Krieg erklären – Frieden suchen

Die Ereignisse in der Ukraine in den vergangenen zwei Wochen haben mich – wie vermutlich jeden von uns – schockiert, deprimiert, wütend und ängstlich gemacht. Nach dem ersten News-Overflow, ersten Demos, blau-gelben Posts und Spenden für die humanitäre Hilfe konnte ich jetzt den Blick wieder auf die Bücher richten.

Krieg ist jedoch ein so großes, so komplexes Thema, dass es hier in einem kleinen Post kaum aufzufangen ist, selbst wenn es nur um Bücher geht. In dem Jahrzehnt, den es diesen Blog nun schon gibt, haben wir immer wieder Bücher über und gegen den Krieg vorgestellt. Es sind das jedoch vor allem Bücher über die beiden Weltkriege, zum Beispiel Elisabeth Zöllers Der Krieg ist ein Menschenfresser, Maja Nielsens Feldpost für Pauline, Dorothee Haentjes-Holländers Paul und der Krieg oder auch Joke van Leeuwens Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor. Das sind allerdings immer auch Geschichten über lang zurückliegende Ereignisse, die vielleicht das Verhalten von Großeltern und Eltern erklären, für Kinder aber eher abstrakt bleiben.

Mit dem Ukraine-Krieg rückt das Geschehen nun räumlich näher, wie schon in den 1990er Jahren im Serbien-Krieg, und hat aber, dadurch, dass mit Putins Russland eine Großmacht einen Nachbarstaat angreift, eine weltpolitische Reichweite, der sich niemand mehr entziehen kann. Und die Kinder spüren natürlich unsere Ängste, hören unsere Gespräche, gehen mit auf die Demos und stellen Fragen. Einige dieser Fragen lassen sich mit den folgenden drei Büchern ansatzsweise beantworten.

Die einfachen Grundregeln des Zusammenlebens

Louise Spilsbury erklärt in Wie ist es, wenn es Krieg gibt? in 13 kurzen Kapiteln die Grundvoraussetzungen für einen Krieg: den Streit zwischen Menschen und die Gründe für Konflikte unter ihnen. Die unterschiedlichen Traditionen in verschiedenen Ländern und Religionen gehören dazu. Der Krieg verändert das Leben der betroffenen Menschen, viele verlassen die Heimat, flüchten und suchen Sicherheit.
Spilsbury kann das alles natürlich nur kurz anreißen, zeigt aber in wenigen Worten und durch die eindrücklichen, aber nicht traumatisierenden Illustrationen von Hanane Kai, welche Lösungen es für Kriege und Konflikte gäbe: miteinander reden, Regeln aufstellen und diese auch einhalten. Dazu der Versuch, andere Menschen zu verstehen und zu respektieren. Im Fall eines Konfliktes ist es wichtig zu helfen, und auch dazu gibt es in diesem Buch einige Anregungen, die den jungen Leser:innen helfen können die eigene Ohnmacht zu überwinden. Dies hier so einfach aufzuschreiben, kommt mir fast unwirklich vor, weil es im Grunde so simpel ist – und doch von gewissen Machthabern nicht befolgt wird.

Die machtgierigen Männer

Wie es dazu kommt, dass Männer machtgierig werden, zeigte David McKee bereits 2014 in seinem Buch Sechs Männer. Diese Parabel heute zu lesen, lässt einen quasi erschaudern: Es wirkt wie die Blaupause zu Putins Verhalten.
Es beginnt harmlos mit sechs Männern, die einen friedlichen Ort zum Leben und Arbeiten suchen. Dort werden sie Baumeister und Bauern – und reich. Mit dem Reichtum kommen die Sorgen, weil sie ihr Gut schützen und behalten wollen. Die Männer stellen sechs Wachen an, vorsorglich. Doch die Wachen haben nichts zu tun. Die Herrscher wollen ihr Geld aber nicht umsonst ausgegeben haben. Also werden die Soldaten losgeschickt, andere Bauern zu überfallen und deren Land zu rauben.
Die Spirale der Gewalt kommt in Gang: mehr Soldaten werden gebraucht. Die Bauern auf der anderen Seite des Flusses bekommen Angst, rüsten ebenfalls auf. Ein dummer Zufall löst den Krieg aus … Die einfachen Strichzeichnungen von McKee treffen so ins Mark, dass ich diese wenigen Seiten eigentlich nur ungläubig anschauen kann. Hier ist die gesamte Absurdität des Krieges drin: Die Soldaten der kämpfenden Parteien sind nicht mehr auseinanderzuhalten und am Ende herrscht nur der Tod. Krieg ist keine Option. Niemals. Das begreifen mit dieser Lektüre bereits Kinder.

Give Peace a chance

Das Plädoyer für den Frieden kommt von Baptiste & Miranda Paul, zusammen mit den farbenfrohen Illustrationen von Esteli Meza. Kinder sind hier auf jeder Seite mit Tieren zusammen, seien es Elefanten, Füchse, Koalas, Pandas, Pferde oder Löwen. In kurzen, oftmals gereimten Zeilen beschwören die Pauls die Schönheit des Friedens, das Wohlgefühl, das Zuhause sein und die Sicherheit herauf, die der Frieden uns gibt. Mit wenigen Sätzen erklären sie, wie wichtig es ist, die eigenen Freunde wirklich anzusehen, ihre Namen zu kennen und gemeinsam etwas Mutiges zu tun. Das Geben wird über das Nehmen gestellt und viele kleine Fische können den spitzzähnigen Hai besiegen. Im Frieden werden auch die Kleinsten gehört und der Satz »Es tut mir leid« schafft Versöhnung und echten Frieden.

Frieden ist ein hoffnungsfrohes Buch, das die Tiere mit im Blick hat, denn auch sie leiden in kriegerischen Auseinandersetzungen. Die warmen Farben der Bilder, die Kinder aus allen Nationen, die mit den Tieren kuscheln und am Ende um das Lagerfeuer sitzen und einer Vorleserin lauschen – all dies ist so tröstlich und erstrebenswert. Es gibt keine andere Option als Frieden.

Das blau-gelbe Bild mit der Taube vom Anfang dieses Posts stammt aus dem Buch der Pauls – und die Farbwahl sehen wir heute natürlich mit ganz anderen Augen. Es dürfte einer dieser seltsamen Zufälle sein, die dieses Leben auch immer wieder so erstaunlich macht.

Die drei Bücher werden momentan nachgedruckt. Louise Spilsbury ist ab 7. April wieder zu haben.

Baptiste Paul & Miranda Paul: Frieden, Illustration Esteli Meza, Übersetzung: Thomas Bodmer, NordSüd Verlag, 2021, 40 Seiten, ab 4, 15 Euro

Louise Spilsbury: Wie ist es, wenn es Krieg gibt?, Illustration: Hanane Kai, Übersetzung: Jonas Bedford-Strom, Gabriel Verlag, 2022, 32 Seiten, ab 5, 10 Euro

David McKee: Sechs Männer, Übersetzung: Thomas Bodmer, NordSüd Verlag, 2014, 48 Seiten, ab 5, 13,99 Euro

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