Manchmal spürt man bei Büchern bereits in dem Moment, in dem man sie in die Hand nimmt, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Die Sprache des Wassers von Sarah Crossan gehört dazu: Leineneinband, Lesebändchen, poetisches Cover. Als ich es dann aufschlug, dachte ich zunächst, ich hätte mich geirrt und statt des erwarteten Romans eine Gedichtsammlung vor mir. Die Überraschung war total gelungen, denn Die Sprache des Wassers ist beides – ein Roman in Gedichtform.
Sarah Crossan erzählt darin die Geschichte der fast 13-jährigen Kasienka, die mit ihrer Mutter aus Polen nach England auswandert, auf der Suche nach dem Vater. Dieser hat aus ungenannten Gründen die Familie verlassen, womit sich die Mutter aber nicht abfinden will.
Kasienka muss sich nun ein Zimmer mit der Mutter teilen, in der Schule eine Klasse wiederholen, weil man ihr als Polin nichts zutraut. Die Mitschüler beachten sie nicht, Claire fängt an, sie zu mobben. Kasienka fühlt sich einsam, auch die Mutter ist ihr in ihrer Verzweiflung keine Stütze. Nur William nimmt sie wirklich wahr und macht ihr Mut, in das Schwimmteam der Schule einzutreten. Denn im Wasser fühlt sich Kasienka aufgehoben und ganz bei sich, im Wasser weiß sie, wer sie ist.
Als der Nachbar Kanoro, ein Kinderarzt aus Kenia, der in einem Krankenhaus als Putzkraft arbeitet, ihr eines Tages einen Zettel mit der Adresse des Vaters in die Hand drückt, findet Kasienka heraus, dass der Vater eine neue Familie hat. Das macht das Leben für sie nicht gerade leichter.
Crossan lässt Die Sprache des Wassers von Kasienka aus der Ich-Perspektive in freien Versen erzählen. Was sich anstrengend oder sperrig anhört, fängt einen mit seinem poetischen Ton von der ersten Zeile ein. Plätschernd wie Wasser eröffnen sich die Welten von Emigranten, die mit der Ablehnung der Einheimischen kämpfen müssen, von Familienkrisen, Trennung, Schulmobbing, Identitätskrise und erster Liebe. Die klaren Sätze, wunderschön von Cordula Setsman ins Deutsche übertragen, berühren, auch durch ihre leisen Töne. Dennoch ersparen sie einem nicht die Wucht der schrecklichen Erfahrungen, die Kasienka auf dem Weg ins Erwachsenenleben machen muss. Die Lektion, dass sie nicht für das Unglück ihrer Mutter verantwortlich ist und ihren eigenen Weg gehen muss, hätte schöner kaum verpackt werden können.
Sarah Crossan: Die Sprache des Wassers, Übersetzung: Cordula Setsman, mixtvision, 2013, 232 Seiten, ab 14 , 13,90 Euro