Die Wochenration Lyrik

Kinder KalenderEs gibt viele Arten, wie man Kinder an Poesie heranführen kann. Eine der schönsten ist für mich der Arche Kinder Kalender. Jetzt wieder zu haben für 2017.

Wie in den Jahren zuvor hat die Internationale Kinderbibliothek in München wieder mit feinem Gespür entzückende Gedichte mit ebenso wunderschöne Illustrationen aus aller Welt zusammengestellt. Jedes Wochenblatt brigt etwas Überraschendes, Fröhliches, Urkomisches, aber auch Nachdenkliches. Denn in diesen Mikrogeschichten eröffnen sich ganze Welten, zeigen sie doch, was in den verschiedenen Ländern von Italien bis China, von Portugal bis Russland, was also rund um den Globus die Menschen so sehr bewegt, dass sie es in einem Gedicht würdigen.

Das können fantastische Wesen wie der Drachen-Veteran, aber auch kulinarische Grundnahrungsmittel wie die Rote Bete oder Papadam sein. Oder aber die täglichen Ängste der Schüler vor dem Unterricht. Die Musik des Aprilregens wird genauso aufgeführt wie der Blumenreigen in einem Garten. Mäuse spielen Fußball, Schwäne ziehen über das Meer. Man kommt ins Träumen und fängt selbst an zu reimen, zu dichten. Ich möchte am liebsten meinen hopsenden Eichhörnchen im Baum vor dem Küchenfenster ein paar Zeilen widmen.

Wie schon vor zwei Jahren erfreut mich auch dieses Mal wieder, dass die Originalgedichte wie immer mitabgedruckt sind. Es würdigt die Autoren, aber im gleichen Maße die vielen vorzüglichen Übersetzer_innen, die großartige Lösungen für diese kondensierten Inhalte gefunden haben.
Aber gerade bei den Sprachen mit anderen Buchstabenschriften wie dem Kyrillischen, aber auch bei Chinesisch, Koreanisch oder bei den runden indischen Malayalam-Buchstaben, schaut man zudem die Gedichte selbst wie Bilder an. Manches Mal werden sie sogar Teil der Illustrationen, was ihre Schönheit doppelt unterstreicht. Im kommenden Jahr werde ich mit meiner dann fünfjährigen Nichte mal erkunden, wie das auf die Zielgruppe wirkt.

Sicher ist, dass die Kinder ein Gespür für Poesie entwickeln werden. Denn sie finden hier nicht nur gereimte Verse, sondern auch freie Formen und manch auf den ersten Blick rätselhafte Zeilen. Da werden dann die Gehirnwindungen gefragt sein, dem Gelesenen einen Sinn zu geben – oder vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall werden sie erfreuen, bewegen, anregen. Manch Baum wird vielleicht im Juni vorsichtiger bestiegen werden, damit Mama sich keine Sorgen mehr machen muss. Und Ende September sprudelt es möglicherweise aus den Kindern selbst heraus, denn dort gibt es eine leere weiße Seite, die mit Worten, Versen und Bildern gefüllt werden möchte.

Ich freue mich, dass ich diesen Begleiter durch das kommende Jahr bei mir aufhängen kann, und wünschte, dass er in möglichst vielen Kinderzimmern ebenfalls seinen Platz findet.

Arche Kinder Kalender 2017. Mit 53 Gedichten und Bildern aus der ganzen Welt. Herausgegeben und ausgewählt von der Internationalen Kinderbibliothek München, Arche Kalender Verlag, 2016, ab 5, 18 Euro

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Jeder Tag kann Weihnachten sein

 
Weihnachten im Januar? Das geht durchaus, und zwar im Hotel Wunderbar.

Ein Porträt über einen belgischen Hotelier, der seine Pforten für Obdachlose öffnet, brachte die Kinderbuchautorin Jutta Nymphius in Schwung für ihren neuen Roman. Ihr Tore öffnender Held heißt Mika, ist neun Jahre alt und lebt mit seinem Vater im familieneigenen Hotel „Jameel“. Mikas Mutter ist vor einiger Zeit gestorben, seitdem arbeitet Papa meist hinter verschlossenen Türen in seinem Büro, und Mika wird hauptsächlich von den Angestellten Fanny und Henry betreut. Doch egal, wie viel Mühe sich die beiden geben, die Eltern ersetzen können sie nicht. Vor allem fehlt Mikas Mutter, warmherzig, temperamentvoll und gastfreundlich. Und weil Mama überall fehlt, fehlen inzwischen auch die Gäste. Sogar an Weihnachten!

Auch in diesem Jahr, was Mika ehrlicherweise nicht weiter verwundert hat. Schon der Weihnachtsschmuck war furchtbar! Langweilige Plastiktannenbaumgirlanden baumelten am Hoteleingang. Das musste ja alle abschrecken, denkt Mika. Früher gab es echte Zweige mit bunten Kugeln, ein fröhliches Willkommen und jede Menge Gäste und Trubel, gerade an den Feiertagen. Deshalb wurde ja auch der Anbau mit sechs neuen Zimmern errichtet, doch inzwischen steht der meistens leer. Hier fehlt es an Wärme und Zuneigung, das spürt Mika ganz genau. Und während er noch seinen Gedanken nachhängt, stolpert er über Silvester, einen kleinen schwarzlockigen Hund, und dessen Besitzer Teddy. Im ersten Moment verzieht Mika die Nase, Teddy riecht ziemlich streng, und seine langen Haare zotteln genauso an ihm herum wie sein Bart. Aber er verwickelt Mika gleich in ein Gespräch, und schnell ist klar: Die beiden haben Hunger und suchen ein Quartier, denn der Winter ist kalt und streng und Teddy obdachlos. Plötzlich weiß Mika, wo er die beiden unterbringen kann: im Anbau. Natürlich heimlich. Morgen früh müssen Hund & Herrchen das Haus superpünktlich wieder verlassen — und abends steigen sie geräuschlos und unsichtbar wieder ein.

Ganz fix werden es mehr Gäste, die Hilfe brauchen, denn auch Käthe friert erbärmlich. Genau wie Herbert. Mika schließt alle fest in sein Herz, selbst wenn der Heimlichkeitsstress dadurch immer größer wird: Betten beziehen. Essen in der Hotelküche abzweigen. Früh aufstehen, um alle zu wecken, damit sie rechtzeitig wieder verschwinden. Keinen Piep zu erzählen … Mika wird immer blasser und schlapper — was Fanny und Henry schließlich nicht mehr verborgen bleibt. Die Wahrheit muss auf den Tisch, vor der auch Mikas Papa die Augen nicht mehr verschließen kann: Das Leben geht weiter, und sein Sohn braucht ihn!

Weihnachten ist zwar längst vorbei, gefeiert werden kann trotzdem. Und weil dazu Gemeinschaft gehört, verlegen Mika & Co das wunderbare Fest einfach in den Januar und holen nach, was am 24.12. nicht möglich war: mit anderen Menschen zusammen zu sein, ihre Geschichten zu teilen, die Herzen zu öffnen und einander Wärme zu geben. Bis Ende März wird Papa das Hotel von nun an für die Obdachlosen öffnen. Und Weihnachten? Da sind sich alle einig: So ein tolles Januar-Weihnachtsfest wird es auch im kommenden Jahr wieder geben.

Dieser Kinderroman — schwarz-weiß-schmunzelnd illustriert von Stephan Pricken (!) —ist nicht nur warmherzig geschrieben und verbreitet Festtagsstimmung. Mika, Papa und alle anderen Helden von Jutta Nymphius laden dazu ein, darüber nachzudenken, worauf es wirklich ankommt: Kinder brauchen Eltern, Eltern brauchen Kinder. Und Menschen, die Hilfe benötigen, sollten nicht allein durchs Leben gehen. Und Feste? Die lassen sich nicht nur feiern, wenn es der Kalender sagt. Vielleicht hat jemand Lust, das auch mal auszuprobieren? Nur Mut!

Heike Brillmann-Ede

Jutta Nymphius: Hotel Wunderbar, mit einem Nachwort und einem Spiel von Jutta Nymphius, Illustration: Stephan Pricken, Tulipan, 2. Auflage 2016, 144 Seiten, ab 9, 13,00 Euro

Licht aus, Film ab!

lichternKurzfilme gelten nur als Fingerübung junger, angehender Regisseure, bevor diese den ersten „richtigen“, abendfüllenden Spielfilm drehen können. Kurzgeschichten werden ebenfalls gering geschätzt. Im Gegensatz zum angloamerikanischen Sprachraum genießt die knappe Erzählform hierzulande wenig Anerkennung als eigenständige, literarische Form; noch weniger, wenn sie „nur“ von Kinder- und Jugendbuchautoren geschrieben wurde, also Schriftstellern, die ohnehin belächelt werden.

Der Kurzgeschichtenband Hinter den Lichtern lässt das vernachlässigte Genre in neuem Glanz erstrahlen. 18 Autoren, darunter bekannte wie Frank Goosen, Antje Wagner und Nils Mohl haben Originalstories extra für die von Christian Walther herausgegebene Anthologie geschrieben.

18 Geschichten, 18 Parallelwelten, 18 mal Kopfkino, nicht nur in Elisabeth Steinkellners gleichnamiger Geschichte um Eifersucht, Betrug und das Erstarren einer Liebe.

Wir begeben uns auf eine spannende und skurrile Vatersuche, gleichzeitig eine Neuinterpretation des Schubladendenkens, wir erleben Selbstfindung in der Ferne und Entfremdung zu Hause. Eine in ungewöhnlichen Zeitsprüngen erzählte Liebesgeschichte entlarvt Geschlechterklischees. Ein getriezter Gymnasiast verstrickt sich in einen makabren Krimi. Eine neue Superheldin lässt nicht nur Herzen entflammen. Reisen durch Traum und Zeit. Nicht zuletzt geht es auch um die Zeit des Übergangs, um Orientierungslosigkeit und Sinnsuche, zum Beispiel der „Ex-Einserschülerin, der Ex-Person mit großer Zukunft“, die sagt: „Der Schulhof war meine Welt“, und die jetzt, verstoßen von dieser Welt, nicht weiß, wo sie hin soll.

Geschichten von Vertrauen und Verrat, von geträumten Heldentaten und albtraumhaften Verhältnissen, von der Lebendigkeit der Jugend gegen die sedierte Abgeklärtheit der Erwachsenen. Geschichten die neugierig machen, die rühren, verstören und nach Mehr schreien.

Diese Sammlung beinhaltet eine Fülle literarischer Rohdiamanten: Und während das Vorwort des prinzipiell lobenswerten Herausgebers und Germanisten Christian Walther etwas verwackelt und bildschief wirkt, sind viele der stories zu funkelnden Edelsteinen geschliffen, mit brillant entworfenen Charakteren und Figurenkonstellationen, raffiniert geschnittenen Szenen und besonderem Ton.

Hinter den Lichtern, das sind einerseits die im Dazwischen, in der Übergangszone, im Zwielicht – übrigens, soviel Zeit muss jetzt sein für einen kleinen Seitenhieb, das beste an der ganzen erzkonservativen, ansonsten überhaupt nicht ambivalenten Twilight-Saga ist der Titel. Die Geschichten blicken hinter das Vordergründige, Ausgeleuchtete, Eindeutige. Andererseits beschreibt das „dahinter“ auch die Perspektive derjenigen hinter dem Filmprojektor, auf deren innerer Leinwand die Erzählungen lebendig werden.

Hinter den Lichtern ist ein Buch für „eigentlich-Nicht-Leser“, für Bildermenschen.

Licht aus, story ab! Ganz großes Kino!

Elke von Berkholz

Hinter den Lichtern – 18 unglaubliche stories, Christian Walther (Hrsg.), Beltz & Gelberg 2016, 264 Seiten, ab 14, 13,95 Euro

Die Leiden der jungen Großstadtkinder

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Unkonventionelle Familienkonstellationen gibt es in Kinderbücher ja mittlerweile in allen möglichen Formen, Farben und Varianten. Jetzt ist mit dem neuen Roman von Anne C. Voorhoeve endlich auch das Konzept der „Kinderwohnung“ hinzugekommen. Und das auf eine sehr unterhaltsame Art.

Die Geschwister Pia und Jonas stellen irgendwann fest, dass sich ihre Eltern gar nicht mehr zoffen. Eine gespenstische Ruhe ist in ihrer Wohnung im Berliner Reuterkiez (Neukölln) eingezogen. Das ist kein gutes Zeichen. Schnell wird den beiden klar: Mama und Papa lassen sich scheiden. Doch anstatt, dass die Kinder mit dem einen oder anderen Elternteil in eine andere Wohnung ziehen, dürfen sie in ihrem Zuhause bleiben – nur die Erwachsenen ziehen um und wechseln sich wochenweise in der Kinderwohnung ab. Das Konzept bewährt sich, so dass die Kids wieder ihren einigermaßen normalen Alltag leben können.
Mit ihren Freunden, Nesrin, Kasim, Finn-Ole, Mustafa und Rifat, machen Pia und Jonas ihren Kiez unsicher – und zwar in Form einer Stadtteilführung: „Neukölln für starke Nerven!“ Die etwas andere Berlin-Rundtour soll den Touristen das „harte“ Neuklölln zeigen, wo Kampfhunde herumlaufen, am hellichten Tage Fahrräder gestohlen und Passanten beklaut werden. So sollen die Fremden davon abgehalten werden, in den Kiez zu ziehen und ihn zu gentrifizieren. Die erste Führung wird leider zum Reinfall, die zweite so ein Erfolg, dass gewiefte Geschäftsleute den Kids die Idee klauen.

Zu allem Überfluss findet Pia auf der Tour heraus, dass ihr Wohnhaus bereits von einer Investorin gekauft wurde und nun luxussaniert wird. Aus dem anfänglichen Spaß wird auf einmal bitterer Ernst: Wo sollen die Bewohner nur hin, wenn sie sich die Mieten nicht mehr leisten können oder kein Geld haben, die eigene Wohnung zu kaufen?

Voorhoeven lässt die Ich-Erzählerin Pia in einem leichten Ton von all diesen Unbill des Großstadtlebens erzählen. Trotz unglaublich vieler bitteren Dinge, die die Kinder erleben müssen (Scheidung, die neuen Partner der Eltern, sie verlieren ihr Zuhause), verströmt Pia dennoch so viel Zuversicht und pragmatischen Umgang mit den immer neuen Problemen, dass man die Geschichte schon fast als heiter bezeichnen muss. Sie zeigt, dass Ideenreichtum trotz aller Rückschläge weiterhilft, dass Gespräche beim Psychologen förderlich sind, dass das Leben weitergeht, auch wenn sich so einiges ändert. Und dass es immer noch schön sein kann.

Das Leben in einer Patchworkfamilie und die Gentrifizierung von Szenekiezen sind zwar zwei hammerharte Themen, die für sich allein schon eine Geschichte tragen würden. Doch ist es ja auch so, dass man im wahren Leben diese Probleme durchaus nicht immer einzeln auf dem Tablett serviert bekommt, sondern, wenn es mal kommt, es häufig eben auch so dicke kommt, dass man sich fragt, womit man all so ein Unglück eigentlich verdient hat. Natürlich hat das niemand verdient, aber junge Lesende bekommen hier einen Vorgeschmack auf die Komplexität unseres Lebens. Das ist nicht immer schön, und geht auch nicht immer gut aus. Aber die Helden von Wir 7 vom Reuterkiez zeigen mit ihren Aktionen, dass man doch so einiges in die Hand nehmen und bewegen kann. Ausruhen und jammern ist eben nicht.

Anne C. Voorhoeve: Wir 7 vom Reuterkiez, Sauerländer, 2016, 256 Seiten, ab 10, 12,99 Euro

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Wissengefülltes Archäologie-Abenteuer

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In meiner frühen Schulzeit gab es bei uns das – für mich – schöne Ritual zum Mittagessen eine Schallplatte aufzulegen und den Geschichten von Heidi, Peter und der Wolf oder Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt zu lauschen. Damals hat sich wohl meine Leidenschaft für Hörbucher und das professionelle Vorgelesen-Bekommen entwickelt.

Eine aktuelle und überaus gelungene Hörspiel-Reihe ist mir nun mit Fred quasi auf der vergangenen Frankfurter Buchmesse über den Weg gelaufen. In der neuesten Geschichte – Fred bei den Maya – reist der etwa 12-jährige Held mit seinem Großvater durch Mittelamerika auf den Spuren der Maya. Sie besteigen den Tempel der Masken, um von dort die aufgehende Sonne zu erleben. Ganz nebenbei erzählt der Großvater so einiges von der untergegangenen Kultur der Maya.
Fred ist fasziniert – und als die beiden auf der Rücktour durch eine Reifenpanne an ihrem Bus im Busch liegen bleiben, passiert mit dem Jungen etwas ganz Besonderes: Er hat nämlich die Fähigkeit durch die Zeit zu „fallen“. Als er mit seinem Hund während der Wartezeit durch den Urwald streift und eine zugewachsene Ruine findet, durchschreitet er ein Tor und landet in der klassischen Zeit der Maya (ca. 900 n. Chr.).
Er begegnet dem Mädchen Xkik‘, der Tochter des Königs von Tikal. Sie will ihren Vater aus der Gefangenschaft der Jaguarkrieger befreien … und Fred wird ihr dabei helfen.

Die Geschichte ist so fesselnd, dass ich sie in einem Rutsch durchhören musste. Und dann gleich noch einmal, denn neben dem reinen Abenteuer-Plot sind hier äußerst geschickt jede Menge historische und kulturelle Informationen über die Maya, ihre Zeit, ihr Leben, ihren Glauben und ihre Riten eingewoben. Die kann man unmöglich beim ersten Hören sofort behalten, aber genau das macht für mich den Reiz eines Hörbuches oder Hörspiels aus, nämlich, dass man bei jedem Hören wieder etwas Neues entdeckt.

Hinzu kommt bei dieser Produktion von Ultramar, dass sich nicht nur einfach die Sprecher im Dialog abwechseln, sondern dass im Hintergrund atmosphärische Klänge und Geräusche einen echten Urwaldteppich weben. Da kreischen die Vögel, da faucht der Jaguar, ständig raschelt es im Dickicht. Das ist so toll gemacht, dass man – schließt man zwischendrin mal die Augen – diesen mittelamerikanischen Regenwald, die Tempel und Maya-Städte richtig vor sich sieht. Die hervorragenden Sprecher tun ihr Übriges, dass ich mich als Hörerin richtig gut unterhalten gefühlt habe.

Wie viel Wissen, Recherche und Mühe Autorin und Produzentin Birge Tetzner in diese Geschichte gesteckt hat, merkt man als Erwachsener bereits beim Hören. Sie zeigen sich darüber hinaus aber auch in einem kleinen Booklet, das vollgestopft ist mit Fakten, einem Glossar zu den wichtigsten Begriffen, einer Anleitung für die Aussprache von Maya-Worten und einer Zeittafel. Dieses Gesamtpaket aus Fantasie, Abenteuer, Spannung, knackevoll mit wertvollem Wissen um vergangenen Kulturen ist einfach grandios!

Fast muss man warnen: Fred macht süchtig nach mehr!
Doch zum Glück umfasst die Fred-Reihe bereits sieben archäologische Abenteuer, die ihre großen und kleinen Hörer zu den Skythen, den Wikingern, zu Nofretete oder nach Pergamom entführt. Hier wird man rein vom Zuhören schlauer!

Birge Tetzner: Fred bei den Maya. Der Aufstand der Jaguarkrieger, Hörspiel, Sprecher: Andreas Fröhlich, Jürgen Thormann, Ultramar Media, 2016, 79 Minuten, ab 9, 13,90 Euro

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Die moderne Weihnachtsfamilie

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Was Adventsbücher angeht, hänge ich ja immer noch in einer unendlichen Schleife von Barbara Bartos-Höppners Schnüpperle fest. Das Buch mit den 24 Vorweihnachtsgeschichten von 1969 hat mich durch meine Kindheit begleitet und wurde in unserer Familie jedes Jahr wieder neu hervorgezogen und in Etappen bis Weihnachten gelesen. Dagegen anzukommen war bis jetzt für jedes neue Buch ziemlich schwer – nichts hat dieses wohlige Adventsgefühl in mir heraufbeschwören können wie Schnüpperle.

Doch jetzt – wenn auch mit einem Jahr Verspätung, denn Frohe Weihnachten, Zwiebelchen! ist bereits 2015 erschienen – bekommt Schnüpperle ernsthafte Konkurrenz. Die schwedische Autorin Frida Nilsson erzählt in 25 Kapiteln vom 6-jährigen Zwiebelchen, der eigentlich Stig heißt. Zusammen mit seiner Mama wohnt der klevere Junge im schwedischen Dorf Kilsmo und hat im Grunde nur zwei große Wünsche: ein Fahrrad und einen Papa.
Doch für ein Fahrrad hat seine Mama kein Geld, und das mit dem Papa ist eine schwierige Sache, denn den hat Mama vor Jahren in Stockholm bei einem Konzert kennengelernt und später den Zettel mit seiner Telefonnummer ganz rasch weggeworfen. Den Mann wollte Mama nicht, aber Zwiebelchen schon. Diese Geschichte kennt Zwiebelchen natürlich in- und auswendig. Trotzdem quält ihn dieser Gedanke, dass er einen Papa in Stockholm hat.
Darüberhinaus aber nervt ihn das Mitleid seiner Mitschüler, weil er eben doch keinen Papa hat. Richtig wütend wird er, wenn sein Mitschüler Elmar behauptet, er hätte es verdient keinen Papa zu haben. Dann wird Zwiebelchen schon mal aggressiv, schubst und haut.

Aber zum Glück gibt es im Dorf auch noch Karl, den alle für einen „komischen Vogel“ halten, weil eines seiner Beine kürzer ist und er angeblich Hühner hypnotisieren kann. Karl repariert Autos und wirkt ein bisschen wie der Außenseiter des Dorfes. Doch Karl ist ein herzensguter Typ und bringt Zwiebelchen alles über Hühner bei. Eines Tages schafft es Zwiebelchen sogar, den Hahn Hekto auf den Arm zu nehmen. Ein wunderbarer Moment an einem sonst ziemlich doofen Tag.

Mit so einigen Hochs und Tiefs schlägt sich Zwiebelchen also durch die Adventszeit und lernt in diesem schneelosen Dezember so einiges über Hühner und das Leben. Den kleinen Helden schließt man vom ersten Augenblick ins Herz, denn seine Beobachtungen des Alltags und seine Überlegungen über das Leben sind so bodenständig und liebenswert, dass man gar nicht anders kann.

Doch Zwiebelchen erfährt natürlich auch, dass das Leben kein Wunschkonzert ist. So kann man sich einen Vater nicht einfach erdichten, wie ihm die Reaktionen seiner Mitschüler zeigen. Es bringt auch nichts, einfach auf einem geklauten Fahrrad nach Stockholm fahren zu wollen. Zwiebelchen bleibt im endlich fallenden Schnee stecken, und mit dem Schnee reift in ihm schließlich auch der Gedanke, dass es auch die andere Seite der Papa-Frage gibt, nämlich die, dass dieser Mann ihn vielleicht ja gar nicht haben wollte…

In all diesem Gefühlschaos gibt es für Zwiebelchen zu Weihnachten schließlich doch ein Happy-End und die Erkenntnis, dass Familie auch aus selbstgewählten Mitgliedern bestehen kann und ein biologischer Erzeuger nicht unbedingt dazugehören muss.

In einfachen Sätzen, feinfühlig von Friederike Buchinger übersetzt, erzählt Frida Nilsson eine moderne Weihnachtsgeschichte, die das Zeug zum Klassiker hat. Sie macht deutlich, dass das Leben nicht immer aus perfekten Familienidyllen besteht, aber dennoch wunderschön sein kann. Eine sehr zu empfehlende Familien-Lektüre für die kommenden Wochen!

Frohe Weihnachten, Zwiebenlchen! war für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2016 in der Sparte Kinderbuch nominiert.

Frida Nilsson: Frohe Weihnachten, Zwiebelchen!, Übersetzung: Friederike Buchinger, Illustrationen: Anke Kuhl, Gerstenberg, 2015, 128 Seiten, ab 6, 12,95 Euro

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Vorweihnachtlicher Schabernack

weihnachten24 Kapitel, 13 wilde Kerle und mindestens vier pfiffige Kinder, dazu kunterbunte, slapstick-witzige Bilder von Susanne Göhlich: Barbara van den Speulhof hat eine kurzweilige Vorweihnachtsgeschichte geschrieben. Zu lesen in einem Rutsch oder an 24 Dezembertagen.

Wer die Autorin kennt, weiß um ihre Liebe zu Island. Und genau dort hat sie sich inspirieren lassen, denn ab dem 12. Dezember kommen 13 wilde Trolle, einer nach dem anderen, aus ihrer Höhle in den Bergen zu den Menschen. Frech sind sie, hungrig und ein wenig rau.

Auch die 13 wilden Weihnachtskerle stammen von der Insel, doch sind sie weniger rau als viel mehr liebenswert. Weshalb auch ihr Vorhaben von Herzensgüte getragen ist: Nichts wünschen sich die Menschenkinder Smilla und Snorre nämlich mehr als einen richtigen Tannenbaum. Doch in ihrer Heimat Island sind Bäume rar. Und so haben die 13 Weihnachtskerle beschlossen, Abhilfe zu schaffen. Aber wo findet man so einen Baum? Natürlich in Hamburg, das weiß der kecke Knut ganz genau. Hamburg ist doch das Land der Weihnachtsbäume! Und als dann im Hafen auch noch das Schiff Hamburg gesichtet wird, gibt es kein Halten mehr: Knut, Lametta, Schnüffelschnäutz, Pottpitt, Remmidemmi, Waumiau, Kuki, Blanco, Langfinger, Oskar, Pokus, Caruso und der Älteste der Brüder, der weise Rübe, entern den Kahn und schippern davon. Ihrem großen Abenteuer entgegen.

Leider sind die Dinge manchmal leichter beschlossen als durchgeführt. Kein Baum am Hamburger Hafen. Was tun? Kurzerhand schmuggeln sich die Kerle in einen Lkw voller Orangenkisten, denn ihr Wagemut ist ungebrochen und ihr Ziel haben sie fest vor Augen. Schließlich haben sie was versprochen — und das wird auch nicht gebrochen!

Mitten in der großen Stadt kreuzen sich ihre Wege mit denen von Malte und Antonia. Zum Glück, denn nur Kinder können die kleinen Kerle sehen, während Erwachsene allein rennende Gegenstände wahrnehmen und sich dann verwundert die Äuglein reiben. Malte und Antonia sind gleich Feuer und Flamme, schließlich geht es gar nicht, dass Smilla und Snorre da oben im hohen Norden Weihnachten ohne Tannenbaum feiern müssen.

Bis eine Lösung gefunden ist, sind natürlich reichlich Hürden zu nehmen und das gemeinsame Abenteuer entwickelt sich schnell zu einem trubeligen Chaos: Erstens sind die 13 kleine Weihnachtskerle ständig hungrig und klauen, was nicht niet- und nagelfest ist. Zweitens tanzt stets mindestens einer aus der Reihe. Und drittens brauchen sie dringend ein Dach über dem Kopf, schließlich ist es im Dezember auch in Hamburg ordentlich frisch. Ach, und viertens sind da noch die Eltern von Malte und Antonia, die manchmal aus dem Staunen nicht herauskommen, wenn gerade frisch gebackene Kekse ohne Mucks verschwinden oder die Wohnung plötzlich im Weihnachts-Osterhasen-Halloween-Geglitzer funkelt.

Doch wie das so ist vor Weihnachten: Eltern sind dann rundum beschäftigt und Kinder können ganz eigene Wege gehen. Deshalb gelingt das Unglaubliche: Eine Riesentanne wird für Smilla und Snorre gefunden und per Flugzeug auf die weite Reise nach Island geschickt. Streng bewacht von 13 wilden Kerlen. Welche Rolle dabei ein Bayrisch sprechender Schwede spielt und wie Antonia und Malte es überhaupt hinkriegen, den schönsten Baum zu ergattern und dabei keinen Kerl zu verlieren — das lest am besten selbst! Oder, noch besser: Schnappt euch ein bis zwei Erwachsene und lasst euch vorlesen. Dann kommen auch die endlich mal zur Ruhe …

Es ist schon eine Kunst, 13 wilde Weihnachtskerle (deren Steckbriefe Vorsatz und Nachsatz im Buch schmücken!) mit so markanten Wesenszügen auszustatten, dass sie einerseits ordentlich gegeneinander rumpeln, andererseits sich immer wieder frohgemut zusammenzuraufen. Es gelingt der Autorin nicht durchgehend, alle Mitglieder dieses Dream-Teams gleichberechtigt auftreten zu lassen. Und anstatt mehrmals laufende Würstchenschlangen oder davon springenden Apfelsinen zu bemühen, hätte hier und da ein anderer witziger Einfall der Geschichte gutgetan. Schade ist es auch, dass nicht alle fremd klingenden Begriffe so einleuchtend erklärt werden wie Kombüse oder Bug … Trotzdem: Barbara van den Speulhof schreibt humorvoll und lebensklug und immer auf respektvoller Augenhöhe mit ihrer Leserschaft. Sie fängt Gefühle und Sehnsüchte genauso ein wie Schabernack und Abenteuerlust. Kurzum: Es gelingt ihr, Geschichten zu spinnen, die Jung und Alt genießen können. Am besten vereint!

Heike Brillmann-Ede

Barbara van den Speulhof: 13 wilde Weihnachtskerle, Illustration: Susanne Göhlich, Fischer KJB, 2016, 176 Seiten, ab 6, 14,99 Euro

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Mit Tampons jonglieren

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Okay, ich gehöre definitiv nicht mehr zu der Generation, die noch mal ganz unverblümt über ihre Menstruation sprechen wird. Zu sehr habe ich die verschämte Sprachlosigkeit über das ganz natürliche Vorgehen im weiblichen Körper in den vergangenen Jahrzehnten verinnerlicht. Ich tue mich also schwer.

Umso mehr beneide ich jetzt die jungen Mädchen, die mit dem Buch Ja, ich habe meine Tage! So what? der schwedischen Bloggerin Clara Henry ein Manual an die Hand bekommen, das mal Klartext redet.

Clara Henry nimmt kein Blatt vor den Mund. Locker und wunderbar schnodderig – hier gilt der Dank der Übersetzerin Kerstin Schöps – erklärt sie die Vorgänge in der Vagina, die Auswirkungen auf Körper und Psyche, wenn ein Mädchen seine Tage hat, wenn sie blutet, menstruiert, ihre Regel hat. In persönlichen Anekdoten erzählt sie von ihrem eigenen Umgang mit Schmerz, durchgebluteten Unterhosen und Schokoladengelüsten, weil Schokolade einfach gut tut. Sie erörtert die Unterschiede zwischen Binden, Slipeinlagen, Tampons und Menstruationstassen. Das macht sie mit Witz und Selbstbewusstsein. Ich hätte dieses Buch gern als Teenagerin gehabt, dann hätte ich vielleicht nicht Jahre gebraucht, um einen entspannten Umgang mit diesen roten Tagen zu erlangen. Allein dafür ist Henrys Buch schon eine wichtige Lektüre.

Was jedoch fast noch wichtiger ist, als die rein hygienischen Maßnahmen, die frau treffen sollte, ist die Haltung, die Henry vermittelt. Sie liefert den Mädchen beispielsweise selbstbewusste Antworten und Entgegnungen, die frau all denen liefern kann, die sexistische, verachtende, frauenfeindliche, herabwürdigende oder lächerlich-machende Bemerkungen fallen lassen. Dabei zieht sie gleichzeitig gegen herrschende frauenverachtende Körperbilder ins Feld. Sie macht klar, dass es durchaus okay ist, sich nicht zu rasieren. Egal wo. Der Körper eines Mädchens, einer Frau ist vollkommen in Ordnung, so wie er ist, groß, klein, dick, dünn, kurvig, flach. Jedes Körperteil an einem weiblichen Körper ist in Ordnung, so wie es ist. Hört sich banal an, kann aber in diesen Zeiten des schönen Scheins gar nicht oft genug wiederholt werden. Kein Mädchen sollte sich angeblichen Schönheitsidealen unterwerfen müssen, keine sollte sich von Versprechungen der Werbung beeinflussen lassen, alle sollten selbstbewusst sagen können: Ja, ich habe meine Tage!

Clara Henry macht den Mädchen Mut, die Herrschaft über ihren Körper zu behalten. Sie allein bestimmen, wann sie Sex haben wollen, ob sie ihn überhaupt haben wollen. Sie entscheiden, ob sie sich einem Ideal unterwerfen wollen. Und so sollten sie sich nicht im Geringsten dafür schämen, wenn sie ihre Tage haben, einen Tampon oder eine Binde wechseln müssen. Viel mehr schlägt Henry vor, mit den Tampons auf dem Weg zur Toilette gut sichtbar zu jonglieren, die frischen Binden offen in der Hand zu halten und in Lokalen, in denen man nichts konsumieren will, ganz locker zu sagen: „Entschuldige. Mein Tampon läuft aus. Kann ich bei euch auf die Toilette gehen? Vielen Dank.“ Ich finde das herzerfrischend.

Bei all diesen Tipps und Hinweisen macht Henry aber auch klar, dass die Menstruation nicht unbedingt als Ausrede herhalten kann. Es geht nicht darum, sich hängen zu lassen, sondern einen bewussten und entspannten Umgang mit dem Zyklus zu finden, die Rote-Bete-Woche mit Freuden zu begrüßen und sich über dieses Zeichen der eigenen Fruchtbarkeit zu freuen.

Ich hätte all dies so gern viel früher gelesen.

Clara Henry: Ja, ich habe meine Tage! So what?, Übersetzung: Kerstin Schöps, Beltz, 2016, 196 Seiten, ab 13, 16,95 Euro

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Auf eigene Faust

lllewellyn_cover_ticktacktot_jubu_thienemann-2016Tom Llewellyn hat einen speziellen Humor. Schon sein Kinderbuch Das Haus, in dem es schräge Böden, sprechende Tiere und Wachstumspulver gibt steckt voller Absurditäten und macht großen Spaß, egal, ob man die Geschichte selber liest oder vorliest. Nun also ein Jugendbuch. Ein Thriller. Tick Tack Tot, übersetzt von Nina Scheweling. Ist der Titel ernst gemeint?

Seth Anomundy lebt mit seiner Mom Eve in einer Gegend, in der man sich nachts nicht unbedingt allein auf die Straße traut. Doch es gibt Ankerplätze: den Boxclub von ChooChoo, der mit Seths Mutter verbandelt ist und der Seth das Boxen beigebracht hat. Den Uhrenladen von Mr Nadel, bei dem sich Seth mit Botendiensten ein paar Dollars verdient. Das Shotgun Shack, in dem Miss Irene das Sagen hat und in deren Küche Seth dem Kochen fröhnt. Das Guinevere´s, wo ihm Nikki beibringt, wie man richtig guten Kaffee komponiert. Den Buchladen King´s Books mit seiner Riesenauswahl an Graphic Novels. Und selbst die Schule ist ein Ort, an dem sich Seth wohlfühlt.

Das Leben hat sich eingespielt. Eve hat vier verschiedene Putzjobs, nachts, und manchmal bricht sie tagsüber aus, kauft teure Klamotten, streitet mit Inbrunst, will das Leben spüren. Seth dagegen ist ruhig, verlässlich und wirkt ernster als andere Jugendliche in seinem Alter. Und dann steht die Polizei vor der Tür. Mom ist tot, man hat sie vor dem Boxclub in ihrem Jeep gefunden. Zunächst wird Drogenmissbrauch vermutet — was auch sonst, wenn man schwarz ist und auf dieser Seite der Stadt lebt —, dann findet man toxische Substanzen im Leichnam. War es Selbstmord? Oder Mord? Die Polizei scheint nicht allzu engagiert, also beginnt Seth, auf eigene Faust zu ermitteln.

„Fang mit dem Einfachsten an“, rät ChooChoo. So beschließt Seth als Erstes, die Schule zu schwänzen. Dann tastet er sich an die Arbeitgeber seiner Mutter heran, versucht, ihre letzten Stunden zu rekonstruieren. Er spricht mit den Gästen im Shotgun Shack — und sucht intensiv nach Miss Irene. Sie und seine Mom hatten Streit, jetzt ist Irene verschwunden, spurlos, niemand weiß etwas. Gibt es einen Zusammenhang mit Eves Tod?

Die Nachforschungen kosten Kraft. An Seths Seite ist Azura Lear (LLewellyn hat ein Händchen für Namen), eine Mitschülerin, reich und schön, eigentlich verbandelt mit Erik, doch sie interessiert sich für Seth. In dem Mädchen aus gutem Haus, zu deren Ahnen angeblich der Sekretär George Washingtons zählt, steckt mehr Power, als vermutet. Mit ihr kann Seth sprechen, sie arrangiert für ihn ein Treffen mit der Schulseelsorgerin, organisiert die Beerdigung seiner Mutter.

Das Ende der Geschichte ist überraschend und soll hier nicht verraten werden. Bis dahin wird gekämpft, es gibt Verdächtige und falsche Spuren, ein zweiter Toter wird gefunden. Es ist aber kein thrill auf ganzer Strecke, wir begleiten Seth, mitfiebern tun wir nicht, denn es gibt immer wieder Passagen, die sich vom eigentlichen Geschehen lösen. Das Ganze ist solide konstruiert und liest sich in einem Rutsch ohne literarische Finessen.
Was mich jedoch besonders überzeugt, ist das psychologische Moment. Seth, der ohne Vater aufwächst und seine Mutter aufrichtig liebt, nimmt gefangen. Er ist unglaublich sympathisch, realistisch, mutig und sensibel. Seine Beharrlichkeit, sein Netzwerk, seine Kombinationsgabe helfen ihm, den Fall zu lösen. Seine Bodenhaftung ist das beste Rüstzeug, um in (s)ein neues Leben zu starten.

Heike Brillmann-Ede

Tom Llewellyn, Tick Tack Tot, Übersetzung: Nina Scheweling, Thienemann Verlag 2016, 224 Seiten, ab 13, 12,99 Euro

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Die Gefahren nach der Flucht

zippiGeschichten von Geflüchteten gibt es momentan sehr viele, und das ist wichtig und notwendig. Eine – in meinen Augen – ganz besondere Geschichte erzählt Adriana Stern nun in ihrem Roman Und frei bist du noch lange nicht. Denn hier geht es nicht nur um Flüchtende aus Syrien oder Afrika, sondern auch um Menschen, die auch heute noch aus religiösen Gründen ihre Heimat verlassen müssen.

Stern erzählt von der 13-jährigen Zippi, die mit ihrem Bruder Ivo und ihren Eltern aus Krasnaja Sloboda in Aserbaidschan nach Deutschland kommt. Zippi und ihre Familie sind Juden und gehören in ihrer Heimat einer Minderheit an, die dort nicht mehr sicher ist. Sie reisen nach Düsseldorf und finden zunächst Unterkunft in zwei winzigen Zimmern eines Flüchtlingsheims.
In einem zweiten Erzählstrang schildert Stern die Geschichte des 10-jährigen Syriers Saladin, der mit seinem Bruder Tarek vor dem Krieg flieht. Während Zippi relativ bequem im Flugzeug nach Deutschland kommt, legt Saladin die Strecke über das Mittelmeer und durch Italien zurück, mit allen Schrecken, die auf dem offenen Meer laueren.

In Düsseldorf verweben sich die Schicksale der beiden Kinder, die sich in einem Fastfood-Restaurant kennenlernen, da es dort Gratis-WLan gibt, mit dem sie Kontakt mit ihren Freunden in der Heimat oder auf der Fluchtroute halten können. Die beiden freunden sich an, Saladin wird schließlich ein guter Kumpel von Zippis Bruder Ivo.
Im Flüchtlingsheim lernen die beiden Protagonisten weitere Kinder kennen – und sie erfahren von den dunklen Seiten vermeintlicher Helfer. Denn sie finden heraus, dass der Hausmeister des Heims ein Mitglied der Partei „Aufbruch für Deutschland“ ist (Ähnlichkeiten sind durchaus beabsichtigt) und mit ein paar Komplizen vielen Geflüchteten die Pässe abgenommen hat. Ohne diese Pässe können diese Menschen keine endgültigen Asylanträge stellen und sind der Gefahr ausgesetzt, wieder abgeschoben zu werden.

Gemeinsam machen sich die Kinder und Jugendlichen auf, der Bande das Handwerk zu legen und für ihre Ehre zu kämpfen…

Sterns Roman ist eine komplexe Geschichte, die in manchen Momenten vielleicht etwas konstruiert erscheint (so können sich Zippi und Saladin auf Russisch unterhalten, weil Saladins Mutter Russin war). Wenn man sich jedoch auf diese erzähltechnischen Tricks einlässt, eröffnet sich ein spannendes Abenteuer, in dem die geflüchteten Kinder nicht die passiven Hilfsbedürftigen sind, sondern zu aktiven Helden werden, die gegen Ungerechtigkeit und Fremdenhass kämpfen. Für junge Lesende macht gerade dies die Lektüre zu einer interessanten Mischung: Hier steht nicht die mühsame und gefährliche Flucht im Mittelpunkt, deren Schrecken durchaus geschildert werden, sondern die Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Deutschland zu kämpfen haben (überfüllte Zelte, Enge in den Heimen, unverständliche Behördenvorgänge).

Für Zippis Familie kommen darüber hinaus die Anforderungen des jüdischen Lebens hinzu, die sich beispielsweise an ihrer speziellen Küchenausstattung zeigt, aber auch in der Suche nach einer jüdischen Gemeinde, der sich die gläubige Familie anschließen kann.
Zippis Leidenschaft fürs Kochen bringt zudem einen sehr sinnlichen Aspekt in die Geschichte ein. Das Essen, die Zutaten, die Gerüche erinnern an die Heimat, trösten ein wenig, aber verbinden auch die unterschiedlichen Kulturen, in denen manche Gerichte identisch sind, nur andere Namen haben. So entdecken Saladin und Zippi verbindende Gemeinsamkeiten. Und Saladin fängt auf einmal an, über die Vorurteile, die manche Syrer gegenüber Juden hegen, nachzudenken.

In anderen Worten: Adriana Stern mischt gekonnt eine spannende Kriminalgeschichte mit den realen Lebenswelten von Geflüchteten und jüdischem Leben in Deutschland. Über beides dürfte die Mehrheit der hiesigen Jugendlichen nicht besonders viel wissen, umso besser, dass diese Buch kurzweilige Abhilfe schafft.
Gleichzeitig macht es etwas Weiteres noch mal ganz klar: Die Menschen, die es aus Krisengebieten bis nach Deutschland schaffen, mögen ihr Leben gerettet haben, einfach und bequem ist der Alltag bei uns für sie damit noch lange nicht. Auch dies sollten wir sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, wenn wir meinen, wir hätten unsere Pflicht gegenüber diesen Menschen bereits erfüllt.

Adriana Stern: Und frei bist du noch lange nicht, Ariella Verlag, 2016, 376 Seiten, ab 12, 14,95 Euro

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Auf dem eigenen Weg

herrick_cover_jubu_thienemann-2016Krimi oder Liebesgeschichte? Der Titel, ein Zitat aus diesem in ungereimten Versen geschriebenen Roman, lässt an beides denken. Die Liebe kommt nicht zu kurz, und spannend und überraschend liest sich das Ganze auch. Und doch ist es etwas Drittes. Eine Einladung, sich einzulassen auf das Leben, Abschiede zu wagen, Vertrautes hinter sich zu lassen, Ungewöhnliches auszuprobieren, sich gegen die Macht von Geld, Einfluss und Gewalt zu stemmen. Kurz, den eigenen Weg zu suchen und zu gehen.

Steven Herrick erzählt aus der Ich-Perspektive seiner drei Protagonisten: Billy Luckett, 16, hält den brutalen Vater zu Hause nicht mehr aus und haut ab. Mit wenig Geld, ohne konkretes Ziel. Mit einem Güterzug landet er im Nirgendwo und trifft auf Old Bill, obdachlos, verwahrlost, unzugänglich. Billy zieht in einen ausrangierten Eisenbahnwaggon in Old Bills Nähe, lässt sich nicht von Griesgram und Lebensverdrossenheit abschrecken. In diesem Nirgendwo wohnt auch Caitlin, 17. Wohl behütet und aus reichem Haus, stemmt sie sich gegen Daddys Kontrollzwang. Ihre Verbündete ist ihre Mutter, die deckt, dass Caitlin jobbt. Bei McDonald´s.

Ist es Zufall, dass sich diese drei Menschen begegnen? Das Schicksal? Ein innerer Kompass? Klar ist: Billy wird zum Auslöser für ein Aufeinandertreffen, das ihrer aller Leben verändert. Seine behutsam-beharrliche Art schließt Old Bill auf. Sie beginnen, gemeinsam zu frühstücken, arbeiten als Tagelöhner, Old Bill erzählt von seinem tiefen Schmerz und warum er die Einsamkeit gewählt hat. Billys Belesenheit (Bibliotheken sind seine Lieblingsorte), seine Feinfühligkeit, seine Ehrlichkeit erobern Caitlins Herz. Sie lernen sich kennen, weil Billy Essensreste in dem Schnellimbiss schnorrt, wo sie die Böden schrubbt. Und plötzlich ist sie da, die Liebe zwischen Caitlin und Billy, und die väterliche, dankbare Zuneigung Old Bills.

Doch dann wird Billy auf der Straße von Polizisten angesprochen. Wie alt er sei? Woher er komme? Wovon er lebe? Billy, der es hasst zu lügen, eiert herum, versucht sich rauszureden … Und kriegt die Adresse des Sozialamts in die Hand gedrückt. Eine unmissverständliche Aufforderung.

In dieser Situation erweist sich Old Bill als Retter in der Not. Früher war er Anwalt, lebte mit Frau und Kind in einem weißen Holzhaus, das ihm immer noch gehört. Er begleitet Billy aufs Amt, spricht von seinem gewalttätigen Zuhause, dass er Arbeit sucht und daran denkt, wieder zur Schule zu gehen … Und Old Bill überzeugt.

Herricks Geschichte ist durchwebt von Optimismus, Disparates fügt sich, das Leben ist wunderbar. Ist das weit weg von der Realität? Oberflächlich gesehen vielleicht, und doch: Es ist das eigene Handeln, das zu Veränderung führt. Auf andere zugehen schafft Vertrauen, lässt Vorurteile hinterfragen, sprengt soziale Grenzen. Und drei Menschen wachsen zu einer Gemeinschaft zusammen.

Das Buch, bereits 2000 in Australien erschienen, ist zeitlos. Sein knapper Text liest sich vermeintlich schnell, doch bietet sich auf jeder Seite Anlass, darüber nachzudenken, was wichtig ist und was verzichtbar, und die eigene Freiheit der Entscheidung zu feiern.

Uwe-Michael Gutzschhahn verantwortet eine Übersetzung, die sich rhythmisch liest und dazu einlädt, sich unbefangen auf diese ungewöhnlichere Textform einzulassen, für die der Autor in seiner Heimat bereits mehrfach prämiert wurde. Bei uns steht Wir beide wussten, es war was passiert auf der Empfehlungsliste „Die 7 besten Bücher für junge Leser“ (August 2016) und wurde zum „Jugendbuch des Monats“ gekürt.

Steven Herrick ist eine Entdeckung!

Heike Brillmann-Ede

Steven Herrick: Wir beide wussten, es war was passiert, Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn, Thienemann Verlag, 2016, 208 Seiten, ab 13, 14,99 Euro

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Deutsche Fluchttraumata

fluchtGeschichten aus Büchern triggern mich aus den unteschiedlichsten Gründen an, das können spannende Figuren sein, fremde Welten, ferne historische Ereignisse oder politische Aufarbeitung. Bei dem Buch Salz für die See von Ruta Septeys nun wird ein Teil meiner Familiengeschichte thematisiert, nämlich die Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen am Ende des zweiten Weltkrieges. Die literarische Umsetzung dieser traumatischen Erlebnisse ist somit für mich quasi ein Muss, da meine Mutter genau das durchgemacht hat. Anfang der 2000er-Jahre war es die Lektüre von Günter Grass‘ Im Krebsgang. Dieses Mal jedoch ist es ein Jugendbuch, das sich mit diesem düsteren Kapitel beschäftigt. Zunächst einmal habe ich recherchiert, ob es das erste ist, das über die Ereignisse im Januar 1945 für junge Leser berichtet. Ist es nicht. Bereits 1962 veröffentlichte Willi Fuhrmann seinen Roman Das Jahr der Wölfe, in dem er genau davon berichtet. So habe ich also beide Bücher gelesen.

Die Lektüre solch trauriger Bücher mag auf den ersten Blick nicht besonders anregend  sein, und doch ist es hier und jetzt quasi ein Muss, sich mit diesem düsteren Kapitel deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. Denn der Blick zurück erinnert uns dran, was unsere Eltern und Großeltern erfahren haben und was uns in den Genen steckt. Gleichzeitig mahnen diese Geschichten, dass wir gegenüber den Geflüchteten, die in den vergangenen Jahren und Monaten zu uns gekommen sind und weiterhin kommen, noch mitfühlender sein sollten. Damit meine ich nicht die vielen tollen Helfer und Unterstützer, sondern diejenigen, die Obergrenzen diskutieren, den Familiennachzug begrenzen wollen und nur eingeschränkte Aufenthaltsgenehmigungen für Menschen aus Kriegsgebieten erteilen wollen.

fluchtSowohl Sepetys als auch Fährmann thematisieren nun also die Flucht der deutschen Bevölkerung aus Ostpreußen im bitterkalten Januar 1945, als die Rote Armee vorrückt. Viel zu spät ehaben die Menschen die Erlaubnis erhalten, die Heimat verlassen und sich in Sicherheit bringen zu dürfen.
Fährmann schildert die Erlebnisse der Familie Bienmann, detailliert und mit allem Vor und Zurück, das es im Laufe der Wochen und Monate gab: Ein Dorf nach dem anderen wird von den Russen eingenommen, rasch werden Fuhrwagen gepackt, das Nötigste mitgenommen, dann schließt sich die Familie dem Treck an, der sich durch Schnee und Matsch schließlich über das Haff auf die Frische Nehrung zubewegt. Die Kälte setzt den Menschen zu, ein Dach für die Nacht zu finden wird von Tag zu Tag schwieriger. Hinzu kommt, dass Mutter Bienmann schwanger ist und schließlich eine Tochter zur Welt bringt. In Gotenhafen weigert sich die Mutter, das Schiff „Wilhelm Gustolff“ zu besteigen, das die Flüchtenden nach Westdeutschland bringen soll. Ein Glück, wie sich für die Familie später herausstellen soll.
Die Begegnungen mit den Russen verlaufen für die Bienmanns relativ glimpflich, sie verlieren ihre Wertsachen und Pferde, aber nicht ihr Leben. Sie schlagen sich weiter nach Westen durch, erleben das Ende des Krieges, brauchen aber auch dann noch ein weiteres halbes Jahr, um endgültig in einer neuen Heimat anzukommen.

Im aktuellen Roman Salz für die See, souverän übersetzt von Henning Ahrens, treffen auf der Flucht aus Ostpreußen drei Jugendliche im Treck aufeinander: der Deutsche Florian, die Polin Emilia und die Litauerin Joana. Wider Willen werden sie zu einer Schicksalsgemeinschaft, die zusammen mit drei weiteren Menschen über das Haff zieht und es in Gotenhafen auf die „Gustloff“ schafft. Dort bringt Emilia, die von einem russischen Soldaten vergewaltigt wurde, eine Tochter zur Welt. Das Baby überlebt in den Armen von Florian den Untergang des Schiffes. Zusammen mit Joana, in die sich Florian im Laufe der Flucht verliebt, gründen die drei später eine Familie.

Ebenso wie Fährmann, der als Vertreter des engagierten Realismus gilt, hat die US-Amerikanerin Sepetys, die litauische Vorfahren hat, für ihren Roman ziemlich akkurat recherchiert und eine aktuelle Variante dieses Flucht- und Vertreibungsthemas geliefert. Die Komponenten wie Kälte, russische Tiefflieger und Panzer, ins Eis einbrechende Fuhrwerke, die Verzweiflung der Menschen finden sich in beiden Romanen. Ohne sie wäre ein Flucht-aus-Ostpreußen-Roman auch nicht denkbar. Interessant bei Sepetys ist, dass auch Litauer und Polen im Treck nach Westen flüchteten. Den jungen Lesern wird somit gleich klar gemacht, dass die Vertreibung also mehr war, als ein rein deutsches Schicksal.
Bleibt Fährmann, der seinen Roman vor über 50 Jahren verfasst hat, bei einer klassisch auktorialen Erzählweise, so hat sich Sepetys für wechselnde Ich-Perspektiven entschieden. Neben den drei Flüchtenden Figuren erzählt zudem noch der junge Nazi Alfred von seinen Erlebnissen als Matrose auf der „Gustloff“. Alle vier Erzähler tragen zusätzlich zu den entsetzlichen Kriegserlebnissen ihr ganz persönliches Päckchen, von denen sie dem Leser zwar erzählen, ihren Gefährten jedoch erst nach und nach. Die Figur des verbohrten Alfred ist von allen vieren dabei am schwersten zu ertragen, da hier ein uneinsichtiger Jungnazi gezeigt wird, der wegen seiner Überheblichkeit gepaart mit Trotteligkeit nicht ganz überzeugend wirkt.
Joana, Florian und Emilia jedoch wachsen einem ans Herz. Man wünscht ihnen, dass die Geschichte gut für sie ausgeht – was bei diesem tragischen Thema natürlich nur bedingt der Fall sein kann. Sepetys Romankonstruktion aus Perspektivwechseln und Cliffhangern hat mich dann doch ziemlich in den Bann gezogen. Der einzige Wermutstropfen an der Erzählart ist, dass durch den Perspektivwechsel manches redundant wird.
Doch obwohl man als Erwachsener das Ende der „Gustloff“ kennt – deren Untergang hier etwas zu sehr der Titanic-Verfilmung von James Cameron erinnert (hier scheint die Recherche versagt zu haben…) –, will man wissen, wie es mit den Figuren weitergeht. Für junge Lesende ist Salz für die See somit auf jeden Fall eine spannende Aufbereitung dieses wichtigen Themas.

Die Beschäftigung mit Willi Fährmann in diesem Zusammenhang war für mich zudem noch eine echte Entdeckung. Irgendwie ist dieser stille Autor, der seit über 50 Jahren Kinder- und Jugendbücher schreibt, völlig an mir vorbeigegangen. Eine unverzeihliche Lücke, die ich schleunigst schließen muss. Mag Das Jahr der Wölfe mittlerweile durch Erzählart und Sprache etwas altmodisch und betulich wirken, so ist es für mich doch eine vertraute Stimme, die dort spricht. Denn Ähnliches höre ich von meiner nun über 80-jährigen Mutter immer wieder, die als Neunjährige aus Königsberg fliehen musste und sich selbst heute noch als „Flüchtling“ bezeichnet. So schrecklich das alles damals war, und so glücklich ich mich schätzen kann, es nicht erlebt zu haben, umso mehr begreife ich nun, dass ich ein Kind von Geflüchteten bin. Hätte meine Oma mit ihren vier Kindern es nicht bis nach Schleswig-Holstein geschafft und hier keine Aufnahme gefunden, es wäre alles anders gekommen.

Womit wir zurück in die Gegenwart gelangen, in der immer noch viele Menschen in diesem Land Geflüchteten mit Abneigung und Hass begegnen. Zur Erinnerung: Fast zwölf Millionen Menschen flüchteten nach dem zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat in ein zerstörtes Deutschland (über die komplexen Ursachen und Gründe von Flucht und Vertreibung kann ich hier nicht ausführlich diskutieren), wo die Menschen noch weniger hatten als wir jetzt. Und heute regen sich manche über nicht mal eine Millionen Menschen auf, die aus Not ihre Heimat verlassen und zu uns kommen, um zu überleben. Hier sind Mitgefühl und Herz gefragt, nicht Missgunst und Hass.

Sepetys und Fährmann jedenfalls halten die Erinnerung an unsere eigene Geschichte wach und mahnen uns damit auch, ganz nach dem Kategorischen Imperativ Kants, uns anderen gegenüber so zu verhalten, wie wir selbst behandelt werden wollen: Niemand von uns will je flüchten müssen, und niemand von uns möchte mit solcher Missachtung behandelt werden, wie es momentan noch viel zu oft vorkommt.
Wer kann, befrage zu den Fluchterfahrungen der Deutschen seine Großeltern.
Ansonsten lest diese Bücher.

Ruta Sepetys: Salz für die See, Übersetzung: Henning Ahrens, Königskinder, 2016, 406 Seiten, 19,99 Euro

Willi Fährmann: Das Jahr der Wölfe, Arena, 1962 (31. Auflage 2015), 219 Seiten, 5,99 Euro

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Die Tragik der Außenseiter

LaBan_25082_MR1.indd„So wüst und schön sah ich keinen Tag“
Ein Shakespeare-Zitat als Buchtitel? Und dann ausgerechnet Macbeth? Diese blutige Tragödie? Ist das eine Einladung zum Lesen?

Ja!

Das Debüt der US-amerikanischen Autorin Elizabeth LaBan — ein komplexes Unterfangen und vorzüglich übersetzt von Birgitt Kollmann! — ist gelungen. In Anspruch, Stil, Botschaft, mit jeder Menge Einladung zur Identifikation und zum Fragenstellen. Auch an uns selbst, das eigene Verhalten, die eigene Schulzeit, Werte und Moral, Mut und Angst … Und nicht zuletzt besticht Mr Simon, der Törtchen backende Englischlehrer mit einem Faible für Shakespeare, der jedes Jahr neu seinen SchülerInnen eine Tragödie als Abschlussarbeit aufbrummt. Wunderbar und gar nicht kitschig sein Ausspruch am Ende jeder Englischstunde: „Und nun geht und verbreitet Schönheit und Licht!“

Doch worum geht es in LaBans Roman?

Aus zwei Perspektiven wird erzählt: Von der Gegenwart berichtet Duncan, ein junger Mann, der ziemlich entspannt das letzte Highschooljahr angeht (wäre da nicht der Tragödienaufsatz!) und seine immer intensiver werdende Freundschaft mit Daisy genießt. Von der Vergangenheit berichtet Tim. Die Verknüpfung ergibt sich dadurch, dass die Schüler des Abschlussjahres in ihrem Zimmer jeweils ein Geschenk des Vorbewohners finden. Duncan, der zunächst komplett unglücklich reagiert, weil ihm das kleinste Zimmer zugewiesen wird, bekommt von seinem Vorgänger Tim Macbeth ein außergewöhnliches Geschenk: Auf mehreren CDs hat Tim seine und damit ein Stück Schulgeschichte hinterlassen. Eine fesselnde Erzählung, der sich Duncan kaum entziehen kann. Denn das, was Tim erlebt hat, steuert nicht auf ein Happy End zu, das ahnt der Leser von Anfang an. Zur Erzählkunst der Autorin gehört, den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrechtzuerhalten.

Es ist eine Dreiecksgeschichte, von der Tim spricht: Zufällig lernt er Vanessa kennen, weil wüstes Schneetreiben den rechtzeitigen Abflug verhindert; beide sind auf dem Weg zur Highschool, um ihr Abschlussjahr anzutreten, wissen aber nicht, dass sie dieselbe besuchen werden. Tim erlebt eine junge Frau ohne Vorurteil. Er ist Albino, hält den Kopf oft gesenkt, um nicht aufzufallen oder die Ablehnung in den Augen der anderen lesen zu müssen; sein Aussehen beeinflusst sein Leben. Vanessa dagegen begegnet ihm ungezwungen. Sie, die schön ist und sich auffallend bunt kleidet, akzeptiert seine Farblosigkeit. 18 Stunden lang, bis die Weiterreise möglich ist.

Der Dritte im Bunde ist Patrick, Vanessas Freund. Ein Beau, der sich die Mädchen aussuchen kann, oberflächlich, manipulativ und feige. Dass seine Wahl auf Vanessa fiel, hat diese überraschenderweise erstaunt; die Beziehung hält aber schon eine Weile.

Tim wird zum Gegenspieler Patricks und zum Katalysator. Auf seine leise, verlässliche Art besticht er nicht nur im Unterricht. Er hat etwas zu sagen, ist charakterstark, setzt sich für Mitschüler ein, handelt, wenn andere zurückschrecken, entlarvt Patrick. Gleichzeitig bleibt er verletzlich und glaubt eigentlich nie daran, dass ihn jemand anderes als seine Eltern vorurteilsfrei lieben wird. In Vanessa löst er zunehmend Fragen an ihre Beziehung mit Patrick aus. Sie geht mit Tim joggen, allerdings heimlich, lässt sich von ihm küssen, macht Nähe möglich. Letztendlich fehlen ihr jedoch Entschlusskraft und Mut, vielleicht empfindet sie auch nicht so tief wie Tim.

Das Ende der Geschichte ist tragisch. Bei einem nächtlichen Schlittenrennen rammen Tim und Vanessa einen Baum. Vanessa landet schwer verletzt im Krankenhaus (sie wird überleben), Tim erblindet. Seine Augenprobleme haben sich lange zuvor angekündigt, denn eigentlich müsste er draußen immer eine dunkle Brille tragen, doch die Eitelkeit ließ ihn das „vergessen“.

Tims Geschichte hat Auswirkungen auf Duncan. Dieser reflektiert intensiver sein eigenes Verhalten, Tim stärkt ihm den Rücken, macht ihn sensibel gegenüber seiner Freundin Daisy, lässt ihn Verantwortung übernehmen und eigene Fehler bekennen, auch gegenüber Mr Simon und dem Schuldirektor. Wir erleben mit, wie aus Unsicherheit Festigkeit wird, wie Duncan erwachsen wird.

LaBans Roman stimmt hoffnungsvoll und traurig. Im Gegensatz zu Shakespeares Macbeth, der aus Machtgier und angetrieben von der eigenen Ehefrau seinen Vetter Duncan tötet, um König von Schottland zu werden, hilft Tim dem jungen Duncan in vielfacher Hinsicht. Doch was wird aus ihm selbst? Werden er und Vanessa sich noch einmal begegnen? Wie wird Tims Zukunft  ohne Augenlicht aussehen? Wird er zurückgeworfen auf sein Zuhause bei liebenden Eltern oder wird ihm ein selbstbestimmtes Leben gelingen? Und wohin mit all seinen tiefen Gefühlen, seiner Liebenswürdigkeit, seiner Sensibilität? Zudem: Wird jemand wie Patrick bestraft, der sich nach Vanessas Unglück schnell mit einer Neuen tröstet?

Und wir, wie gehen wir selbst mit Außenseitern um?

PS: Neben dem empfehlenswerten Inhalt und allen Tipps zum Thema Tragödie (auch im Anhang!) sei noch auf den außergewöhnlich schönen Umschlag des Romans verwiesen. Ein unbedingter Hingucker und ein Hoch auf die Haptik von Büchern!

Heike Brillmann-Ede

Elizabeth LaBan: So wüst und schön sah ich noch keinen Tag, Übersetzung: Birgitt Kollmann, Hanser Verlag, 2016, 288 Seiten, ab 13, 16,90 Euro

Bücher, die die Welt reparieren

„Es gibt eine größere Offenheit, die Literatur ist vorwitziger und frecher, weil man die Kinder ernst nimmt, sie auch zum Nachdenken bringen will, denn das gehört zum Aufwachsen.“ So beschreibt der Autor Bart Moeyart das Besondere der niederländischen und flämischen Kinder- und Jugendliteratur. Der Flame ist künstlerischer Leiter der Ehrengast-Präsentation bei der Frankfurter Buchmesse. Und das, obwohl er „nur“ Kinder- und Jugendbuchautor ist. Dass Literatur für junge Leser bei unseren Nachbarn einen besonderen Stellenwert genießt und im flämischen Sprachraum brillante Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben werden, zeigt auch diese Auswahl.

 

51efazxaazlJede dritte Ehe scheitert, das ist bedauerlich, aber alltäglich und banal, Menschen verlieben und entlieben sich. Schlimm wird es nur, wenn Kinder involviert sind: Denen fehlen ein paar Jahrzehnte ernüchternde Erfahrungen, es kann ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen und fortan müssen sie sich nicht nur mit „Hin- und Her-Taschen“ abschleppen zwischen getrennten Wohnungen und Leben. Da helfen auch oberschlaue Ratgeber wie „Glücklich verheiratet, glücklich getrennt“ nichts, die nur das schlechte Gewissen der Eltern beruhigen.

Die zwölfjährige Felicia, die fortan Fitz genannt werden will, ist vor allem wahnsinnig wütend. Auch noch, als ihr Vater und ihre jüngere Schwester Bente einen Unfall haben und die ganze Familie in der Notaufnahme zusammentrifft. Fitz ist aber auch eine scharfsinnige Beobachterin, ein ungeheuer waches, kluges und einfühlsames Mädchen, das man sofort ins Herz schließt. Kein Wunder, dass in den Weiten des großen Krankenhauses der höchst attraktive, lakonische Adam und die schräg-witzige Primula sofort auf sie anspringen und die drei im Laufe des Tages gleich mehrere Herzen entflammen, nicht nur die eigenen.

Anna Woltz hat bereits mit ihrer sehr modernen Familiengeschichte „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ zwei liebenswerte Charaktere geschaffen, die draufgängerische Tess und den sensiblen Samuel. Ihre Heldin Fitz ist einfach grandios: Sie rettet vielleicht nicht die ganze Welt, auch die Ehe ihrer Eltern nicht, die kann man halt nicht wieder zusammennähen wie Bentes verletzen Finger. Aber mit ihrem Charme, ihrer Direktheit und ihren klugen Erkenntnissen kann sie die Welt auf jeden Fall lebenswerter machen. Weil dieses Mädchen abgeklärte Leser wieder an so etwas wie Liebe glauben lässt. Das liegt auch an den erwachsenen, ebenso lebendig wie vielschichtig beschriebenen Nebenfiguren. Spätestens wenn Fitz, nach ihrer Tour de Force über mehrere Stockwerke und Stationen der Klinik, nicht länger „lieber in einen Vulkan springen will, als jemals zu heiraten“. Man will dieses absolut hinreißende Mädchen am Ende der Geschichte und des Tages nie mehr loslassen. Aber mit etwas Glück hat Adam ja recht: „Vielleicht ist morgen dann wieder heute“ – in neuer Tag voller verrückter Emotionen, Begegnungen und Erfahrungen.

Nur schade, dass der Carlsen Verlag diese unter die Haut gehende Geschichte hinter einem nichtssagenden Einband versteckt. So don’t judge a book by looking at it’s cover.

Anna Woltz: Gips oder wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte; Übersetzung: Andrea Kluitmann, Carlsen 2016, 176 Seiten, ab 10 Jahren, 10,99 Euro

 

51n5-hss4cl-_sx355_bo1204203200_ Kalle ist ein Macher, der lieber einen Gedanken zu wenig denkt, als sich von seinem Vorhaben abbringen zu lassen. Bei Helicoptereltern hätte solch ein tatendurstiger kleiner Kerl keine Chance (übrigens spielt ein Hubschrauber später auch noch eine Rolle, aber mehr wird hier nicht verraten!). Selbst für weniger behütende und gerade auch sehr müde Erziehungsberechtige ist es ganz gut, wenn sie nicht so genau wissen, was Kalle vorhat, wenn er sagt, er geht weg: Der Achtjährige springt mit Nachbarhund Max und Meerschweinchen Hektor in sein kleines Motorboot und nimmt Kurs Richtung großen Fluss – eine ebenso spannende und witzige wie haarsträubend gewagte Bootstour. Anke Kranendonks Geschichte ist pädagogisch völlig wertlos – im besten Sinn. So wie vor wartenden Kindern bei Rot über die Ampel zu gehen. Weil es Kinder zu selbstständigem Denken und Eigenverantwortung motiviert.

Charmant zitiert die niederländische Kinder- und Jugendbuchautorin Tomi Ungerers „Kein Kuss für Mutter“ und beerbt anarchistisch-autarke Helden wie Pippi Langstrumpf oder Michel. Sympathisch persifliert sie in den etwas einseitigen Dialogen Kalles mit Vierbeiner Max wie Eltern mit ihrem Nachwuchs reden: ein wenig herablassend ob des vermeintlich geringeren Verstands, auch mal ganz schön genervt, doch letztlich immer voller Zuneigung, gelegentlich zerknirscht.

Noch schöner wird die von Sylke Hachmeister erfrischend übersetzte Geschichte durch Annemarie van Haeringens in kräftigen Farben colorierte und an Quentin Blake (bekannt aus Roald Dahls Büchern) erinnernde Illustrationen. Kalles Selbstbewusstsein und Abenteuerlust sind umwerfend, niemand sollte solch tollkühne Kinder stoppen dürfen!

Anke Kranendonk: Käpt’n Kalle; Illustrationen: Annemarie van Haeringen, Übersetzung: Sylke Hachmeister, Carlsen 2016, 152 Seiten, ab 8 Jahren, 9,99 Euro

 

51gzheiofl-_sx258_bo1204203200_„One ist the loneliest number“ wissen wir aus der Popmusik. Jetzt erweitert die niederländische Illustratorin Henriette Boerendans unser Zahlenwissen mit „Die Null ist eine seltsame Zahl“. Mit kunstvollen Holzschnitten verknüpft sie die Ziffern eins bis zehn sowie fünfzig und hundert mit spannenden Informationen für kleine Kinder: Ein kleiner Elefant braucht zwei Jahre, bis er geboren wird. Tiger haben an den Vorderpfoten fünf Zehen und an den Hinterpfoten vier. Wie viele hat das Kind? Eine Schildkröte legt zehn Eier. Sie selbst kann bis zu 188 Jahre alt werden. Aber Muscheln werden noch viel älter. Und kleine Kaninchen sehen ihre Mutter nur fünf Minuten täglich.

In der Farbgebung erinnern die Drucke an Andy Warhols Siebdruckserien. Von der Anmutung haben sie etwas klassisch Asiatisches. Boerendans entwickelt eine ganz eigene Bildsprache und macht so abstrakte Größen lebendig und begreifbar. Für Vorleser ist dieses Buch auf jeden Fall ein optischer Genuss. Und warum ist die Null seltsam? Weil sie das Nichts beschreibt, eine Lücke – so wie die Dodos, die es nicht mehr gibt, die ausgestorben sind, weil ihre Eier aufgefressen wurden.

Henriette Boerendans: Die Null ist eine seltsame Zahl, Übersetzung: Martin Rometsch, aracari Verlag 2016, 32 Seiten, ab 3 Jahren, 14,90 Euro

Elke von Berkholz

5 Jahre! Danke!

dankeHeute gibt es mal keine Buchvorstellung, sondern ein großes Dankeschön an alle, die diesem Blog die Treue halten. Denn LETTERATUREN wird heute 5 Jahre alt!

2011 saß ich, damals noch in meinem Büro in Berlin, zwischen einem riesigen Stapel an Kinder- und Jugendbüchern und sollte für eine Jugendzeitschrift die coolsten fünf aussuchen. Das ging durchaus, nur blieben gefühlt 500 andere Bücher auf der Strecke.

Im Gespräch mit meiner Kollegin Lisa (Danke!) entstand dann die Idee, diesen Blog aufzumachen und einfach selbst die Regie zu übernehmen. Hier war und ist Platz genug, die Neuerscheinungen und Lieblingsbücher gebührend zu würdigen, ohne dass wichtige Informationen wie Übersetzer_innen-Namen oder Illustrator_innen hinten runter fallen, was in Redaktionen immer gern als erstes gestrichen wird. Hier muss ich mich nicht beschränken, weil auf irgendeiner Heftseite kein Raum mehr ist. Hier muss ich mich nicht rechtfertigen oder absprechen, was ich vorstellen möchte. Hier kann ich das präsentieren, was mich wirklich überzeugt, mich fesselt, mich rührt, von dem ich denke, dass auch andere Lesende Gefallen, Erbauung oder Mehrwert daran finden. Voller Elan ging ich ans Werk, ein Buch pro Woche wollte ich vorstellen. Das habe ich mehr oder minder auch geschafft – und bin tatsächlich immer noch dabei.
Mit den Jahren habe ich mein Profil bzw. das von LETTERATUREN geschärft und weiß jetzt ziemlich genau, welche Bücher mir liegen, welche Themen mich langweilen, welche Autoren ich schätze und bei welchen Verlagen ich am ehesten fündig werde. Das sind meistens nicht die Bestseller oder der neueste Fanstasy-Dystopien-Vampir-Romance-Trend. Möglicherweise hat LETTERATUREN dadurch nicht immer sehr viele Leser, aber mir sind die Inhalte und die eher stiefmütterlich behandelten Bücher eben wichtiger als so mancher Hype. Und gerade in den eher schwierigen, problembelasteten Gefilden gibt es jede Menge Überraschungen, die auf einen warten.

Die Bücherstapel sind in all den Jahren natürlich nicht kleiner geworden. Und immer noch tut es mir um viele Bücher leid, die ich nicht rezensiere. Aber dieser Blog ist weiterhin eine zusätzliche Aufgabe zu meinen normalen Brotjobs, und die Zeit, das wissen wir alle, ist auch nicht unbegrenzt vorhanden.
Doch mittlerweile haben sich mir zwei engagierte Kolleginnen angeschlossen: Elke von Berkholz und Heike Brillmann-Ede tragen ihren Blick auf die aktuelle Kinder- und Jugendbücher bei und bereichern den Blog ungemein. Beiden bin ich für ihre Unterstützung sehr dankbar!

Auch den Jugendlichen, die eine Zeitlang hier sehr fleißig und mit wunderbaren Texten mitgeschrieben haben, gilt mein Dank und mein Respekt! Es ist immer toll, die Stimmen der Zielgruppe unverfälscht zu hören. Und das haben die Mädchen und Jungen einfach so aus Lust und Engagement neben ihren schulischen Pflichten erledigt. Was wirklich großartig war!
Mittlerweile hab ich diesen Versuch auslaufen lassen, denn es ist mir nicht möglich ständig Bücher zu verschicken. Aber ich möchte diese Erfahrung nicht missen.

Natürlich möchte ich auch allen Verlagen danken, die LETTERATUREN über diese fünf Jahre mit Rezensionsexemplaren versorgt haben. Ohne sie würde es diesen Blog wahrscheinlich nicht geben, jedenfalls nicht mit all diesen aktuellen Publikationen.
Ich hoffe sehr, dass diese Zusammenarbeit auch in den kommenden Jahren weiterbesteht und das wir als Team „unsere“ Perlen der Kinder- und Jugendbücher hier auch weiterhin vorstellen können.

Allen Lesern, die diesem Blog die Treue halten, die ihn über die sozialen Netzwerke finden und verfolgen, die lesen, liken oder auch mal kommentieren, danke ich ebenfalls. Es freut mich immer, wenn ich merke, dass unsere Texte bei euch ankommen und etwas bei euch bewirken.

In diesem Sinne bin ich stolz, fünf Jahre über so viele schöne, unglaubliche, interessante, berührende, fesselnde, lustige wie traurige, herzerwärmende und bereichernde Bücher geschrieben zu haben. Dank somit auch an alle Autor_innen, die ihre Kreativität, ihre Mühe und ihr Herzblut in diese Geschichten gesteckt haben und sie mit uns teilen.
Mittlerweile haben wir über 400 Rezensionen auf LETTERATUREN veröffentlicht und die nächsten sind bereits in Arbeit.

Also, auf die nächsten fünf Jahre! Und denkt dran: Lest mehr Kinderbücher!

Herzlich
Eure

Ulrike