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[Jugendrezension] Die Hoffnung ist ein Apfelkuchen

ApfelEinen Apfelkuchen, wie den aus Das Apfelkuchenwunder oder Die Logik des Verschwindens von Sarah Moore Fitzgerald, möchte wohl jeder einmal essen.

Denn der Apfelkuchen von Oscar scheint ein ganz besonderer zu sein. Er lässt Probleme vergessen und die Welt mit einem Mal viel besser aussehen. Doch als Oscar Schwierigkeiten bekommt, die auch der Apfelkuchen nicht verschwinden lässt, bekommt er es mit der Angst zu tun und taucht ab.
Als seine beste Freundin Meg aus dem Urlaub wiederkommt, ist sie überzeugt davon, dass er nicht, wie alle anderen sagen, Selbstmord begangen hat, sondern nur ein bisschen Abstand von allem braucht. Sie macht sich mit Oscars Bruder, der als einziger ihre Meinung teilt, auf den Weg, um Oscar zu suchen.
Abwechselnd wird aus Megs und Oscars Sichtweise beschrieben, wie Oscar gesucht wird und warum er „abgehauen“ ist. Doch ob er letztendlich gefunden wird, kann nur im Buch nachgelesen werden!

Ich fand das Buch Das Apfelkuchenwunder oder Die Logik des Verschwindens sehr spannend und unterhaltsam und es spricht nicht nur das große, doch eher unwahrscheinliche Problem, sondern auch die vielen kleinen Alltagsschwierigkeiten an, wodurch es dann sehr realitätsnah erscheint. Mir gefällt die Spannung, die aufgrund des Verschwindens entsteht, aber auch die Tatsache, dass die Hoffnung immer bestehen bleibt.

Ich empfehle das Buch Mädchen im Alter von 11 bis 15 Jahren. Besonders Romanliebhaberinnen, die gern über Freundschaft und Liebe lesen, werden das Buch mögen.

Bücherwurm (13)

Sarah Moore Fitzgerald: Das Apfelkuchenwunder oder Die Logik des Verschwindens, 
Übersetzung: Adelheid Zöfel, Fischer KJB, 2015, 256 Seiten, ab 12, 14,99 Euro

[Jugendrezension] Die unsichtbare Freundin

lunaWillst du wirklich eine Prinzessin wie Luna-Lila als Freundin haben, so wie Wilma in dem Buch Luna-Lila – Das allergrößte Beste-Freundinnen-Geheimnis von Anu und Friedbert Stohner?
Überlege es dir gut, denn nicht alle Prinzessinnen sind lieb und immer gut gelaunt …

Eine von diesen launischen Prinzessinnen ist Luna-Lila, die im Übrigen für alle Menschen unsichtbar ist, allerdings nicht für Wilma, ihre Freundin. Wilma hat seit ein paar Wochen Probleme, die sich um ihre oberfiesen, neuen Mitschüler, die Zwillinge und „Klassenmacker“ Ulli und Olli drehen. Die Beiden machen sich dauernd wichtig, ärgern ihre Klassenkameraden und setzen sie unter Druck. Eines Morgens verschwindet dann auch noch der Darth-Vader-Anspitzer der Jungen, die Wilma und ihre Freundin Ellen beschuldigen, den Anspitzer – ein wichtiges Erinnerungsstück, weggenommen zu haben. Zum Glück hat Luna-Lila einen Plan, wie sie ihrer Freundin helfen kann.
Allerdings funktioniert der Plan nicht genau so, wie sie es sich vorgestellt hat … denn manchmal kommt es eben anders als man denkt!
Was genau das für ein Plan ist und ob Wilmas Probleme gelöst werden können, das müsst ihr selbst herausfinden.

Das Buch hat mir gut gefallen, da es interessant und witzig und an manchen Stellen auch spannend war. Durch die genauen Beschreibungen konnte ich mir die Orte, an denen die Kinder unterwegs waren, sehr gut vorstellen.
Ich empfehle dieses Buch vor allem Mädchen im Alter von 7 bis 10 Jahren, die sich für das Thema Freundschaft interessieren und die sich vielleicht „im Geheimen“ manchmal auch einen unsichtbaren Helfer wünschen …

Lese-Lotta (8)

Anu Stohner/Friedbert Stohner: LunaLila. Das allergrößte BesteFreundinnen-Geheimnis, Illustration: Pe Grigo, Sauerländer, 2016, 176 Seiten, ab 8, 10,99 Euro

Es begab sich aber zu der Zeit …

adventNeulich durfte ich im Hamburger Literaturhaus eine ganz besondere Lesung erleben. In der Reihe „Spaß mit Büchern“ las Autorin Ilona Einwohlt aus ihrem neuen Kinderbuch Advent, Advent, die Bude brennt vor etwa 60 Erst- und Zweitklässlern.
Wer jetzt denkt, dass das eine ohrenbetäubende Veranstaltung gewesen sein muss, kennt Hamburger Schulkinder nicht. Aufmerksam, gespannt schauend, mitfiebernd lauschten sie Ilona Einwohlt, die von Lucas nervenaufreibenden Erlebnissen in der Vorweihnachtszeit berichtete.

Beim 10-jährigen Erzähler geht es nämlich alles andere als besinnlich zu. Lucas chaotische Mutter, die nach der Trennung vom Mann, endlich mal alles richtig machen möchte, fackelt aus reiner Schusseligkeit die Wohnung ab. Hochschwanger muss sie sich nun mit Luca und seiner großen Schwester sowie dem fast federlosen Papagei Bruder Jakob, der sämtliche Weihnachtslieder trällern kann, auf die Suche nach einer Unterkunft machen. Im Nobelhotel fühlen die drei sich allerdings nicht besonders wohl, bei Mamas Freundin Maria ist es zu eng, bei der Oma zu laut, bei der Tante zu aufgeräumt. Ein rundlicher Taxifahrer, der – hohoho – ganz erstaunlich an den Weihnachtsmann erinnert, fährt die Familie von einer Unterkunft in die nächste. Doch schließlich finden Lucas muslimische Freunde Mayla und Ibi eine Lösung, wo die Wohnungslosen unterkommen können …

Ilona Einwohlts Adventsgeschichte ist ein großer Spaß, inhaltlich wie sprachlich. Sie vereint alle Ingredienzien, die christlich geprägte Menschen aus der biblischen Weihnachtsgeschichte kennen: eine Hochschwangere, die Suche nach einer Unterkunft, wenig christliche Mitmenschen. Dass die Rettung von muslimischer Seite kommt, ist in unseren schwierigen Zeiten mit unzähligen Flüchtlingen und immer noch andauernden und anwachsenden Ressentiments und Vorurteilen ein wichtiges Zeichen.
Für die Kinder im Roman ist es  – ganz im Sinne Lessings  – völlig unerheblich, welcher Religion man angehört. Ibi formuliert es so: „Mayla denkt, sie muss sich zwischen Allah und Gott entscheiden […]. Erklär du ihr mal, dass der ein und derselbe ist und dass es völlig egal ist, zu wem sie betet. Hauptsache, sie glaubt an irgendwen.“ Klarer kann man die Verbindung von Christentum und Islam wohl kaum auf den Punkt bringen.

Die Kinder im Literaturhaus waren eine multikulturell-globalisierte Truppe, die diese Sätze mit aller Selbstverständlichkeit und Lässigkeit akzeptierten. Von Aufregung oder Unverständnis keine Spur. Die Freundschaft zwischen Luca, Mayla und Ibi im Roman ist wichtiger als jede kleinkrämerische Unterscheidung, wer Weihnachten feiern kann, darf oder nicht. Sie feiern. Alle. Und zwar zusammen. Und genau das sollten auch die Erwachsenen. Die Kinder machen vor, wie einfach das ist.

Ilona Einwohlts Advent, Advent, die Bude brennt hat für mich das Zeug zum weihnachtlichen Dauerbre … äh … Longseller.

Ilona Einwohlt: Advent, Advent, die Bude brennt. Die Weihnachtsgeschichte nach Luca, Illustration: Tine Schulz, Klett Kinderbuch Verlag, 2015, 128 Seiten, ab 8, 12,95 Euro

[Jugendrezension] Gefährliches Spiel

panicPanic, so heißt das verbotene Spiel. Jeder Schulabgänger, der Mut hat, macht mit. Alle zahlen ein, aber nur einer kann gewinnen. Die Siegprämie beträgt diesmal 670.000 Dollar und ist die Eintrittskarte in eine bessere Zukunft.
Heather könnte von ihrer drogen- und alkoholabhängigen Mutter weg. Für sie und andere ist das Spiel die Chance auf ein unbeschwertes Leben. Doch sie ahnt nicht, worauf sie sich einlässt: Um zu gewinnen, müsste sie lebensgefährliche Aufgaben bestehen.
Bald steigern sich ihre Probleme. Heather leidet unter der Trennung von ihrem Freund und hat große Schwierigkeiten zu Hause. Kurzerhand reißt sie mit der kleinen Schwester aus und lebt obdachlos auf der Straße. Nun ist ihre einzige Hoffnung der Sieg bei Panic. Sie legt alles daran, zu gewinnen. Selbst im Angesicht des Todes.

Der andere Protagonist des Buches ist Dodge. Er lebt mit seiner behinderten Schwester Dayna und seiner Mutter in einem verfallenen Haus. Auch er will seinen Verhältnissen entfliehen, indem er an Panic teilnimmt.

Panic – Wer Angst hat, ist raus! von Lauren Oliver ist ein unglaublich fesselnder Roman. Die Geschichte ist abwechselnd aus den Erzählperspektiven von Heather und Dodge geschrieben. Dadurch bekommt man zwei Sichtweisen auf die Geschichte vermittelt, was das Ganze noch spannender macht.
Ich würde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen, es ist sehr aufregend. Es ist außerdem gar nicht so unrealistisch. Vielleicht gibt es oder gab es schon irgendwo einmal ein ähnliches Spiel …

Katharina (13)

Lauren Oliver: Panic – Wer Angst hat, ist raus! Übersetzung: Katharina Diestelmeier, Carlsen, 2014, 368 Seiten, ab 13, 17,99 Euro

[Jugendrezension] Unzertrennlich

lilly„Ich liebe dich April. Ich liebe dich so sehr, dass ich in der Klinik einbrechen würde, um dich da rauszuholen und zurück nach Hause zu bringen.“

Phoebe und April aus dem Roman Was fehlt, wenn ich verschwunden bin von Lilly Lindner sind Geschwister und lieben sich, trotz kleiner Streitigkeiten, sehr.

Gegenseitig geben sie sich Halt, in einer Familie, die nicht mehr funktioniert, denn ihre Eltern sind maßlos überfordert. Deshalb reagieren sie in den meisten Situationen auch falsch. In den Momenten, in denen ihre Kinder Halt bräuchten, geben sie ihnen keinen. Als April in eine Klinik kommt, weil sie magersüchtig ist, fühlt sich Phoebe oft alleine, obwohl sie ihre guten Freundinnen hat.
Zu Hause ist nichts mehr, wie es vorher war. Das Mädchen wird nicht mehr von ihren Eltern verstanden. Ihr Vater arbeitet viel und ihre Mutter strickt nur noch. Phoebe will auf jeden Fall Kontakt mit April halten, deshalb schreibt sie oft Briefe an sie. Selbst wenn April nicht antwortet, schreibt sie trotzdem immer weiter. Sie erzählt von ihrem Leben zu Hause, von ihren Eltern und Freunden und von den schönen Erinnerungen mit April. Sie vermisst ihre große Schwester sehr und hofft, dass sie bald wieder zurück nach Hause kommt.

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin von Lilly Linder ist ein trauriges und herzzerreißendes Buch. Die Beziehung zwischen Phoebe und April ist so stark, dass sie unzertrennlich scheint.

Diesen Roman zu lesen war sehr schön, denn er zeigt, wie sehr sich Geschwister lieben können, wenn sie getrennt sind und nicht mehr den ganzen Tag beisammen sind. Gleichzeitig war das Buch nicht nur angenehm, sondern auch sehr traurig, denn es wurde auch von der schlimmen Krankheit Magersucht erzählt. Da Lilly Lindner einen ganz eigenen Schreibstil hat und das Buch nur in Briefen geschrieben ist, kann man es rasch in einem Zug durchlesen. Wegen all diesen guten Sachen kann ich dieses Buch nur weiterempfehlen.

Laura (15)

Lilly Lindner: Was fehlt, wenn ich verschwunden bin, FISCHER Kinder- und Jugendtaschenbuch, 2015, 400 Seiten, ab 14, 9,99 Euro

Pädagogische Abgründe

ludwigGibt es Kinderbücher, die keine Kinderbücher sind? Im Falle von Sabine Ludwigs neuem Roman Schwarze Häuser möchte ich fast sagen, ja. Aber ganz so einfach ist es nicht.

Ludwig erzählt die Geschichte der 12-jährigen Uli, die für sechs Wochen in ein Kinderheim an die Nordsee geschickt wird, zur Erholung. Das Ganze ist Mitte der 1960er Jahre angesiedelt.
Uli kommt aus Berlin, dort wohnt sie bei ihrer Oma. Auf der Insel lernt sie die Mädchen Fritze, Freya und die kleine Anneliese kennen. Jede von ihnen hat Probleme: Fritze kommt aus einem Künstlerhaushalt und wird von den Mitschülern gemobbt, Anneliese lutscht mit acht Jahren noch am Daumen und scheint in ihrer Entwicklung etwas zurückgeblieben zu sein, Freya meint aus einer intakten Arztfamilie zu kommen, doch auch da liegt etwas im Argen. Uli selbst ist unehelich geboren, und erst vor kurzem hat die Mutter einen Mann geheiratet, der nicht Ulis Vater ist.

Doch anstatt sich von den häuslichen Dramen erholen zu können, erwartet die Kinder im Heim das strenge Regime von Schwester Hildegard und der Heimleiterin Frau Butt. Mädchen und Jungen werden getrennt und zwar nicht nur in Sachen Schlafsäle, sondern auch beim Essen und beim Spielen. Kontakt unerwünscht. Die Jungs werden durchweg „netter“ behandelt als die Mädchen: Sie bekommen Brötchen zum Frühstück, während die Mädchen mit Milchsuppe versorgt werden. Das Essen wird zu einem beherrschenden Moment für die Mädchen, denn es ist schlecht, sehr, sehr schlecht. Es ist zu wenig, eklig, alt, verschimmelt, mit Maden durchsetzt, einfach fürchterlich. Die vier Hauptfiguren leiden regelrecht Hunger. Wagen sie es, die Qualität des Essens anzumahnen, werden sie drakonisch bestraft: Fensterputzen, Essensentzug oder umgekehrt Zwangsessen mit schrecklich fetter Butterkremtorte – die ihnen natürlich auch nicht bekommt. Dazu ist es kalt, es zieht durch die Fenster, Kuscheltiere sind nicht erlaubt, die Post wird kontrolliert. Es ist ein elender Leidensweg, den Uli und ihre Zimmergenossinnen beschreiten müssen. Sie magern ab, werden krank und die Stimmung ist alles andere als rosig oder gar erholsam. Als Freya dann noch eine schlechte Nachricht von zu Hause bekommt, reißt sie aus. Ihre Freundinnen kommen ihr zu Hilfe, doch die Rettungsaktion endet im Watt …

Sabine Ludwig beschreibt die schwarze Pädagogik, die vor einem halben Jahrhundert hier an der Tagesordnung war, sehr präzise und mit all der psychologischen Perfidität, die den Kindern immer wieder das Gefühl vermittelte, sie wären selbst an ihrem Unglück Schuld. Es ist eine ergreifende Lektüre, auch in dem Sinne, dass man als Ältere das alles so verdammt gut nachvollziehen und mitleiden kann. Dabei habe ich noch Glück gehabt und so Schlimmes nicht selbst erlebt, höchsten die Ausläufer noch mitbekommen. Was mir aber schon gereicht hat.

Vielleicht hadere ich deshalb damit, dieses Buch als Kinderbuch zu bezeichnen. Keinem Kind wünscht man solche Erlebnisse. Nie. Und schon die Lektüre kommt mir fast zu grausam vor. Dann jedoch denke ich, vielleicht sollten sie es gerade deshalb auf jeden Fall lesen, auch um zu erfahren, dass es andere Zustände gab (obwohl sich in manchen Heimen heute noch Ähnliches, wenn nicht gar Schlimmeres abspielt …). Denn auch diese Art des Umgangs mit Kindern ist ein Teil unserer Vergangenheit. Daran zu erinnern, damit es nicht wieder passiert, ist wichtig. Daran zu erinnern, was Eltern und Großeltern in der Kindheit durchgemacht haben könnten, ist ebenso wichtig, kann es doch eine mögliche Ursache für ihr heutiges Verhalten sein. Das sollten Kinder durchaus wissen. Nur sollte man sie bei der Lektüre von Schwarze Häuser nicht allein lassen, sondern ihre Fragen, die mit Sicherheit kommen werden, in aller Offenheit beantworten und ihnen so den Grusel nehmen.

Sabine Ludwig: Schwarze Häuser, Dressler, 2014, 352 Seiten,  ab 10, 14,99 Euro

 

[Jugendrezension] Céciles neue Rolle

murailCécile, eine junge, noch vollkommen unerfahrene Grundschullehrerin, kommt – in Ein Ort wie dieser von Marie-Aude Murail – frisch von der Uni. Nun soll sie „ins kalte Wasser“ springen und die Verantwortung für ihre erste eigene Klasse übernehmen: Klassenlehrerin, eine Rolle, in die die unsichere Cécile erst einmal hineinwachsen muss. Je mehr sie sich in ihre neue Rolle hineinfindet, desto mehr gewinnt sie an Selbstvertrauen. Sie versetzt sich in ihre Schüler hinein, und die Probleme ihrer Schüler werden zu ihren eigenen.
Insbesondere das Schicksal der Kinder der afrikanischen Großfamilie Baoulé, die aus ihrem Heimatland flüchten mussten, nun obdachlos sind und abgeschoben werden sollen, beschäftigt sie. Bei der Suche nach einer möglichst guten Lösung für die Probleme dieser Familie, trifft sie Eloi, der sich – nicht immer ganz legal – für Flüchtlinge einsetzt. Und sie lernt ihren Chef, den Leiter der Schule, besser kennen, der sich ebenfalls selbstlos für andere engagiert. Beide Männer fangen an, sie zu interessieren …
Doch auch für dieses Buch gilt, wenn du wissen möchtest, was aus der Familie Baoulé und dem Liebesleben von Cécile wird, musst du es selbst in die Hand nehmen und lesen.

Mir hat das Buch Ein Ort wie dieser von Marie-Aude Murail echt gut gefallen, und ich habe während des Lesens immer gehofft, dass es Hilfe für die Familie Baoulé geben wird. Ich hoffe, dieses Buch wird dich genauso faszinieren wie mich.
Empfehlen würde ich es für Mädchen im Alter von 11 bis 16 Jahren. Viel Spaß beim baldigen Lesen ☺

Bücherwurm (11)

Marie-Aude Murail: Ein Ort wie dieser, Übersetzung: Tobias Scheffel, Fischer KJB, 2014, 416 Seiten, ab 12, 16,99 Euro

[Jugendrezension] Zetas Weg

dreisongsZeta, die Hauptfigur in Lola Renns Roman Drei Songs später, ist 16 Jahre alt und auf den ersten Blick ein ganz normales Mädchen mit ganz normalen Problemen. Doch dieses Bild täuscht. Zu Hause hat sie viele Probleme. Ihr Vater trinkt, brüllt sie ständig an und hält sie für nicht zurechnungsfähig. Auch ihre Mutter ist keine große Hilfe, denn sie stimmt immer ihrem Vater zu, um Streit zu vermeiden. Zeta ist verzweifelt. Das Einzige was sie will, ist Tänzerin werden, doch auch dort funkt ihr der Vater dazwischen. Und dann gibt es da noch das Problem mit der Schule und den Noten …

Doch ganz alleine ist sie nicht. Ihre Freundin Sahra, Sahras Mutter und ihr Freund Micha versuchen, ihr aus dieser schwierigen Situation zu helfen.

Das Buch ist in einem sehr schönen, schnellen Tempo geschrieben. Es gibt viele kleine Kapitel und Absätze, die die Geschichte sehr bildhaft darstellen. Die Personen sind perfekt geschildert, vor allem der Vater. Schon wenn man anfängt zu lesen, kann man ihn nicht leiden. Die Hauptperson Zeta gefällt mir auch sehr gut, ihre Art nicht alles zu machen, was ihr durchgeknallter Vater von ihr will und dass sie sich traut zu widersprechen, wenn ihr etwas seltsam vorkommt. Auch Micha, der im Laufe der Geschichte ihr Freund wird, gefällt mir. Eigentlich gefallen mir alle Personen, weil sie, jede auf ihre eigene Art sehr besonders sind. Das einzige was ich nicht zu 100 Prozent super fand, aber zu 98 Prozent, ist das Ende. Es kommt ein wenig überraschend und ich hätte es mir dramatischer vorgestellt, aber trotzdem ist Drei Songs später von Lola Renn ein wunderbares Buch, das man nur weiterempfehlen kann. Es hat super großen Spaß gemacht es zu lesen!!!

Ein Buch, das mit wenigen Seiten eine ganze Geschichte erzählt!

Fine (15)

Lola Renn: Drei Songs später, bloomoon, 2013, 160 Seiten, 12,99 Euro

[Jugendrezension] Vom Opfer zum Täter

knvmmdb.dllWenn man über eine längere Zeit gehänselt wird, was macht man dann?
Diese Frage stellt man sich, wenn man das Buch Der Tag wird kommen von Nina Vogt-Østli liest.

Hans-Petter ist 15 Jahre alt und wird schon seit der Grundschule von Andreas und den anderen Schülern verprügelt und gemobbt. Selbst in der weiterführenden Schule ändert sich daran nichts.
Am liebsten würde Hans-Petter unsichtbar sein und versucht so gut, wie es geht, nicht aufzufallen.
Er zieht sich in sein Zimmer zurück und verbringt die meiste Zeit vor seinem Computer.

Als ihn dann ein Mädchen namens Fera anschreibt, denkt er zuerst, dass es Andreas und seine Gang sei. Doch nach und nach schreibt er immer mehr mit der unbekannten Fera, die behauptet, aus der Zukunft zu kommen – und die beiden werden Freunde. Fera ist Hans-Petters einziger Freund.
Zu den Mobbing-Problemen in der Schule kommen auch noch seine Probleme zu Hause hinzu: Seine Mutter verliebt sich in seinen Lehrer, und sein Vater interessiert sich scheinbar nicht für Hans-Petter. Der Junge fängt an, einen bitter-bösen Plan zu schmieden …

Das Buch liest sich schnell. Die Kapitel sind aus der Sicht von Hans-Petter geschrieben und  relativ kurz. Teilweise kommen kleine Chatprotokolle vor, die sich von dem restlichen Text abheben.

Hans-Petter ist ein Junge, der mir wirklich Leid getan hat, weil er schon seit der Grundschule in der Rolle des Opfers ist, obwohl er nichts macht. Ich habe selbst über so manche Sachen dabei nachgedacht, wie man sich zum Beispiel als Erwachsener entwickelt, wenn man als Kind leiden muss, und ob man auch mit einem bösen Mensch befreundet sein kann.

Das Buch von Nina Vogt-Østli ist an sich interessant und einfach mal was für Zwischendurch. Ich persönlich fand die Chatprotokolle mit am Besten, weil es einfach mal etwas anderes war und sie ab und zu auch lustig geschrieben waren. Das Buch war abrupt zu Ende, was ich nicht erwartet habe.

Ich würde Der Tag wird kommen schon weiterempfehlen, weil es einfach ein Buch der etwas anderen Art ist, was man als erstes nicht erwartet.

Laura (14)

Nina Vogt-Østli: Der Tag wird kommen, Übersetzung: Dagmar Lendt, Coppenrath, 2014, 240 Seiten, ab 14, 14,95 Euro

[Jugendrezension] Himmlische Hilfe

valentinaSo viel verrückten Unsinn kann nur Valentina aus dem Buch Schutzengel Valentina von Wolke 17  von Barbara van den Speulhof anstellen.

In dem Roman geht es um Schutzengel Valentina, die nur Unsinn im Kopf hat. Eines Tages wird es ihrer Lehrerin zu bunt, und sie ruft die Chefin des Himmels, um sie um Rat zu fragen. Damit die Lehrerin entlastet wird, schlägt die Chefin vor, Valentina könnte trotz der noch nicht bestandenen Schutzengelprüfung auf der Erde ihren ersten Schützling erhalten: Lucy. Ein Mädchen aus reichem Hause, wohlbehütet und beschützt, mit einem riesigen Bedürfnis nach Freiheit und Normalität.
Erst hat Valentina ein bisschen Bammel, ganz allein auf die Erde zu fliegen und dann auch noch so große Verantwortung zu übernehmen. Doch dann fliegt sie los. Auf der Erde trifft sie Lucy und merkt, dass man nicht nur kleinen Kindern über die Straße helfen und Kinderfahrräder festhalten muss, damit sie nicht umfallen, sondern dass es für Schutzengel auch noch viel schwierigere Dinge zu erledigen gibt. Und mit genau so einem komplizierten Problem bekommt sie es zu tun…

Schutzengel Valentina von Wolke 17 nimmt dich mit in eine andere Welt und zeigt dir, wie kompliziert das Kinderleben auf der Erde manchmal sein kann.

Das Buch ist für Mädchen in verschiedenen Altersklassen bis 13 Jahre geeignet, für alle, die es gerne mal lustig mögen oder für die, die sich auch auf einen Schutzengel wie Valentina verlassen wollen (immer frech, aber allzeit mit der rettenden Idee). Ich glaube, auch meiner kleinen Schwester, die ist sechs, könnte ich das Buch schon vorlesen.

Ich persönlich kann Schutzengel Valentina von Wolke 17 mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

Bücherwurm (11)

Barbara van den Speulhof: Schutzengel Valentina von Wolke 17, Fischer KJB, 2013,
192 Seiten, ab 8, 10,99 Euro

Floß in die Freiheit

huckDie Bekanntmachung auf der ersten Seite ist eigentlich alles andere als ermutigend: Motiv, Moral oder gar einen Plot in dem Buch zu suchen wird vom Autor unter Strafe verboten. So beginnt Mark Twain seine Abenteuer von Huckleberry Finn. So beginnt Olivia Vieweg ihren Graphic Novel Huck Finn – und die Lust nach einer Message oder einer Interpretation zu suchen vergeht einem sofort.

Trotzdem muss man Viewegs Umsetzung von Mark Twains Klassiker gelesen haben. Sie versetzt die Südstaatengeschichte mal eben nach Halle an der Saale im Jahr 2013 und erzählt in rostroten Panels die Geschichte von Huck Finn, der eigentlich bei der Witwe wohnt, vor seinem trinkenden Vater flüchtet und schließlich das Mädchen Jin kennenlernt, die in einem Bordell als moderne Sklavin gehalten wird. Gemeinsam fliehen sie auf einem Floß den Fluss hinab und überstehen üble Familienfehden und lebensgefährlichen Schiffsverkehr.

Wie so oft musste ich auch bei dieser Lektüre wieder einmal feststellen, dass ich zwar weiß, wer Huck Finn ist, ich bin auch über den Sklaven Jim im Bilde, aber das Buch von Mark Twain habe ich nie gelesen. Viewegs Graphic Novel ist eine wunderbare Annäherung an den Klassiker, der jetzt mal auf meiner To-Read-Liste steht. Bis dahin schwelge ich in Viewegs Fluss-Comic (gibt es eigentlich ein Comic-Pendant zum Begriff Road-Movie?), denn neben den Panels, in denen Huck und Jin vor fiesen Zuhälter-Typen fliehen, tauchen immer wieder ganzseitige Landschaftsportraits auf, die ostdeutsche Flachlandidylle zeigen. Dort sitzen dann Frösche und Käuzchen auf Stein und Baum, der Fisch schnappt nach der Fliege, der Mond spiegelt sich im Wasser. Dann atmet man als Leser und Betrachter durch, vergisst beinahe das Elend, das die beiden Helden forttreibt und das an Land zu bösem Blut und Toten führt. Man wünscht sich einen Fluss herbei und ein Floß, um mit Huck und Jin in den Sonnenuntergang zu treiben. In das schöne Leben – in dem die schulmeisterlichen, streitenden, trinkenden Erwachsenen keine Macht mehr über die Kinder haben. Und die man sich auch als Erwachsener in seiner Umgebung nicht wünscht.

Mark Twain wäre mit dieser respektvoll-frechen Transposition in unser Hier und Jetzt sicherlich sehr zufrieden gewesen. Anders kann ich es mir gar nicht vorstellen, denn sie macht ihm alle Ehre.

Olivia Vieweg: Huck Finn, nach Mark Twain, Suhrkamp, 2013, 141 Seiten, 19,99 Euro

Sichtbar machen


mobbing
Für den Menschen, der zur Spezies Homo Sociales gehört, ist eine der schlimmsten Pein vermutlich das Nicht-Gesehen-Werden. Mobbing-Opfer, die nirgendwo Hilfe finden gegen ihre Peiniger, werden im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbar. So jedenfalls geschieht es im Debütroman Operation Unsichtbar von Helen Endemann.

Eines Tages bemerkt der 12-jährige Nikolas, dass er für seine Umwelt unsichtbar geworden ist. Niemand sieht ihn mehr. Nicht die Schulkameraden, die ihn sonst in der Pause immer quälen, noch die Eltern, die vor allem mit der kleinen Schwester beschäftigt sind. Nikolas kann sich nicht erklären, wie es dazu gekommen ist. Vor allem, dass seine Eltern nicht über ihn reden, ihn nicht vermissen, nicht nach ihm suchen, wundert und bedrückt ihn ganz besonders. Zu Hause sieht ihn nur die kleine Schwester, die aber noch nicht reden kann. Nikolas fühlt sich dort überhaupt nicht mehr wohl. Er kommt nur noch zum Schlafen nach Hause, die übrige Zeit verbringt er in der Schule. Dort ist wenigstens etwas los. Er besucht unterschiedliche Klassen und sucht sich die interessantesten Lehrer und Fächer heraus. Nachmittags geht er ins Kino – und genießt wenigstens für eine kurze Weile den Vorteil, nicht gesehen, also auch nicht kontrolliert zu werden.

Eines Tages stellt Nikolas fest, dass es noch mehr unsichtbare Kinder an der Schule gibt. Vier von ihnen wohnen sogar dort im Keller. Er freundet sich mit Alice an, die bereits seit zwei Jahren unsichtbar ist. Sie wird immer schwächer, isst immer weniger, hat Schwierigkeiten schwere Türen zu öffnen. Manchmal taucht um die Unsichtbaren ein bedrohliches kaltes blaues Licht auf, und sie scheinen endgültig zu verschwinden. Die Jugendlichen sind ratlos, ob und wie sie wieder sichtbar werden können. Einer der Jungen hält es schließlich nicht mehr aus und stürzt sich vom Schuldach. Seine Leiche ist dann plötzlich für die Umwelt wieder sichtbar. Der Schock sitzt tief, bei den Unsichtbaren wie bei den Sichtbaren.

Mit der Zeit stellt Nikolas fest, dass immer wenn er starke Gefühle empfindet, er für empfindsame, aufmerksame Lehrer sichtbar wird. So bemerkt ihn schließlich die Religionslehrerin – und organisiert Hilfe.

Helen Endemann hat in ihrem Debüt das schwierige Thema Mobbing durch die Kombination mit dem fantastischen Element der Unsichtbarkeit zu einem richtig gehenden Page-Turner gemacht. Diese Unsichtbarkeit ist natürlich ein offensichtliches Symbol für die Folgen von Mobbing, doch es ist eingängig und überzeugend dargestellt, so dass sich das Fantastische fast wie selbstverständlich in einen realen Schulalltag fügt. Als Leser nimmt man Endemann diese großartige Idee sofort ab und verfolgt mit wachsender Spannung die Entwicklung von Nikolas und den anderen unsichtbaren Kindern.

Den Ausweg, den die Autorin liefert, orientiert sich an realen Konflikt-Lösungsstrategien, die an manchen deutschen Schulen tatsächlich schon durchgeführt werden. Neben der pädagogischen Absicht, Jugendliche für das Thema Mobbing zu sensibilisieren, sie davor zu schützen und sie davon abzuhalten, kommt somit auch für erwachsene Leser ein Lerneffekt hinzu. Man erfährt in Grundzügen, wie man Mobber möglicherweise ausschalten und den Mobbing-Opfern helfen kann. Dass die Mobber selbst zum Teil aus problembelasteten Familien kommen und auf eine andere Art selber leiden, vergisst Endemann dabei auch nicht.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Roman ist zudem der Glaube. Nikolas glaubt an Gott und zieht aus Bibelgeschichten Hoffnung. Ihm gegenüber steht Alice, die trotz atheistischem Zweifel dennoch auf einen guten Ausgang der Geschichte hofft und die Zeit bis dahin mit Unterricht nutzt. Endemann flicht hier das Thema Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit des Menschen in Krisensituationen, geschickt in die Geschichte ein. Sie zeigt, dass sowohl der Glaube, als auch ein starkes Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche Wege sein können, Hindernisse im Leben zu meistern.

All diese vielen Schichten der Geschichte machen Operation Unsichtbar auch zu einer passenden Schullektüre, die den Lehrern eine spannende Geschichte an die Hand gibt, die die Schüler mit Sicherheit bis zur letzten Seite lesen werden. Diskussionsstoff gibt es danach jede Menge.
Der Höhepunkt des Romans ist zudem so anrührend und filmreif geschrieben, dass man heulen möchte … vor Glück.

Helen Endemann: Operation Unsichtbar, Brunnen-Verlag, 2013, 192 Seiten, ab 12, 9,99 Euro