Schlagwort-Archive: psychische Krankheiten

Von Monstern und Schleuderprogrammen

psychische krankheitenPsychische Krankheiten könnte man als eine der Geißeln unserer technisierten, schnelllebigen Gesellschaft bezeichnen. Der Umgang mit diesen Übeln ist nicht leicht, weder für die Betroffenen noch für deren Angehörige. Von den Kindern betroffener Eltern oder Geschwister ganz zu schweigen. Kinder aber deshalb zu unterschätzen und mit ihnen nicht über die Zustände von Vater, Mutter oder Bruder zu sprechen wäre fatal. Denn dass die Kinder jede Menge mitbekommen und sich dazu ihre eigenen Gedanken machen, ist hinreichend bekannt. Dennoch werden die Kinder noch viel zu oft aus dem Geschehen herausgehalten, oft mit der Folge, dass sie sich die Schuld an der Krankheit des Elternteils geben. Und selbst noch mehr leiden. Damit es nicht soweit kommt, ist Offenheit immer noch das beste Mittel.

Hilfestellung bei der Erklärung von psychischen Krankheiten – die ehrlich gesagt auch für Erwachsene meisten nicht in aller Vollständigkeit zu begreifen sind – bieten drei kleine, aber sehr schlaue Bilderbücher aus der Reihe Kids in Balance. In Mama, Mia und das Schleuderprogramm lebt die 7-jährige Mia mit ihrer Mutter und Katze Yuki zusammen. Mia würde am liebsten zum Zirkus gehen. Aber Mama leidet am Borderliner-Syndrom und bekommt in der Folge ihre Gefühle nicht mehr in den Griff, so dass sie sich irgendwann selbst verletzt. Ohne zu schockieren erklärt eine Ärztin Mia, dass die Gefühle bei Mama wie im Schleuderprogramm der Waschmaschine so durcheinander gewirbelt werden, dass sie sie nicht mehr auseinanderhalten kann. Mama sucht sich Hilfe beim Arzt, und gemeinsam mit Mia macht sie schließlich bei einer Zirkusgruppe mit, die Eltern und Kindern in schwierigen Situationen im Leben hilft.

psychische krankheitenIn Mamas Monster muss die 5-jährige Rike erfahren, dass Mama plötzlich nur noch im Bett liegt und ganz traurig ist. Sie spielt nicht mehr mit Rike und ihrem kleinen Bruder, bringt sie auch nicht ins Bett und kann gar nicht mehr arbeiten. Rike denkt, dass sie etwas falsch gemacht hat, aber Mama erklärt Rike, dass sich bei ihr ein Monster eingenistet hat, dass die Gefühle klaut. Mit Hilfe eines Arztes und von Medikamenten vertreibt Mama das Monster jedoch wieder. Das dauert zwar ein paar Wochen, und Rike ist in dieser Zeit total wütend, weil sie nicht helfen kann. Doch schließlich ist das Monster so weit verjagt, dass Mama Rike wieder ins Bett bringen kann.

psychische krankheitenMein großer Bruder Matti hingegen erzählt die Geschichte von Matti. Er ist so stark, dass er ständig alles umwirft und kaputt macht. In der Schule kann er nicht still sitzen, stört den Unterricht und hört nicht richtig zu. Mattis hat ADHS.
In diesem Buch wird dem jüngeren Bruder Julius erklärt, warum bei Matti Gefühle wie Wut, Trauer oder Freude viel stärker ausgeprägt sind, als bei anderen Kindern. In Mattis Hirn gibt es nämlich zu wenige „Postboten“, die die vielen Informationen an die richtigen Adressen bringen. Zusammen mit einem Psychologen lernt Matti jedoch jede Menge Tricks, wie er zum Beispiel gegen die aufsteigende Wut angehen kann. Und auch Julius kann jetzt das Verhalten des großen Bruders besser einordnen und hofft, dass er trotzdem ganz viel Zeit mit seinem großen Bruder verbringen kann.

Alle drei Bücher erklären mit leicht verständlichen Texten und liebevollen Illustrationen überaus schwierige und belastende Situationen in den Familien. Wut und Tränen gehören dazu, es wird nichts tabuisiert. Die Bitte um Hilfe und ihre Annahme in Form von Therapiestunden wird als etwas Notwendiges, aber vor allem auch Selbstverständliches dargestellt. Niemand muss sich schämen, wenn er zum Psychologen geht oder das Jugendamt eine Mitarbeiterin vorbeischickt.
Die Kinder von Betroffenen erleben so, dass niemand Schuld an diesen psychischen Krankheiten hat und dass es Möglichkeiten der Behandlung gibt. Für erkrankte Elternteile erleichtern diese Bücher ein offenes Gespräch über die eigene Krankheit.

Christiane Tilly/Anja Offermann/Anika Merten: Mama, Mia und das Schleuderprogramm. Kindern Borderline erklären, Balance buch + medien, 2012,  40 Seiten,  ab 4, 12,95 Euro

Erdmute Mosch: Mamas Monster. Was ist nur mit Mama los? Balance buch + medien, 4. Auflage 2011, 44 Seiten, ab 3, 12,95 Euro

Anja Freudiger: Mein großer Bruder Matti. Kindern ADHS erklären, Balance buch + medien, 2013, 28, Seiten, ab 5, 12,95 Euro