Über Ulrike Schimming

Ulrike Schimming übersetzt Literatur – von Kinder- und Jugendbüchern bis zu Graphic Novels und Comics – aus dem Italienischen und Englischen und arbeitet als freie Lektorin. Dieses E-Magazin entstand aus ihrer Arbeit für die Jugendzeitschrift stern Yuno. Hier stellt sie Neuerscheinungen oder Klassiker der Kinder- und Jugendbuchliteratur vor, Graphic Novels oder Buch-Perlen, denen sie ein paar mehr Leser wünscht. Weitere Infos zu Ulrike Schimming finden Sie unter www.letterata.de

Nominiert!

Heute wurden im Rahmen der Leipziger Buchmesse die Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 bekanntgegeben. Für mich war das ein nettes Wiedersehen mit so einigen Büchern, die ich im Laufe des vergangenen Jahres hier vorgestellt habe. Daher möchte ich hier auf die hier gebloggten Bücher noch einmal hinweisen.

In der Kategorie Kinderbuch sind dies:

nominiert

 

Mohnschnecke ahoi!

Māris Putniņš (Text), Matthias Knoll (Übersetzung): Die wilden Piroggenpiraten. Ein tollkühnes Abenteuer um eine entführte Mohnschnecke und ihre furchtlosen Retter, Fischer Schatzinsel, ab 8

 

nominiert

 

Entzückerstoff

Robert Paul Weston (Text), Víctor Rivas (Illustration), Uwe-Michael Gutzschhahn (Übersetzung): Zorgamazoo,  Jacoby & Stuart, ab 9

 

nominiert

 

Wie es sich gehört

Joke van Leeuwen (Text), Hanni Ehlers (Übersetzung): Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor, Gerstenberg Verlag, ab 10

 

Entgangen sind mir:

Toon Tellegen (Text), Ingrid Godon (Illustration), Birgit Erdmann (Übersetzung): Ich wünschte, mixtvision Verlag, ab 6

Jenny Robson (Text), Barbara Brennwald (Übersetzung): Tommy Mütze. Eine Erzählung aus Südafrika, Baobab Books, ab 8

Frank Cottrell Boyce (Text), Salah Naoura (Übersetzung), Carl Hunter (Fotografie), Clare Heney (Fotografie): Der unvergessene Mantel, Carlsen Verlag, ab 10

 

In der Kategorie Jugendbuch habe ich folgenden Roman besprochen:

nominiert

 

Kampf um Selbstbestimmung

Yves Grevet (Text), Stephanie Singh (Übersetzung): MÉTO. Das Haus, dtv Reihe Hanser, ab 12

 

Des weiteren sind nominiert:

Susan Kreller (Text): Elefanten sieht man nicht, Carlsen Verlag, ab 13

Rolf Lappert (Text): Pampa Blues, Carl Hanser Verlag, ab 14

Craig Silvey (Text), Bettina Münch (Übersetzung): Wer hat Angst vor Jasper Jones?, Rowohlt Taschenbuch Verlag, ab 14

Christian Frascella (Text), Annette Kopetzki (Übersetzung): Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe, Frankfurter Verlagsanstalt, ab 16

Tamta Melaschwili (Text), Natia Mikeladse-Bachsoliani (Übersetzung): Abzählen, Unionsverlag, ab 16

 

Die Jugendjury hat folgende Bücher nominiert:

nominiert

Seepocken am Containerschiff des Bewusstseins

Das Schicksal ist ein mieser Verräter

John Green in Berlin

John Green (Text), Sophie Zeitz (Übersetzung): Das Schicksal ist ein mieser Verräter, Carl Hanser Verlag, ab 13

nominiert

 

Unvermisst

Marit Kaldhol (Text), Maike Dörries (Übersetzung): Allein unter Schildkröten,  mixtvision, ab 14

 

Stephan Knösel (Text): Jackpot. Wer träumt, verliert, Beltz & Gelberg, ab 13

Joss Stirling (Text), Michaela Kolodziejok (Übersetzung): Finding Sky 
Die Macht der Seelen, dtv, ab 13

David Schraven (Text), Vincent Burmeister (Illustration): Kriegszeiten. Eine grafische Reportage über Soldaten, Politiker und Opfer in Afghanistan, Carlsen Verlag, ab 14

Conrad Wesselhoeft (Text), Karsten Singelmann (Übersetzung): Adios, Nirvana, Carlsen Verlag, ab 14

 

Zudem sind in der Kategorie Sachbuch nominiert:

Mies van Hout (Text, Illustration): Heute bin ich, Aracari Verlag, ab 3

Birte Müller (Text, Illustration): Planet Willi, Klett Kinderbuch, ab 4

Anke M. Leitzgen (Text), Lisa Rienermann (Illustration, Fotografie), Thekla Ehling (Fotografie): Entdecke, was dir schmeckt. Kinder erobern die Küche, Beltz & Gelberg, ab 8

Anke Bär (Text, Illustration): Wilhelms Reise. Eine Auswanderergeschichte, Gerstenberg Verlag, ab 8

Ann-Marlene Henning (Text), Tina Bremer-Olszweski (Text), Heji Shin (Fotografie): Make Love. Ein Aufklärungsbuch, Rogner & Bernhard, ab 14

Reinhard Kleist (Text, Illustration): Der Boxer. Die wahre Geschichte des Hertzko Haft, Carlsen Verlag, ab 16

 

Und in der Kategorie Bilderbuch sind nominiert:

Isol (Text, Illustration), Karl Rühmann (Übersetzung): Ein Entlein kann so nützlich sein, Verlag Jungbrunnen, ab 2

Stina Wirsén (Text, Illustration), Maike Dörries (Übersetzung): Nalle liebt Oma, Gerstenberg Verlag, ab 3

John Fardell (Text, Illustration), Bettina Münch (Übersetzung): Der Tag, an dem Louis gefressen wurde, Moritz Verlag, ab 4

Jon Klassen (Text, Illustration), Thomas Bodmer (Übersetzung): Wo ist mein Hut, NordSüd Verlag, ab 4

Einar Turkowski (Text, Illustration): Der Rauhe Berg, Atlantis Verlag, ab 8

Robert Louis Stevenson (Text), Henning Wagenbreth (Illustration, Übersetzung): Der Pirat und der Apotheker. Eine lehrreiche Geschichte, Peter Hammer Verlag, ab 10

 

Allen Nominierten viel Glück!!!

 

Das Ende des Buches

scanner rob m. Sonntag„Findest du das Buch gut?“ Mit dieser Frage hatte wohl keiner gerechnet. Gestellt hat sie ein etwa 10-jähriger Junge bei der Lesung von Robert M. Sonntag an diesem Donnerstagabend im März 2013 auf dem Campus Rütli in Berlin. Der Autor, der vor Schülerpublikum aus seinem Roman Die Scanner liest, zögert kurz, dann erzählt er offen, dass, ja, er das Buch jetzt wieder gut findet. Vor drei Jahren hat er im Indien-Urlaub angefangen an dieser brandaktuellen Dystopie zu schreiben. Zwischendrin, bei all dem Überarbeiten, hatte er auch mal keine Lust mehr auf das Buch, etwas, was wohl jedem Autor während des Schreibens passiert. Doch nun sei genug Zeit vergangen – und „Bücher brauchen Zeit“, so Sonntag – dass er wieder richtig Lust hat, daraus vorzulesen.

Robert M. Sonntag liest von einer fremden Welt in einer gar nicht so ferner Zukunft, dem Jahr 2035, und doch ist vieles dort so, wie man es nicht haben möchte. Das Leben findet fast ausschließlich im digitalen Ultranetz statt. Die Menschen kommunizieren über die so genannte Mobril, eine Datenbrille, die alles aufzeichnet und sofort an die angeschlossenen Freunde verschickt. Unbeobachtet ist man nur noch auf den Toiletten. Finanziert wird das Ultranetz und die Accounts der Nutzer über omnipräsente Werbung. Die Nutzer werden regelmäßig abgefragt und bei falschen Antworten verwarnt. Die Natur ist in einer großen Vergnügungshalle aus Plastik nachgebaut und das Essen besteht nur noch aus einer einförmiger Masse, die mit künstlichen Aromen angereichert wird. Dafür macht die Alltagsdroge Nador angeblich „satt und glücklich“, im Grunde jedoch willenlos und träge. Die Stadt ist in Zonen eingeteilt, A für die vermögenden Leistungsträger, C für Rentner, Kranke und Außenseiter.

In dieser Welt lebt der 25-jährige Ich-Erzähler Rob und verdient sein Geld mit Scannen. Er arbeitet für die Scan-AG und ist mit seinem Freund Jojo ständig auf der Jagd nach bedruckten Papier. Denn die Scan-AG scannt alle Bücher und stellt sie im Ultranetz zur Verfügung. Propagiert wird das Ganze mit dem Slogan „Alles Wissen für alle! Jederzeit! Kostenlos!“ Zu diesem Zweck kaufen die Scanner den Menschen ihre letzten Bücher für viel Geld ab. Rob denkt sich nichts dabei. Er kennt es nicht anders, er ist mit dem Ultranetz groß geworden.

Eines Tages jedoch trifft er auf Mitglieder der Büchergilde, ehemalige Buchhändler, Autoren, Buchagenten, Übersetzer, die ihre Leidenschaft für Bücher nicht kampflos aufgeben wollen. Auf den Chef der Büchergilde ist ein enormes Kopfgeld ausgesetzt, und Rob will sich das nicht entgehen lassen. Als ein E-Bombenanschlag die elektronischen Geräte zerstört, wird zunächst die Büchergilde verdächtigt. Ultranetz verspricht großzügigen Ersatz von Mobrils, mit deren neuer Generation man sogar per Augenbewegung bezahlen kann. Die Überwachung nimmt weiter zu. Die Gildenmitglieder überzeugen ihn schließlich, dass Ultranetz selbst sein eigenes System sabotiert, um im Endeffekt noch mehr Kontrolle und Macht auszuüben.
Dann sterben kurz hinter einander Robs Gruppenleiter Nomos bei der Scan AG und Jojo. Rob hat Nomos am Abend vorher zufällig auf der Toilette belauscht. Nomos wollte aus der Scan AG aussteigen, am nächsten Tag stirbt er bei einem Unfall. Jojo hingegen nimmt sich das Leben, weil seine Freundin Melli, mit der er über das Ultranetz eine Fernbeziehung führt, ihn angeblich betrogen hat und ein Film davon im Netz kursiert. In Rob steigen Zweifel an dem ganzen System auf. Während er zur Büchergilde zurückkehrt, wird Rob von Ultranetz zum Top-Terroristen erklärt und muss untertauchen. Da explodiert die nächste E-Bombe und zerstört die kompletten Datenspeicher …

Die jungen Zuhörer des Campus Rütli lassen sich von den komplizierten Zuständen und technischen Gimmicks der Zukunftswelt nicht schrecken und fragen nach – woher die Idee zu der Dystopie stammt, welche Vorbilder es für die C-Zone gab, warum die Menschen in dieser Welt Glatzen tragen. Der Autor antwortet ausführlich, über die Lust an einem eigenen Zukunftsentwurf, indische Slums und eine „glatzig-gute Welt“, in der aber gleichzeitig auch seine Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus steckt. Er erzählt von dem Erschrecken, als die eigene Vision einer Datenbrille tatsächlich von Google umgesetzt wird, und dass er immer noch lieber reale Bücher liest und keine E-Books.  So weckt er die Neugierde auf ein Buch, dessen ganze kulturpolitische Dimension den jungen Zuhörern in diesem Moment wahrscheinlich nicht bewusst sein dürfte.

Denn Robert M. Sonntag, ein Pseudonym von Nahostexperte Martin Schäuble, legt hier eine überaus düstere und gleichzeitig faszinierende Zukunftsvision vor. Das Ende des Buches. Dabei spielt er ganz bewusst mit Anklängen und Verweisen auf Ray Bradburys Fahrenheit 451, wo sich Guy Montag vom Büchervernichter zum Dissidenten entwickelt. Bradburys Roman ist vor genau 60 Jahren erschienen – und hat mit Die Scanner einen würdigen Nachfolger gefunden, der den aktuellen Gegebenheiten Rechnung trägt. Sonntag denkt konsequent das zu Ende, was wir momentan immer wieder erleben: Die Umsonstkultur des Internets ist einer der Gründe für das Verschwinden von Printprodukten. Sicher sind die Zusammenhänge heute extrem komplex und lassen sich  nicht einfach in Gut und Böse kategorisieren. Doch wird immer deutlicher, dass ein Umdenken stattfinden muss, und zwar hin zu einer Wertschätzung von Urhebern und Machern von Gedrucktem. Diese Wertschätzung darf jedoch nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss sich in angemessenen Honoraren, Beteiligungen und so genanntem Payed Content spiegeln. Denn nur so können auch in Zukunft qualitativ hochwertige Geschichten, Reportagen, unabhängig investigative Texte entstehen.

Was passieren könnte, wenn wir heute, jetzt, in diesen Tagen die Kurve nicht mehr kriegen und den großen Internetkonzernen dieser Welt das Netz und die Schriftkultur überlassen, zeigt Sonntag eindrücklich und in Form eines Pageturners allererster Güte. Bleibt zu wünschen, dass diese Geschichte das Bewusstsein der Leser für gut gemachte Bücher und die Gefahren durch die Gratis-Unkultur weiter schärft.

Von all dem ahnen die Rütli-Schüler vermutlich noch nichts, aber dieser Abend zeigt ganz klar, dass sie das Buch gut finden. Bei der abschließenden Verlosung von drei Exemplaren reißen sie begeistert die Arme in die Höhe. Die Gewinner können sich über eine coole, spannende Geschichte freuen, die sie vielleicht zu treuen Bücherlesern macht und ihnen einen Hauch von Kritik gegenüber dem Internet vermittelt.

Robert M. Sonntag: Die Scanner, Fischer Verlag, 2013, 180 Seiten, 12,99 Euro

Das große Staunen

evolutionGroßväter sind wichtige Bezugspersonen für die Enkelkinder. Manches Mal erkennen sie viel deutlicher, wo die Talente der Kinder liegen. Diese These jedenfalls zieht sich durch den entzückenden Roman Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen von Jacqueline Kelly.

Es ist ein heißer Sommer im Jahr 1899 in Texas. Calpurnia, elf-drei-viertel-fast-zwölf, lebt mit ihren Eltern, acht Brüdern und dem Großvater auf dem Land. Sie genießt ihre Freiheit, streift durch die Natur und beobachtet Pflanzen und Tiere. Ihre Erkenntnisse hält sie in einem roten Notizbuch fest. Als ihr auffällt, dass es grüne und gelbe Grashüpfer gibt, kann ihr niemand aus der Familie erklären, warum das so ist. Als sie den Mut aufbringt, den Großvater zu fragen, der bis dahin so gut wie nie mit ihr gesprochen hat, schickt er sie zunächst weg: „Ich vermute, dass ein schlaues kleines Ding wie du allein dahinterkommen kann. Komm wieder und berichte mir, wenn du es weißt.“ Calpurnia beobachtet weiter, entdeckt, dass die grünen Grashüpfer öfter gefressen werden. Sie will ihre These nachlesen und versucht Darwins Buch „Von der Entstehung der Arten“ aus der Bibliothek auszuleihen, was ihr die resolute Bibliothekarin allerdings verweigert. Als sie  dem Großvater davon erzählt, leiht er ihr kurzerhand sein Exemplar von Darwins Buch – und eine wundersame Beziehung zwischen Alt und Jung entsteht.

Gemeinsam streifen Großvater und Enkelin durch die Gegend, finden ein Kolibri-Nest, entdecken eine merkwürdige Abart der Zottelwicke und eine dicke Raupe, die Calpurnia Petzi tauft und bei der Verpuppung beobachtet. Der Großvater führt das Mädchen in die Welt der Naturwissenschaft ein, zeigt ihr seine Präparate-Sammlung, berichtet von seinem Kollegen Charles Darwin, leitet sie zu wissenschaftlich genauem Beobachten an, lässt sie durch ein Mikroskop schauen und Einzeller zeichnen. Calpurnia saugt alles begierig auf und entwickelt immer mehr den Wunsch Wissenschaftlerin zu werden.
Das jedoch passt der Mutter gar nicht ins Konzept. Sie will ihre Tochter in die gute Gesellschaft einführen. Dafür soll Calpurnia kochen, stricken, sticken und klöppeln lernen. Nur äußerst widerwillig fügt sich das Mädchen in Koch- und Strickstunden, entwischt jedoch in jeder freien Minute zum Großvater. Es ist für sie unvorstellbar, später für einen Mann und eine Familie zu kochen. Calpurnia hätte dafür selber gern eine Frau.
Der Großvater hingegen nimmt sie mit zum Fotografen, um die Zottelwicke fotografieren zu lassen. Denn die beiden Naturforscher glauben, dass sie eine neue Wickenart entdeckt haben. Die Fotos und die genaue Beschreibung schicken sie nach Washington zur Smithsonian Institution, um die Pflanze kategorisieren zu lassen. Es dauert Monate bis sie Nachricht erhalten sollen.
In der Zwischenzeit zieht die moderne Technik in das Leben Calpurnias ein: die Mutter erhält die erste Windmaschine, im Dorf wird das erste Telefon installiert, auf dem Dorffest trinkt Calpurnia die erste Coca-Cola, der Großvater besteigt zum ersten Mal ein Automobil und an Weihnachten bestaunt die ganze Familie Fotos durch ein Stereoskop.
Als Calpurnia dann am ersten Januar 1900 zum ersten Mal Schnee erlebt, ahnt sie, dass alles möglich ist und auch ihr die Welt der Wissenschaft offen steht.

Jacqueline Kellys Roman ist eine ganz wundervolle Emanzipationsgeschichte, die jungen Leserinnen Mut macht, sich sowohl von elterlichen Vorstellungen als auch gesellschaftlichen Konventionen frei zu machen. Ist hier im historischen Kontext die Naturwissenschaft als Beispiel für eine scheinbare Männerdomäne gewählt, in die nun auch Calpurnia vordringt, so kann man durchaus die Parallele in die Jetztzeit ziehen und den nächsten Frauengenerationen Ingenieurwissenschaften und Informatik schmackhaft machen. Calpurnia jedenfalls taugt fantastisch als Identifikationsfigur für Mädchen, die ihren eigenen Kopf haben und sich nicht von äußeren Zwängen verschrecken lassen. Calpurnia zeigt, wie wichtig es ist, Fragen zu stellen und Dingen auf den Grund zu gehen – dafür kann der Apfelkuchen auch schon mal missraten. Als Leser freut man sich nicht nur mit der Heldin über all ihre Entdeckungen, selbst wenn aus der Raupe kein schöner Schmetterling schlüpft, sondern „nur“ eine extrem große Motte, und fängt auch gleich an, die Natur wieder mit wacheren Augen zu betrachten.

Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen ist ein herrlicher Lesegenuss, nicht zuletzt durch die gelungene Übersetzung von Birgitt Kollmann. Die Geschichte entführt den Leser in eine aufregende Zeit des Umbruchs, wo neben technischem Fortschritt die Emanzipation der Frauen ihren Anfang hatte. Schöner kann man dieses Thema den Mädchen von heute kaum näher bringen.

Jacqueline Kelly: Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen, Übersetzung: Birgitt Kollmann, Hanser, 2013, 336 Seiten, ab 12, 16,90 Euro

Der Verlust der Unschuld

militärdiktaturDieses Jahr ist es 30 Jahre her, dass in Argentinien die Militärdiktatur endete. Ich muss zugeben, dass ich von den Vorgängen dort nicht sehr viel weiß, aber ein Buch hat es geschafft, mein Interesse für dieses Thema zu wecken. Und das auf eine ganz behutsame und fast leise Art.

Der Jugendroman Wie ein unsichtbares Band von Inés Garland, hervorragend übersetzt von Ilse Layer, erzählt die Geschichte der jungen Alma in den 1970er Jahren. Das Mädchen wächst in Buenos Aires in einer behüteten Familie der Mittelschicht auf. An den Wochenenden fährt sie mit ihren Eltern zu einem kleinen Häuschen auf einer Insel im Delta des Rio de la Plata. Hier geht es entspannt und idyllisch zu, und Alma freundet sich mit den Nachbarskindern Carmen und Marito an, die bei ihrer Großmutter leben. Carmen wird zu ihrer Vertrauten, in Marito verliebt sie sich auf den ersten Blick. Doch es soll Jahre dauern, bis die beiden für kurze Zeit zusammenfinden. Denn Alma kommt immer nur am Wochenende und versucht, während der Woche Anschluss an ihre Mitschüler in der Stadt zu finden. Das gelingt ihr nicht. Und spätestens nach der ersten Party merkt sie, dass sie die Außenseiterin ist und mit den wirklich reichen Jugendlichen nicht mithalten kann.
Umso mehr zieht es sie zu Carmen und Marito. Aber der Junge, der ein paar Jahre älter ist als sie, bewegt sich in ganz anderen Kreisen, liest andere Literatur, hat andere Ansichten über die Gesellschaft. Sein Zimmer ist vollgestopft mit Büchern.Ohne dass er wirklich sagt, dass er zum linken Lager gehört, beeinflusst er immer mehr Almas Denken. Sie lehnt sich gegen die Vorstellungen ihrer Eltern und der katholischen Schule auf. Als Marito auf die Uni gehen will, verlässt er die Insel. Alma ist in Gedanken immer bei ihm. Während dieser Zeit kommt es nach einer Party, die Alma für ihre Mitschüler aus der Stadt auf der Insel gibt, zum Bruch mit Carmen. Denn Alma ist so zwischen den Welten hin und her gerissen, dass sie es nicht schafft, vor den anderen zu Carmen zu stehen.  Auch Carmen verlässt schließlich die Insel und heiratet ihren Freund Emil.

1976 putscht sich das Militär an die Macht, doch in Almas Alltag ändert sich zunächst nicht viel. Das Mädchen ist bis dahin völlig unpolitisch. Aber dann verschwindet die Sozialkundelehrerin, und der Vater rät Alma, vorsichtig zu sein und sich aus der Politik herauszuhalten. Mit der Zeit merkt sie immer mehr, wie sich die Gesellschaft verändert. Angst breitet sich aus. Nach einer Party wird sie mit einem Klassenkameraden auf dem Nachhauseweg von der Polizei angehalten. Der Polizist, der sie abtastet, belästigt sie sexuell und demütigt sie. Alma erzählt niemandem von diesem Erlebnis. Doch nun fallen ihr immer öfter seltsame Männer in großen Wagen auf, die scheinbar ziellos durch die Straßen fahren.
Marito kehrt auf die Insel zurück. Die beiden finden zusammen, treffen sich fortan auch in Buenos Aires, ohne das Wissen von Almas Eltern, die den Umgang mit dem Jungen nicht passend finden. Als die Eltern für ein paar Tage nach Miami fahren, lädt Alma Marito endlich zu sich nach Hause ein. Sie genießen die Zweisamkeit, schlafen zum ersten Mal miteinander. Dann geht Marito telefonieren – aus einer Telefonzelle, denn er will nicht von Almas Apparat anrufen. Warum sagt er ihr nicht. Marito kehrt nicht zurück. Alma schwankt zwischen Hoffnung, dumpfer Angst, dem Glauben, dass es eine logische Erklärung für sein Fortbleiben gibt. Doch Marito bleibt verschwunden. Auch als Alma zum ersten Mal zu Maritos Vater fährt, um sich dort nach dem Geliebten zu erkunden, erhält sie keine Antwort.
Stattdessen taucht Carmen bei ihr in Buenos Aires auf. Sie hat Angst und ist schwanger. Sie will ein paar Tage bei Alma untertauchen, verschweigt aber die Gründe. Kurz darauf wird ein Onkel von Carmen und Marito auf offener Straße erschossen. Carmen taucht unter, Alma wird sie nie wiedersehen. Auch Marito kehrt nicht zurück. Bei einem zweiten Besuch bei Maritos Vater erfährt Alma, dass Männer Marito geschnappt und noch im Haus vor den Augen des Vaters zusammengeschlagen und gefoltert haben. Und auf der Insel brennen Maritos Bücher.

Inés Garland hat mit Wie ein unsichtbares Band einen eindrucksvollen und feinfühligen Roman über die Jugend und das Erwachsenwerden in einer Militärdiktatur vorgelegt. Von der idyllischen Kindheit auf der Insel im Delta, wo das Leben scheinbar genauso gemächlich dahinfließt wie der Fluss, entwickelt sich das Buch zu einer beklemmenden Coming-of-Age-Geschichte, in deren Verlauf die Protagonistin von dem unpolitischen Mädchen zu einer Beobachterin der gesellschaftlichen Veränderungen wird. Die historischen und politischen Fakten der Militärdiktatur in Argentinien spricht die Ich-Erzählerin Alma, die in einem Rückblick von ihrer Jugend erzählt, nur ein einziges Mal konkret an. Sie schildert in erster Linie die Stimmung und die Wahrnehmungen, die sie in den 70er Jahren als Tochter der Mittelschicht von ihrer direkten Umwelt hatte. Die Arbeiter- und Studentenwelt, in der sich Marito bewegt, bleibt ihr verschlossen. Marito erzählt ihr nicht, was er macht. Beim Leser entsteht so ein vages Unbehagen und die Vermutung, dass der Junge zu den verfolgten Oppositionellen gehört.

Das politische Erwachen Almas geht mit ihrem sexuellen einher und ist eng mit Marito verbunden. Doch zwischen den gesellschaftlichen Schichten, die hier aufeinandertreffen, herrscht im Grunde eine große Sprachlosigkeit. Das liegt zum einen daran, dass Marito Alma in Gefahr bringen würde, wenn er ihr von seinen Aktivitäten erzählen würden. Zum anderen können sie die Kluft zwischen ihren beiden Welten, symbolisiert durch den Kanal zwischen ihren Häusern auf der Insel, nicht überwinden.
Auch mit Carmen kann Alma nicht mehr sprechen, als diese unvermittelt bei ihr auftaucht. Sie haben keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Geschichte und auch keine Erfahrung darin, sich mitzuteilen. Die Autorin bleibt meisterhaft in der Perspektive von Alma, der viele Vorgänge in ihrer Umgebung einfach verborgen bleiben, weil sie sich in einer anderen Welt bewegt. Für den Leser bedeutet diese strenge Perspektive, dass viele, sehr viele Fragen auftauchen und offen bleiben. In einem Crescendo aus subtiler Verfolgung und gewalttätiger Todesschwadrone gewinnt die Geschichte auf den letzten dreißig Seiten so sehr an Dramatik, dass es kaum zu ertragen ist. Doch gerade die vielen offenen Fragen machen neugierig, sich auf die Suche nach Erklärungen für diese düsteren Ereignisse zu machen.

Inés Garland ist ein tiefgründiges und sehr poetisches Buch über eine Jugend in einem Terrorregime gelungen. Der Kontrast von Idylle und Schrecken könnte nicht größer sein. Und der regt ungemein an, sich mit diesem Kapitel der Argentinischen Geschichte zu befassen – denn die wirklich große Frage bleibt, wie man sich selbst an Alma Stelle verhalten hätte.

Um wenigsten noch ein bisschen mehr über Argentinien und seine Geschichte zu erfahren, habe ich Inés Garland zu ihrem Buch befragt und wie die Argentinier mit ihrer belastenden Vergangenheit umgehen. Sie hat sehr offen und ausführlich geantwortet.

Inés Garland, wie viel Autobiografisches steckt in Ihrem Roman?
In den meisten meiner Geschichten verwebe ich Autobiographisches und Fiktion zu einem verschlungenen Bild: Wenn ich mir überlege, mit einer fremden Erfahrung zu beginnen, machen meine eigenen Gefühle sie persönlicher; und wenn ich mit etwas Persönlichem beginne, verfremde ich im Schreibprozess meine Erfahrungen durch Elemente, die für meine Fiktion wichtig sind.
Die Geographie ist mir immer sehr vertraut, und Wie ein unsichtbares Band spielt in der Landschaft meiner Kindheit und Jugend. Als ich jung war, bin ich sehr oft auf die Inseln in der Nähe von Buenos Aires gefahren.
Der historische Hintergrund ist ebenfalls autobiographisch: Ich war sechzehn, als der Militärputsch stattfand und meine Eltern und mein soziales Umfeld auf die gleiche Art reagierten wie Almas Eltern. Ich bin die älteste von vier Schwestern, und wir hatten Nachbarn, die ihr ganzes Leben auf den Inseln verbracht haben, aber das waren alles Erwachsene und keine Kinder in meinem Alter, also hatte ich dort keine Freunde oder Freundinnen.
Die Figuren im Roman sind meiner Fantasie entsprungen, obwohl ich die meisten Gefühle, die ich beschreibe, sehr gut kenne. Ich könnte auf diese Frage sehr ausführlich antworten, wenn ich alles aufzeigen sollte, was autobiographisch ist. Generell kann man sagen, dass die Landschaft und die meisten Gefühle, die diese Geschichte beherrschen, autobiographisch sind, während die Charakter und das Meiste, was ihnen zustößt, Fiktion ist. 

Wie lange haben Sie an diesem Buch gearbeitet?
Das weiß ich nicht genau. Die ersten Ideen habe ich fünf Jahre vor dem Abschluss des Buches notiert, vielleicht sogar noch früher. Das reine Schreiben hat vier Jahre gedauert. Ich arbeite langsam.
Anfangs dachte ich, es würde eine Kurzgeschichte über die Freundschaft von Alma und Carmen werden, doch als Marito im zweiten Kapitel auftauchte, wuchs die Story zu einem Roman heran. Nach Abschluss des ersten Teils habe ich monatelang nichts geschrieben. Ich wollte mich mit meinem Geschriebenen nicht auseinandersetzen.

Wie haben Sie die Militärdiktatur (Proceso de Reorganización Nacional), die von 1976 bis 1983 dauerte, erlebt?
Zuerst muss ich darauf hinweisen, dass die Militärs den Begriff „Proceso de Reorganización Nacional“ („Prozess der Nationalen Reorganisation“) eingeführt haben. Das war kein „Prozess“, und es hat auch nichts „reorganisiert“. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Sprache in solchen Zeiten euphemistisch wird und die Wahrheit verschleiert.
Ich war, so wie Alma, ein Teenager der gehobenen Mittelklasse und ging auf eine katholische Schule. Meine Eltern glaubten, dass die Militärs das Land retten und in Ordnung bringen wollten. Sie bezeichneten die Mütter der Verschwundenen als „locas de Plaza de Mayo“ – als „die Verrückten von der Plaza de Mayo“. Ich habe sie oft gefragt, wie sie die Mütter „verrückt“ nennen konnten, wenn diese doch einzig und allein wissen wollten, wo ihre Söhne und Töchter waren. Sie hatten keine richtige Antwort darauf.
Es gibt eine Szene im Roman, in der die Polizei Alma auf dem Rückweg von einer Party anhält. Die Polizisten sind sexuell übergriffig. Das mussten Teenager in jener Zeit sehr oft ertragen. Jeder konnte Opfer des Machtmissbrauchs durch Polizisten und Beamte der Regierungsorganisationen werden. Mir war damals nicht bewusst, was da vor sich ging. Ich fand es erst heraus, als ich 1982 nach Europa reiste.

Wie beeinflusst die Vergangenheit heute noch Ihr Leben?
Ich glaube, das Schuldgefühl war einer der Gründe, dieses Buch zu schreiben. Ich habe lange gebraucht, um mich mit der Geschichte meines Landes auseinanderzusetzen und für das einzustehen, an das ich glaube.
Viele Leute sagen, wir sollten aufhören, über dieses dunkle Kapitel Geschichte zu reden. Ich finde nicht, dass das richtig ist. Diese schrecklichen Jahre sind eine Wunde, die nicht verheilt ist. Erinnerung ist unser Leitstern, der einzige Weg, mit dem wir verhindern können, dass so etwas wieder geschieht. Missbrauch gedeiht durch Verleugnen und Verschweigen.

War es schmerzhaft, sich zu erinnern? Wie sind Sie mit dem Schmerz umgegangen?
Während des Schreibens habe ich Bücher zum Thema gelesen, darunter auch „Nunca más“ („Nie wieder“), der Bericht der Argentinischen Nationalkommission über Verschwundene Menschen. Die Kommission hatte eine Untersuchung über das Schicksal von Tausenden von Argentiniern geleitet, die während der Militärdiktatur verschwunden waren. Ich wollte genau wissen, was mit Marito passiert war, auch wenn ich das am Ende nicht im Roman erzähle. Diese Lektüre war entsetzlich schmerzhaft. Ich habe den Schmerz durch das Schreiben vertrieben, so wie ich es in meinem Leben immer schon gemacht habe. Worte für den Schmerz finden und ihn dadurch mitzuteilen ist bereits ein Heilungsprozess.

Zwischen Alma und Marito, Alma und Carmen, Alma und ihren Eltern herrscht eine große Sprachlosigkeit – haben Sie so etwas in Ihrer Jugend auch erlebt?
Ja, sehr viel sogar. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum ich schreibe.

Wie sollte dieses Problem des Schweigens, das immer noch viele Bereiche unserer Gesellschaft und auch die Familien dominiert, gelöst werden?
Wir sollten reden. Lehrer sollten ihre Schüler zum Reden ermutigen, und Eltern sollten ihren Kindern zuhören. Wir sollten den Mut haben, schmerzvolle Erfahrungen anzusprechen und zu teilen. Gruppen können dabei eine große Unterstützung sein. Wir sollten lernen zuzuhören.
Natürlich ist auch das Lesen ein wunderbarer Weg, die Worte für das zu finden, was uns wehtut. Kinder haben eine natürliche Art, das mitzuteilen, was sie bewegt. Es sind die Erwachsenen, die sie zum Schweigen zwingen. Wir benutzen Euphemismen, wir verstecken die Wahrheit, wir verschließen unseren Augen und unsere Herzen. Die heutige Gesellschaft ist sehr gewalttätig, und wir sehen weg. Wir müssen uns engagieren und eine liebevolle Umgebung schaffen, in denen Kinder und Jugendliche sich trauen offen zu reden.

Wie wird in Argentinien die Vergangenheit aufgearbeitet?
Das ist ein sehr schwieriges Thema. Wie schon gesagt, meinen viele Leute, dass wir „das Thema fallen lassen“ sollten, und es gibt Leute, die immer noch das unterstützen, was die Militärs getan haben. Manche Leute glauben, dass die Regierung und die Terroristen die gleiche Verantwortung tragen, für das was geschehen ist. Sie halten den Machtmissbrauch durch den Staat für eine unvermeidbare Nebenwirkung.
Aber es wurde auch Vieles getan, um den Familien der Verschwundenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und die vermissten Kinder zu finden, die heimlich an andere Familien weggeben wurden. Die verschwundenen Kinder zu finden und sie zu ihren Familien zurückzubringen ist eine der Hauptaufgaben.

Kann offen über die Militärdiktatur gesprochen werden?
Man kann offen über diese Zeit sprechen, aber es kann durchaus sein, dass dabei eine leidenschaftliche Diskussion entbrennt. Wir sind eine gespaltenen Gesellschaft, und der Graben scheint nicht kleiner zu werden.

Was lernen Kinder in der Schule über diese Zeit?
Das hängt sehr von der Bereitschaft des Lehrers ab, darüber zu diskutieren. Viele staatliche Schulen haben Wie ein unsichtbares Band in den Lehrplan der Abschlussklassen aufgenommen. Auf den Privatschulen entscheiden die Lehrer selbst darüber. Ich werde regelmäßig eingeladen, mit Schülern über mein Buch zu sprechen, und alle sind ausnahmslos an der historischen Epoche interessiert und wie ich sie erlebt habe. Die Geschichte stachelt ihre Neugierde an. Denn sie leiden mit Marito, Carmen und Alma mit, sie möchten dann mehr darüber wissen, was in diesen Jahren passiert ist. Literatur ist ein wundervoller Weg zum menschlichen Herzen.

Wie können sich deutsche Jugendliche dem Thema Militärdiktatur nähern?
Die Geschichte in meinem Roman ist ein Weg dahin. Ich hoffe, dass sich auch deutsche Jugendliche für die Figuren in dem Roman interessieren werden und durch sie erfahren, was geschehen ist. Alma, Marito und Carmen sind nicht sehr anders als junge Leute heute, egal, woher sie kommen. Der Roman handelt von universellen Gefühlen wie Liebe, Verlust und Schmerz. Wenn die Geschichte die Leser fesselt, dann findet auch dieses Thema den Weg in ihre Herzen.

Wie ist das politische Leben heute?
Die Gesellschaft ist ziemlich gespalten. Diese Regierung hat viele Schritte zur Wiedergutmachung unternommen. Sie hat Massenmörder inhaftiert, die noch frei herumliefen. Das hat diese dunklen Jahre wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht. Was dann vor allem die Leute verstimmt hat, die „das Thema fallenlassen“ und die Vergangenheit begraben wollen.
Auf der anderen Seite glaubt diese Regierung an die Gleichberechtigung aller Menschen in der Gesellschaft und hat sehr konkrete Schritte in diese Richtung unternommen. Dafür wurde ihr Populismus vorgeworfen. Politik ist sehr kompliziert, und die Welt ist so scharf auf Geld und Konsum, dass scheinbar alle Bemühungen, die in Richtung Gleichberechtigung gehen, verdammt werden. Meine persönliche Ansicht ist da vielleicht naiv.

Welche Ängste beherrschen die Argentinier heute?
Man kann schwer über die Argentinier als Ganzes reden. Die Ängste der Menschen hängen von ihren Lebensumständen ab. Viele fürchten sich vor Armut; sie haben Angst, dass ihnen Dinge genommen werden; sie fürchten, dass das Land verarmt; sie fürchten, dass die staatliche Arbeitslosenunterstützung die Leute dazu bringt, sich vor der Arbeit zu drücken; sie fürchten, dass das Kindergeld, dass die Regierung armen Familien für jedes Kind zahlt, die Familien unkontrollierbar anwachsen lässt. Ich fürchte, Ungerechtigkeit wird nie enden. Ich fürchte, wir werden die Menschen nie als gleichwertig ansehen. Ich fürchte die Entfremdung von anderen Menschen. Ich fürchte Gewalt in all ihren Formen. Angst ist das Gegenteil von Liebe.

Inés Garland: Wie ein unsichtbares Band, Übersetzung: Ilse Layer, Fischer KJB, 2013, 256 Seiten, ab 14, 14,99 Euro

Die Leere in uns

lukas jüligerIch habe ein neues Lieblingswort: Mitnehmbrote. Es steht im ersten Satz der Graphic Novel Vakuum von Lukas Jüliger. Damit hatte er mich. Anfangs dachte ich allerdings, ich würde mir den Abend mit einer netten Teenager-Liebesromanze versüßen. Ich hätte mich nicht mehr täuschen können und hätte nicht mehr überrascht und beeindruckt werden können als von dieser Story.

In melancholisch-gedämpten Pastelltönen und zarten Schraffuren erzählt Lukas Jüliger die Geschichte von drei Jugendlichen auf der Schwelle zum Erwachsenenwerden. Der Protagonist, ein namenloser Ich-Erzähler mit Paul-Weller-Gedächtnisfrisur, hält sich für den langweiligsten Menschen der Welt. Er hängt die meisten Zeit mit seinem Freund Sho herum. Der jedoch ist nach dem Rauchen einer Psycho-Pflanze in tiefste Depressionen verfallen. Er spricht kaum noch, liegt nur in der Gegend herum oder zerstört und verbrennt seine Sachen. Der Protagonist schaffte es nicht, ihn aus seiner Erstarrung zu holen.
Eines Tages spricht Sie, eine namenlose Mitschülerin, den Jungen an, und im Laufe einer Woche, in der der Sommer zu Höchstform aufläuft, verliebt er sich rettungslos in ihren Duft, erlebt die Liebe und schöpft Hoffnung, das langweilige Leben in der Kleinstadt hinter sich lassen zu können.
Doch dann passieren schreckliche Dinge: Das angesagteste Hip-Mädchen der Stadt wird von einem Mitschüler vergewaltigt. Der begeht hinterher in einem Getreidefeld Selbstmord. Der Protagonist und Sie gehen zusammen mit anderen Jugendlichen heimlich ins Leichenschauhaus, machen Handy-Fotos von dem obduzierten Jungen, besichtigen den Tatort und treffen dort auf den geschockten und ideologisierten Bruder des Selbstmörders, der den beiden den Weltuntergang prophezeit.
Während all dieser an sich schon deprimierenden Geschehnisse, stellt Sie den Protagonisten immer wieder auf eine harte Probe. Nach gemeinsam verbrachten Stunden am Abend verschwindet Sie immer wieder. Zunächst sagt Sie ihm nicht, wohin Sie geht. Irgendwann folgt er ihr. Sie zeigt ihm ihr Geheimnis, das sich unter einem alten Wohnwagen in einer Erdhöhle befindet: eine mysteriöse, surreale Körperöffnung von einem nicht näher erkennbaren Wesen. Dort legt Sie sich zwei Mal am Tag hin und verspürt tiefstes Glück. Ein Glück, das abhängig macht. Er probiert es aus und verfällt ihm ebenfalls.
Der Protagonist schöpft Hoffnung, dass dieses beglückende Etwas Sho aus seiner Depression holen kann. Doch statt der Heilung, überkommt Sho eine brutale Aggressivität, und er meuchelt das Wesen. Danach fällt er im Haus des Protagonisten wieder in katatonische Starre. Eine Erlösung gibt es für ihn nicht. Und auch nicht für die beiden Verliebten, die sich in dieser merkwürdigen Nacht leidenschaftlichem Sex hingeben. Denn am nächsten Morgen taucht der Bruder des toten Mitschülers mit einer Pistole in der Schule auf.

Das ist, zugegebenermaßen, alles sehr harter Stoff und sicher nicht für jeden geeignet. So eine düstere und hoffnungslose Darstellung der aktuellen Gefühlswelt der Jugend habe ich eigentlich noch nie gelesen. Die Lage der drei Hauptfiguren ist aussichtslos, selbst die Liebe spendet keinen Trost mehr. Als Leser gerät man in einen Sog aus Mitgefühl für die Jugendlichen, die in spießigen Normalo-Familien groß werden, Hoffnung, sie mögen gemeinsam einen Ausweg aus der Leere finden, und Faszination für dieses mysteriöse Etwas im Erdloch.
Dieses Etwas, das einem Anus gleicht, wirft jede Menge Fragen auf, die nicht zu lösen sind. Ketzerisch könnte man vermuten, dass hier eine bildliche Umsetzung des Ausdrucks von „voll am A**** sein“ auf eine skurrile Spitze getrieben werden sollte. Denn diese Etwas ist der Ort, wo sich der Protagonist und Sie am glücklichsten fühlen. Die Welt draußen kann da nicht mithalten. Und das ist eine verdammt bittere Absage an die Realität.

In Vakuum erzählt Jüliger von der Leere in uns und in der Gesellschaft. Die dick schwarz umrandeten Panels tragen Trauer und übertragen das Gefühl der Leere direkt auf den Leser. Man fragt sich unweigerlich: Was ist das Leben? Eine Antwort darauf erhält man hier nicht, die muss sich eh jeder selbst suchen. Aber man bekommt quasi einen Tritt in den Allerwertesten, den nachfolgenden Generationen mehr „Mitnehmbrote“ zu machen, die für Aufmerksamkeit, Zugewandheit, Fürsorge und ein erfülltes Leben stehen.

Was neben der heftigen Story richtig Freude macht, ist die grafische Umsetzung: Jüliger versteht es vorzüglich, die Gesten und den Habitus der Jugendlichen darzustellen. Köstlich, wie die Girlies Handys und Handtaschen umkrallen. Die zarte Annäherung der beiden Liebenden ist wunderschön anzusehen und geht richtig ans Herz. Die Schraffuren entwickeln einen Sog und eine schräge Dynamik, die in manchen Panels an Edvard Munch erinnern. Dann möchte man schreien – gegen all diese Leere.

Die surreale Verwirrung in dieser Geschichte ist grandios, aber genau darin liegt die Grandezza dieses fantastischen Comic-Debüts von Lukas Jüliger. Bleibt nur, sich mehr von solchen im Besten Sinne anstößigen und aufrüttelnden Geschichten zu wünschen.

Lukas Jüliger: Vakuum, Reprodukt, 2013, 112 Seiten, ab 18, 20,00 Euro

Stille Stärke

augustBei diesem Buch muss ich zugeben, dass ich eine Weile gegrübelt habe, ob ich es hier vorstellen soll. Normalerweise bin ich von den Büchern, über die ich schreibe immer restlos begeistert. Wunder, der Debütroman von Raquel Palacio ist zweifellos ein berührendes Buch, in dem sie die Geschichte von August erzählt, doch für mich hat die deutsche Fassung ein paar Stolpersteine.

August kommt mit dem Treacher-Collins-Syndrom zur Welt, das heißt, dass sein Gesicht durch einen genetischen Fehler deformiert ist. Seit zehn Jahren lebt August nun schon mit einem Gesicht, das in keinster Weise der Norm entspricht und das alle Menschen zutiefst irritiert. August erkennt diese Irritationen mittlerweile an dem kleinsten Zucken der anderen. Bislang hat  seine Mutter ihn zu Hause unterrichtet, doch nun soll er in die fünfte Klasse der Mittelschule gehen – auch den Umgang mit seiner Umwelt weiter zu erlernen. Für August ist es natürlich eine ziemliche Überwindung, sich den fremden Kindern zu stellen.
Mutig lässt er sich darauf ein und erlebt alle Phasen des Angestarrt, Gemobbt, Geschnitten und Ausgeschlossen werdens. Halt geben ihm seine Eltern und die Schwester Via sowie das Mädchen Summer, das sich von seinem ungewöhnlichen Gesicht nicht abschrecken lässt.

August selbst erzählt in einem lakonischen Ton von seinem ersten Jahr an einer öffentlichen Schule. Daneben berichten Via, ihr Freund Justin, ihre beste Freundin Miranda sowie Augusts Schulkameraden Summer und Jack über ihre Erlebnisse mit dem Protagonisten. Sie zeigen, dass nicht nur August selbst an seiner Andersartigkeit leidet, sondern in gewissem Maße auch sein Umfeld. So möchte Via beispielsweise nicht immer nur als die Schwester des missgestalteten Jungen wahrgenommen werden.

Im Laufe des Schuljahres wandelt sich die Ablehnung der Schulkameraden zu echter Freundschaft, da die Kinder merken, dass auch August ein liebenswerter, kluger und witziger Junge ist. Auf der Jahrgangsfahrt verteidigen sie ihn gegenüber älteren Schülern, und am Ende des Schuljahrs wird August vom Schulleiter als der Junge ausgezeichnet, dessen „stille Stärke die meisten Herzen bewegt hat“. Diese letzten Seiten im Buch sind überaus rührend und treiben einem tatsächlich die Tränen in die Augen. Was aber auch ein wenig an dem amerikanischen Hang für Kitsch und große Gefühle liegen mag. Doch das sei diesem Buch durchaus gegönnt. Ist doch die ganze Geschichte von der ersten Seite an eine permanente Aufforderung an den Leser, über die Oberflächlichkeiten und Andersartigkeiten von fremden Leuten hinauszusehen, hinter die Fassade zu schauen und den wahren Menschen zu erkennen. Daran können wir alle eigentlich nicht oft genug erinnert werden, und das ist das große Verdienst dieses Buches.

Was mich jedoch von hymnischer Begeisterung abhält, ist in diesem Fall die B-Note, sprich, die deutsche Fassung. Der Texte hätte durchaus noch eine Überarbeitung gebrauchen können. Zu sehr schimmert der englische Originaltext durch. Anglizismen wie „ich meine“, „ich bin/es ist okay“ oder „definitiv“ tauchen immer wieder auf, mir manchmal eine Spur zu häufig. Zudem sind manche Ausdrücke unfreiwillig amüsant, aber leider nicht sehr deutsch. So wird im Text Augusts Mutter der Blutdruck „abgenommen“ (schön wär’s ja, wenn wir den loswerden könnten, geht nur leider nicht…) und nicht gemessen,  eine der Figuren bekommt „schlechte Schwingungen“, anstatt schlechter Laune, und irgendjemand „gibt eine Umarmung“, anstatt einfach nur zu umarmen. Das mag sich jetzt pingelig anhören, aber mich haben diese sprachlichen Merkwürdigkeiten immer wieder aus der Geschichte gekickt. Und das finde ich schade, denn so musste ich immer wieder ganz bewusst über diese sprachliche Ebene hinwegsehen, um den Inhalt der wirklich reizenden Geschichte genießen zu können.

Wer sich an diesen sprachlichen Hindernissen nicht stört, trifft in Raquel Palacios Wunder aber auf jeden Fall einen bewunderungswürdigen Helden, von dem wir uns alle eine große Scheibe abschneiden können.

Raquel J. Palacio: Wunder, Übersetzung: André Mumot,  Hanser, 2013, 381 Seiten, ab 10, 16,90 Euro

Die Untiefen der Psyche

sauerdropseDer Mensch ist ein wunderliches Wesen. Warum sind manche unserer Zeitgenossen immer gut drauf, während andere Trübsal blasen, den Kopf hängen lassen oder extrem miese Laune verbreiten? Leider ist es uns meistens nicht vergönnt, hinter die Fassaden schauen zu können. Die Beweggründe bleiben uns verborgen. Und doch sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass hinter jedem Verhalten ein durchaus ernsthafter oder gar trauriger Auslöser stecken kann.

Genau dies tut das Erzählbilderbuch Die Sauerdropse von den Niederländern Jaap Robben und Benjamin Leroy, wunderbar übersetzt von Birgit Erdmann. Die Brüder Harry und Hubert Sauerdrops, zwei schon ältere Herren, leben in einem grauen Haus, mit grauen Wänden, grau-betonierten Hof, dessen einziges kleines Rasenstück sie nicht betreten dürfen. Sie essen am liebsten saure Heringen, Bennnesseltee und Hühnersuppe, sie interessieren sich für künstliche Gebisse, ihre eigenen legen sie abends sorgfältig in Essig ein, und täglich um fünf Uhr rufen sie die Beschwerdestelle im Rathaus an. Der Bürgersteig vor der Haustür wird täglich gestaubsaugt. Besucher sind nicht willkommen, weil Mutter oben schläft. Alles was irgendwie bunt, laut, lebendig ist, wird von den Gebrüdern Sauerdrops gehasst. Sie sind also richtig, richtig mies drauf. Mieser geht es kaum.

Wie es in Bücher dann so ist, wird diese skurrile Tristess eines Tages durchbrochen, von einem unerträglich bunten Brief, der auch noch Musik macht. Die Brüder schieben den Brief tagelang hin und her, hoffen, dass er auf der Straße vom Wind weggeweht wird. Doch stattdessen taucht Gertie Bock von der Beschwerdestelle im Rathaus auf und bringt den Brief wieder zurück. Die Sauerdropse sind geschockt, zum einen, dass jemand auf ihre Beschwerdeanrufe reagiert, zum anderen, weil Gertie der Mutter von Harry und Hubert wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Die beiden alten Herren sind ziemlich verwirrt, lassen es aber zu, dass Gertie immer öfter vorbeikommt und etwas Farbe in das graue Leben bringt.
Schließlich taucht auch noch Niko, der Cousin der Brüder auf. Er hat den bunten Brief geschrieben, um seiner Tante, also Harrys und Huberts Mutter, zum 111. Geburtstag zu gratulieren und seinen Besuch anzukündigen. Die Sauerdropse sind völlig überfordert, denn Mutter schläft doch oben und darf auf keinen Fall gestört werden. So versuchen sie, sich aus der Bredouille zu schummeln, indem sie sich als Mutter verkleiden. Während Gertie eine Geburtstagsparty vorbereitet, bricht bei den neuen Nachbarn, die das Nebenhaus renovieren, eine Wand zu den Sauerdropsen ein, und plötzlich stehen lauter Unbekannte bei den Brüdern im Haus. Ihre Verkleidung funktioniert nicht (vier Beine sind schon sehr verdächtig) und in all dem Chaos müssen die beiden schließlich zugeben, dass die Mutter schon lange tot ist. Als der Nachbarhund aus dem Rasenstück im Hof dann auch noch einen menschlichen Unterarmknochen ausgräbt, flüchten die Bewohner und die Sauerdropse bleiben allein zurück. Erleichtert kehren sie zu ihrem geregelten grauen Leben zurück.

In diesen Plot, der voller überraschender Knaller steckt (die Brüder machen Urlaub, streiten sich so, dass die Kunstgebisse zu Bruch gehen), haben Autor und Illustrator auf ganz großartige Weise die psychologischen Abgründe der beiden Hauptfiguren verpackt. Der Leser erfährt, wie es bei Sauerdrops zuging, als der Vater noch lebte und als Bestatter bis zur Erschöpfung arbeitete. Schon damals schlief die Mutter immer, vernachlässigte die Jungs und setzte ihnen ausschließlich Hühnersuppe vor. Die Todesursache des erschöpften Vaters ist eine der absurdesten, die mir je untergekommen ist und die ich hier nicht verraten möchte, um den Spaß nicht zu verderben.
Die abwesende und doch permanent anwesende Mutter erinnert im Laufe der Lektüre die Erwachsenen unwillkürlich an Hitchcocks Psycho. Eine Dimension, die kleinen Lesern wahrscheinlich entgehen mag, doch das Gefühl, dass da etwas mit der Mutter ist, steigert sich im Laufe des Buches immer mehr und zeigt auf sehr eindrucksvolle Weise, wie sehr der Mensch unter dem Einfluss seiner Eltern steht und sich teilweise noch nicht einmal im hohen Alter davon lösen kann. Hier stecken zwei kleine Jungs in den Hautsäcken alter Männer und haben es nicht gelernt, sich von den Vorgaben und Verboten der höchstwahrscheinlich depressiven Übermutter zu verabschieden. Eigentlich traurig, und gleichzeitig doch so aufrüttelnd, die eigenen verinnerlichten Regeln einer genauen Prüfung zu unterziehen, ob sie auch der eigenen Überzeugung entsprechen.

Benjamin Leroys Bilder tragen ganz besonders zu dem Gelingen dieser tiefgründigen Geschichte bei. Sie sind eine Mischung aus Federzeichnung, Aquarell und Collage, die sich mit dem Voranschreiten der Erzählung und all den ungewöhnlichen Erlebnissen der Brüder vom Grau zum Bunt wandeln. Dabei haben die Bilder nicht nur die Aufgabe zu illustrieren, sondern sie erzählen Dinge, die die Texte nicht verraten. Sie zeigen die Träume der Brüder, ihre Erinnerungen an die Mutter oder den Spaß der Fußballjungs, die eines Tages im Hof der Sauerdropse kicken.

Robben und Leroy ist mit Die Sauerdropse eine an der Oberfläche sehr skurrile, lustige und chaotische Geschichte gelungen, die Spaß beim Vorlesen und Anschauen macht. Durch die psychologischen Hintergründe erlangt sie jedoch einen solchen respektvollen Tiefgang bei der Zeichnung der Hauptfiguren, dass man davor nur den Hut ziehen kann.

Jaap Robben/Benjamin Leroy: Die Sauerdropse, Übersetzung: Birgit Erdmann, mixtvision, 2013, 168 Seiten, ab 10, 14,90 Euro

Von Monstern und Schleuderprogrammen

psychische krankheitenPsychische Krankheiten könnte man als eine der Geißeln unserer technisierten, schnelllebigen Gesellschaft bezeichnen. Der Umgang mit diesen Übeln ist nicht leicht, weder für die Betroffenen noch für deren Angehörige. Von den Kindern betroffener Eltern oder Geschwister ganz zu schweigen. Kinder aber deshalb zu unterschätzen und mit ihnen nicht über die Zustände von Vater, Mutter oder Bruder zu sprechen wäre fatal. Denn dass die Kinder jede Menge mitbekommen und sich dazu ihre eigenen Gedanken machen, ist hinreichend bekannt. Dennoch werden die Kinder noch viel zu oft aus dem Geschehen herausgehalten, oft mit der Folge, dass sie sich die Schuld an der Krankheit des Elternteils geben. Und selbst noch mehr leiden. Damit es nicht soweit kommt, ist Offenheit immer noch das beste Mittel.

Hilfestellung bei der Erklärung von psychischen Krankheiten – die ehrlich gesagt auch für Erwachsene meisten nicht in aller Vollständigkeit zu begreifen sind – bieten drei kleine, aber sehr schlaue Bilderbücher aus der Reihe Kids in Balance. In Mama, Mia und das Schleuderprogramm lebt die 7-jährige Mia mit ihrer Mutter und Katze Yuki zusammen. Mia würde am liebsten zum Zirkus gehen. Aber Mama leidet am Borderliner-Syndrom und bekommt in der Folge ihre Gefühle nicht mehr in den Griff, so dass sie sich irgendwann selbst verletzt. Ohne zu schockieren erklärt eine Ärztin Mia, dass die Gefühle bei Mama wie im Schleuderprogramm der Waschmaschine so durcheinander gewirbelt werden, dass sie sie nicht mehr auseinanderhalten kann. Mama sucht sich Hilfe beim Arzt, und gemeinsam mit Mia macht sie schließlich bei einer Zirkusgruppe mit, die Eltern und Kindern in schwierigen Situationen im Leben hilft.

psychische krankheitenIn Mamas Monster muss die 5-jährige Rike erfahren, dass Mama plötzlich nur noch im Bett liegt und ganz traurig ist. Sie spielt nicht mehr mit Rike und ihrem kleinen Bruder, bringt sie auch nicht ins Bett und kann gar nicht mehr arbeiten. Rike denkt, dass sie etwas falsch gemacht hat, aber Mama erklärt Rike, dass sich bei ihr ein Monster eingenistet hat, dass die Gefühle klaut. Mit Hilfe eines Arztes und von Medikamenten vertreibt Mama das Monster jedoch wieder. Das dauert zwar ein paar Wochen, und Rike ist in dieser Zeit total wütend, weil sie nicht helfen kann. Doch schließlich ist das Monster so weit verjagt, dass Mama Rike wieder ins Bett bringen kann.

psychische krankheitenMein großer Bruder Matti hingegen erzählt die Geschichte von Matti. Er ist so stark, dass er ständig alles umwirft und kaputt macht. In der Schule kann er nicht still sitzen, stört den Unterricht und hört nicht richtig zu. Mattis hat ADHS.
In diesem Buch wird dem jüngeren Bruder Julius erklärt, warum bei Matti Gefühle wie Wut, Trauer oder Freude viel stärker ausgeprägt sind, als bei anderen Kindern. In Mattis Hirn gibt es nämlich zu wenige „Postboten“, die die vielen Informationen an die richtigen Adressen bringen. Zusammen mit einem Psychologen lernt Matti jedoch jede Menge Tricks, wie er zum Beispiel gegen die aufsteigende Wut angehen kann. Und auch Julius kann jetzt das Verhalten des großen Bruders besser einordnen und hofft, dass er trotzdem ganz viel Zeit mit seinem großen Bruder verbringen kann.

Alle drei Bücher erklären mit leicht verständlichen Texten und liebevollen Illustrationen überaus schwierige und belastende Situationen in den Familien. Wut und Tränen gehören dazu, es wird nichts tabuisiert. Die Bitte um Hilfe und ihre Annahme in Form von Therapiestunden wird als etwas Notwendiges, aber vor allem auch Selbstverständliches dargestellt. Niemand muss sich schämen, wenn er zum Psychologen geht oder das Jugendamt eine Mitarbeiterin vorbeischickt.
Die Kinder von Betroffenen erleben so, dass niemand Schuld an diesen psychischen Krankheiten hat und dass es Möglichkeiten der Behandlung gibt. Für erkrankte Elternteile erleichtern diese Bücher ein offenes Gespräch über die eigene Krankheit.

Christiane Tilly/Anja Offermann/Anika Merten: Mama, Mia und das Schleuderprogramm. Kindern Borderline erklären, Balance buch + medien, 2012,  40 Seiten,  ab 4, 12,95 Euro

Erdmute Mosch: Mamas Monster. Was ist nur mit Mama los? Balance buch + medien, 4. Auflage 2011, 44 Seiten, ab 3, 12,95 Euro

Anja Freudiger: Mein großer Bruder Matti. Kindern ADHS erklären, Balance buch + medien, 2013, 28, Seiten, ab 5, 12,95 Euro

Das Dilemma

Die aktuelle Diskussion über die Modernisierung von Otfried Preußlers Die kleine Hexe hat mich kurzfristig dazu bewogen,  das Original zu lesen. Ich vermute, dass ich das Buch in meiner Kindheit zumindest einmal in der Hand hatte – die Illustrationen kamen mir jedenfalls sehr vertraut vor – aber an die eigentliche Geschichte konnte ich mich nicht mehr erinnern.

Jetzt bin ich inhaltlich wieder im Bilde: Die kleine Hexe ist mit ihren 127 Jahren noch zu jung für die Walpurgisnacht, will aber unbedingt mittanzen. Sie schleicht sich ein, wird erwischt und anschließend übel bestraft. Wenn sie im nächsten Jahr mitmachen will, muss sie beweisen, dass sie das auch verdient. Also strengt sie sich über ein Jahr an, eine gute Hexe zu werden und die Hexenprüfung zu bestehen. Angestiftet vom Raben Abraxas hext sie fortan nur gute Dinge, hilft Armen, Verfolgten, Geschundenen. Die Prüfung besteht sie schließlich mit Links, nur ist sie leider doch keine gute Hexe, weil sie nur Gutes getan hat, was eine gute Hexe, die nur Böses tut, eben nie tun würde. Mit ihren neuen Fähigkeiten schafft sie es dann jedoch, die bösen Althexen zu überlisten und doch Walpurgisnacht zu feiern.

Das Kapitel, das nun einer Modernisierung unterzogen wird, beschreibt eine Fastnachtsszene bei den Kindern, die sich so exotisch wie möglich verkleiden: als Türke, Chinese, Eskimo, Neger, Hottentotte. Sicher, all das liest sich heutzutage schon befremdlich – und dennoch habe ich meine Schwierigkeiten damit, wenn hier nach 55 Jahren in den Text eingegriffen wird. Die kleine Hexe ist ein Kind ihrer Zeit, und das merkt man dem Buch nicht nur in diesem einen Kapitel, sondern im ganzen Text an. Nichtsdestotrotz ist Die Kleine Hexe ein Gesamtkunstwerk. Und Kunstwerke sollten so genommen werden, wie sie sind. Man ändert ja auch nichts an Gemälden oder schneidet bei alten Filmen unliebsame Szenen heraus. Man ordnet sie ein. Gemälde werden wissenschaftlich zu geordnet und erklärt. Filme in Retrospektiven dem heutigen Publikum zugänglich gemacht. Und manches verschwindet auch schon mal in der Versenkung. Und das ist dann auch okay.

Die kleine Hexe nun ist eine Dame im besten Alter, und dieses Alter darf man ihr auch ruhig anlesen. Es ist auch gar nicht zu überlesen, selbst wenn die Negerlein und das Durchwichsen verschwinden, der Schindelmacher und der Bierkutscher jedoch bleiben. Viele Begriffe und Redewendungen bei Preußler zeugen von einer vergangenen Zeit, die so gut wie nichts mehr mit unserer Gegenwart zu tun hat. Eine Text-Modernisierung, so vorsichtig sie auch sein mag, kommt mir ein bisschen vor wie das Face-Lift von eitlen Damen. Die mögen durch straffe Hautpartien im Gesicht scheinbare Jugend zu zeigen, doch spätestens wenn man auf die Hände achtet, lässt sich das eigentliche Alter nicht mehr verbergen.
Kindern sollte man dieses Alter erklären, anstatt es zu leugnen. Das ist beim Vorlesen sicherlich hinderlich, aber ein Gespräch außerhalb dieser Situation könnte durchaus funktionieren. Es ist ja nicht so, dass man Kindern nichts zutrauen darf. Sie werden heute in so vielen Situationen bis zum Anschlag gefordert – Frühförderung, Musikunterricht, Museumspädagogische Führungen, Englisch oder gar Chinesisch schon im Kindergarten – nur die Geschichte unserer Gesellschaft gehört scheinbar nicht dazu. Doch diese Geschichte hat uns geprägt, ist die Wurzel unserer Gegenwart. Diese historische Wurzel abzukappen, und sei es nur auf der Sprachebene, empfinde ich als eine Verarmung.
Sicher ist der Gebrauch von einem Wort wie „Neger“ heute nicht mehr tragbar, doch im Kontext eines alten Textes wird es zu einem Marker für die Entstehungszeit. Solche Marker, man könnte sie auch Stolpersteine nennen, machen aufmerksam. Sie bieten eine Reibungsfläche, mit der man sich auseinandersetzen muss. Das erfordert per se erst einmal die Anstrengung, sich aus der Komfortzone eines geglätteten Denkens heraus zu bewegen. Die Trägheit des Geistes muss überwunden werden, wenn man so ein Wort einem kleinen Menschen erklären muss. Und man wird gezwungen, sich Nachfragen zu stellen und sich womöglich mit seiner eigenen Haltung erneut auseinanderzusetzen. Bequem ist das sicher nicht.
Ich kann verstehen, dass Eltern dieses Wort nicht vorlesen möchten, weil ihr Kind es in der Kita einem Spielkameraden an den Kopf werfen könnte. Das mag man wirklich nicht wollen. Hier liegt das Dilemma. Doch es nicht vorzulesen, es nicht zu erklären verschiebt das Problem nur um eine gewisse Zeit und baut derweil ein Tabu auf, was möglicherweise eine ganz fatalere Verlockung entwickeln kann, die dann das genaue Gegenteil von dem bewirkt, was die erzieherische Intention beabsichtigt hatte.

Möchte man solche Themen aussparen, sollten die Vorleser sich überlegen, auf die alten Texte zu verzichten, die ihre eigene Kindheit geprägt haben. Es wäre ein Abschied von der Nostalgie und der Sentimentalität – und von der eigenen Kindheit. Vielleicht hängen wir Erwachsenen deshalb immer noch so an den Klassikern, die WIR den Kindern vorschlagen, weil wir unsere eigene Kindheit auch über die alten Kinderbücher idealisieren. Sich davon zu verabschieden fällt immer schwer. Aber die Auswahl an neuen Kinderbüchern ist riesig und bietet den nächsten Generationen genügen Fantasie- und Identifikationsgeschichten, die ihre Kinderjahre prägen werden.
Die kleine Hexe ginge dann irgendwann den Weg, den alle Klassiker einschlagen, respektiert, in Würde gealtert, aber vielleicht auch vergessen.

Otfried Preußler: Die kleine Hexe, Illustrationen: Winnie Gebhardt-Gayler, Thienemann Verlag, 1957, 127 Seiten, ab 6, 11,90 Euro

Fragen des Lebens

bauchentscheidungEs gibt Momente im Leben, da könnte man meinen, es gäbe keinen Ausweg mehr. Für Teenage-Mädchen sind ungewollte Schwangerschaften sicherlich so ein Moment. Was macht man jetzt? Wie soll man sich entscheiden? Fragen über Fragen tun sich plötzlich vor den Mädchen auf.

All diese Fragen und die möglichen Antworten hat Lucy Hay in ihrem Roman Bauchentscheidung zu einem außergewöhnlichen Erzählkonzept zusammengestellt. Protagonistin Lizzie ist 17 und will demnächst auf die Uni gehen. Sie ist mit Mike zusammen und hat neulich nach einem Abend mit zuviel Alkohol mit ihm ungeschützten Sex gehabt. Dieses eine Mal reicht, und Lizzie ist schwanger. Die Bestätigung erhält sie durch einen Schwangerschaftstest, den sie auf einer versifften öffentlichen Toilette macht. Das Mädchen ist schockiert, weil sie nie dachte, dass gerade ihr so etwas passieren könnte. Sie will mit jemandem reden – da klingelt ihr Handy.

Dieses Handyklingeln katapultiert – wie das Bimmeln des Weckers beim Murmeltiertag im Film Und täglich grüßt das Murmeltier – Lizzie immer wieder in die gleiche Situation auf der Toilette. Doch jedes Mal ruft jemand anderes an – ihre Schwester Sal, die Mutter, Freund Mike, Lizzies beste Freundin Shona. Mit allen redet Lizzie über ihre Lage, und von allen bekommt sie andere Ratschläge. In der Folge trifft das Mädchen die unterschiedlichsten Entscheidungen, wie sie mit dieser ungewollten Schwangerschaft umgeht. Sie treibt ab; sie trägt das Kind aus und arrangiert sich mit dem Kindsvater; sie hat eine Eileiterschwangerschaft und verliert das Kind; sie denkt über Adoption nach; sie bekommt das Kind, trennt sich aber von Mike. Wie sie sich im Endeffekt wirklich entscheidet, bleibt zwar offen, doch Lizzie ist sich schließlich sicher, die richtige Entscheidung zu treffen.

Hays Konzept, verschiedene Wege aufzuzeigen, ist faszinierend und spannend zugleich. Die Ich-Erzählerin hadert, stellt sich Unmengen an Fragen, denkt nach und hört vor allem auch ihren Gesprächspartnern zu. So merkt sie, dass sie zum Teil die Mutter oder die beste Freundin falsch eingeschätzt hat. Die Diskussionen über Schwangerschaft und Kinderkriegen zeigen jedoch, dass sie in jeden Fall auf ihre Eltern zählen kann, auf den Freund jedoch nur bedingt.

Angesiedelt ist die Geschichte im heutigen Großbritannien. Lizzie kommt aus einer Großfamilie mit sechs Kindern und einer sozial eher niedrigeren Schicht. Den Schluss zu ziehen, dass es mit so einer Konstellation ja fast normal ist, schon als Teenager schwanger zu werden, wäre jedoch verfehlt. Lizzie hat überaus liebevolle und  verständnisvolle Eltern. Das zeigt vor allem die folgende Aussage des Vaters: „Wünsch dir nicht dein Leben weg. Dinge passieren. Manchmal ist es gut, manchmal schlecht, manchmal unerwartet. Wir müssen einfach tun, was wir können, und damit umgehen lernen.“
Genau diese Botschaft macht das Buch so wichtig. Es urteilt nicht. In keiner der Szenerien bewertet irgendjemand Lizzie und ihre Entscheidung. Dieses Fehlen von Bewertungen ist sehr befreiend, denn jeder Leser kann sich seine eigene Meinung bilden. Dieser Roman liefert viel mehr eine Hilfestellung und ermutigt auf jeder Seite, sich anderen Menschen anzuvertrauen, mit ihnen zu reden, ihren Rat und ihre Erfahrung einzuholen. Hier werden keine vorschnellen Entscheidungen allein getroffen, sondern das Leben in all seinen Facetten und Spielarten dargestellt. Denn das Leben lässt sich eben nur bedingt planen. Wendungen und Schicksalsschläge gehören bekanntermaßen dazu, doch die Haltung mit der wir sie annehmen, macht den Unterschied zwischen Katastrophe oder gelingendem Leben. Lucy Hay liefert ein hervorragendes Beispiel dafür.

Lucy Hay: Bauchentscheidung, Übersetzung: Christiane Steen, Rowohlt Verlag, 2013, 224 Seiten, ab 13, 8,99 Euro

London calling…

ashton place 2Fortsetzung sind ja manchmal so eine Sache. Die Erwartungen sind hoch, die Fallhöhe auch. Umso schöner, wenn sich auch in einem zweiten Teil das gleiche Gefühl und die gleiche Wonne wie beim Vorgänger einstellt. So geschehen gerade bei Maryrose Woods Fortsetzung von Das Geheimnis von Ashton Place.

In Teil zwei, Die Jagd ist eröffnet, reist Penelope Lumley, Gouvernante und Swanburne-Mädchen aus vollem Herzen, mit den drei Unerziehbaren Alexander, Beowulf und Cassiopeia, nach London. Dort will Penelope ihre ehemalige Erzieherin Miss Mortimer treffen. Diese hat der 15-Jährigen einen Hixby-London-Reiseführer geschickt, der sich mit seinen Berg- und Naturbildern als überaus merkwürdig und wenig hilfreich erweist. So irrt Penelope nach der Ankunft in der Großstadt durch die schmutzigen Gassen und findet den Weg in die vornehme Muffinshire Lane nicht, wo ihre Arbeitgeber Lady Constance und Lord Frederick eine hochherrschaftliche Villa angemietet haben.

Hilfe bietet ihr schließlich der junge Theaterschriftsteller Simon Harley-Dickinson, der sich im Laufe von Penelopes London-Aufenthalt zu einem unverzichtbaren Freund entwickelt. Zuvor jedoch haben die drei Kinder eine unheimliche Begegnung mit einer alten Wahrsagerin, die beim Schicksal der Unerziehbaren erschreckt ihre Sachen zusammenpackt und das Weite sucht, nachdem sie geheimnisvoll prophezeit hat: „Die Jagd ist eröffnet.“

Penelope jedenfalls ist fest entschlossen, ihren Schützlingen die Sehenswürdigkeiten und kulturellen Höhepunkte der britischen Hauptstadt näherzubringen: Buckingham Palace, die Parks, das British Museum, in dem ihr der Hixby die Abteilung 17 „Übermäßiger Symbolismus in historischen Porträts von untergeordneter Bedeutung“ ausdrücklich ans Herz legt, sowie eine Theaterveranstaltung im Westend. Zudem trifft sie sich mit Miss Mortimer im angesagtesten Hotelrestaurant der Stadt. Und die alte Erzieherin warnt Penelope, ohne genau zu sagen, vor was eigentlich. So entwickelt sich der London-Trip zu einem mysteriösen Abenteuer, bei dem die junge Gouvernante langsam erahnt, dass  hinter der Herkunft der Kinder, aber auch ihrer eigenen, etwas Größeres stecken muss.

Alexander, Beowulf und Cassiopeia, die mittlerweile annähernd gutes Benehmen erlernt haben, fallen hin und wieder in ihre alten Jagdgewohnheiten zurück. Sie belagern die Bärenmütze von einer der Palastwachen, helfen im Zoo bei der Elefantenpflege, jagen in der Theateraufführung einen Papagei und sabotieren das ganze Spektakel. Im British Museum allerdings stellt Beowulf überaus fachmännisch fest, dass eines der Bilder auch auf dem Dachboden von Ashton Place zu finden ist.

Und also ob das nicht schon genug Aufregung wäre, erleben auch die Herrschaften von Penelope durchaus Schreckliches: Lady Constance, die sich auf all die gesellschaftlichen Empfänge und Einladungen gefreut hat, katapultiert sich ins Society-Abseits, als sie unangemessen verkleidet zur Prämiere des Theaterstücke „Piraten auf Urlaub“ erscheint.   Für die Klatschpresse ein gefundenes Fressen, für Lady Constance der Absturz.
Ihr Gatte Lord Frederick hingegen entpuppt sich als ein Mensch, der ohne seinen Almanach, in dem die Mondphasen verzeichnet sind, nicht leben kann. Als dieses wichtige Büchlein verschwindet und gerade einmal wieder Vollmond ist, gebärdet sich der Lord höchst merkwürdig, heult, bellt und kratzt sich an Türrahmen, als würde ein Wolf in ihm stecken.

Die Jagd ist eröffnet ist ein kurzweiliges, extrem unterhaltsames Abenteuer in einer großen Stadt, mit einer überaus liebenswerten Penelope, die sogar überlegt, mit ihrer launischen Herrin Freundschaft zu schließen. Kulturelles vermischt sich mit Kulturkritik, die zwar den erwachsenen Lesern eher offensichtlich sein wird als den jungen. London-Kenner haben Wiedererkennungsmomente, London-Neulinge bekommen erste Hinweise auf die Sehenswürdigkeiten. Neben den vielen Irrungen und Aufregungen sind jedoch die Anspielungen auf Herkunft und verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Penelope, den Kindern und Lord Frederick viel wichtiger. Und gerade all diese Andeutungen machen mich schon ganz kribbelig, wie dieses Geheimnis von Ashton Place wohl ausgehen mag. Bleibt nur zu hoffen, dass Band 3 nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Maryrose Wood: Das Geheimnis von Ashton Place – Die Jagd ist eröffnet, Übersetzung: Eva Plorin, Thienemann Verlag, 2012, 336 Seiten,  ab 11,  12,95 Euro

 

Konventionen über Bord

vier beutel asche boris kochIch möchte ein neues literaturwissenschaftliches Thema zur Untersuchung vorschlagen: Welche Rolle spielt die Asche von Verstorbenen im zeitgenössischen Roman oder auch Film? Mir scheint, immer öfter taucht dieses Motiv in Geschichten auf … neuestes und sehr beeindruckendes Beispiel ist der Roman Vier Beutel Asche von Boris Koch.

Jans bester Freund, Christoph, ist kurz vor seinem siebzehnten Geburtstag bei einem Verkehrsunfall getötet worden. Jan hadert und kann sich mit dem Verlust nicht abfinden. Er sucht nach Gründen für den Tod des Freundes und will ihn rächen. Doch Jan bringt es nicht fertig, dem Autofahrer, der Christoph angefahren hat, ernsthaften Schaden zuzufügen. An Christophs Geburtstag geht Jan nachts zum Grab des Freundes und trifft dort auf Maik, einen Kumpel, der sich gerade eine Kugel in den Kopf jagen will, weil er sich für Christophs Tod verantwortlich fühlt. Jan hält ihn auf. Plötzlich tauchen auch noch Selina, Christophs Freundin, und Lena auf, von der niemand weiß, in welchem Verhältnis sie zu Christoph stand.

Jeder der Jugendlichen ist auf seine Weise über den Tod des Freundes bestürzt und sucht einen Weg, damit weiterleben zu können. Einig sind sich die vier am Grab dann aber ganz schnell, dass Christoph hier in dem kleinen Dorf bei Augsburg nicht begraben sein sollte. Er wollte weg und hatte sich als letzten Willen eine Seebestattung gewünscht. Nach anfänglichem Zaudern kommen sie überein, dem toten Freund diesen letzten Willen zu erfüllen. Sie graben die Urne aus und füllen seine Asche in vier Plastikbeutel. Noch in der Nacht machen sie sich auf einem Motorrad und einem Roller nach Frankreich auf, in das Dorf, wo Christoph Ferien gemacht hatte.

Auf dem Weg ans Meer erlebt das Quartett all das, was zu einem klassischen Road Roman dazugehört: Das wenige Geld, das sie für Lebensmittel und Benzin dabei haben, wird ihnen geklaut, Essen und Sprit müssen also geschnorrt werden. Sie treffen auf feierwütige Franzosen, gehen der Polizei aus dem Weg, weil sie fürchten wegen Grabschändung und Leichenraub verhaftet zu werden – wobei sie nicht einmal wissen, ob bei der Asche von einer Leiche gesprochen werden kann. Und sie kommen sich näher. Sie erzählen, wie sie Christoph kennengelernt und was sie mit ihm erlebt haben. Draufgänger Maik ist mit ihm nackt einen Berg heruntergeskatet, Selina hat mit ihm auf der Müllhalde Frösche und Schrott fotografiert, für Jan war Christoph wie ein Bruder, mit dem er gekickt hat, und Lena hat miterlebt, wie Christoph sich schützend vor die Mutter stellte, als sein Vater mal wieder zugeschlagen hat. Peu à peu kommen die Geheimnisse der Jugendlichen heraus, und sie müssen feststellen, dass niemand von ihnen Christoph bis ins Kleinste gekannt hat.

Jan ist erleichtert, dass Lena, in die er sich im Laufe der Tour immer mehr verliebt, nichts mit Christoph hatte. Denn für ihn wäre die Freundin des besten Freundes tabu. So jedoch entwickelt sich zwischen den beiden eine zarte Liebe – die wiederum den Unwillen von Selina erregt.
Nach einem Abstecher nach Paris gelangen die vier schließlich nach Finistere und lassen Christophs Asche in den Atlantik gleiten. Verändert und gereift kehren sie nach Hause zurück.

Boris Koch rührt mit Vier Beutel Asche an einem Tabu: Darf man das? Darf man die Asche eines Toten wieder ausgraben, um einen letzten Willen zu erfüllen? Manchen Menschen wird das sicherlich zu weit gehen, gegen die Konvention und den guten Ton. Die sollten dann die Finger von diesem Buch lassen. Für alle anderen werden sich diese Fragen ganz schnell nicht mehr stellen. Denn ja, man darf das, wenn das Motiv so eine Herzensangelegenheit ist wie bei diesen vier Helden. Der Konventionsbruch wird zum fesselnden Startpunkt für eine Reise ins Erwachsenen-Dasein. Die Jugendlichen lernen sich nicht nur gegenseitig kennen, sondern auch die Facetten des Lebens – das Gefühlschaos der Jugend, die Gewalt der Erwachsenen, die Nähe des Todes und das Recht auf Geheimnisse, das jeder Mensch hat.

Koch erzählt schnörkellos, geradeheraus und bringt damit den großen Lebens-Themen den nötigen Respekt entgegen. Herausgekommen ist dabei ein Pageturner, den man nicht eher aus den Händen legt, bevor die letzte Seite erreicht ist und man als Leser endlich sicher ist, dass Christophs letzter Wunsch erfüllt ist und Jan und seine neuen Freunde auf dem richtigen Weg ins Leben sind.
Und Kochs Hommage an The Big Lebowski und die gegen den Wind verstreute Asche von Donny ist einfach überaus charmant …

Boris Koch: Vier Beutel Asche, Heyne fliegt, 2012,  384 Seiten,  ab 15, 17,99 Euro

Kunterbunter Erkenntnisgewinn

fabelhafte Entdeckung Ranga Yogeshwar34 Sätze. Mehr stehen nicht in diesem Buch. Gut, es ist ein Bilderbuch, da braucht man meist nicht viele Sätze. Aber diese 34 Sätze reichen aus, eine der universellen Weisheiten auf eine herzallerliebste  Weise zu erzählen.

Der Physiker und Fernsehmoderator Ranga Yogeshwar hat zusammen mit der Illustratorin Nina Dulleck ein indisches Märchen in das lebenskluge Bilderbuch Die fabelhafte Entdeckung einer kleinen Weisheit von großer Bedeutung verwandelt. Darin ziehen die beiden Hunde Kala und Lakshimi durch den Wald. Kala ist klein und ängstlich. Lakshimi stolz und furchtlos. Sie kommen an einen Tempel und im Inneren erleben sie Sonderbares. Kala trifft dort lauter knurrende Hunde, die ihn fürchterlich anfletschen. Als Lakshimi jedoch hineingeht begegnet sie nur netten schwanzwedelnden Artgenossen. Die Auflösung ist großen und auch kleinen Lesern, wie ich neulich beim Vorlesen feststellen musste, natürlich sofort klar: Die Hunde stehen in einem Spiegelsaal. Und der wird zum Sinnbild unseres Sprichwortes „Wie es in den Wald hineinschallt, schallt es hinaus“.

Ist diese Geschichte an sich schon eine ganz wunderbare Fabel, so wird sie durch die Illustrationen zu einem wahrlich fabelhaften Kunstwerk. Bereits das erste der doppelseitigen Bilder versetzt den Betrachter in den indischen Dschungel – und macht klar, dass es sich lohnt, ganz genau hinzuschauen. In dem grünen Blattwerk lauert nicht nur der Tiger, sondern flattern Schmetterlinge und andere großäugige Insekten zwischen wunderschönen Blumen. Im Hintergrund schimmern märchenhafte Paläste. Flora und Fauna werden immer vielfältiger und exotischer, ganz allmählich schleicht sich ein Elefant ins Bild, hangelt sich ein Affe herab. Es ist eine Wonne. Die beiden Helden sehen zudem so knuffig aus, dass man sie auf der Stelle adoptieren möchte. Und wenn am Ende noch Chamäleon, Pfau und Tapir Lakshimis liebvoll vorgetragener Moral lauschen, hat man sein Herz vollends an dieses Bilderbuch verloren und freut sich ungemein aufs erneute Vorlesen und Entdecken.

Ranga Yogeshwar/Nina Dulleck: Die fabelhafte Entdeckung einer kleinen Weisheit von großer Bedeutung. Ein indisches Märchen, Fischer Schatzinsel, 2012, 32 Seiten, Kindergartenalter, 14,99 Euro

Pünktchen des 21. Jahrhunderts

roxy sauerteig
Eigentlich hätte ich schon längst mal wieder einen Roman von Erich Kästner lesen wollen, so zur Entspannung und Erbauung, doch neulich habe ich eine ebenbürtige Geschichte aus dem aktuellen Herbstprogramm entdeckt, nämlich Roxy Sauerteig von Katharina Reschke.

Darin zieht Roxy mit ihrer Mutter in ein kanarienvogelgelbes Haus mit delfinblauer Tür in Berlin-Mitte. In dem etwas heruntergekommenen Haus bewohnen sie das luxussanierte Dachgeschoss mit eigenem Lift und allem Drum und Dran. Aber das ist Roxy, im Gegensatz zu ihrer Etepetete-Mutter, völlig schnuppe. Das Mädchen ist ganz wild auf „Abendteuer“. Nein, kein Tippfehler, sondern einer von Roxys Spezialausdrücken, von denen es im Buch nur so wimmelt. Roxy ist überzeugt, dass sich Abenteuer hauptsächlich abends abspielen, wenn es schon dunkel ist, und daher sollten sie nach Roxys Meinung auch so genannt werden.

Gleich in der ersten Nacht macht sich Roxy auf und erkundet die Hintertreppe, von der die Hauswartsfrau gesagt hat, dass die eigentlich niemand benutzt, außer … So ein unfertiger Satz reizt das Mädchen ungemein, und schon steht sie eine Etage tiefer bei Herrn Grindelmann in der Wohnung. Dort ist alles bis unter die Decke mit Dingen vollgestellt, denn Herr Grindelmann sammelt Dinge von der Straße auf, die andere weggeworfen haben, die aber noch zu gebrauchen sind, und gibt ihnen ein Zuhause. Grindelmann ist Einzelgänger, trinkt „Äußere-Ruhe-und-innere-Ordnung-Tee“ und kann mit Kindern so gar nicht. Das wiederum schreckt Roxy überhaupt nicht. Mit Vorwitz und Neugierde drängt sie sich in das Leben des Nachbarn und steckt schneller, als sie denken kann, in einer richtigen Detektivgeschichte.

Dabei spielen ein entwendeter Schokoladenbrunnen, das Bild eines Feldblumenstraußes sowie die anderen geheimnisvollen Nachbarn aus dem Haus wichtige Rollen. Ich könnte jetzt den Inhalt des Buches noch weiter ausführen, aber das würde eigentlich viel zu viel von der Spannung nehmen und dem Charme dieser Geschichte ganz und gar nicht gerecht. Denn das Tolle daran ist die kleine Protagonistin. Roxy läuft immer mit einer quietschgrünen Taucherbrille und Gummistiefeln herum, hat ihr rosanes Rüschenkleid, das der Mutter so gefällt, grün gefärbt und von allem Firlefanz befreit. Außerdem ist Roxy ein Sprachgenie. Sie schreibt an einem Lexikon mit ganz besonderen Ausdrücken: Da findet sich der „Blütaniker“, der sich selbstverständlich mit Blüten beschäftigt; „dov“ steht für „D.epp o.hne V.erstand“ und „Wissenschaffer“ sind Menschen, die eben Wissen schaffen. Alles herrlich einleuchtend und ganz im Sinne und in der Tradition von Erich Kästners Pünktchen. Mit ihrem unkonventionellen und frischen Denken betrachtet Roxy also die Umwelt und bringt die Erwachsenen um sie herum ziemlich aus dem Tritt. So kommt sie am Ende nicht nur einem Kunstfälscher-Skandal auf die Schliche und befreit einen Goldfisch, sondern sie löst im Leser auch den unstillbaren Drang aus, es ihrem leuchtenden Beispiel sofort nachzutun. Man möchte seine Mitmenschen auf ihre verschrobenen Verhaltensweisen ansprechen, immer und überall nachbohren und sich auf gar keinen Fall mit den scheinbar unabänderlichen Gegebenheit zufrieden geben.

Wenn das die Kinder, die Roxys Geschichte lesen, dann tatsächlich auch machen, werden sie sich im Laufe der Jahre – hoffentlich – zu selbstbewussten, unkonventionellen, unangepassten und kritischen Menschen entwickeln, von denen diese Welt nicht genug haben kann. Ich glaube, Erich Kästner hätte Roxy Sauerteig gefallen…

Katharina Reschke: Roxy Sauerteig. Das 4. Obergeheimnis links, Illustrationen: Susanne Göhlich, Baumhaus Verlag, 2012, 224 Seiten,  ab 8, 12,99 Euro

Suppenglück und Märchenmacht

suppe satt es war einmalJetzt ist es draußen wieder dunkel, grau und ungemütlich, da braucht der Mensch etwas Warmes. Sowohl für den Leib, als auch für die Seele. Suppe ist bekanntermaßen ideal für den Leib und wärmt so richtig schön durch. Die Seele findet immer wieder in Märchen Trost und Erbauung. Eine Kombination aus beiden ist also die perfekte Winterwohltat – und die findet man in dem Bilderbuch von Kristina Andres: Suppe, satt, es war einmal.

Mathilda lebt mit ihrer Mutter im Wald. Draußen heulen die Wölfe und würden am liebsten Ziegen und Hühner fressen und die Kinder aus dem Dorf rauben. Doch Mathilda hat keine Angst vor den Wölfen, auch als ihre Mutter weit weg zur Königin muss und das Mädchen für einige Zeit allein lässt. Denn Mathilda hat von ihrer Großmutter drei mächtige Worte gelernt: „Suppe“, „satt“ und „es war einmal“. Und so kocht sie am Abend einen großen Topf Linsensuppe mit Speck, füllt die Wölfe damit ab, dass die so satt sind, dass sie weder Ziege noch Huhn anrühren. Danach erzählt das Mädchen den struppigen Vierbeinern eine Geschichte.  Erst am nächsten Morgen schickt sie die Wölfe fort. Nur der kleinste versteckt sich unter Mathildas Bett und will nicht mehr raus.

So geht es nun Abend für Abend, bis schließlich alle Wölfe unter Mathildas Bett stecken. Sie stellt fest, dass es so nicht weitergehen kann. Also packt sie die Wölfe unter ihren warmen Wintermantel und verteilt die gebändigten Tiere im Dorf. Nachbarn, die sich weigern einen Wolf aufzunehmen, droht sie damit, ihn wieder in die Kälte zu entlassen, wo er wieder wild und feindselig werden würde. Dieses Risiko will natürlich kein Dorfbewohner eingehen.

Winter, Wölfe, Ziegen – man denkt natürlich unweigerlich an das Grimm’sche Märchen Der Wolf und die sieben Geißlein. Und wird dann von Kristina Andres mit einer ganz feinen und sehr leckeren Märchen-Variation überrascht. Ihre federleicht gezeichneten und anheimlig kolorierten Bilder versetzen den Betrachter in eine kuschelige Winterhütte, in der es jede Menge zu entdecken gibt. Denn Mathildas Häuschen beherbergt jede Menge Bewohner, und die machen es sich in allen möglichen Ecken und Winkeln bequem. Der alte Holzofen, auf dem die Suppe überkocht, verbreitet eine behagliche Wärme, die an den Wänden aufgehängten Kräuter und Tannenzweige verströmen würzigen Duft. Man kann die Wölfe verstehen, die sich vor dem Fenster drängen, dass sie in dieses kleine, behagliche Winterparadies möchten. Die Frechheit der Miniziege, die die Eindringlinge schließlich mit Äpfeln beschießt, nehmen sie dafür stoisch – oder sollte man sagen, pappsatt – in Kauf.

Suppe, satt, es war einmal von Kristina Andres geht ans Herz, wärmt das Gemüt und hat das Potential, zur Lieblingsspeise in Sachen Vorlese-Bilderbücher bei den Kindern zu werden. Denn an den Bildern kann man sich gar nicht satt sehen, immer findet man etwas Neues, und dass Mathilda den allerkleinsten Wolf schließlich „Hund“ tauft, fügt diesem Märchen einen menschheitsgeschichtlichen Aha-Effekt hinzu, der einfach genial ist.

Kristina Andres: Suppe, satt, es war einmal, Bloomsbury Verlag, 2012, 32 Seiten, ab 3, 14,99 Euro