Vor einiger Zeit hatte die Presseabteilung von Carlsen in das Verlagshaus in Hamburg geladen und die Neuerscheinungen für das Frühjahr vorgestellt. Stapelweise lagen da die neuen Bücher, die es noch nicht im Laden gab. Für jede/n Bücherfreund/in eine Wonne.
Eine Wonne war auch die kurze Lesung des Berliner Theatermacher Ulrich Hub aus seinem neuen Buch Füchse lügen nicht. Hatte ich beim ersten Herumschauen bei dem Buchtitel nur mit den Schultern gezuckt und kurz gedacht: „Aha, ein Tierbuch. Interessiert mich nicht“, so wurde ich innerhalb von zehn überaus kurzweiligen Minuten eines besseren belehrt und gestehe nun: Es interessiert mich doch – und zwar sehr.
Hub las von einer Handvoll Tiere, die in der Animallounge eines Flughafens auf ihren Flieger warten. Die Gans sucht beständig ihren Reisepass, die Klon-Schafe reden im Chor, der Affe schmeißt beständig Pillen ein, der Tiger rühmt sich seiner Fernsehkarriere und der Panda ruht sich auf seinem Artenschutzpass aus. Der Wachhund versucht das Chaos, das sich langsam ausbreitet, einzugrenzen. Während die Tiere tagelang warten, reden und irgendwann die Duty-Free-Shops stürmen, taucht ein Fuchs auf und bringt das wohlige Stelldichein durcheinander. Nach und nach hält er den Individuen den Spiegel vor, bohrt in Seelenwunden, desillusioniert und kommt Lügengespinsten auf die Spur. Und rettet allesamt schließlich vor einer großen Katastrophe.
Einem erwachsenen Leser wird natürlich schnell klar, dass hier der Mensch und seine Schwächen in allerfeinster Manier dargestellt wird. Hub, der beim Lesen als erfahrener Theatermann die Figuren durch verschiedene Stimmlagen zusätzlich charakterisierte, greift dabei auf die Geschichte Reineke Fuchs zurück.
Angeregt davon habe ich versucht Goethes Fuchs-Version zu lesen, bin aber an dem Versepos vorerst gescheitert. Goethe ist leider nicht so unterhaltsam wie Hub. Denn von der Situationskomik der eingesperrten Tiere mal abgesehen, gibt es für Erwachsene doch so einige Anspielungen – auf aktuelle Flughafenproblematiken unserer Hauptstadt oder Wachholderhaltige Getränke –, die einen zwischen Schmunzeln und stimmendem Kopfnicken ob der menschlichen Abgründe gut amüsieren.
Man muss also mitnichten eine Vorbildung in Sachen Reineke Fuchs besitzen, um dieses Buch schätzen zu können.
Und junge Leser werden ihren Spaß an den Macken der Helden haben und viel über das moralische Spiel mit den großen und kleinen Lügen lernen, die sowohl die Tiere, als auch wir selbst täglich erzählen.
Eine Facette, die dieses Buch zusätzlich liebenswert macht, sind die Illustrationen von Heike Drewelow. Jedem Tier verpasst sie ein eigenes Gesicht. Hub bezeichnete diese Menagerie nach der Lesung als „liebenswert und grenzdebil“. Genauso könnte man das ganze Buch bezeichnen, wobei ich „grenzdebil“ durchaus als Kompliment verstehe, denn diesen schmalen Grat zwischen feinsinnigem Humor und Klamauk muss man entlanglaufen können. Und Ulrich Hub kann das meisterhaft.
Ulrich Hub: Füchse lügen nicht, Illustrationen: Heike Drewelow, Carlsen, 2014, 144 Seiten, ab 8, 12,90 Euro