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Der Sinn des Lebens ist mehr als Eierbrötchen

kunoDass Bücher wahre Wundertüten sein können, ist für Buchliebhaber nichts Neues.   Ein ganz knalliges Exemplar dieser Spezies ist das Bilderbuch Kuno Knallforsch von Dietmar Jacobs, Andreas Schnermann und Horst Klein.

Jacobs, der unter anderem für die TV-Serien „Stromberg“ und „Pastewka“ geschrieben hat, erzählt hier die Geschichte von Frosch Kuno, der lieber knallt, als quakt. Kuno knallt so laut, dass er aus dem heimischen Froschteich fliegt. Er macht sich auf den Weg in die große, weite Welt und sammelt andere Tiere ein, die ebenfalls ungewöhnliche Geräusche machen und etwas aus der Art fallen: Der Specht Woody dingel-dongelt, der Elch Sören röhrt, Hahn Breular bringt den Eierschneider zum Klingen und Katze Mimi bubbeldibabt. Gemeinsam wollen sie nach Hamburg in den berühmten Club Bubalubalu, um dort zu rocken und berühmt zu werden. Dass nicht immer alles so kommt, wie man es sich vorstellt, müssen die fünf Freunde dann natürlich feststellen.

Aber bis es so weit ist, machen sie Musik. Die findet sich als Musical-Hörbuch auf einer beigelegten CD. Die Texte und Noten der Songs von Andreas Schnermann sind gleichzeitig im Buch zum Mitsingen und – wer ein Instrument beherrscht – zum Mitspielen abgedruckt. Die Lieder gehören unterschiedlichen Gattungen an, von der ruhigen Ballade über die peppige Polka bis zum geschmeidigen Swing, und zeigen den Kindern so, was Musik alles zu bieten hat.
So wie die Musik die Geschichte zum Rocken bringt, so steht die Sprache auf der Textebene dem in nichts nach: Es knallt und reimt, plingt und plongt, erzählt von Flummis, die pinkeln müssen, überrascht mit Schweden-Wortwitzen, die zwar nur die Erwachsenen verstehen dürften, und bubbeldibabelt vor sich hin, wie es nicht nur junge Leser gern haben.
Die dritte Ebene, die dann die Wundertüte fast zum Platzen bringt, sind die Bilder von Horst Klein: Großzügig, flächig, in leicht gedämpften Farben verpasst er jedem Musik-Tier eine eigene Persönlichkeit, so dass man sie allesamt sofort ins Herz schließt.
Diese Kombination aus Text, Bild und Musik liefert den Lesern, Zuschauern und Zuhörern nicht nur jede Menge Spaß, sondern auch ein wunderbares Beispiel, was interdisziplinäre Kunst alles kann.

Die Kirsche auf diesem Bilder-Buch-Musik-Leckerbissen ist dann natürlich die Botschaft von Kuno: Selbst wenn man wegen einer durchgeknallten Eigenschaft aus dem heimischen Teich fliegt, kann man viel Spaß und gute Freunde im Leben finden. Man sollte sich also nie von seinem Knall abbringen lassen und fröhlich weiter machen.

Dietmar Jacobs/Andreas Schnermann,: Kuno Knallfrosch. Musical für Kinder, m. Audio-CD, Illustration: Horst Klein,  Fischer KJB, 2014, 48 Seiten, ab 2, 19,99 Euro

Bilderbücher zum Verlieben

BilderbücherErinnert sich noch jemand an das Bilderbuch Das Haus in der Lindenallee von Bernard Waber? Wahrscheinlich nur noch wenige. Jetzt scheint mir das Krokodil aus der Badewanne wieder auferstanden. Jedenfalls hatte ich ein wunderschönes Deja-vu, als ich Rebecca Cobbs Aufessen?! angeschaut habe.

Darin hat die kleine knuddel-süße Heldin keine Lust aufs Mittagessen. Sie sitzt am Tisch und isst nicht, sie will viel lieber weiter Bilder malen. Plötzlich liegt ihr kunterbuntes Tusche-Krokodil unter dem Tisch und fragt: „Isst du das nicht?“ Dann gesellt sich der Krickelbär dazu und möchte etwas von Suppe und Sandwich ab haben. Und der Wolf ist ganz wild auf den Apfel. Nachdem die drei Bestien erklären, dass sie keine Kinder essen, diese im Gegenteil ganz „ekelhaft“, „abscheulich“ und „widerlich“ finden, dürfen sie sich satt essen. Der Teller ist schön leer, Mama ist zufrieden, die Heldin darf weitermalen. Alle sind glücklich. Nur der Magen der  kleinen Heldin meldet sich am Nachmittag lautstark. Wie gut, dass es bald wieder Abendessen gibt.

Ich weiß nicht, ob man Kinder mit diesem Buch dazu bringt, immer alles aufzuessen. Aber es ist eine Wonne, diese leichten Bilder anzuschauen. Erfrischend ist zudem, dass Rebecca Cobb ohne moralischen Zeigefinger auskommt. Die Mutter schimpft nicht, die Bestien loben das leckere Mittagessen, setzen die kleine Heldin dabei aber nicht unter Druck. Die darf stattdessen erleben, was ein knurrender Magen bedeutet – und sich dann umso freudiger auf das Abendessen stürzen. Ein wunderschöner Weg, um Wertschätzung zu lernen.

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Wertschätzung der anderen Art bringt die blonde Ich-Erzählerin des Bilderbuches Arme Mama von Vanesa Pérez-Sauquillo ihrer Mutter entgegen: Sie schneidet ein Herz aus Mamas rotem Sommerkleid und schenkt es ihr; malt Mamas Bücher an; schmückt das Wohnzimmer mit Spielzeug; setzt das Badezimmer unter Wasser, damit Mama endlich Schlittschuhlaufen lernt … Auch hier wird nicht einmal geschimpft. Es ist total okay, Chaos zu veranstalten, denn wie die Protagonistin durchaus erkennt, hätte es die Mutter ohne sie vielleicht viel leichter – doch es wäre auf jeden Fall sehr viel langweiliger.

Die doppelseitigen Bilder strahlen in leuchtenden Farben und verströmen auf jedem Zentimeter pure Lebensfreude. Sie sind eine Hymne an die kindliche Kreativität und befeuern die Fantasie der Betrachter mit unzähligen zarten Details. Ob das Ganze eher eine Liebeserklärung an die Mutter oder an das entzückende Kind ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

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Eine Liebeserklärung an einen Freund hingegen ist das zart aquarellierte Büchlein Das platte Kaninchen von Bardur Oskarsson. Ein Kaninchen liegt platt auf der Straße. Hund und Ratte sind erschüttert, als sie es entdecken. Sie wollen Kaninchen irgendwo anders hin bringen, doch wohin nur? Die beiden Freunde gehen in den Park und überlegen. Sie überlegen lange. Dann hat Hund eine Idee. Vorsichtig schälen sie Kaninchen vom Straßenbelag, bringen es in die Hundehütte und basteln einen Drachen. Daran befestigen sie Kaninchen und lassen es am nächsten Morgen über den Dächern der Stadt fliegen.

Hier wird mit keinem Wort über den Tod gesprochen, auch nicht darüber, was das Kaninchen getötet hat. Aber es wird auch kein Tabu aufgebaut. Es ist einfach so. Der Tod gehört zum Leben. Und es gehört auch dazu, dass die Freunde sich um Kaninchen kümmern und es an einen Ort bringen, an dem es ihm gefallen hätte. Einen schöneren und rührenderen Freundschaftsdienst kann man sich kaum vorstellen.

Rebecca Cobb: Aufessen?! Übersetzung: Stephanie Menge, Sauerländer, 2013, 32 Seiten, ab 3, 14,99 Euro

Miriam Cordes/Vanessa Pérez-Sauquillo: Arme Mama, Minedition, 2013, 32 Seiten, ab 3, 13,95 Euro

Bardur Oskarsson: Das platte Kaninchen, Jacoby & Stuart, 2013, 40 Seiten, ab 5, 11,95 Euro