sammeln ihn zwei Ballonfahrerinnen auf, die ihn zu ihrer Kaffeeplantage in Brasilien mitnehmen. Barnaby will zurück nach Sydney, ahnt aber noch nicht, dass das Beginn einer spannenden und teilweise auch gefährlichen Weltreise ist. Doch darüber schreibe ich nichts, weil es ansonsten die ganze Geschichte verrät und dem Leser die Spannung nimmt.

Im Ganzen sind Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket sehr schön, sehr spannend und immer wieder, auch wegen der Bilder von Oliver Jeffers, lustig.

Das Buch ist nur zu empfehlen. Es ist für Kinder ab 9 oder 10 Jahren sehr gut geeignet, für jüngere Kinder ist es wohl noch zu aufregend.

Lector03 (10)

John Boyne: Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket, Übersetzung: Adelheid Zöfel, Illustration: Oliver Jeffers,  Fischer KJB, 2013, 288 Seiten, ab 10, 14,99 Euro

[Jugendrezension] Himmlische Hilfe

valentinaSo viel verrückten Unsinn kann nur Valentina aus dem Buch Schutzengel Valentina von Wolke 17  von Barbara van den Speulhof anstellen.

In dem Roman geht es um Schutzengel Valentina, die nur Unsinn im Kopf hat. Eines Tages wird es ihrer Lehrerin zu bunt, und sie ruft die Chefin des Himmels, um sie um Rat zu fragen. Damit die Lehrerin entlastet wird, schlägt die Chefin vor, Valentina könnte trotz der noch nicht bestandenen Schutzengelprüfung auf der Erde ihren ersten Schützling erhalten: Lucy. Ein Mädchen aus reichem Hause, wohlbehütet und beschützt, mit einem riesigen Bedürfnis nach Freiheit und Normalität.
Erst hat Valentina ein bisschen Bammel, ganz allein auf die Erde zu fliegen und dann auch noch so große Verantwortung zu übernehmen. Doch dann fliegt sie los. Auf der Erde trifft sie Lucy und merkt, dass man nicht nur kleinen Kindern über die Straße helfen und Kinderfahrräder festhalten muss, damit sie nicht umfallen, sondern dass es für Schutzengel auch noch viel schwierigere Dinge zu erledigen gibt. Und mit genau so einem komplizierten Problem bekommt sie es zu tun…

Schutzengel Valentina von Wolke 17 nimmt dich mit in eine andere Welt und zeigt dir, wie kompliziert das Kinderleben auf der Erde manchmal sein kann.

Das Buch ist für Mädchen in verschiedenen Altersklassen bis 13 Jahre geeignet, für alle, die es gerne mal lustig mögen oder für die, die sich auch auf einen Schutzengel wie Valentina verlassen wollen (immer frech, aber allzeit mit der rettenden Idee). Ich glaube, auch meiner kleinen Schwester, die ist sechs, könnte ich das Buch schon vorlesen.

Ich persönlich kann Schutzengel Valentina von Wolke 17 mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

Bücherwurm (11)

Barbara van den Speulhof: Schutzengel Valentina von Wolke 17, Fischer KJB, 2013,
192 Seiten, ab 8, 10,99 Euro

Körperwissen

körperWenn ich nicht gerade Kinder- und Jugendbücher lese, darüber blogge oder selber welche aus dem Italienischen ins Deutsche übersetze, arbeite ich bei einer Gesundheitszeitschrift. Für die rezensiere ich unter anderem neue Ratgeber und Sachbücher. Bücher für Kinder passen da leider nicht rein – dabei gibt es auch für junge Leser ganz wunderbare Sachbücher, die sich mit dem menschlichen Körper beschäftigen.

Gerade ist das Buch Körper von Andrea Schwendemann in der Reihe „Wieso? Weshalb? Warum? Profiwissen“ erschienen, und das zeigt auf sehr kurzweilige und schlaue Art, was so alles in uns steckt. Da erfährt man Interessantes über Knochen, Muskeln, Gehirn, Blut und unsere Sinne. Aber auch, warum wir Sauerstoff und Nahrung brauchen. Oder was beim Verliebtsein im Körper passiert. Die körperlichen Unterschiede von Mädchen und Jungen werden genauso erklärt, wie Pubertät, Sex, Verhütung und Schwangerschaft.
Die kurzen, gut verständlichen Texte sind angereichert mit so genanntem Spezial-Wissen, Rezepten für Honig-Ei-Shampoo und Anti-Pickel-Paste oder auch amüsanten Quizfragen. Zudem gibt es kurze Interviews mit einem Sportmediziner, einer Schlafforscherin und dem Leichtathleten Heinrich Popow, der bei den Paralympics 2012 eine Goldmedaille im 100-Meter-Lauf holte. Gerade dieses Interview auf der letzten Seite finde ich besonders schön, da es den Kindern zeigt, dass man nicht körperlich vollkommen sein muss, um großartige Dinge zu machen. Popow macht betroffenen Kindern also jede Menge Mut.

Andrea Schwendemanns Körper-Buch lebt aber darüber hinaus von den vielen Bilder und Illustrationen von Rolf Bunse und Billa Spiegelhauer. Sie liefern einen klaren Eindruck in unser Innenleben und das Funktionieren der Organe, Gelenke, Zellen. Es gibt also jede Menge zu schauen und zu entdecken, langweilig wird hier mit Sicherheit niemandem. Und vielleicht hat nach dem vielen Blättern und Lesen der eine oder die andere ein wenig mehr Respekt vor dem eigenen Körper und geht liebevoller mit ihm um. Oder vielleicht wird die eine oder der andere angestachelt, später mal Medizin, Biologie oder Sport zu studieren. Lauter schöne Aussichten, die dieses Buch vermittelt.

Andrea Schwendemann: Körper, Illustration: Rolf Bunse und Billa Spiegelhauer,    Wieso? Weshalb? Warum? Profiwissen, Bd. 5, Ravensburger Buchverlag 2014, 56 Seiten,  ab 8, 14,99 Euro

[Jugendrezension] Vertraue niemandem

boynobodyIn dem Buch Boy Nobody von Allen Zadoff geht es um einen jungen Soldaten, der auf Anweisung von Unbekannten Menschen töten soll…

Ein 12-Jähriger, der immer wieder einen anderen Namen trägt, wird nach und nach zu einem Soldaten ausgebildet.
Nun ist er 16 Jahre alt, und seine  Eltern sind tot. Seine Auftraggeber soll er „Mutter“ und „Vater“ nennen, da es bei Telefonaten nicht auffällt. Für ihn gibt es immer wieder neue Umgebungen, neue Identitäten und neue Zielobjekte. Er selber hat gelernt zu kämpfen, sich zu verteidigen und emotionslos zu sein. Bekommt er einen Auftrag, versucht er, zunächst das Vertrauen des Opfers zu gewinnen. Hat er dies geschafft, tötet er es leise und still und verschwindet. Hauptsache weg. Dann wartet er auf den nächsten Auftrag.

Der junge Soldat hat schon mehrere Aufträge erfolgreich beendet, doch nun bekommt er einen, der sein schwierigster werden soll. Sein nächstes Zielobjekt ist ein bedeutender Mann in New York. Hatte er sonst immer ein paar Monate Zeit, so drängt dieses Mal  die Zeit. Nur fünf Tage, dann muss der Auftrag erledigt sein. Eigentlich wäre es ein Auftrag wie jeder andere,  wären da nicht die kurze Vorbereitungszeit … und die Tochter des Opfers. Der junge Killer entwickelt Gefühle, die er bisher immer unterdrückt hat. Er muss sich zwischen Liebe und seinem Auftrag entscheiden.

Das Buch ist sehr interessant geschrieben. Durch die Ich-Perspektive und durch kurze Sätze, wirkt alles so, als ob man mitten im Geschehen steht. Die Kapitel sind relativ kurz, was mir den Anreiz gab, immer weiter zu lesen. Auch die Überschriften der Kapitel waren etwas Neues, denn sie bestanden aus ganzen Sätzen und waren ab und zu, so schien es mir, gleich der erste Satz des Kapitels.

Ich fand Boy Nobody sehr aufregend und spannend. Allerdings war das Ende sehr traurig. Einerseits kann ich es verstehen, aber andererseits auch wieder nicht. Als ich es gelesen habe, war ich auf jeden Fall sehr erstaunt. Ich dachte, dass das Rätsel, das in diesem letzten Auftrag liegt, leicht zu erraten wäre, doch es stellte sich das genaue Gegenteil heraus. Durch viele Details und Wendungen wurde ich immer wieder überrascht.

Ich würde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen.

Laura (14)

Allen Zadoff: Boy Nobody. Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder, Übersetzung: Petra Post/Andrea von Struve,  bloomoon, 2013, 336 Seiten, ab 14, 16,99 Euro

Vier Figuren suchen einen Autor

wenzelWas passiert, wenn ein etwas eigenbrötlerischer Schriftsteller und ein Kind mit Hummeln im Hintern auf einander treffen? Das kann eigentlich niemand wissen, denn das Leben und Wirken eines Schriftstellers ist zumeist ein großes Mysterium, und quirlige Kinder sind ein Garant für jede Menge Unplanbarkeiten … eine unschlagbar clevere Kombination für einen Roman, wie Nikola Huppertz beweist: Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kawinski, Strupp und dem Suseldrusel heißt ihr Buch. Und so verwirrend wie der Titel ist auch der Inhalt. Aber das ist alles ganz wunderbar.

Wenzel muss eine Woche bei seinem schriftstellenden Onkel Nikolai (unverkennbar ein Alter-Ego der Autorin…) verbringen, weil seine Eltern eine Malediven-Reise für zwei gewonnen haben und nicht für drei. Der Junge, der mit Büchern so gar nichts am Hut hat, freut sich zwar überhaupt nicht, einfach so abgeschoben zu werden. Doch als er das Holzhaus des Onkels betritt und an der verschlossenen Ideenkammer vorbei kommt, ahnt er, dass sich dahinter ziemlich Interessantes verbirgt, das unbedingt erkundet werden muss. Denn Onkel Nikolai hat gerade mit einem neuen Roman angefangen …

Was nun beginnt, hat mich als Italianistin in gewissem Sinne an Luigi Pirandello und sein Theaterstück Sechs Personen suchen einen Autor erinnert: Hier sind es vier Figuren, der Hund Strupp, der Räuber Kawinski, die Prinzessin Melinda und das Suseldrusel, die sich vehement in das Leben von Nikolai hineindrängen. Denn so ist das beim Schreiben: Man hat eine Idee, man entwirft eine Figur und mit einem Mal entwickelt diese Figur ein Eigenleben und bestimmt, wo die Geschichte lang geht.
Nikola Huppertz illustriert dieses Phänomen mit ihrem Roman auf eine wundervoll turbulente Art und Weise. Wenzel geht mit Strupp auf Räuberjagd, erfindet eine coole Fußball-Prinzessin und stellt das ruhige Leben von Onkel Nikolai gehörig auf den Kopf.

Der Wechsel zwischen Nikolais Realität und seinen geschriebenen Texten markiert Huppertz durch wechselnde Schrifttypen, doch bald hat man als Leser die komplette Wirrnis im Kopf – die Erzählebenen verschränken sich so miteinander, dass man manchmal nicht mehr ganz durchblickt, was Wahrheit und was Dichtung ist. Aber genau das ist beabsichtigt, denn es zeigt, wie sehr Wirklichkeit und Fantasie verwoben sind – vor allen in den Köpfen von Schriftstellern. Wenn uns diese Autoren an ihren Erlebnissen und Erfahrungen teilhaben lassen, springt dieser Funke auch auf die Leser über. Das wusste schon Pirandello, als er vor fast hundert Jahren seine sechs Personen geschaffen hat.

Nikola Huppertz‘ Roman jedenfalls legt man erst wieder aus der Hand, wann alle Figuren zu ihrem Recht gekommen sind, und man ganz köstlich verwirrt und unterhalten wurde, und endlich das Mysterium, wie ein Schriftsteller denn so arbeitet, gelüftet wurde.

Von Regina Kehn, die das Cover und die Vignetten über den Kapiteln überaus zärtlich illustriert und Wenzel die traumhaftesten Mandelaugen verpasst hat, die ich je gesehen habe, hätten allerdings durchaus noch größere und mehr Bilder in dem Text sein können … aber man kann leider nicht alles haben. Und auch so ist dieses Buch ein Hauptgewinn.

Nikola Huppertz: Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kawinski, Strupp und dem Suseldrusel, Illustration: Regina Kehn, mixtvision, 2014,  376 Seiten,  ab 10, 13,90 Euro

Kreaktive Abendteuer

roxy 2Wie schnell doch ein Jahr  wieder vergangen ist – dabei kommt es mir noch so vor als hätte ich erst gestern über  die vorwitzig coole Roxy Sauerteig geschrieben. Aber das war tatsächlich Ende 2012, nämlich hier. Und nun liegt schon seit ein paar Wochen Teil 2 von Katharina Reschke bei mir auf dem Tisch, und ich bin erst jetzt dazu gekommen, ihn zu lesen: Roxy Sauerteig – Alles löst sich in Luft auf.

Zweite Teile haben es ja nicht immer leicht, gerade wenn die Erwartungen hoch sind. Aber bei Roxy war ich gleich wieder eingefangen, begeistert, fasziniert und bestens unterhalten. Ich nehme gerade mein Urteil voraus – Roxy würde das jetzt eine „Vor-raus-sage“ nennen …
Womit ich schon wieder bei meiner Lieblingseigenschaft von Roxy bin: Wortschöpfungen. Immer wieder erfindet die Lütte neue Worte – wie „Kreaktion“, bei der man seine eigenen Ideen in eine Aktion mit einbringt. Herrlich. Möchte ich auch viel öfter machen.

Roxy ist auf jeden Fall extrem kreaktiv, muss sie doch zum einen ein Problem aus Teil 1 wieder beheben, zum anderen braucht die tüddelige Frau Feudel aus ihrem Haus Hilfe. Ihre Uhu-Eule ist verschwunden, und ohne die kann Frau Feudel einfach nicht leben. Gleichzeitig benimmt sich Frau Maschke vom Kiosk in der Straße merkwürdig, Herr Grindelmann kann immer noch nicht mit Kindern und schon gar nicht mit dem „roten Rettich“, wie er Roxy nennt.
Aber wie schon in Teil 1 lässt sich die kleine Heldin von nichts und niemanden ins Boxhorn jagen und geht mit Systematik und Mut an die Detektivarbeit.

Das Wiederlesen mit den wohlbekannten Figuren in Roxy Sauerteig – Alles löst sich in Luft auf vermittelt den Eindruck, als komme man nach Hause zur lieben, aber auch sehr schrägen Familie. Roxy trägt glücklicherweise immer noch Taucherbrille und Gummistiefel, ihre Frau Mutter übertrifft sich selbst mit ihrem überspannten Gehabe und Thusnelda, Roxys Fast-Freundin, schneidet sich endlich eine Scheibe von der Protagonistin ab. Die Kontinuität ist also hervorragend gewahrt, was den jungen Lesern mit Sicherheit ein Gefühl von Vertrautheit und Entspannung bei exzellenter Hochspannung gibt. Ein „Abendteuer“ eben.
Die feinen Illustrationen von Susanne Göhlich ergänzen die locker erzählte Geschichte ganz wunderbar, was sowohl das Selbstlesen als auch das Vorlesen zu einem echt kurzweiligen Vergnügen macht.

Katharina Reschke: Roxy Sauerteig – Alles löst sich in Luft auf,  Illustrationen: Susanne Göhlich, Baumhaus, 2013, 239 Seiten, ab 8, 12,99 Euro

Mein Lieblingsreporter

tim19Muss man Tim und Struppi noch irgendwem vorstellen? Wohl kaum.

Aber erinnern und hochleben lassen kann man sie eigentlich gar nicht genug. Vor 85 Jahr erschien der erste Band von Hergés rasendem Comic-Reporter und seinem weißen Hund.
Nachdem meine Eltern in den 70er Jahren nicht viel von Micky Maus hielten – und es mich und meinen Bruder ziemlich viel Überzeugungsarbeit gekostet hatte, bis die ersten Disneys bei uns einziehen durften – war es mit Tim und Struppi ganz anders: Mir nichts, dir nichts hatten wir sämtliche Bände im Haus, sie stehen noch heute bei mir im Regal. Woran das lag, dass Hergé die elterliche Zensur so anstandslos passiert hat, weiß ich bis heute nicht. Aber ich bin auch ganz dankbar dafür, denn Tim, Struppi, Käpitän Haddock, Schulze und Schultze, Professor Bienlein, Bianca Castafiore waren aus unserem Kinderzimmer nicht mehr wegzudenken. Und Haddocks Fluchereien bildeten meine erste bewusste Erinnerung an Sprachwitz und Sprachspiel, die eigentlich auch heute noch ihresgleichen suchen.

tim15Mit diesen Figuren bin ich dann also auf Weltreise gegangen, Amerika und Afrika fand ich zwar nicht so spannend, aber es gab ja genug Auswahl. Heute halte ich diese beiden Bände eh für die schwächeren, zumal sie mit ihrem offensichtlichen Rassismus nicht mehr tragbar sind.
Aber die späteren Abenteuer, in denen es Tim nach China, an den Amazonas, nach Arabien, Ägypten, Schottland und auf den Mond verschlägt, habe ich geliebt. Sie zeigten mir diese damals noch ziemlich fernen Länder, die neben den Schurken, Trotteln, verrückten Wissenschaftlern, Bonzen und einfachen Leuten auch immer eine eigene Rolle in den Geschichten spielten.

Heute erkennen wir sie natürlich als schlicht dargestellt, zum Teil mit Klischees behaftet, aber mir gaben sie damals ein Gefühl von Abenteuer und Aufregung und weckten meine Neugierde auf Orte, Geschichten und Lebensarten außerhalb unseres Landes. Denn neben den Schurken gab es in diesen Ländern auch immer liebenswerte Menschen und faszinierende Kulturen, die man auch im richtigen Leben entdecken sollte.

Bis jetzt habe ich im wahren Leben natürlich längst nicht all diese Länder und Kontinente bereist, schließlich bin ich kein rasender Reporter, aber Tim hat nicht wenig dazu beigetragen, dass ich mich immer wieder gern auf Reisen begebe. Seine Abenteuer waren zwar durchweg spannender, aber meine dafür echt.

tim14

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, welche Einflüsse Hergé mir mit seinen Comics noch auf den Weg gegeben hat, so ist es ganz klar mein Faible für seinen Zeichenstil, die Ligne claire. Sobald mir heute Comics oder Graphic Novels in diesem Stil in die Hände fallen, kann ich meist nicht anders und muss sie haben. Es gibt ganz sicher jede Menge faszinierende, neue und alternative Arten zu zeichnen und zu illustrieren, und ich lasse mich auch gern auf neue Experimente ein und bin von vielen Stilen angetan – aber bei Ligne claire wird bei mir immer dieser wohlige Kindheitseffekt ausgelöst, den ich mit Tim und Struppi verbinde und den ich vermutlich mein Leben lang nicht mehr loswerde. Ich glaube, es gibt Schlimmeres… Dank an Hergé für diese perfekte Kindheitserinnerung und herzlichen Glückwunsch zum 85. Geburtstag.

Hergé: Tim und Struppi, Band 1-23, Carlsen Verlag, je 9,99 Euro

tim5

tim4tim22tim3

[Jugendrezension] Kampf den Abtrünnigen

dancing maxDie Geschichte um ein böses Buch geht in die zweite Runde…

Dancing Jax – Zwischenspiel von Robin Jarvis ist der zweite Teil einer Trilogie, deren ersten Teil ich hier bereits besprochen habe.

Das Buch „Dancing Jax“ hat nun schon ganz Großbritannien in Besitz genommen und versucht nun, sich weiter auszubreiten. Immer mehr Bücher werden produziert. Bereits 63 Millionen Exemplar sind verkauft, fast jeder Brite besitzt ein Buch. Doch es gibt immer noch Abtrünnige.
Da viele Kinder bis 16 Jahren immun gegen das Buch sind, werden sie eingesammelt und in ein Camp gebracht. Ihnen sagt man, dass sie ein schönes Wochenende haben werden, was sich aber schon bald als anders herausstellt. Dieses Mal gibt es keine wirkliche Hauptfigur, sondern die Kinder stehen im Mittelpunkt. Jedes Kind ist anders und jedes hat ein bestimmtes Merkmal und eine eigene Persönlichkeit: Da ist das mit der Gitarre, das dicke Kind, der Macho …

Der Ismus, der König von Mooncaster, versucht mit allen Mitteln, die Kinder mit dem Buch in Besitz zu nehmen und wie ganz Großbritannien zu kontrollieren.
Unter den Kindern befindet sich jedoch der so genannte Castle Creeper. Dieser kann die Menschheit vor Mooncaster schützen und die Bücherverbreitung stoppen. Denn er kann  zwischen Mooncaster und der Realität hin und her reisen.
Er ist eine Gefahr für den Ismus, weil er Sachen stehlen und Pläne kaputt machen  kann.
Doch zuerst muss der Ismus den Castle Creeper finden, denn erst dann, kann er ihn für seine Zwecke einsetzen. Es beginnt eine aufregende Geschichte. Kann die Verbreitung des bösen Buches noch gestoppt werden?

Dieser zweite Teil der Trilogie ist noch besser als Dancing Jax – Auftakt. Es fängt sofort spannend an und endet genau so packend – und keine Stelle in dem Buch ist langweilig. Die Handlung spielt sowohl in der Traumwelt Mooncaster, als auch in der Realität, also insgesamt sehr abwechslungsreich. Im ganzen Buch gibt es ein großes Rätsel, welches am Ende aufgelöst wird und sehr überraschend ist.

Aber es ist auch schockierend, wie die Kinder im Camp behandelt werden.  Bei jeder Kleinigkeit gibt es eine Strafe. Ein Mädchen wird zum Beispiel zwei, drei Tage ohne Essen und Trinken eingesperrt. Oder die Kinder werden geschlagen. Es ist ab und zu schon sehr hart. Die Kinder haben mir beim Lesen richtig Leid getan. Sie können nichts dagegen tun, was mit ihnen gemacht wird. Ich habe die Verzweiflung schon fast gespürt.

Außerdem bringt das Buch zum Nachdenken: Wenn niemand mehr eine eigene Meinung hätte, würde alles nur von einem Menschen kontrolliert, wie hier vom Ismus. Keiner kann dann mehr entscheiden, was er machen will, und keiner traut sich mehr etwas zu sagen, weil er Angst hat, dass er bestraft wird. Das finde ich nicht gut.

Ich empfehle Dancing Jax – Zwischenspiel jedem, der das erste Buch auch schon mochte denn es übertrifft das erste Buch sogar. Für jeden der Spannung, Fantasy und eine Hand voll Rätselspaß mag, ist es genau das Richtige.

Auf den dritten Teil bin ich schon sehr gespannt.

Laura (14)

Robin Jarvis: Dancing Jax – Zwischenspiel, Übersetzung: Nadine Mannchen,  script5, 2013, 544 Seiten, ab 14, 14,95 Euro

[Jugendrezension] Verborgene Erinnerungen

janafreyKassandra Armadillo ist die jugendliche Hauptfigur aus dem Roman Weil du fehlst von Jana Frey. Kassandra ist in den Staaten geboren, zieht aber, seit dem Tod ihres Vaters, mit ihrer Mutter und ihrer hochbegabten kleinen Schwester Oya von einer Stadt in die nächste, da ihre Mutter es nirgendwo lange aushält.

So hat sie schon in einem kleinen Dorf in Rumänien, in Prag, auf der italienischen Insel Stromboli und in Paris gelebt. Als Kassandra siebzehn ist zieht die kleine Familie (inklusive Kater Billyboy) zurück nach Amerika. Dort wird Kassandra mit ihrer Vergangenheit konfrontiert…

Jana Frey hat einen unglaublichen Schreibstil, der sehr eigenwillig ist, an den man sich jedoch schnell gewöhnt und ihn schätzen lernt. Man kann sich zu Beginn gut in Kassandra hineinversetzen und selbst die Randcharaktere haben ausgeprägte Persönlichkeiten. Die Geschichte ist gut durchdacht, obwohl man schon am Anfang ahnt, was passieren wird. Sie wird langsam aufgebaut, wie ein Turm, eine Skulptur, die etwas in ihrem Inneren versteckt. Teilweise droht sie zu zerbrechen und zu zeigen, was sie versteckt. Leider ist es nicht wirklich witzig, abgesehen von ein  paar Stellen die (wahrscheinlich unfreiwillig) komisch sind. Zu Beginn ist die Geschichte sehr spannend, flacht dann aber merklich ab und wird fast langweilig.

Das Familiendrama ist gut überlegt und wirklich interessant geschrieben, aber bei etwa der Hälfte scheint die Autorin diesen Strang der Geschichte leider zu verlieren und verzettelt sich in einem absurden wie unnötigen Handlungsstrang über die Beziehung zwischen Kassandra und ihrem Vertrauenslehrer Mr. Rosen.
Es ist sehr schade das die Geschichte über ihre Familie so unvollkommen im Nichts verläuft und durch eine Liebesgeschichte abgelöst wird, deren trauriges Ende vorherzusehen ist. Das Handeln der Personen wird undurchschaubar und verwirrend und man möchte es eigentlich so machen wie Oya: Wenn es seltsam wird, nach Schweden ziehen und alles vergessen. Auch das Buch.

Dieses Buch ist vor allem etwas für Mädchen und keinesfalls für unter 14-Jährige geeignet.

Emilia (15)

Jana Frey: Weil du fehlst, Fischer KJB, 2013,  224 Seiten, ab 12, 12,99 Euro

Von Feldgrauen und Strickstrümpfen

Nesthäkchen2014 wird das Jahr der Weltkriege. Hundert Jahre ist der Ausbruch des ersten, 75 Jahre der des zweiten Weltkrieges her. Doppelter Grund, sich mit dem Thema Krieg ausführlich zu beschäftigen. Zudem ist es ja nicht so, dass unsere Welt im Frieden lebt.

Nachdem ich vor ein paar Monaten bereits über die Erst-Weltkriegs-Geschichte Feldpost für Pauline geschrieben habe, ist mir nun – mehr oder minder durch Zufall – Else Urys Band Nesthäkchen und der Weltkrieg in die Finger gekommen.
Mit den Nesthäkchen-Büchern bin ich groß geworden, als Kind habe ich sie geliebt, von diesem Band habe ich lange nichts gewusst, ist er auch nicht mehr im Buchhandel erhältlich.
Obwohl ich vor ein paar Jahren in Nesthäkchen wieder hineingelesen habe und mich mit der alten Erzählart und dem antiquierten Erziehungskonzept überhaupt nicht mehr anfreunden konnte, war meine Neugierde auf diesen zehnten Band ungebrochen.

Vielleicht liegt das an meiner Leidenschaft, Quellen, soweit es mir möglich ist, im Original zu lesen. So habe ich das Gefühl, unmittelbarer in die Zeit und die Geschehnisse eintauchen zu können. Bei Nesthäkchen und der Weltkrieg ist das eine Gratwanderung und ein zweifelhaftes Vergnügen, denn das Buch wird zu Recht nicht mehr aufgelegt, ist doch der Patriotismus, der aus jeder Seite tropft, für uns erwachsene Nachgeborene kaum zu ertragen. Da wehen beständig die Fahnen des Deutschen Reichs, die Siege der deutschen „Krieger“ werden bejubelt, feindliche Staaten – England, später Italien – verunglimpft, die polnische Mitschülerin Vera von Nesthäkchen als Feindin und Spionin gebrandmarkt. Das liest sich heute nicht schön und ist in keiner Zeile akzeptabel. Selbst wenn sie ihre Protagonisten wegen überzogenem Patriotismus auch immer mal wieder abmahnt und bestraft. Diese so leis geäußerte Kritik an dem ganzen Kriegsgerummel geht in dem Getöse jedoch fast unter, dass man sie leicht überlesen könnten.

Doch fand ich in der Geschichte um die Kriegsjahre 1914 bis 1916 in Berlin auch Details, die Aha-Momente bei mir auslösten. Das waren die Stellen, in denen Else Ury als getreue Zeitzeugin und Dokumentarin den Kriegsalltag der Frauen und Kinder schildert. Da wurden die Schulen zu Lazaretten umfunktioniert, Rohstoffe wie Kupfer und Wolle gesammelt, Lebensmittel rationiert. Nesthäkchen strickt Strümpfe für die Feldgrauen an der Front, sie steht für die eingeschränkte Butterration an, hilft ärmeren Menschen, erlebt den Tod von Bekannten und sieht sich mit dem Leid der Flüchtlinge aus Ostpreußen konfrontiert. Zudem muss sie 1916 erleben, dass die Sommerzeit eingeführt wird, um Ressourcen zu sparen.
Auch der Wandel in der arbeitenden Gesellschaft geht an dem Mädchen nicht unbemerkt vorbei: Auf einmal arbeiten Frauen als Briefträgerinnen, Schaffnerinnen und Taxichauffeurinnen. Das, was neulich die Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen im Zuge einer Forschungsarbeit über die Darstellung des Krieges im Film festgestellt hat, dass die Kriege des 20. Jahrhunderts den Frauen „gut“ taten, im Sinne, dass sie Arbeit fanden, erkennt man auch bei Ury.
Die Autorin wertet diesen Wandel allerdings nicht, so kann man also nur vermuten, dass sie diesem Faktum durchaus auch etwas Positives abgewinnen konnte. Denn Else Ury, assimilierte Jüdin, die 1943 in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, war geprägt durch die wilhelminische Zeit, erlernte keinen Beruf, weil das damals für Mädchen nicht üblich war – und emanzipierte sich quasi durch ihre Arbeit als Schriftstellerin. So soll sie allein von diesem Nesthäkchen-Band angeblich 300.000 Exemplare verkauft haben. Durch ihre schriftstellerische Arbeit wurde Ury zu einer der erfolgreichsten und bekanntesten Frauen der Weimarer Republik.

Wie gesagt – ich bin hin und hergerissen, wie Nesthäkchen und der Weltkrieg heute gesehen und gewertet werden kann. Anders als historisch-dokumentarisch eigentlich nicht. Ury gibt trotz all ihrer Naivität und dem Patriotismus, der bei den Intellektuellen der damaligen Zeit ja durchaus nicht ungewöhnlich war, immerhin einen authentischen Einblick in die Zeit des ersten Weltkriegs. Dabei ist ihr Text von der eigenen Biografie als Kind einer gutbürgerlichen Familie durchzogen, das spürt man deutlich. Daneben zeigt sie jedoch auch durchaus menschlich und mitfühlend, wie die Kinder weit entfernt von der Front vom Krieg betroffen waren. Dem patriotischen Nesthäkchen stellt sie die Schicksale vom Flüchtlingskind Max, der armen Trude und der Deutsch-Polin Vera entgegen. Und im Laufe der Zeit und der Lektüre werden die Schrecken des Krieges unmittelbarer, sowohl für Nesthäkchen, die aus ihrer heilen Kinderwelt ein kleines Stück vertrieben wird, als auch für den Leser.

Sind die heute noch erhältlichen Nesthäkchen-Bände von jeglichen Hinweisen auf die Historie bereinigt, so lässt sich in diesem Band die Geschichte nicht herausstreichen, ist sie doch der eigentliche Protagonist. In diesem Sinne kann man diese Nesthäkchen-Episode folglich nur als eines lesen: als einen O-Ton aus dem Jahr 1917.

Else Ury: Nesthäkchen und der Weltkrieg, Hoch Verlag, 1917/1924.

Entronnen

kindertransportDie Zeitzeugen, die den zweiten Weltkrieg und vor allem die Judenverfolgung überlebt haben, werden immer weniger. Umso wichtiger ist es, die wenigen, die noch erzählen können, anzuhören. So kann man jetzt die Geschichte der Jüdin Marion Charles nachlesen und zwar in ihrem autobiografischen Roman Ich war ein Glückskind, den Anne Braun souverän ins Deutsche übersetzt hat.

Mit Hilfe von alten Briefen und ihrem Tagebuch erzählt Marion Charles der Schülerin Anna von ihrem Schicksal. Marion wächst in Berlin-Dahlem in einer wohlhabenden Fabrikanten-Familie auf. Die Familie empfindet sich nicht als jüdisch, sondern als durch und durch deutsch. Marions Vater hat im ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft und ist schwer verletzt zurückgekehrt. Das Gebaren der Nazis scheint die Familie zunächst nicht zu betreffen.
Doch mit der Progromnacht vom 9. November 1938 ändert sich alles. Die Familie muss ihre Villa verlassen und in eine kleine Wohnung ziehen. Marion muss sich von Möbeln und Spielzeug trennen. Auch in ihrer alten Schule kann sie nicht mehr bleiben, sie wechselt auf eine rein jüdische Schule. Da die Situation immer bedrohlicher wird, beschließen Marions Eltern, ihre Tochter mit dem Kindertransport nach England in Sicherheit zu bringen.

Marion entkommt den Nazihäschern, bricht aber dennoch in eine ungewisse Zukunft auf. Denn in England wird sie nur scheinbar mit offenen Armen empfangen. Die 12-jährige muss feststellen, dass es den Menschen, die ihr helfen, nicht unbedingt nur um sie geht. So will die erste Frau ihr Image als Wohltäterin in der Gemeinde aufpolieren, die zweite Familie ist auf das Kostgeld angewiesen, das sie für Marions Unterbringung erhält, und in der dritten Station trifft Marion auf eine Antisemitin. Trotz all dieser Widrigkeiten verliert das Mädchen jedoch nie die Hoffnung, ihre Familie wiederzusehen, auch wenn es Jahre dauern soll …

Der Ton in dem Marion Charles ihre Geschichte erzählt ist überaus persönlich und dadurch zutiefst authentisch. Dabei ist sie nicht von Ressentiments oder Hass geprägt, sondern vom Wunsch durchdrungen, gegen das Vergessen zu erzählen. Gebannt verschlingt man dieses Schicksal und sieht so über ein paar strukturelle Schwächen hinweg. So zitiert Charles nämlich anfangs die Briefe der Eltern nicht, und der Leser erfährt nichts von dem bedrohten Leben in Deutschland. Dies ändert sich jedoch im hinteren Teil, so dass eine Ahnung von den Schrecken in Berlin entsteht, aber auch von dem Mut und der Gewitztheit von Marions Mutter, die den Nazis ebenfalls entkommt.

Marion Charles‘ Ich war ein Glückskind ist ein eindrucksvolles Zeugnis einer Facette der Judenverfolgung. Ihre Sehnsucht nach den Eltern berührt. Dafür, dass Marion der Vernichtung entgangen ist, hat sie also durchaus einen Preis gezahlt. Dennoch hält sie sich selbst für ein Glückskind und kehrt später sogar nach Deutschland zurück. An Judith Kerr und Anne Frank kommt Marion Charles zwar nicht heran, doch sie liefert jungen Lesern eine weitere Stimme, die die Geschichte einer jungen Jüdin erzählt, die glücklicherweise überlebt hat. Dass Marion Charles bei all dem nicht verbittert ist, ist wahrscheinlich das Beeindruckendste.

Marion Charles: Ich war ein Glückskind. Mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport, Übersetzung: Anne Braun, cbj, 2013, 224 Seiten, ab 12, 9,99 Euro