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Glück mit vier Pfoten

Vor kurzem habe ich über einen Wunderhund gemeckert, die schneeweiße Retrieverhündin Alaska in Anna Woltz’ gleichnamigen Roman, weil mir das Tier doch etwas zu gut erschien, um wahr zu sein.

Jetzt kommen hier gleich zwei Hunde vor, und die sind alles andere als immer nur brav und duftend. Mein kleiner Hund Mister und Ein Hund namens Kominek sind zwei absolute Individuen und Charaktertypen, und genau das macht sie so sympathisch. Als Rudel brauchen beide nicht mehr als jeweils einen menschlichen Gefährten und von gehorsam unterordnen kann nicht die Rede sein. Eher auf der Nase rumtanzen und das ist bei Kominek fast wortwörtlich gemeint, doch dazu später mehr.

Mit dem struppigen Hund Mister und dem Erzähler fängt es denkbar zwiespältig und deshalb umso vielversprechender an: „Das ist keine so gute Idee“, sagt der Mann, als eines Tages ein kleiner Hund vor seiner Tür steht und sagt, er wolle bei ihm wohnen. Er habe einfach keine Zeit, er lasse sich nicht gern die Schnauze lecken, und einen Wachhund brauche er auch nicht. „Ich finde, nasse Hunde riechen grässlich“, kommt erschwerend dazu.

Aber der ungebetene Gast, von dem grandiosen Wolf Erlbruch hinreißend lebendig und ausdrucksstark gezeichnet, ist hartnäckig. Und so wird der Mann ein Herrchen wider willen, wobei selbst Herrchen schon viel zu viel vermeintliche Dominanz vorgaukelt. Vor allem ist er Unterhalter, Begleiter und Verfütterer von Leberwurstbroten an seinen haarigen Freund, den er trotz aller Frechheiten schon bald nicht mehr missen möchte.

Der Eingangsszene folgen viele tierisch gute Geschichten, die der Mann dem Hund Mister erzählt, moderne Fabeln und „Menschengeschichten“, wie Mister klug betont, weil sie so sind, wie Menschen glauben, dass Tiere denken und sich verhalten würden. Mister betreibt auf diese Art interessante anthropologische Studien, denen die Leser und Zuhörer durch seine gewitzten Einwände und Nachfragen folgen dürfen.

Der dänische Autor Thomas Winding, geboren 1932 (und 2008 gestorben) schreibt ungeheuer modern, von Gabriele Haefs ebenso frisch und klar übersetzt, allein seine Neuinterpretation des Märchens vom „Fischer un sin Fru“ als Portrait einer glücklichen Ehe lohnt das Buch. Oder die „Geschichte über Hühner im Wohnzimmer“, die von einem in sehr bedrängten Verhältnissen lebenden Mann handelt, der einfach nur mal seine Ruhe möchte und Rat beim Nachbarn sucht. „Es war einmal ein Mann, der allen Grund zum Jammern hatte.“ „Ja, wer hat das nicht“, kommentiert Mister. Nach einigen Tagen wundert er sich zwar über die „bekloppten Ratschläge und fragt sich, ob der Gute den Verstand verloren hat. Und doch gibt es eine überraschende Lösung und ein glückliches Ende.

Glücklich ist auch Mister mit seinem selbstgewählten Zuhause und Gefährten. Aber das war nicht immer so: Beim Anblick eines Spazierstocks reagiert das sonst so selbstbewusste Wesen sehr verstört und verängstigt – weil er als junger Hund gequält und fast totgeprügelt worden ist. Der geprügelte Hund steckt für immer in ihm drin.

Geprügelt wurde der kleine, schwarze Mischling Kominek nicht. Anfangs lebt er glücklich mit dem alten Autoschrauber Tadeusz auf einem Schrottplatz am Rande eines Dorfs am Fuß der Karparten. „Und so soll es für immer bleiben. Aber nichts im Leben ist für immer.“ Tadeusz stirbt. Das ist der traurige und spannende Beginn seiner Freundschaft mit Janusz, dem Klarinette spielenden Briefträger. Auch diese Beziehung beginnt unter widrigen Bedingungen. Und es dauert einige Zeit, bis der verwaiste Vierbeiner Vertrauen fasst und sich schließlich wieder „schnudelwohl“ in seinem Fell fühlt – er ist eine Mischung aus Schnauzer und Pudel.

Die Geschichte von Kominek und Janusz ist auch eine Liebeserklärung an das Land Polen und seine freundlichen Bewohner: 2017 erhielt die in Berlin Kreuzberg lebende Antje Bones ein Künstlerstipendium der Villa Decius in Krakau, das hat sie offensichtlich nachhaltig beeindruckt. Auch der Stadt huldigt sie: „In Warschau spielt die Politik, in Krakau der Jazz“, weiß Janusz und schwärmt von den unzähligen Clubs, die er selbst nur aus Erzählungen kennt. Jazz war schon immer die Musik freier Geister. Für Janusz und Kominek wird es das Tor in die weite Welt und in die Heimat des Jazz, nach Amerika (wobei die USA und geistige Freiheit unter Präsident Trump eher ein Oxymoron sind, aber in Kinderbüchern sei diese Analogie verziehen)

Wahrscheinlich hat der kleine Hund Mister recht und es sind letztlich keine Tiergeschichten, sondern wieder Menschengeschichten. Sie erzählen von unbedingter Freiheitsliebe, vom Respekt für das Individuum und vom großen Glück, das eigentlich ganz einfach ist: ein seelenverwandtes Wesen, genug zu Essen, ein Leben in Freiheit, ohne Angst. Glücklich macht Rumtoben, durch die Gegend stromern, in Dreck wälzen, schubbern, eine schöne Melodie oder ein unverhoffter Sommerferientag am Elbstrand mitten im April.

Natürlich kann ich als Katzenliebhaberin den Hunden nicht ganz das Feld überlassen, und seien sie auch noch so liebenswerte Typen. Dass Katzen nicht nur ganz reizenden Wesen sind, sondern auch ausgesprochen nützlich sein können, zeigt das Bilderbuch Sechs Gründe für schwarze Katzen der Italienerin Francesca Cosanti.

Mit viel Witz und Humor versucht Lili ihrer Mutter die große Schar schwarzer Samtpfoten schmackhaft zu machen: Nicht nur „sehen sie schöner aus als Gartenzwerge“, sie lassen sich auch vielseitig als stilvolle Accessoires aus dem Schöner-Wohnen-Spektrum verwenden: Zum Beispiel als hübsche Sofakissen, Buchstützen und Kleiderbügel. Die flächigen, farbenfrohen Bilder sind eine Augenweide und sehr überzeugend. Obwohl Cosanti auf dem hinteren Vorsatzpapier zeigt, dass Katzen natürlich lebendige Tiere mit eigenen Köpfen und nicht nur dekorativ sind. Deshalb unbedingt Restexemplare diese schnurrigschönen Buchs von 2012 kaufen.

Thomas Winding: Mein kleiner Hund Mister, Übersetzung: Gabriele Haefs, Illustrationen: Wolf Erlbruch, dtv Reihe Hanser, 2018, 160 Seiten, ab 8, 10,95 Euro

Antje Bones: Ein Hund namens Kominek, Illustrationen: Jasmin Schäfer, Knesebeck, 2018, 128 Seiten, ab 6, 13 Euro

Francesca Cosanti: Sechs Gründe für schwarze Katzen, aracari, 2012, 32 Seiten, ab 4, gebraucht ab 5,50 Euro

Ein Hoch auf das Herz!

herzenEigentlich ist mir der Valentinstag ja so was von wumpe. Mögen Floristen und Schokoladenhersteller ein gutes Geschäft machen. Bitte sehr.
Doch in den heutigen Zeit, in denen scheinbar alles aus dem Gleichgewicht geraten ist, Hass und Gewalt schon fast wieder salonfähig sind, es den Terror fast braucht, um uns wieder an unsere Menschlichkeit und unser Mitgefühl zu erinnern (was ich so ganz klar nicht möchte!), da ist mir doch ein Tag, an dem  die Liebe gefeiert wird, sehr willkommen.

Dass es in unseren Herzen jedoch mehr gibt als die romantische Liebe, zeigt die französische Journalistin Jo Witek in ihrem Bilderbuch In meinem kleinen Herzen, ganz fein übersetzt von Stephanie Menge. Das menschliche Herz ist ein erstaunliches Organ, hält es doch unseren Körper lebendig, pumpt unablässig Blut durch unsere Adern und kann, wenn es aus dem Takt gerät, unser Leben aus dem Tritt bringen.

Symbolisch ist unser Herz zudem das Zentrum unserer Gefühlswelt, die Witek in wenigen poetischen Worten auf den Punkt bringt. Freude und Glück treffen in diesem Herzen auf Wut, Angst, Trauer. Ein kleines, namenloses Mädchen, entzückend gezeichnet von Christine Roussey, führt den Leser durch diese Hochs und Tiefs der Emotionen. Da wird das zerbrechliche Herz mit einem Verband umwickelt, oder es ist schwer wie ein Elefant und leicht wie ein Luftballon. Monster machen Angst, Überraschungen fröhlich. Dann wieder ist das Herz ganz klein und schüchtern.

Der Clou an diesem feinen Buch sind die bunten, ausgestanzten Herzen auf jeder Doppelseite. Damit reiht sich Witeks Buch in die Tradition von Die kleine Raupe Nimmersatt, Das Loch und  Unsere Erde, in denen Löcher in den Seiten eine wichtige erzählerische Funktion übernehmen. Vom Cover beginnend bilden sie einen herzförmigen Krater, der im Garten der Gefühle endet und die Zufriedenheit als quasi höchstes Gut feiert.
Genau daran erinnern wir uns heute immer viel zu wenig – ich ebenso –, denn natürlich gibt es immer etwas zu meckern, anzumahnen, zu verbessern. Gewisse Zustände sollte und darf man selbstverständlich auf keinen Fall akzeptieren, doch genauso wenig sollte man vergessen, dass die Gefühle in unserem Herzen uns den Weg zum Glück und zur Zufriedenheit ebnen können, wenn man nur mal genau hinhört und -fühlt.

Also feiert die Liebe, genießt den Valentinstag, möge jeder Tag ein Valentinstag sein, dann hätte niemand mehr Zeit für Hass und Krieg. (Jetzt dürft ihr mich naiv nennen.)

Jo Witek: In meinem kleinen HerzenÜbersetzung: Stephanie Menge, Illustrationen: Christine Roussey, Fischer Sauerländer, 2016,  32 Seiten, ab 4-99, 16,99 Euro

[Jugendrezension] Von Gut und Böse

mörderEin Haus am Ende der Welt. Nur umgeben von Felsen und Klippen. Keiner kommt zufällig zu diesem abgelegenen Ort am südlichen Rand von Chile. Dort leben der Bauer Poloverdo, seine Frau und ihr Sohn Paolo. Das Leben hier ist grausam. Paolo wächst eher wie eine zähe Pflanze auf, denn als ein Mensch. Gefühle wie Liebe sind ihm fremd.

Genauso geht es dem Mörder Angel Alegría. Wieder einmal ist er auf der Flucht. Dann findet er das perfekte Versteck: ein Haus am Ende der Welt, umgeben nur von Felsen und Klippen. Das Einzige, was ihn stört, sind seine Bewohner. Ohne mit der Wimper zu zucken, schneidet Angel dem Mann und der Frau die Kehle durch. Doch plötzlich steht ein Kind vor ihm, verdreckt, unschuldig und furchtlos: Paolo. Da der Junge keine Gefahr für ihn darstellt, lässt Angel ihn leben.

Die Zeit vergeht, und langsam entwickelt sich eine Art Zuneigung zwischen dem Mörder und dem Kind. Angel spürt zum ersten Mal so etwas wie Verantwortung. Und Liebe. Ein Leben ohne Paolo kann er sich nicht mehr vorstellen.

Als der gebildete Luis auftaucht, kämpfen plötzlich zwei Männer um Paolos Zuneigung, und der Junge erlebt eine Art von Glück. Doch dieses Glück währt nicht ewig. Auch in einem Haus am Ende der Welt ist man nicht sicher vor der Vergangenheit.

Die beiden Hauptpersonen in dem Roman Der Mörder weinte von Anne-Laure Bondoux haben ein hartes Leben und sind vom Schicksal gestraft. Man freut sich mit ihnen, wenn sie zum ersten Mal Glück empfinden, doch man vermutet gleich, dass es nicht so weitergehen wird. Am liebsten würden die beiden ihr Glück packen und festhalten, doch es zerrinnt ihnen unter den Fingern.

Ich fand es faszinierend, wie sich eine Beziehung zwischen Angel und Paolo entwickelte und die beiden sich stetig veränderten. Anne-Laure Bondoux beschreibt es sensibel und mit viel Fingerspitzengefühl. Wunderschön, wie unter der rauen Schale Angels ein weicher Kern zum Vorschein kommt. Ein weicher, verletzbarer Kern, auf den schon der Titel hindeutet.

Am Beispiel von Angel sieht man, wie Menschen in die Kriminalität hineinrutschen, zu Mördern werden. Man fragt sich, was aus einem selbst würde, wenn man unter solchen Umständen aufwachsen müsste.

Natürlich ist es seltsam, dass ausgerechnet Angel, der Mörder von Paolos leiblichem Vaters, so etwas wie ein Vater für Paolo wird. Was aber weit hergeholt klingen mag, macht hier absolut Sinn. Angel tötet Paolos Eltern, aber er zieht Paolo auf und beschützt ihn, wahrscheinlich besser, als seine Eltern es je vermocht hätten. Vielleicht wäre Paolo sonst auch zu einem Mörder geworden. Die beiden retten sich gegenseitig in ihren trostlosen Schicksalen.

Welche Strafe hat Angel verdient? Ist er nur ein brutaler Mörder? Gut und Böse liegen für mich in dieser Geschichte sehr nah beieinander.

Juliane (15)

Anne-Laure Bondoux: Der Mörder weinte, Übersetzung: Maja von Vogel, Carlsen Verlag, 2014, 192 Seiten, ab 12, 14,90 Euro

Trinkgeld fürs Leben

maulinaZweite Bände von Geschichten sind nicht zu beneiden. Noch bevor sie käuflich zu erwerben sind, ist die Erwartungshaltung bei den Lesern bereits gesetzt. Und die ist hoch, vor allem wenn Band eins ein Knaller war. Der Druck auf den Autor und sein Baby ist enorm, wahrscheinlich größer, als bei einer neuen, unabhängigen Geschichte. Finn-Ole Heinrich und seine Maulina Schmitt kann das jedoch nicht schrecken, erfüllen die beiden zusammen mit Rán Flygenrings Illustrationen doch in Warten auf ein Wunder alle Wünsche.

Maulina lebt weiterhin in Plastikhausen, redet immer noch nicht mit dem Mann und muss mit ansehen, wie es ihrer Mutter von Tag zu Tag schlechter geht. Bei den Dingen im Haushalt hilft Ludmilla mit und bekocht Mutter und Tochter mit köstlichen Suppen-Variationen. Im Laufe des Sommers zieht Rollstuhl Rolf in das winzige Haus ein. Er mag zwar angeblich die Mobilität der Mutter erleichtern, doch er ist ein sichtbares Zeichen eines behinderten Lebens. Maulina lässt sich davon aber immer noch nicht unterkriegen. Sie wartet mit dem General für Käse auf ein Wunder. Zur Überbrückung der Wartezeit hilft sie Paul bei einem Referat über die Berufe der Eltern, woraus sich ein Business für Brauseeis entwickelt.
Derweil hat der Mann eine neue Freundin, die Maulina von ihren Freunden bespitzeln lässt und so mit den neuesten Neuigkeiten versorgt wird. Wenn es wirklich unumgänglich ist, kommuniziert Maulina mit dem Mann über schriftliche Botschaften,  entführt kurzerhand das Zebra aus Mauldawien und nähert sich langsam dem Mann zwischen einer Maulplosion und der nächsten wieder an …

Das bis obenhin vollgepropfte Leben von Maulina lässt keine Zeit für Atempausen oder Langeweile – weder ihr noch dem Leser. An allen Ecken und Enden scheint es zu brennen: die MS-Krankheit der Mutter, der neu verliebte Vater, Pauls Eltern-Geheimnis, das Brauseeis-Unternehmen. Mit all dem jongliert Maulina auf bewundernswerte Weise, ohne dass ein Ball herunterfällt. Finn-Ole Heinrich verleiht ihr dabei – wie schon im ersten Band – eine Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Die übersprudelnden Ideen verpackt Heinrich wie gewohnt und geliebt in flockig-freche Sprache und zeigt dabei so viel Wärme und Menschlichkeit, dass man ganz ergriffen vor all dem Glück und Unglück zurück bleibt.
In genau so einem Augenblick, in dem Maulina total glücklich ist, möchte sie dem Leben ein Trinkgeld geben. Es ist zum Heulen. Und Lachen. Und Nachsinnen, wann man selbst mal dieses Trinkgeld  gegeben hat oder hätte geben sollen. Man nimmt sich sofort vor, nach diesem Moment im eigenen Leben zu suchen.
Und man möchte Maulina sofort, jetzt, hier in die Arme nehmen, sie schnuckeln und ihr die Auszeichnung in Gold für außerordentliche Tapferkeit und Maulhaftigkeit verleihen.
Der Autor bekommt zudem den Orden für das Wunder einer extrem hellsichtigen männlichen Selbstreflektiertheit, deren Sprachrohr natürlich Maulina ist.

Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Warten auf ein Wunder ist ein Hoffnungsbuch. Jungen Lesern zeigt Finn-Ole Heinrich, dass Krankheit kein Grund für absolute Verzweiflung sein muss. Das, was er im ersten Teil schon zum Niederknien angelegt hat, führt er in Band zwei weiter und erfüllt damit alle Erwartungen. Die Andeutungen zum nächsten Band lassen zwar schon Schlimmes erahnen, doch bei Maulinas sonniger Maulhaftigkeit ist man als Leser bereits guter Dinge, dass sie die ganz großen Herausforderungen des Lebens ebenfalls heldenhaft meistern wird.

Auch diesen zweiten Band hat Rán Flygenring wieder total liebevoll und detailreich illustriert und bereichert: das ist das nächste Wunder in diesem Wunderbuch. Einen herrlichen Eindruck von ihrem Strich und der gezeichneten Maulina gibt es hier:

Finn-Ole Heinrich/Rán Flygenring: Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Warten auf Wunder, Hanser, 2014, 208 Seiten, ab 10,  12,90 Euro

 

[Jugendrezension] Flucht in ein anderes Leben

zoe willZwei Jugendliche, die erste große Liebe, Freiheit, der Highway – was sich kitschig anhört, entpuppt sich als das Gegenteil. Die Geschichte von Zoe und Will von Kirsten Halbrook ist ein wirklich berührender Liebesroman mit Tiefe und Nachwirkung.

Die 15-jährige Zoe und der 18-jährige Will haben ein Leben voller Leiden hinter sich: Zoes Mutter starb, als sie ein Kleinkind war. Sie wird immer wieder von ihrem betrunkenen Vater verprügelt.  Will wuchs in Kinderheimen und Pflegefamilien auf. Zoe ist die Erste, die an Will glaubt, und er würde alles für sie tun. Um ein anderes Leben zu beginnen, brechen sie eines Nachts mit Wills altem Camaro (ein alter Sportwagen) auf. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist alles perfekt – doch Zoe und Will ahnen, dass ihr Glück nicht ewig währen wird …

Mit Die Geschichte von Zoe und Will hat Kristin Halbrook einen tollen Debütroman geschrieben. Eine Besonderheit ist, dass der Roman abwechselnd aus Zoes und Wills Perspektive erzählt, sodass man sich gut in die beiden hineinversetzen kann.

In dem Roman geht es um große Gefühle, die Kristin Halbrook beeindruckend gut schildert.  Zoes und Wills Geschichte ist traurig. Es ist die Geschichte zweier Jugendlicher, denen das Leben übel mitspielt, die sich aber gegenseitig Kraft und Mut geben. Man wünscht den beiden so sehr, dass sie endlich ihr Glück finden. Doch das Leben ist nicht gerecht. Am Ende wird die Handlung immer dramatischer, und man kann das Buch kaum aus der Hand legen.

Zoe und Will sind mir noch lange im Kopf geblieben. Es sind für mich nicht einfach gewöhnliche Romanfiguren. Es gibt viele Zoes und Wills auf dieser Welt. Kristin Halbrook hat ihnen durch diesen Roman eine Stimme gegeben.

Juliane (14)

Kristin Halbroh: Die Geschichte von Zoe und Will, Übersetzung: Beate Brammertz,   Heyne fliegt, 2013,  320 Seiten ab 14, 14,99 Euro

 

Glückslektüre

Kekse und Kuchen machen bekanntlich ziemlich glücklich. Wenn man zu dem Nachmittagskaffee oder -kakao auch noch die richtige Lektüre vor der Nase hat, ist der Tag auf jeden Fall gerettet. Meine neueste Empfehlung dafür ist der Roman Die Glücksbäckerei – das magische Rezeptbuch von Kathryn Littlewood, in der liebevollen Übersetzung von Eva Rieckert.

Rosemarin Glyck, kurz Rose, wächst in Calamity Falls auf und bemerkt mit zehn Jahren, dass die Mutter in der Familienbäckerei sonderbare Dinge in ihre Kuchen- und Keksteige rührt: einen Blitz, das Gähnen eines Wiesels, den Schweif einer Wolke. Die mysteriösen Zutaten bewirken bei den Konsumenten der Glücksbäckerei-Waren eine sofortige Genesung von Stromschlag oder Schlafwandelei und befreien feststeckende Menschen aus Brunnenschächten.
Die wundersame Heilung eines an Schweinegrippe erkrankten Jungen durch einen Kürbis-Käsekuchen schafft es bis in die Zeitung. Und so werden die „berühmten“ Eltern von Rose gebeten in einer anderen Kleinstadt zur Bekämpfung der Grippe-Epidemie ihre unschlagbaren Mandelcroissants backen. So lassen die Eltern die nun zwölfjährige Rose mit ihren drei Geschwistern allein in der Glücksbäckerei zurück. Die Nachbarin und der Bäckergehilfe passen auf die Kinder auf. Zuvor jedoch vertraut die Mutter Rose den Schlüssel zur Speisekammer an. Dort liegt das magische Rezeptbuch – von dem das Mädchen jedoch die Finger lassen soll.

Natürlich lässt sie nicht die Finger davon, denn Rose träumt, auch einmal Glücksbäckerin zu werden. Sie will den magischen Rezepten der Mutter auf die Spur kommen. Gemeinsam mit den Brüdern Tymo und Basil schreibt sie ein paar Zauberrezepte ab. Diese sind in altertümlicher Sprache und als Geschichten geschrieben und haben nichts mit üblichen Rezepten gemeinsam. Die Kinder lassen sich jedoch nicht abschrecken und probieren sich an Liebesmuffins, Wahrheitsplätzchen und Umkehr-kopfüber-von-innen-nach-außen-Kuchen. Doch seltsame Maßeinheiten wie Faust, Flamme, Lied, Eichel führen zu einem unvorstellbaren Chaos …
Zu allem Überfluss taucht, kaum dass die Eltern aus dem Haus sind, die coole Tante Lily auf ihrem Motorrad auf. Angeblich gehört sie zu einem entfernten Zweig der Glycks-Familie – und interessiert sich auffallend für das geheime Backbuch. Bei Rose kommen Zweifel auf.

Kathryn Littlewoods Glücksbäckerei erzählt eine turbulent-fantastische Zaubergeschichte, die man quasi mit einem Haps verschlingt. Rose ist eine liebenswerte Protagonistin, die sich eigentlich nichts mehr wünscht, als hübsch zu sein und von allen geliebt zu werden. Geliebt wird sie von den Lesern auf jeden Fall von Anfang an. Ihre Backversuche lassen einen mitfiebern, die Entdeckung der Kammer mit den geheimen Zutaten (wie das Auge eines Hexers und der Zwerg des Ewigen Schlafes) fügt eine Prise Grusel hinzu. Rose Charakter, ihre Entscheidungen, ihre Liebe zu den Geschwistern und den Eltern, das alles ist wie eine dicke, süße Schokoglasur, die einfach glücklich macht. Diese frisch-magische Geschichte ist wunderbares Lesefutter. Sie wärmt das Herz und stimmt eine Hymne auf leckeres Backwerk an.

Kathryn Littlewood: Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch, Übersetzung: Eva Riekert, Illustration: Eva Schöffmann-Davidov, Fischer KJB, 2013, 352 Seiten, ab 10, 14,99 Euro