Wissen Kinder heute eigentlich noch, was Punks sind oder waren? Und mit Punks meine ich nicht Menschen wie Sascha Lobo, die den Iro nur noch als Attitüde tragen.
Eine Antwort auf diese Frage und eine sehr witzig Ahnung vom Punker-Dasein bekommen junge Leser_innen nun mit dem Roman Pogo & Polente von Jochen Till.
Der 12-jährige Pogo, Sohn eines Punkerpärchens, findet diese Lebensweise allerdings nicht so besonders toll: Der Vater Spritti hätte es gern, wenn Pogo unordentlich, unpünktlich und unangepasst wäre. Pogo soll die Schule hassen, schnorren gehen und kalte Ravioli aus der Dose mögen. Doch genau diesen Erwartungen kann Pogo leider so gar nicht entsprechen: Er ist nämlich Klassenbester, achtet auf die Zeit und hat es gern aufgeräumt. Seinen Namen und den unaussprechlichen zweiten Vornamen hasst er und wird sie, so bald es geht, ändern lassen. Am liebsten in „Thomas“ oder „Markus“ – „irgendetwas Stinknormales auf jeden Fall“. Und er hätte gern ein Smartphone, um auch am Wochenende, wenn die Bibliothek geschlossen hat, im Netz recherchieren zu können. Daher verteilt er heimlich Werbezettel und verdient sich etwas Geld.
Pogo vereint in sich also lauter Eigenschaften, die der Vater als spießig brandmarkt, und ihn dafür regelmäßig bestraft. Dann muss Pogo in voller Lautstärke Punkrock hören, vorzugsweise die Ramones.
In genauso einem Straf-Moment taucht Vanessa auf, die überkorrekte Tochter des neuen Nachbarn. Dieser ist Polizist, und Vanessa eifert ihrem Vater nach, indem sie ständig eine Polizeiuniform trägt und Gesetzesverstöße ihrer Umwelt ahndet. Pogo verpasst sie folglich erst einmal einen Strafzettel wegen Lärmbelästigung. Dieser tauft sie daraufhin auf den Namen „Polente“.
Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft – wenn man mal von Sprittis punkergemäßen Polizeiallergie absieht, die ihn quasi an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt.
Als in der Stadt plötzlich vermehrt Fahrräder geklaut werden und auch Pogos schräges Schrottfahrzeug mit der Kronkorkenverzierung verschwindet, machen die beiden unterschiedlichen Helden sich auf die Suche nach dem Täter.
Jochen Till spielt in seinem Kinderroman offensiv mit den Gegensätzen zwischen alternativen Punks und korrekten Gesetzeshütern. Doch hinter allem findet man ein riesiges Augenzwinkern bezüglich der angeblichen Unangepasstheit der Punks, die Spritti so vehement vertritt, dass er schon wieder zum Oberspießer mutiert. Das Bild des bösen Bullen hingegen straft hingegen Polentes kumpelhafter Vater Lügen. Und selbst der Fahrraddieb ist eigentlich ein ganz sympathischer Typ, man muss sich eben nur mal trauen hinter die Fassaden zu schauen, die wir alle so gern um uns herum aufbauen.
Diese Geschichte ist ein wunderbarer Spaß und zeigt, dass zwischen den unterschiedlichsten Gruppierungen, mögen sie auch noch so verschiedene Uniformen tragen, manchmal mehr Übereinstimmungen und Verständnis herrschen kann, als wir so vermuten. Eine Erkenntnis, die uns ganz gleich welchen Alters gut zu Geschichte stehen würde.
Und natürlich liegt über allem die Frage: Wer ist hier der Spießer? Und was ist heute eigentlich noch ein Spießer? In unserer differenzierten Gesellschaft, in der unzählige Parallelwelten auf engstem Raum existieren und jeder das eigene Glück sucht und der ganz individuellen Lebensweise frönt, bleibt dann noch die Frage, ob es Spießer eigentlich noch gibt. Mit seinem Wunsch nach etwas „Normalen“ adelt Pogo das Punkerdasein seiner Eltern als genauso nervig wie die Lebensstile anderer Eltern, denen die Kinder so schnell wie möglich den Rücken kehren wollen.
Bleibt schlussendlich die Erkenntnis, dass Eltern nicht unbedingt als Vorbilder taugen und jeder Mensch seinen eigenen Weg im Leben finden muss – und den Lebensstil anderen besser nicht bewerten sollte.
Jochen Till: Pogo & Polente, Tulipan, 2018, 144 Seiten, ab 8, 13 Euro












Das Mutmacher-Buch über Johnny Trotz, Uli, Matze, Justus und den Nichtraucher stammt aus dem Jahr 1933. Kästner verpackt darin nicht nur die damals herrschende Armut in der Arbeiterschaft, sondern auch die Macht der Freundschaft und den Mut zu gesunden Menschenverstand. Gerade dieser Mut liegt Kästner am Herzen. Denn ohne Mut und Klugheit lässt sich das Leben nicht gut bewältigen. Das versucht er, den Kindern eindrucksvoll begreiflich zu machen. Mutig ist es demnach nicht, mit einem Regenschirm vom Turngerüst zu springen und sich dabei ein Bein zu brechen, nur weil man sonst als feige angesehen wird. Viel mutiger – und klüger – ist es, sich dem Druck der Mitschüler zu entziehen und sich im rechten Moment den Erwachsenen anzuvertrauen. Dieses Anti-Mobbing-Konzept gilt im Grunde auch heute noch. Womit man wieder bei dem unschlagbaren Punkt von Kästners Büchern ist: Selbst wenn sie über 80 Jahre alt sind, steckt in ihnen eine Aktualität, die immer wieder neu verblüfft.
