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Überall Gespenster

Halloween

Kinder, Halloween muss dieses Jahr leider ausfallen. Jetzt ist es offiziell: Familienministerin Giffey verbietet die mittlerweile arg kommerzialisierte Plündertour von Kinderbanden am 31. Oktober. Weil die Gefahr von etwas echt Gruseligem zu groß ist, könnte doch ein minderjähriger Superspreader vor der Tür der netten alten Nachbarin stehen.
Wogegen aber (noch) nichts spricht, ist eine coole Kostümparty drinnen in kleinem Kreis.
Und wofür sehr viel spricht, egal, wie sich die Pandemie entwickelt, ist das ungeheuer gute Buch Halloween – von Geistern, Vampiren und anderen Spukgestalten. Und zwar nicht nur am 31. Oktober, dem Abend vor Allerheiligen.

Kürbislaternen, Leckereien und Tote

Auch Oíche na nÙll genannt, irisch-gälisch für »Snap Apple Night«. Was es mit diesem seltsamen Namen, mit Kürbislaternen und traditionellen süßen Leckereien auf sich hat und wie alles mit den Toten zusammenhängt und seit Jahrtausenden zelebriert wird, davon erzählt Birge Tetzner in Halloween klug und mitreißend.
Bekannt ist Tetzner als Autorin der Hörbücher mit dem Zeitreisenden Fred. Geschichte spannend erzählen kann sie super, aber für ihr neues Buch hat sie richtig Unheimliches ausgegraben. Vor allem im abschließenden Teil Eine echte Gruselgeschichte wird wahrhaftig tief gegraben und in ganz viele Gräber gekuckt.

Mancher Horrorfilm ist nur ein billiger Abklatsch

Das geht echt unter die Haut, weil alles wahr und richtige Archäologie ist. Denn im Kampf gegen Untote, Wiedergänger und Vampire haben sich die Menschen über die Jahrhunderte die bizarrsten, martialischsten Methoden einfallen lassen. Aberglaube mischt sich mit gefährlichem Unwissen. Pest und Tuberkulose verbreiteten Angst und Schrecken. Mancher Horrorfilm ist dagegen nur ein billiger Abklatsch.
Tetzner reist durch die Jahrhunderte, von Neuengland bis in den hohen Norden und in die abgelegensten Karpaten. Wir begegnen Draugr und Strigoi, Zombies und Vampiren. Hierzulande trieben Aufhocker und Nachzehrer ihr Unwesen. Nicht umsonst umfasst das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens zehn Bände (in Zeiten von kruden und extrem gefährlichen Verschwörungstheorien könnten noch ein paar Kapitel dazukommen).

Vom gekreuzten Oberschenkelknochen zum zarten Pfauenfederkiel

Dabei kommt die studierte Kunsthistorikerin gewitzt und raffiniert vom Hölzchen aufs Stöckchen – oder von den piratenmäßig gekreuzten Oberschenkelknochen zu den zarten Kielen prächtiger Pfauenfedern. Warum letztere als Hutschmuck für La Catrina unverzichtbar sind und wie in Mexiko ganz anders – nämlich liebevoll und freundschaftlich – mit den verstorbenen Angehörigen umgegangen wird, erfährt man in diesem höchst lesenswerten Buch. Dieses Halloween macht richtig Spaß und Lust, sich zu verkleiden und zu feiern. An jedem Abend im Jahr und für alle Leser ab dem Grundschulalter. Und mit wohligem Schauer spezielles Naschwerk zu genießen. Im Mittelteil finden sich deshalb viele leckere Rezepte, bei denen ein erwachsener Bäcker durchaus mehr als ein eiskaltes Händchen beisteuern sollte. An Halloween bleiben wir zu Haus – mit dem größten Vergnügen.

Halloween

Tiefer in die Welt der Gespenster eintauchen kann man dann auch mit der neuesten Anthologie des Kollektivs SPRING. Das besteht seit der Gründung 2004 ausschließlich aus Zeichnerinnen – ohne Binnen*, weil tatsächlich nur Frauen daran beteiligt sind.
Jedes Jahr erscheint ein neuer Band zu einem bestimmten Thema, ob Wunder, Arbeit oder Sex. Gespenster ist weniger eine Comic-Anthologie, sondern vielmehr besticht diese Ausgabe durch das Zeichnerische: Großflächige Fratzen in verwischtem Kohlestrich. Zart-nebulöse Bleistiftzeichnungen von Figuren und Räumen. Kontrastreiche und verzerrte Geisterstädte und Seelenlandschaften.

Kuscheltiere werden zu gar nicht friedlich ruhenden Dämonen

Knallige Kuscheltiere, nicht auf dem Friedhof, sondern als gar nicht friedlich ruhende Dämonen. Untot umherstreifende und unsichtbar, doch fühlbar begleitende Tiere. Dunkle, bedrohliche Wälder und Gänge, abgebrochene Zähne, bizarre Muster, Faszinierendes und Erdrückendes.
Es geht viel um persönliche Dämonen und düstere Emotionen. Katrin Stangl, Almuth Ertl, Doris Freigofas und Anke Feuchtenberger setzen auf die Macht des Bildes und spielen mit ihrer Zeichenkunst die Klaviatur des Unheimlichen in unterschiedlichen Stilen und Techniken aus.
Apropos heim, Stephanie Wunderlich nimmt sich in ihrer Strecke »Schließt die Türen« dem ganz aktuellen Schrecken des Rückzugs in die eigenen vier Wände, der Vereinsamung und der Gefühlsleere an.

Das Gespenst des Kapitalismus im Schlafanzug

Ein klassischer Comic, also witzige Dialoge und karikatureske Bilder in kleinteiligen Panels, ist dem Gespenst des Kapitalismus gewidmet. »Puh, hast du mich erschreckt!!! Wir hatten doch vereinbart, dass du nur noch auf gezielte Einladung hin her kommst! Wofür habe ich jahrelang Therapie gemacht?!« Es ist aber auch ein bemitleidenswertes Gespenst, mit dem notdürftig an der altmodischen Galauniform angenähten Kopf, zahnlos und längst von der modernen und perfektionierten Verrohung der globalisierten Welt vergessen. Diese Bilderstrecke ist ein absolut erschreckender Blick auf die Welt, Ausdruck von Schuld und Hilflosigkeit, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt.

Blockade und Deadline – Geister, die niemand rief

Angesichts unstillbarer Gier und diktatorischem Konsumkult ist einem der gute, klassische Kapitalismus fast sympathisch und darf im Schlafanzug mit ins Bett schlüpfen.
Zu guter Letzt (und es ist kein Zufall, dass die Geschichte am Ende des ursprünglich mit 224 Seiten geplanten Buches steht) befasst sich Larissa Bertonasco mit mir leider auch nur zu gut vertrauten Gespenstern: der (Zeichen-)Blockade und der Abgabefrist, treffend auch Deadline genannt. Es hat sich gelohnt, auf diese sehr persönliche Comicstrecke zu warten, bannt sie doch die Geister, die viele ungerufen immer wieder neu piesacken.
Gespenster ist übrigens bereits der 17. Band von SPRING, aber der erste, bei dem das Titelbild im Dunkeln leuchtet. Ein leuchtendes Beispiel für die vielfältige und lebendige Szene der Zeichnerinnen und Illustratorinnen ist SPRING sowieso.

Birge Tetzner, Dirk Uhlenbrock (Illustration und Gestaltung): Halloween – von Geistern, Vampiren und anderen Spukgestalten, ultramar media, 2020, 96 Seiten, ab 9, 14 Euro

Spring #17: Gespenster, mairisch, 2020, 256 Seiten, 24 Euro

Gladiator 2.0

Heute bin ich gereist, durch Zeit und durch Raum, jenseits aller Beschränkungen, die uns in den vergangenen Wochen so auferlegt worden sind. Und diese Hörspiel-Reise verdanke ich Birge Tetzner und ihrem Fred. Denn seit dieser Woche erlebt der Junge ein neues archäologisches Abenteuer – Fred im alten Rom!
Als Italienisch-Übersetzerin und Italien-Liebhaberin war es mir natürlich ein Bedürfnis, sofort in diese Geschichte reinzuhören und mein Rezensions-Sabbatical kurz mal zu unterbrechen, mit dem Ergebnis, dass ich nicht mehr davon losgekommen bin und mich zwei kurzweilige Stunden von Fred und Opa Alfred durch Rom habe führen lassen.

Der Blick hinter die Kulisse

Die beiden bekommen von Flavia, einer römischen Bauforscherin, eine spezielle Führung durch das Kolosseum, das größte Amphitheater im Römischen Reich. Es geht durch die engen Gänge des »Untergeschosses«, in dem Flavia und ihre Kollegen einen der vielen Holzaufzüge rekonstruiert haben, die vor fast 2000 Jahren die Gladiatoren und die wilden Tiere in die Kampfarena beförderten. Fred darf mitfahren und dabei gerät er – so wie in seinen anderen Abenteuern auch – in die Vergangenheit und quasi mitten rein in die Abläufe der Gladiatorenkämpfe im alten Rom. Durch sein zupackendes Verhalten, bei dem er einem verletzten Gladiator hilft, fällt er dem Medicus des Kolosseums auf und wird dessen Gehilfe. Er teilt sich eine Kammer mit dem jungen Sklaven Timonides, der am nächsten Tag gegen den fiesen, aber eigentlich feigen Imperator Commodus kämpfen soll. Ein Todesurteil für den untrainierten jungen Griechen. Fred kann das natürlich nicht einfach so zulassen …

Frauenkämpfe in der Arena

Hätte man mich heute – vor dieser Hörspiel-Reise – zu Gladiatorenkämpfen im alten Rom befragt, ich hätte mit hollywoodianisch geprägtem Halbwissen eher eine schlechte Figur gemacht. Doch nun ist mein Wissen, Dank der wieder einmal großartigen Rechercheleistung von Birge Tetzner und ihrer gekonnten Aufbereitung der Fakten, mein Wissen um ein paar erstaunliche Schätze reicher. So erlebt Fred einen Frauenkampf in der Arena und erfährt, dass nicht jeder Kampf dort mit dem Tod der Gladiatoren enden musste, sondern dass es auch die Möglichkeit eines Unentschiedens gab. Dabei ist jedoch immer klar, dass das römische System der Schaukämpfe kein Zuckerschlecken war, sondern ein bisweilen sehr unbarmherziges Menschenbild dahinterstand und so auch Todesurteile vollstreckt wurden. Menschenrechte in unserem heutigen Sinne gab es damals ja noch nicht, dafür aber Bürgerrechte, sodass das politische Rom zwar gnadenlos gegen seine Gegner vorging, seine Bürger jedoch aus allen Ecken des Reiches kamen und so eine wohl ziemlich multikulturelle Gesellschaft entstand war.

Faktenfülle und Fachbegriffe

Wer sich auf diese Welt der Gladiatoren einlässt, wird mit einer Reihe von lateinischen Begriffen konfrontiert wie Armentarium (Waffenlager), Sanitarium (Krankenhaus) oder Murmillo und Thraex (zwei Gladiatorentypen). Diese geschickt in das Hörspiel eingestreuten Begrifflichkeiten versteht man beim Hören aus dem Zusammenhang, kann sie aber bei Bedarf in dem ergänzenden Booklet nachlesen. Dort findet sich auch ein Glossar, das ein schnelles Nachschlagen möglich macht. Die Texte im Booklet vertiefen zudem die Hintergründe der Geschichte noch weiter und offenbaren, wie viele wahre Geschichten in Freds Abenteuer stecken.

Ein perfekt eingespieltes Team

So, wie ich den Entstehungsprozess von Fred im alten Rom über Instagram und Facebook in den vergangenen Monaten beobachten konnten, haben an dieser packenden Geschichte unzählige Menschen mitgewirkt. Allein 17 Sprecher*innen sind dieses Mal zu hören, allen voran das unverwechselbare Trio aus Remo Schulze als Fred, Jürgen Thormann als Opa Alfred und Andreas Fröhlich als Erzähler. Wer die anderen Fred-Abenteuer kennt, wird sich allein beim Klang dieser drei sofort wieder wohlfühlen und sich entspannt ins alte Rom entführen lassen. Mir persönlich haben natürlich die italienischen Sprecher*innen wie Manuela Naso als Flavia oder Lorenzo Monteleone als Barista sehr gefallen. Ihre italienischen Sätze, die im Folgenden immer übersetzt werden, sodass niemand befürchten muss, etwas nicht zu verstehen, lassen das heutige Rom sehr lebendig werden.
Die Soundeffekte und musikalischen Unterlegungen von Rupert Schellenberger, samt der Geräusche von Peter Sandmann, runden die Geschichte so wunderbar ab. Durch die lebendigen und anschaulichen Texte von Birge Tetzner sieht man Rom, das Kolosseum und die Gladiatoren so unmittelbar vor sich, dass jeder weitere Konsum von irgendwelchen amerikanischen Sandalenfilmen erübrigt.

Perfekte Vorbereitung für die nächste Rom-Reise

Junge Hörer*innen dürften also Freds neuestem Abenteuer gespannt lauschen. Sie finden darin mehr als genügend interessante Fakten, die bei den »Wusstes-du«-Gespräche wissensdurstiger Sprösslinge am Abendbrottisch für jede Menge Erstaunen bei den Großen sorgen werden (oder wissen Sie ohne zu googlen, woher das Wort »Kandidat« kommt?). Wer sich mit seiner Familie in den kommend Wochen und Monaten nach Rom aufmacht, kann sich mit diesem Hörspiel schon mal perfekt darauf einstimmen. Lebendiger und kurzweiliger kann man Geschichte nicht aufbereiten und den Kindern eine längst vergangene Welt und ihre Erforschung schmackhaft machen.

Birge Tetzner: Fred im alten Rom. Im Schatten des Kolosseums, ultramar media, 2020, 2 CDs, 132 Minuten, ab 9, 15,90 Euro

Fred zum Lesen

Heute erscheint ein Buch, auf das ich mich lange gefreut habe – denn ich durfte als Lektorin daran mitwirken. Nun ist mit Fred bei den Wikingern das erste Print-Produkt im Berliner ultramar Verlag erschienen. Warum ich das hier so betone? Ganz einfach, ultramar und seine beiden Hauptakteure Birge Tetzner und Rupert Schellenberger haben bis jetzt nur CDs herausgebracht, nämlich die wunderbar Hörspiel-Reihe um die Hauptfigur Fred. Über die spannenden Zeitreise-Geschichten und die Robin-Hood-Variation habe ich hier bereits berichtet.
Konnten archäologie-begeisterte Kids bis jetzt den insgesamt sieben Abenteuern von Fred und Opa Alfred nur lauschen, so können sie jetzt die Zeitreise zu den Wikingern auch nachlesen und sich von den stimmungsvollen Illustrationen von Karl Uhlenbrock in die Zeit des Nordvolkes vor ungefähr tausend Jahren entführen lassen.

Sturz durch die Zeit

Fred macht mit Opa Alfred ja bekanntermaßen Ferien in Dänemark. In Roskilde unternimmt der Junge eine Ruderpartie in einem originalgetreu nachgebauten Langboot der Wikinger – und geht über Bord. In dem aus den Hörspielen bereits bekannten Kniff fällt Fred durch die Zeit und findet sich bei den nordischen Kämpfern wieder.
Fred landet genau in dem Moment in einem Wikinger-Dorf genau, als der herrschende Jarl in einer Seeschlacht gefallen ist. Nun ist die Frage, ob sich dessen Sohn Ivar als Nachfolger durchsetzen kann. Fred und Ivar freunden sich an.
Fast ein Jahr verbringt Fred bei den Nordmännern und lernt durch Ivar und die Dorfbewohner das ganz normale Leben kennen, das die Menschen damals neben den Raubzügen führten. Er erfährt, was es mit Odin, Rán und Loki auf sich hat, welche Rolle die Seherin spielt … und muss schließlich einen Weg zurück in seine Zeit finden, um nicht auf ewig bei den Wikingern bleiben zu müssen.

Fundiert recherchiert

Und mit dem, was Fred so alles erfährt, lernt auch die Leserschaft. Denn genau wie die überaus akkurat und exzellent recherchierten Hörspiele ist auch diese gedruckte Ausgabe der Geschichte ein wahrer Schatz an fundiertem Wissen über die Wikinger. Neben der abenteuerlichen und packenden Geschichte ergänzen nämlich erklärende Sachtexte die Welt der Wikinger, ihre Lebensart, ihre Bestattungsriten, ihren Schiffbau, wie sie beispielsweise Taue, Segel und Waffen herstellten. Ein Glossar erläutert die wichtigsten Fachbegriffe sowie die Aussprache des Altnordischen und gibt Anregungen, welche Wikingerorte man in den nächsten Ferien besichtigen kann, um vor Ort diese Kultur weiter zu erforschen.

Liebevoll gemacht

So sorgsam, wie Birge Tetzner den Inhalt aufbereitet und verständlich gemacht hat, so liebevoll ist die Ausstattung dieses Buches: dickes champagnerfarbenes Papier, Hardcover mit Prägedruck, Lesebändchen. Dazu die zahlreichen Illustrationen von Karl Uhlenbrock. Die erzählenden Bilder sind in gedeckten, manchmal düsteren Farben gehalten, voller Dynamik, manchmal fast ein bisschen gruselig, mit wilden Kriegern. Sie allen füttern die Fantasie und machen die Geschichte noch lebendiger. Daneben gibt es zudem noch erklärende Illustrationen, die die Sachtexte begleiten und beispielsweise archäologische Fundstücke zeigen. Das Lesen und Schauen wird hier auf jeden Fall nicht langweilig.

Wem also das Hörspiel zu kurzweilig war, der kann hier ausgiebig weiterschmökern.
Da wünscht man sich, dass auch die anderen sechs Fred-Abenteuer möglichst bald in Buchform vorliegen…

Birge Tetzner: Fred bei den Wikingern, Illustration: Karl Uhlenbrock, ultramar media, 2019, 208 Seiten, ab 9, 22 Euro

Der vorbildliche Dauerheld

hoodLange habe ich kein Hörbuch mehr vorgestellt, doch nun gibt es eine wunderbare neue Version der Legende von Robin Hood. Geschrieben von Birge Tetzner, die bereits die fundierten Zeitreisegeschichten um den jungen Helden Fred erschaffen hat.

Dieses Mal ist es nicht Fred, der in die Zeit von Robin Hood reist, sondern die Hörerschaft wird vom mittelalterlichen Erzähler Alan a Dale ins England des 12./13. Jahrhunderts geführt: In einer Schenke berichtet er von Robin, dem Geächteten, der sich gegen die Ungerechtigkeit von Prinz John und den Sheriff von Nottingham auflehnt. In 17 Kapiteln entfaltet sich das Leben von Robin und seinen vogelfreien Merry Men, die im Sherwood Forest leben, den Armen helfen und König Löwenherz die Treue halten.

Jedes Kapitel liefert eine aufregende Episode, die allesamt soundtechnisch von Rupert Schellenberger vielfältig und atmosphärisch mit Musik und Geräuschen unterlegt sind. Da spielt die mittelalterliche Klampfe sanfte Töne, die Pfeile sirren durch den Sherwood Forest, in dem die Vögel zwitschern, Laub raschelt und Bächlein plätschern. Geigen untermalen die Begegnung von Robin und Maid Marian, während bei den Kämpfen die Klingen der Schwerter aufeinander scheppern und die Faustschläge krachen. Das alles wirkt so plastisch, dass man meinen möchte, dort spiele jemand eine echte Klampfe und es fände eine wirkliche Prügelei statt – und doch ist alles, wie ich neulich in Berlin erfahren durfte, im Studio am Synthesizer und am Computer entstanden (das ist heutzutage eigentlich eine Binse, aber mich erstaunt es doch immer wieder). Als Folge dieser beeindruckenden Technik sieht man jedoch Robin und seine lustigen Gefolgsleute sehr bildlich vor sich und taucht tief in die Geschichte, ihre historische Zeit und die Landschaft ein.

Die Geschehnisse selbst erzählt Andreas Fröhlich, der uns Älteren auf ewig als Stimme vom dritten Detektiv Bob der ??? in Erinnerung bleiben wird, der aber auch die Synchronstimme von Ethan Hawke, Edward Norton, John Cusack und Gollum ist, sehr resolut und volller Verve. Seine verschiedenen Tonlagen und seine Stimmmodulationen in den unterschiedlichen Rollen, die er hier spricht, passen – wie es für Top-Profis ihres Fachs üblich ist – immer zu den Stimmungen der erzählten Momente. Auf mich wirkt Fröhlichs Stimme, die mir über all die Jahre so vertraut geworden ist, so, als würde ein guter Freund voll mitreißender Begeisterung erzählen. Das rundet das Hörerlebnis der Robin-Hood-Geschichte zu einem perfekten Genuss ab.

Im Booklet erzählt Birge Tetzner, die die gesamte Geschichte zusammen mit Mitarbeiterinnen des Historischen Museums der Pfalz Speyer geschrieben hat, zudem von den Legenden, die sich um diesen guten Räuber ranken, von dem nicht bekannt ist, ob er wirklich gelebt hat oder nur der Fantasie der Menschen entsprungen ist. Letztendlich ist das auch völlig egal, der Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Ungerechtigkeit ist zeitlos und heute genauso wichtig wie im Mittelalter. So reicht die Botschaft dieses historischen Helden bis in unsere Tage und hat noch immer Vorbildcharakter. Mag man hoffen, dass diese Robin-Hood-Produktion viele Hörer_innen findet, die sich vielleicht etwas von dem Kämpfer für Gerechtigkeit abschauen.

Birge Tetzner: Robin Hood, erzählt von Andreas Fröhlich, ultramar-media, 2018, Hör-CD, 79 Minuten, 12,90 Euro

Wissengefülltes Archäologie-Abenteuer

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In meiner frühen Schulzeit gab es bei uns das – für mich – schöne Ritual zum Mittagessen eine Schallplatte aufzulegen und den Geschichten von Heidi, Peter und der Wolf oder Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt zu lauschen. Damals hat sich wohl meine Leidenschaft für Hörbucher und das professionelle Vorgelesen-Bekommen entwickelt.

Eine aktuelle und überaus gelungene Hörspiel-Reihe ist mir nun mit Fred quasi auf der vergangenen Frankfurter Buchmesse über den Weg gelaufen. In der neuesten Geschichte – Fred bei den Maya – reist der etwa 12-jährige Held mit seinem Großvater durch Mittelamerika auf den Spuren der Maya. Sie besteigen den Tempel der Masken, um von dort die aufgehende Sonne zu erleben. Ganz nebenbei erzählt der Großvater so einiges von der untergegangenen Kultur der Maya.
Fred ist fasziniert – und als die beiden auf der Rücktour durch eine Reifenpanne an ihrem Bus im Busch liegen bleiben, passiert mit dem Jungen etwas ganz Besonderes: Er hat nämlich die Fähigkeit durch die Zeit zu „fallen“. Als er mit seinem Hund während der Wartezeit durch den Urwald streift und eine zugewachsene Ruine findet, durchschreitet er ein Tor und landet in der klassischen Zeit der Maya (ca. 900 n. Chr.).
Er begegnet dem Mädchen Xkik‘, der Tochter des Königs von Tikal. Sie will ihren Vater aus der Gefangenschaft der Jaguarkrieger befreien … und Fred wird ihr dabei helfen.

Die Geschichte ist so fesselnd, dass ich sie in einem Rutsch durchhören musste. Und dann gleich noch einmal, denn neben dem reinen Abenteuer-Plot sind hier äußerst geschickt jede Menge historische und kulturelle Informationen über die Maya, ihre Zeit, ihr Leben, ihren Glauben und ihre Riten eingewoben. Die kann man unmöglich beim ersten Hören sofort behalten, aber genau das macht für mich den Reiz eines Hörbuches oder Hörspiels aus, nämlich, dass man bei jedem Hören wieder etwas Neues entdeckt.

Hinzu kommt bei dieser Produktion von Ultramar, dass sich nicht nur einfach die Sprecher im Dialog abwechseln, sondern dass im Hintergrund atmosphärische Klänge und Geräusche einen echten Urwaldteppich weben. Da kreischen die Vögel, da faucht der Jaguar, ständig raschelt es im Dickicht. Das ist so toll gemacht, dass man – schließt man zwischendrin mal die Augen – diesen mittelamerikanischen Regenwald, die Tempel und Maya-Städte richtig vor sich sieht. Die hervorragenden Sprecher tun ihr Übriges, dass ich mich als Hörerin richtig gut unterhalten gefühlt habe.

Wie viel Wissen, Recherche und Mühe Autorin und Produzentin Birge Tetzner in diese Geschichte gesteckt hat, merkt man als Erwachsener bereits beim Hören. Sie zeigen sich darüber hinaus aber auch in einem kleinen Booklet, das vollgestopft ist mit Fakten, einem Glossar zu den wichtigsten Begriffen, einer Anleitung für die Aussprache von Maya-Worten und einer Zeittafel. Dieses Gesamtpaket aus Fantasie, Abenteuer, Spannung, knackevoll mit wertvollem Wissen um vergangenen Kulturen ist einfach grandios!

Fast muss man warnen: Fred macht süchtig nach mehr!
Doch zum Glück umfasst die Fred-Reihe bereits sieben archäologische Abenteuer, die ihre großen und kleinen Hörer zu den Skythen, den Wikingern, zu Nofretete oder nach Pergamom entführt. Hier wird man rein vom Zuhören schlauer!

Birge Tetzner: Fred bei den Maya. Der Aufstand der Jaguarkrieger, Hörspiel, Sprecher: Andreas Fröhlich, Jürgen Thormann, Ultramar Media, 2016, 79 Minuten, ab 9, 13,90 Euro

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