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Der Abraxas des Lebens

naoEs gibt Lektüren, die mich manchmal etwas ratlos zurücklassen – und mich gleichzeitig ungemein faszinieren, so wie aktuell die Graphic Novel Das NAO in Brown von Glyn Dillon.

Erzählt wird die Geschichte der Mittzwanzigerin Nao Brown. Nao ist Halbjapanerin, lebt in London und zeichnet Spielzeug. So weit, so normal – möchte man meinen, doch Nao hat Ticks und sonderbare Vorstellungen, in denen sie Menschen aus ihrer Umwelt schlimme Sachen antun will. Nur die Erinnerung an die Liebe ihrer Mutter und das Buddhistische Zentrum scheinen ihr Ruhe zu geben.
Nao tritt einen neuen Job in einem Design-Spielzeugladen für Nerds an. Dort begegnet ihr eines Tages ein bärtiger Waschmaschinenmechaniker, der sie an eine japanische Anime-Figur erinnert. Nao ist fasziniert, fühlt sich zu dem philosophierenden Mann hingezogen, ohne zu merken, dass auch er Abgründe in sich trägt.

Die wichtigste Farbe in dieser Graphic Novel ist Rot. Nao trägt immer irgendetwas Rotes. Wenn ihre Angst durchbricht, färben sich die Panels rot. Rot als vielleicht symbolträchtigste Farbe für das Leben, für Liebe, für Leidenschaft, für Blut, Wut, Gewalt. In zarten Aquarellen entfaltet Glyn Dillon das Mysterium des Lebens, in dem es nicht nur weiß oder schwarz gibt, in dem Gut ohne Böse nicht existieren kann. Nicht alles ist, wie man es sich vorstellt oder wünscht. Und manchmal kann sogar ein Unfall helfen, Ängste zu überwinden.
Eingebettet in Naos Geschichte ist ein weiterer Comic über die sehr rätselhafte Mensch-Baum-Figur Pictor, der in den Krieg zieht. Hier bleibt offen, ob es sich dabei um eine Fantasie von Nao handelt, um ihre Träume, um ein Märchen. Das muss jeder Leser selbst entscheiden.

Das Hardcover ist wunderschön ausgestattet: Komplett weißer Einband, der Titel auf dem Buchrücken ist eingeprägt, nur das japanische Zeichen für Nichts prangt vorne auf dem Cover, ebenfalls geprägt. Der Buchschnitt ist in Nao-Rot gehalten. Der Schutzumschlag ist auf der Innenseite mit einer fiktiven Karte von Everywhere/Nowhere gestaltet. Buddhisten und Japankenner werden darin sicherlich eine Reihe von Anspielungen finden. Für Nicht-Experten wie mich ist es ein schönes Suchspiel nach bekannten philosophischen Konzepten und Haltungen zum Leben.

Das NAO in Brown ist so mysteriös wie das Leben selbst. Ein Abraxas voller Kraft, Dauer und Wandel. Nicht alles versteht man, vieles fesselt einen, manches liebt man. Nicht alles läuft so, wie man es gerne hätte, Ängste gehören dazu, können aber überwunden werden. Wenn man es will. Und Das NAO in Brown will man nach dem ersten Durchgang gleich noch mal lesen – um alle die Geheimnisse darin noch besser zu ergründen.

Glyn Dillon: Das NAO in Brown, Übersetzung: Volker Zimmermann,  Egmont Graphic Novel, 2014,  208 Seiten, 29,99 Euro

[Jugendrezension] Der Tunnel lässt uns nicht fort

klammrothIn dem Roman Klammroth von Isa Grimm sterben durch ein tragisches Unglück viele Kinder. Busse sind in einem Tunnel ineinander gefahren, ein Feuer lodert auf. Die Überlebenden tragen schwere Brandnarben davon, die nie wirklich aufhören zu schmerzen.
Anais ist eine der Überlebenden, und zwar diejenige, die am wenigsten abbekommen hat. Deswegen schauen sie viele Leute, die schwer verletzt wurden, argwöhnisch an. Sofort nach dem Unfall verlässt sie den Ort Klammroth, wo das Unglück passiert ist, und geht in ein Internat.
17 Jahre später kommt sie nach Klammroth zurück, weil ihre Stiefmutter Theodora bei einem Brand ums Leben kam.
Theodora hatte nach dem Unfall eine Klinik für die Brandopfer eingerichtet. Fast alle wurden dort behandelt, doch irgendetwas stimmt mit der Klinik nicht.
Genauso auch mit dem Tunnel, der nach dem Unglück verbarrikadiert wurde. Anais‘ Vater, der pflegebedürftig in einem Heim lebt, ruft Anais nachts an und erzählt ihr von schwarzen Gestalten vor seinem Fenster, die bei Licht wieder verschwinden. Merkwürdig ist nur, dass er nie spricht, wenn Anais ihn besucht. In der kurzen Zeit, in der Anais in Klammroth ist, geschehen viele seltsame Sachen. Nach und nach kommt sie hinter die Geheimnisse der Klinik.

Der Einstieg in das Buch ist fantastisch. Danach passiert erst nicht so viel, doch auf einmal steigt die Spannung immer mehr an und hält sich bis zum Schluss. Isa Grimm schreibt sehr detailliert, so dass alles noch viel gruseliger und spannender wirkt.

Das Buch hat viele Wendungen, und es gibt Sachen, die man sich nicht vorstellen kann. Auch das Ende des Buches ist seltsam, doch wenn  man darüber nachdenkt, eigentlich passend. Insgesamt finde ich das Buch sehr gut und würde es auf jeden Fall weiterempfehlen.

Laura (14)

Isa Grimm: Klammroth, Lübbe, 2014, 335 Seiten, 14,99 Euro