Eine herzerwärmende wirbelverstürmte Weihnachtsgeschichte

steinhöfelNormalerweise steige ich in bestehende Serien, die sowieso schon zu den gefeierten Bestsellern gehören, nicht mehr ein. Doch nun konnte ich nicht anders und habe endlich mal eine Lücke in meinem Kinderbuchwissen geschlossen. Und das mit allergrößtem Vergnügen.

In seinem vierten Band der Rico-und-Oskar-Reihe lässt Andreas Steinhöfel nun seinen tiefbegabten Protagonisten Rico die Ereignisse eines Tages erzählen. Doch es ist – wie man sich durch Titel und Schneeflockencover fast denken kann – nicht irgendein Tag, sondern Heiligabend.
In Berlin braut sich an diesem Tag ein ausgewachsener Schneesturm zusammen, dennoch müssen Rico und Oskar trotzdem noch mal raus, um die letzten Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Dabei kommen die beiden Freunde an einem Haus in der Urbanstraße vorbei, das in Rico die Erinnerung an die Erlebnisse vom vergangenen Sommer weckt: In einem vergessenen Hinterhof hat er eine Clique neuer Kinder kennengelernt und festgestellt, dass es ihm immer leichter fällt, Freunde zu finden. Sogar Oskar hat sich mit den neuen Freunden wohlgefühlt. Bis eines Tages sein geliebtes Souvenir aus dem Sommerurlaub verschwand.

Bei diesen bittersüßen Erinnerungen stellt sich im Wintersturm dann erstmal nicht so richtig besinnliche Stimmung ein. Alles wirbelt um Rico herum, seine Bingokugeln im Kopf scheinen schier zu explodieren. Doch in all dem Chaos, das zudem noch in der Dieffe 93 ausbricht, zwischen Weihnachtsbaumgeschleppe, verschwundenen Lebensmitteln und seltsamen Einkäufen, die Oskar tätigt, setzt Rico dann schließlich die entscheidenden Puzzleteile richtig zusammen.

Selbst wenn man – wie ich – die ersten Bände von Steinhöfels Reihe nicht kennt, kann man auch mit dieser Weihnachtsgeschichte ganz wunderbar in Ricos Kosmos einsteigen. Die Bewohner der Dieffe 93 und Ricos sich verändernde Familienkonstellation lernt der Leser auch hier rasch und umfassend kennen, die Hinterhofclique als Neuzugang bringt freche Mädchen ins Spiel, die bei den Jungs zusätzliche vorhormonelle Verwirrung stiften. Die zwei gegensätzlichen Helden, die Intelligenzbestie Oskar und den empathisch hoch begabten Rico, schließt man schon nach den ersten Sätzen ins Herz.
Ganz nebenbei beweisen Rico und Oscar ganz weihnachtsadäquat, was Nächstenliebe heißt und wie wichtig Entschuldigungen und Versöhnungen unter Freunden sind.

Die Leichtigkeit und der überbordende Sprachwitz von Andreas Steinhöfel inklusive Ricos naiv-großartigen Umdeutungen von schwierigen Wortzusammenhängen dürfte den vielen Fans hinlänglich bekannt sein. Ich habe mich so wunderbar unterhalten und sprachlich inspiriert gefühlt, dass ich die Vorgängerbände nun auch noch lesen muss, um diesen Genuss noch zu verlängern.

Kleinen Leser_innen dürften Ricos und Oskars Abenteuer gerade in der Vorweihnachtszeit jede Menge Spaß am Lesen vermitteln. Und damit hat Andreas Steinhöfel unter dem Aspekt der Leseförderung, die neulich auf der Jahrestagung der Bücherfrauen als eine wichtige Komponente unserer Gesellschaft angemahnt wurde, mal wieder alles richtig gemacht.

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch, Carlsen, 2017, 272 Seiten, ab 10, 14,99 Euro

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Der Kinderbuchblogger-Adventskalender 2017

Nachdem ich neulich an anderer Stelle den Advent fälschlicherweise um eine Woche vorverlegt habe, gibt es nun wirklich etwas vorweihnachtlich Schönes zum Advent zu berichten.

Ab dem 1. Dezember öffnen 13 Kinderbuchbloggerinnen jeden Tag ein Türchen am virtuellen Adventskalender und stellen Euch jeweils ein winterlich-weihnachtliches Kinderbuch vor – und verlosen es.
So könnt Ihr Euch vorweihnachtlich entspannt über schöne Lektüren beraten und inspirieren lassen – und ganz nebenbei auch noch jede Menge engagierte Buchmenschen kennenlernen, die ihre Passion für Bücher mit Euch teilen.

Die Blogtour wird dabei folgende Route nehmen:

1. Dezember bei Kinderbuch-Detektive
2. Dezember bei Kids&Cats
3. Dezember bei Lütte Lotte
4. Dezember bei Papillionis liest
5. Dezember bei Kinderbuch-Detektive
6. Dezember bei Die Bücherwelt von Corni Holmes
7. Dezember bei Favolina & Junior
8. Dezember bei Juli liest
9. Dezember bei Lütte Lotte
10. Dezember bei Buchverzückt
11. Dezember bei Familienbücherei
12. Dezember bei Geschichtenwolke Kinderbuchblog
13. Dezember bei Mint & Malve
14. Dezember bei Kunterbuntes Bücherregal
15. Dezember bei Familienbücherei
16. Dezember bei Letteraturen – also hier!
17. Dezember bei Papillionis liest
18. Dezember bei Kids&Cats
19. Dezember bei Kinderbuch-Detektive
20. Dezember bei Mint & Malve
21. Dezember bei Juli liest
22. Dezember bei Familienbücherei
23. Dezember bei Buchverzückt
24. Dezember bei Kinderbuch-Detektive

Um 0 Uhr des jeweiligen Tages gehen die Blogbeiträge online. Falls Euch das Buch des Tages dann total verzückt und Ihr es gewinnen wollt, müsst Ihr nur innerhalb von 48 Stunden einen Kommentar unter dem jeweiligen Post hinterlassen. Das ist also gar nicht schwer … und wird mit etwas Glück mit einem Buchpäckchen belohnt!

Wir alle freuen uns, wenn Ihr klickt, lest, schaut, kommentiert, weiterempfehlt, verlinkt – oder in Euren Lieblingsbuchladen geht und die vorgestellten Bücher an Weihnachten verschenkt!

Im Netz werden wir auf den bekannten Kanälen (also Facebook, Twitter, Instagram & Co.) unter dem Hashtag #kinderbuchadvent berichten.

Freut Euch auf einen wunderbuchmäßigen Advent & sagt es weiter…

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Kosmos für Kunst

MuseumSoeben hat Ulrike hier Bücher vorgestellt, die jungen Menschen nicht nur Kunst nahe bringen können, sondern auch selbst zu Stift und Pinsel greifen lassen  und – wer weiß – den einen oder anderen Künstler hervorbringen.
Was dann tatsächlich Kunst ist, darüber lässt sich vortrefflich streiten. Und wo kann man das besser als im Museum? Wo sich ganz viele Bilder, Objekte und Installationen befinden, die als Kunst gelten, weil sie sich in einem besonderen Gebäude befinden, auf dem fett Museum steht. Und wo ganz viele Menschen die Werke betrachten können.

Aber was ist ein Museum? Und: Wie kommt die Kunst ins Museum? Diese Fragen beantworten die Kuratoren und Kunsthistoriker Ondřej Chrobák, Rostislav Koryčánek und Martin Vaněk unter anderem in ihrem erstaunlichen, gleichnamigen Wimmelsachbuch.

Dies ist kein klassisches Kunstbuch mit Künstlerbiografien oder Darstellung von Epochen und Richtungen. Hier wird die Institution Museum als besonderer Kosmos mit vielen Beteiligten gefeiert. Und man spürt auf jeder der von David Böhm mit viel subtilem Witz illustrierten, teils auf Panoramabreite aufklappbaren Seiten die Begeisterung der Autoren für ihre Arbeit und Museen an sich. Dabei haben sich die tschechischen Kunstkenner nicht auf ein tatsächliches Gebäude kapriziert, sondern vom Architekten Svatoplik Sládecek einen puristischen Kubus, eine kühne Spielfläche für die Kunst, entwerfen lassen.

Ob man etwas über Kultur und Geschichte lernen möchte, endlich die Originale zu hundertfach gesehenen Reproduktionen sehen oder einfach nur vor dem Regen und Lärm flüchten möchte – gute Gründe für einen Museumsbesuch gibt es diverse. Mindestens ebenso vielfältig sind die Leute, die in einem Museum arbeiten und es am Laufen halten: Von der Kuratoren über die Öffentlichkeitsarbeit bis zum Restaurator und zur Raumpflegerin – ihre Aufgaben werden anschaulich und pointiert erklärt. Die Autoren zeigen, wie sie alle zusammen arbeiten und und jede und jeder wichtig ist, um eine Ausstellung auf die Beine zu stellen.

Denn es reicht noch lange nicht, dass ein Museum Kunstwerke sammelt und hortet, sei es durch Kauf, Schenkung, Leihgaben oder Nachlässe. Es geht vor allem darum, diese Werke lebendig zu präsentieren, sei es, indem man sie in einen klugen Kontext präsentiert oder sie in einem ungewöhnlichen Licht und neuen Blickwinkel ausstellt. Kunst entsteht im Auge des Betrachters: Für einige ist Kunst die täuschend echte Wiedergabe von Gesehenem und offensichtliche Kunstfertigkeit in der Pinselführung. Andere sind von in Formaldehyd eingelegten Tieren, riesigen Spinnenskulpturen oder kuriosen Kettenreaktionen fasziniert. Und hinter einem ungemachten, versifften Bett, wie es die englische Künstlerin Tracey Emin 1998 in eine Galerie stellte, kann sich eine dramatische und berührende Geschichte verbergen.

Museen sind vieles: bunt, streitbar, verstörend, unterhaltsam, spannend, erhellend – nur eins sind sie in den seltensten Fällen: langweilig.

Auf den letzten Seiten fordern die Autoren ihre Leser noch einmal heraus: In einem Glossar zeigen sie die Werke, die im Buch vorkommen. Bilder und Skulpturen aus allen Epochen, von einer Fruchtbarkeitsstatue über Meisterwerke wie Botticellis Venus, Caravaggios Rosenkranzmadonna oder van Goghs Sternennacht zu modernen Klassikern von David Hockney, Mark Rothko und Otto Dix bis zum Streetartkünstler Keith Haring und den witzigen Zeichner David Shrigley – alle bezaubernd und variationsreich wiedergegeben vom Illustrator David Böhm. Wo sich alle diese Kostbarkeiten befinden, das kann jeder Leser selbst herausfinden. Dabei spielt das Buch eine große Rolle: Es ist nämlich nicht nur ein raffiniertes Kunstwerk für sich, das spielerisch das schafft, was gute Kunst ausmacht: die Welt und in dem Fall insbesondere das Museum aus einem neuen Blickwinkel zu sehen.
Vor allem aber gelingt ihm eins: Es nimmt die Schwellenangst. Denn es gibt soviel zu sehen und zu entdecken.

Ondřej Chrobák/Rostislav Koryčánek/Martin Vaněk: Wie kommt die Kunst ins Museum, Illustrationen: David Böhm, Übersetzung: Lena Dorn, Karl Rauch Verlag 2017, 62 Seiten, ab 8, 20 Euro

Den Blick schärfen, die Kreativität fördern, Kunst machen

Gerade ist – wieder mal – ein Gemälde eines alten Meisters für eine Unsumme versteigert worden, obwohl die Urheberschaft anscheinend nicht eindeutig geklärt ist und sich da ein potenter Käufer vielleicht gar keinen echten Leonardo Da Vinci zugelegt hat. Kunst ist eben ein ziemlich macht- und geldgetriebenes Geschäft geworden. Was aber auch wieder zeigt, dass Kunst in unserem Leben einen (ge)wichtigen Stellenwert einnimmt. Was mich zu der Frage bringt: Wie führt man Kinder an die Kunst und ihre Vielfältigkeit heran?

Selbst malen ist wahrscheinlich der beste Weg, kleine Menschen mit Kunst vertraut zu machen. Neben der Fähigkeit einen Stift zu halten, gehört dann aber auch das genaue Hinsehen und Beobachten dazu. Denn wer aufmerksam hinschaut, bringt irgendwann auch Wiedererkennbares aufs Papier.
Ganz spielerisch geht die Berliner Illustratorin Marion Goedelt an diese Herausforderung ran. Sie verwandelt die eigentlich immer etwas spießig und unkreativ daherkommenden Zahlenbilder – bei den man also durchnummerierte Punkte zu einem Objekt verbinden muss – in ein aufregendes Entdeckungsabenteuer.

Angelehnt an da Spiel „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist …“ wiederholt sich auf jeder Doppelseite dieser Satz, ergänzt durch etwas, das herausgefunden werden soll, beispielsweise etwas Spaciges, Schleimiges, Gruseliges oder Gefährliches. Auf wunderschön aquarellierten oder mit Wachsmalfarben gestalteten Hintergrundbildern müssen die kleinen Künstler nun das Werk vervollständigen. Die schrägen Figuren, die bei den Zahlenbildern entstehen, sind nicht leicht vorherzusehen (auch für Erwachsene nicht). Was die Angelegenheit dann auch noch spannend macht.
Und hat man mit einem dünnen Bleistift (meine Nichte und ich haben uns erst gar nicht getraut, dicke Filzer zu nehmen) alle Punkte verbunden, geht der Spaß noch eine Runde weiter, denn nun müssen die Gesellen mit dicken Stiften und bunten Farben weiter zum Leben erweckt werden. Die Endergebnisse verwandeln dieses so schon charmante Malbuch dann in ein ganz feines, wertvolles Einzelstück.

Ist nach diesem ersten Malabenteuer dann der Schritt zum genauen Hingucken und angeleitetem Zeichnen vollzogen, stellt sich oft die Frage: Wie bekommt man die Figuren und Gegenstände auf den Bildern so hin, dass sie witzig, dynamisch und mehr oder minder realistisch aussehen?
Der Münchner Comic-Zeichner Ja Reiser hat dafür nun, seine Strich-und-Farben-Kolumne, die zwei Jahre lang in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung erschienen ist, zu einem knallbunten Anleitungsbuch zusammengefasst.
In seinem comic-artigen Stil zeigt er zunächst einmal alles, was man zum Zeichnen benötigt, neben Papier, Stifte und Farben, eben auch Anspitzer und Radiergummi, sowie einen passenden Stuhl, damit man beim Zeichnen keine Rückenschmerzen bekommt. Immer wieder eingeflochten sind dann kurze Kapitel über Grundlagen des Zeichnens, also Erläuterungen zu Licht und Schatten oder der Perspektive.

Reisers Sammlung von Motiven – Tiere, Menschen und Fahrzeuge aller Art – liefert unzählige Vorschläge, was alles gezeichnet werden kann. Dabei macht er durch den Aufbau einer Seite klar, dass nicht einfach drauflos gekritzelt wird, sondern, dass man jedes Motiv zunächst einmal genau betrachten sollte und es dann in seine Formen zerlegt. Diese zeichnet man vor und fügt schließlich die Details hinzu. Um den typischen Ligné-claire-Stil der Comics hinzubekommen, werden die Umrisse dann mit Schwarz nachgezogen und erst ganz zum Schluss werden die Motive bunt koloriert. Das mag für angehende Comic-Zeichner vielleicht erstmal frustrierend sein, macht ihnen jedoch bereits von Anfang an klar, dass es eben kein Kinderspiel ist, einen richtig guten Comic zu zeichnen.

Wem der humoristische Comic-Stil dann doch nicht so liegt, sondern wer sich völlig frei auf dem Zeichenblatt bewegen will, der findet eine überaus großartig Anregung bei Marion Deuchars. In ihrem fast DIN-A-4-großen Wälzer Malen und zeichnen wie die großen Künstler stellt sie 18 Künstler_innen vor, von Joan Mirò, Salvador Dalí, Frida Kahlo oder Andy Warhol bis zum Japaner Hokusai.

In kurzen Texten erläutert sie den besonderen Stil des jeweiligen Künstlers und lädt dann sofort zum Nachmachen ein. So entstehen auf dickem, ungebürstenem Papier kubistisch inspirierte Stillleben, Collagen, Selbstportraits, Kalligramme, Menschen und Tiere, Kreise und Dreiecke, Selbstportraits und Tintenkleckszeichnungen.

Auch hier wird wieder genau hingeschaut, beispielsweise bei den mexikanischen Glyphen oder bei den Unterschieden von zornigen oder fröhlichen Bleistiftstrichen. Und bei all dem entfaltet sich vor den Augen der Betrachter_innen die ganze Vielfältigkeit der Kunst und ihre Sinnhaftigkeit. Dabei zeigt auch das Beispiel der australischen Aborigine Emiliy Kngwarreye, dass man für künstlerische Betätigung nie zu alt ist (sie begann mit 80 Jahren zu malen). Ihr Rückgriff auf die eigenen Traditionen und die eigene Lebenswelt beweisen anschaulich, dass auch ein einfacher Stock zu einem Kunstwerk werden kann.

Nach der Beschäftigung mit diesem Buch, das selbst ein Kunstwerk ist, schaut man seine eigene Umwelt definitiv mit anderen Augen an. Man entdeckt, was in Haus und Garten alles für die Erstellung von Kunstwerken genutzt werden kann. Beim Malen, Zeichnen, Kleben, Ausschneiden, Zusammensetzen, Kolorieren und Ausdenken entsteht so ein sinnliches Erlebnis, das weitaus mehr befriedigt, als so manch andere passive Freizeitbeschäftigung. Hier bekommen die Synapsen im Hirn richtig Futter – und vielleicht findet der oder die kleine Künstler_in ganz nebenbei ihren eigenen Stil und ihre eigene Leidenschaft.

Marion Goeddelt: Ich sehe was, was du nicht siehst. Zahlenbilder zum Verbinden, Aus- und Weitermalen, Tulipan, 2017, 40 Seiten, ab 6, 10 Euro

Jan Reiser: Strich und Farben – Die große Zeichenschule, 96 Seiten, ab 8, 14,99 Euro

Marion Deuchars: Malen und Zeichnen wie die großen Künstler, Übersetzung: Claudia Koch/Kathrin Lichtenberg, Midas, 2. Aufl. 2015, 240 Seiten, ab 10, 24,90 Euro

Bitterer Honig

Erster Teil: Lill-Miriam versteckt sich auf dem Dachboden ihrer Schule. Der Alarm heult, Sirenen schrillen, bohren sich wie Granatsplitter in ihren Kopf: „Die Geräusche zerquetschen mein Gehirn.“ Sie beobachtet durch die Dachluke, wie ihre Mitschüler von Menschen in weißen Schutzanzügen in Busse gescheucht und weggefahren werden. Sie versteht nicht, was vor sich geht. Sie ist nicht wie die anderen, lässt sich nicht wie Schlachtvieh abtransportieren. Sie identifiziert sich mit einer Biene. Ihr Versteck ist ihre sichere Wabe. Sie kennt sich gut aus mit Insekten, insbesondere Bienen, deren soziale Ordnung und Fähigkeiten sie bewundert. Und deren Honig sie liebt. Süßes gegen die Bitterkeit. Sie denkt nach, assoziiert, erinnert sich, auch an das, was ihre Mitschülerinnen ihr angetan haben, und an den Jungen, der sie gerettet hat.

Zweiter Teil: Auch Susan erinnert sich an das, was sie den „Vorfall“ nennt. Sie war eine der Peinigerinnen. Sie ahnt, dass Lill-Miriam sich jetzt in großer Gefahr befindet. Es hat einen Giftgasunfall in der Fabrik gegeben, die Schule und alle umliegenden Gebäude wurden evakuiert. Sie hat gesehen, dass Lill-Miriam nicht wie die anderen nach draußen gerannt, sondern gegen den Strom gelaufen ist, hat die angsterfüllten Augen des Mädchens gesehen. Augen, die sie an ihre Schuld erinnern. Kann und soll sie jetzt versuchen, Lill-Miriam zu helfen?

Dritter Teil: Auch Ruben sorgt sich um Lill-Miriam. Er denkt an ihre erste dramatische Begegnung, dem noch einige ganz besondere Momente folgten. Lill-Miriam ist anders. Eine Außenseiterin, wie auch er, der erst vor einigen Jahren von Kuba nach Norwegen gezogen ist, in die Heimat seines Vaters. Er versucht, das Mädchen zu verstehen, sich in sie hineinzuversetzen, um sie zu finden.

Drei Charaktere, drei Perspektiven, drei verschiedene Gedankenwelten, die alle miteinander verbunden sind.

Die norwegische Autorin Marit Kaldhol hat in ihrem nur rund 200 Seiten langen Roman Zweet grandios sehr unterschiedliche Themen und Genres verknüpft. Da ist zum einen das außergewöhnliche Mädchen, traumatisiert durch eine fast tödliche Mobbingattacke, das sich in die Welt der Bienen hineindenkt und hineinflüchtet, und die lebenswichtigen Bestäuberinnen vor dem Aussterben retten will.

Ihre assoziativen Gedankenketten lesen sich wie ein expressionistisches Gedicht, der Text ist entsprechend gesetzt, Kapitelüberschriften gleichen Gedichttiteln, dazu kommen zahlreiche wissenschaftliche Fußnoten zu in diesem Kontext vieldeutigen Begriffen wie „Imago“, „Biodiversität“, „solitär“ oder „CCD – Collapse Disorder“.

Lill-Miriams Sorge um die Bienen erinnert an Kaldhol vorherigen Roman Allein unter Schildkröten, wo ein Junge an seiner Verzweiflung über fortschreitende Umweltzerstörung und das Sterben der Meeresschildkröten zerbricht.

Besondere Ironie dieser neuen Geschichte ist, dass die Insekten wahrscheinlich infolge von versprühten Insektiziden die Orientierung verlieren und aussterben könnten. Und Lill-Miriam in der Schule an ausströmenden Giftgas zu sterben droht.

Susan ist es bisher gelungen, sich in der Gruppe zu verstecken, und konnte so das Gefühl der Verantwortung für ihr Handeln verdrängen. Mit ihrer Figur zeigt Kaldhol die gruppendynamischen Prozesse, die zum Mobbing führen, manche zu Tätern und andere zu Opfern machen: „Sie war anders als wir. Wir konnten es nicht leiden, dieses Anderssein. Dass sie war, wie sie war. So verdammt sie selbst.Es hat uns tierisch gestört, ihr Anderssein.
Wir waren ihr egal, sie bestimmte selber. Und sie war allein.
Was hat uns eigentlich daran gestört?“

Anderssein als Provokation. Es provoziert diejenigen, die fühlen und wissen, dass auch sie anders sind, andere Bedürfnisse und Träume haben, sich aber nicht trauen, auszubrechen und diese auszuleben. Weil es viel einfacher ist, mit dem Strom zu schwimmen, sich in der Masse zu verstecken. Alleinsein halten viele nicht aus, fühlen sich gleich einsam, isoliert, schwach. Sie sind neidisch auf das, was sie vorgeblich so verachten. Susan ist aber einfach nicht dumm und abgestumpft genug, um weiterzumachen wie bisher. Schon bei der Beschreibung ihrer Eltern zeigt sich, wie empfindsam sie ist und wie klug sie sich und andere Menschen einschätzt, wofür Kaldhol ihr starke Bilder zuschreibt: „Sie reden nie mit mir, immer nur zu mir. Mama könnte genauso gut ganz woanders sein. Sie sieht mich nicht an. Ihre bittersüße Nörgelstimme stinkt.“ Und ihr Verantwortung leugnender Vater kocht „hirnlosen Fraß“. „Was bitte schön ist der Sinn dieser Familie?“

Und dann ist da Ruben. Poetisch, mit viel Wärme erzählt er von seiner früheren Heimat Kuba, seiner Großmutter, und wie sehr ihn die Insel geprägt hat. Er denkt an das besondere Mädchen, das er schlicht Miriam nennt, was weicher klingt. Obwohl es kaum einmal zu einer Berührung zwischen ihnen gekommen ist, waren sie sich bereits sehr nah. Sie haben zusammen Honig geschleckt, sich Geheimnisse anvertraut, ihr Inneres geöffnet. Ruben bündelt seine Liebe zu Miriam in einem Wort, das niemandem im Zusammenhang mit ihr als erstes einfallen würde: süß. Anders gesagt: Du bist zweet. Es könnte der Beginn einer besonderen Liebe werden …

Elke von Berkholz

Marit Kaldhol: Zweet, Übersetzung: Maike Dörries, mixtvision, 2017, 196 Seiten, ab 14, 12,90 Euro

Das Ich, die Bakterien und die Zwänge

Er ist wieder da: der großartige, liebenswerte John Green! Wie nun schon seit Monaten lange bekannt und sehnlichst erwartet, ist jetzt sein neuer Roman erschienen.
Ich gebe zu, ich habe mich gefreut, als ich davon hörte, war aber auch erst einmal skeptisch, ob Green die unglaublich Hypothek seines vorherigen Romans Das Schicksal ist ein mieser Verräter würde stemmen können.

Er kann. Und wieder einmal auf eine sehr anrührende Weise.
In Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken, in der wieder einmal vorzüglichen Übersetzung von Sophie Zeitz, schildert er die Geschichte der etwa 17-jährigen Aza. Das Mädchen leidet an psychischen Zwangsneurosen: Sie hat eine schier unbändige Angst vor körpereigenen Bakterien. Das Mikrobiom, also der Bakteriencocktail, den jeder Mensch im Darm trägt und der lebenswichtig ist, ist ihr unheimlich. Aza fürchtet beständig, sich mit dem – in seltenen Fällen gefährlichen – Bakterium Clostridium difficile zu infizieren. Der Druck, der sich durch diese Angst in ihr aufbaut, kündigt sich mit Gedankenspiralen an, die sie meist nicht mehr stoppen kann und die sich dann darin entladen, dass sie eine Wunde am Mittelfinger immer wieder aufknibbelt. Diese muss sie dann desinfizieren und mit einem neuen Pflaster versorgen, oft mehrmals am Tag. Alles in allem ein nervenaufreibendes Unterfangen.

Als sie ihren Kinderfreund Davis wiedertrifft und sich zwischen den beiden eine Beziehung anbahnt, überträgt sich ihre Bakterienphobie selbst auf den Akt des Küssens und den Austausch von Speichel. Und schon ist Aza wieder in der Spirale zwischen Bakterien, C. difficile, Horrorvorstellungen und Todesängsten. Das geht soweit, dass sie nicht davor zurückschreckt, sogar Desinfektionsmittel zu trinken.

Diese Zwangsstörung verpackt John Green in einen äußeren Plot, in dem Davis‘ milliardenschwerer Vater spurlos verschwindet. Anfangs versucht Aza zusammen mit ihrer quirligen Freundin Daisy, Hinweise auf den Verbleib des Milliardär zu finden. Sie könnten nämlich die ausgeschriebene Belohnung ganz gut gebrauchen. Über dieses erzählerische Vehikel, das als Plattform für Azas eigentliche Geschichte dient, braucht man kein Wort mehr verlieren.

Denn bei allem ist Aza der struppige Star. Als Ich-Erzählerin holt sie die Leser_innen tief in ihr Inneres, und genau da leidet man mit ihr mit, erkennt sich in manchen Momenten wieder. Denn jeder von uns kennt sicher die Momente, in denen wir das Gedankenkarussell nicht mehr stoppen können und uns immer tiefer in unrealistische Vorstellungen reinreiten. In einem gewissen Maß ist das auch „nicht ungewöhnlich“, wie Azas Therapeutin immer zu sagen pflegt.
Doch Aza zeigt, wie sehr die Gedanken ein Eigenleben annehmen können. Das gipfelt bei ihr dann nicht nur in Angst und Selbstverletzung, sondern nimmt wunderbar philosphische Züge an, wenn sie über das Ich nachgrübelt und durch was es gebildet wird: Ist es der eigene Körper? Sind es die Gedanken? Oder ist der Mensch doch beherrscht von den Milliarden Mikroorganismen, die in und auf ihm leben, ohne die er jedoch nicht überleben würde? Aza dreht und dreht sich, kreiselt um sich und riskiert dabei nicht nur sich selbst zu verlieren, sondern auch ihre beste Freundin Daisy.

John Green, der 2014 vom Times Magazin zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt gewählt wurde, gelingt es mit seinem leichten Ton den Blick auf die Qualen von psychisch kranken Menschen zu lenken. Er zeigt eindeutig, dass sie nicht an ihrer Krankheit schuld sind, dass sie zwar manchmal anstrengende Freunde und Mitmenschen sein können, die sich vermeintlich immer nur um sich selbst drehen. Doch trotz allem sind diese Menschen liebenswert und sollten jede professionelle Hilfe bekommen, die es nur gibt. Dies ist grade in den USA, wo das Gesundheitssystem nicht so gut ausgebaut ist wie bei uns, schwieriger.
Umso mehr plädiert Green für Offenheit im Umgang mit psychischen Krankheiten – und er weiß, wovon er schreibt, leidet er doch selbst an einer Angststörung.

So wird Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken zu einem berührenden Aufruf, sich als Betroffene_r professionelle Hilfe zu suchen und sich nicht in sich zurückzuziehen. Der Aufruf, offen über immer noch tabuisierte psychische Krankheiten zu sprechen, ergeht jedoch an beide Seiten: Die Betroffenen werden ermutigt, von sich zu erzählen, die Familien, Freunde und die Umwelt wird ermahnt, diese Menschen nicht zu stigmatisieren, sie nicht zu gängeln, sie nicht in irgendwelche Schubladen zu stecken, sondern sich mit ihnen auf Augenhöhe auseinanderzusetzen.

Psychisch erkrankte Leser_innen, egal, ob jung oder alt, werden sich hier wiedererkennen und vielleicht neuen Mut und neue Hoffnung schöpfen. Alle anderen werden sensibilisierter aus der Lektüre hinausgehen. Und damit schafft John Green dann etwas wirklich Großes: Er macht die Welt um ein gutes Stück besser!

John Green: Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken, Übersetzung: Sophie Zeitz, Hanser, 2017, 288 Seiten, ab 13, 20 Euro

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Alles eine Frage der Abhärtung

Gerade fallen wieder alle Blätter von den Bäumen, die Laubbläser nerven, und die Wolken nässen nun noch öfter vom Himmel als sonst schon. Es ist die Zeit, in der Mützen, Schals, lange Unterhosen und Wollsocken rausgekramt werden und man wieder dem Zwiebellock frönt. Hauptsache nicht verkühlen.

Das passt Pauli  und seinen Freunden im neuen Kurzroman von Melanie Laibl so gar nicht. Darin überlegen die cleveren Grundschüler sich, wie sie das ganze Wollzeugs und die Unterwäsche des Grauens wieder los werden. Da man gemeinsam stärker ist als allein und auch zusammen mehr bewegt, gründen sie den Verein Verkühl dich täglich. 

Und dann geht es los: In ihrem Vereinslokal, der Terrasse des Eissalons Titanic, treffen sich die Kids und entledigen sich der kratzenden Wärmeschicht. „Kalt? Uns? Niiie!“ wird ihr Schlachtruf und toben leicht bekleidet durch den Park und die Straßen.
Dass die Erwachsenen sofort mit Gegenmaßnahmen – heißes Bad, Hokuspokus-Grippekügelchen, Lebertran und Hühnersuppe – kontern, stachelt den Ehrgeiz der Vereinsmitglieder noch zusätzlich an. Nun heißt die Herausforderung, den Erwachsenen zu zeigen, dass man sich auch ohne Wollzeugs nicht erkältet. Zum Beweis messen Pauli & Co täglich Fieber und wollen mit ihrem Verein berühmt werden. Dafür machen sie sogar einen Ausflug in die Supermarkttiefkühltruhen, was in der Lokalpresse Erwähnung findet.
Nur die Heiße Hilde vom Imbissstand hält die Kinder nicht auf, sondern unterstützt sie mit einer Thermoskanne voller Wundertrank …

Melanie Laibl ist hier ein kleiner feiner und wunderbar anarchischer Roman gelungen, der jedem Erwachsenen die  Haar zu Berge stehen lassen wird. So wage ich als Tante es kaum, diese Geschichte meinem Neffen vorzulesen, der ein würdiges Mitglied im Verein Verkühl dich täglich wäre, läuft er doch selbst zu dieser nassen Jahreszeit am liebsten noch in kurzen Hosen rum und reißt sich beständig die Mütze vom Kopf. Diesem Widerstandsgeist auch noch Vorschub zu leisten, damit tue ich mich schwer.

Aber dennoch ist es genau das, was so großartig an diesem Buch ist: Kinder, die sich nicht so leicht von Eltern und Großeltern einschüchtern lassen, die kreativen Widerstand leisten und der Überbesorgnis der Erwachsenen ein Schnippchen schlagen, schließe ich sofort ins Herz und jubele über diese wunderbare Chupze.
Und genau aus diesem Grund werde ich damit die nächste Vorleserunde bei Nichte und Neffe einleiten und einen kleinen rebellischen Samen bei ihnen aussäen.

Laibls klare Sprache gepaart mit einem trockenen Humor und die beständige Auflockerung des Textes durch die knuffigen Illustrationen von Susanne Göhlich bieten auch Erstlesern einen Anreiz, sich selbst in dieses Leseabenteuer zu stürzen.
Die Folgen sind dann nur noch eine Frage der Abhärtung.

Melanie Laibl: Verkühl dich täglich, Illustration: Susanne Göhlich, mixtvision, 2017, 80 Seiten, ab 7, 12,90 Euro

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Facetten einer Flucht

fluchtflucht

 

 

 

 

 

 

 

Während die Politiker mal wieder um die Aufnahme von Flüchtenden streiten und mithilfe des Begriffes „Flüchtlingskontingent“ eine Obergrenze verschleiern wollen, erinnern momentan zwei ganz unterschiedliche Bücher lebhaft daran, dass ein großer Teil der Generationen unserer Eltern, Groß- und Urgroßeltern ebenfalls flüchten musste und Aufnahme bei Fremden fanden. Dieses Mal geht es jedoch nicht um die Geflüchteten aus dem ehemaligen Ostpreußen, Pommern und Schlesien, sondern um die, die versucht haben, sich über die Pyrenäen nach Spanien in Sicherheit zu bringen.

In seinem neuen Roman Der Pfad schildert Rüdiger Bertram das Schicksal des 12-jährigen Rolf. 1941, während in Europa der Krieg tobt, gelangen Rolf und sein Vater Ludwig, ein Journalist aus Berlin, nach Marseille. Von dort wollen sie mit gefälschten Papieren über die Pyrenäen nach Spanien flüchten, um von dort über Lissabon schließlich nach New York zu reisen, wo bereits Rolfs Mutter auf die beiden wartet. Auch der kleine Terrier Adi, an dem die beiden sehr hängen, soll mit.

„Das ist nur ein längerer Spaziergang“, erklärt Ludwig seinem Sohn anfangs. Doch schnell merken die beiden, dass es nicht so einfach wird, wie man sich so eine vermeintlich entspannte Wanderung über die Berge vorstellt. Schon in Marseille und im Zug nach Banyuls-sur-Mer geraten sie immer wieder in Kontrollen und Razzien. Obwohl sie in dem Teil Frankreichs unterwegs sind, der nicht von den Deutschen besetzt ist, tauchen auch hier immer wieder Nazischergen auf, die Jagd auf Flüchtende machen. Und so kommt es, dass schließlich Rolf mit seinem jugendlichen Bergführer Manuel allein über die Berge flüchtet. Mehr möchte ich hier nicht verraten, denn es nähme die Spannung.

Denn Bertram gelingt es in diesem Werk, die eigentlich eher schlichten Eckdaten einer Flucht von A nach B mit unerwarteten Wendungen und gefährlichen Begegnungen fiktiv so anzureichern, dass man dem Schicksal der Jungs atemlos folgt. Die Bedrohung durch die Nazis ist selbst in den einsamen Bergen nicht gebannt. Die Natur selbst zeigt sich als nicht zu unterschätzende Macht. Geschickt webt Bertram zudem den Widerstand der Partisanen gegen die Besatzer ein, sodass ein komplexes Bild jener Zeit entsteht.

Bertram, der für die Recherche den Pfad über die Pyrenäen, den Walter Benjamin und Heinrich Mann erklommen, selbst gewandert ist, weckt mit diesem Roman nicht nur das Geschichtsbewusstsein seiner junge Leser_innen, sondern verweist so natürlich auch auf die aktuelle Situation all der Flüchtenden, die heute immer noch auf dem Weg in eine sicherere Welt sind. Und die man ohne jede Einschränkung empfangen sollte.

Eine völlig andere Herangehensweise hingegen hat die Illustratorin und Literaturwissenschaftlerin Pei-Yu Chang gewählt. Sie erzählt in ihrem Bilderbuch Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin vom Schicksal des Philosophen Walter Benjamin. Auch er flüchtete über die Pyrenäen, nachdem er bereits 1933 nach Paris emigriert war. Chang zeigt, wie deutsche Soldaten unter anderem all die Menschen verhaften, die außergewöhnliche Ideen haben. Denn diese sind gefährlich. Die gesichtslosen Männchen mit Helm und Gewehr bilden die dumpfe Masse gegenüber den Andersdenkenden und dem genialen Denker Benjamin.

Doch Benjamin, dargestellt mit Nickelbrille, Schnurrbart und einem hohen runden Hut, findet Hilfe bei Lisa Fittko, die ihn zusammen mit anderen Flüchtenden über die Berge bringen wird. Kein Gepäck, lautet die Ansage, damit die Wanderer nicht auffallen. Nur hält sich Herr Benjamin nicht daran und schleppt einen großen Koffer mit. Denn der Inhalt darin ist für ihn das „Allerwichtigste“ und „kann alles verändern“.

Herr Benjamin schafft es über die Berge, wird aber laut Chang von den Grenzsoldaten abgewiesen. Danach verschwindet der Philosoph – und das Rätselraten um den Inhalt des Koffers beginnt. Dieses Rätsel, das auch heute noch die Menschen beschäftigt, wird wohl für immer ungelöst bleiben. Genauso, wie die exakten Umstände von Benjamins Tod.

Den Betrachter_innen dieses collagehaften Bilderbuches werden sich jedoch Unmengen an Fragen stellen. Angefangen bei, wer war Herr Benjamin und wieso ist er verschwunden, bis hin natürlich, was war in dem Koffer? Die Vorschläge zum Inhalt, die Chang liefert – über philosophische Theorien, eine Geheimwaffe oder köstliche Leckereien aus der Heimat – werden das Rätselraten weiter anheizen und führen dabei schon fast spielerisch in die Disziplinen der Philosophie ein: Was steckt hinter einer Idee, einer Vorstellung? Warum sind Ideen gefährlich? Was ist wichtig: das Immaterielle oder das Materielle? Was ist das Allerwichtigste im Leben? Und darüber hinaus.

Vieles wird kleinen Betrachter_innen inhaltlich vermutlich unverständlich bleiben. Doch auf der Bildebene gibt es für sie so einiges zu entdecken und zu schauen. Den erwachsenen Vorleser_innen bietet sich hingegen eine tiefgründige Anregung, sich mit Benjamin und den Zuständen des Lebens auseinanderzusetzen.

Und genau solche rätselhaften Werke sind es oftmals, die Groß und Klein meist nachhaltiger beeindrucken, als es im ersten Moment erscheint. Sie hallen lange nach, prägen unbewusst und machen nachdenklich – über vieles im Leben. In genau diese überaus wichtige Kategorie gehört das Bilderbuch von Pei-Yu Chang.

Rüdiger Bertram: Der Pfad, Illustration: Heribert Schulmeyer, cbj, 2017, 237 Seiten, ab 12, 12,99 Euro

Pei-Yu Chang: Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin, NordSüd Verlag, 48 Seiten, ab 4, 18 Euro

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Girls, Ihr könnt alles werden!

FrauenSchon seit einiger Zeit tauchen die Good Night Stories for Rebel Girls der beiden amerikanischen Autorinnen Elena Favilli und Francesca Cavallo in den Timelines meiner sozialen Medien immer wieder auf. Jetzt hatte ich endlich Gelegenheit, dieses anregende Werk, in der Übersetzung von Birgitt Kollmann, selbst zu lesen.

Die Grunddaten sind schnell umrissen: Auf je einer Doppelseite werden 100 Frauen vorgestellt. Links der Text, rechts das Portrait der jeweiligen Frau. Es sind Frauen aus aller Welt und aus allen Zeiten, die „älteste“ ist die Pharaonin Hatschepsut, die im 15. Jahrhundert vor Christus gelebt hat, die jüngste ist die Grundschülerin Coy Mathis, geboren 2007, die als Transgenderkind bekannt wurde. Manche der Frauen sind weltberühmt, wie Modemacherin Coco Chanel, Anwältin Michelle Obama oder Kinderbuchautorin Astrid Lindgren. Andere wie Paläontologin Mary Anning, Motocrossfahrerin Ashley Fiolek, Turnerin Simone Biles oder Rapperin Sonita Alizadeh sind vermutlich nur eingeweihten Menschen dieser besonderen Disziplinen bekannt. Doch genau darin liegt die Faszination dieser Sammlung: Als Erwachsene freut man sich über den Wechsel zwischen bekannten und unbekannten Biografien, entdeckt unbekannte Heldinnen und neue, ganz junge Vorbilder.
Junge Leserinnen dürften sich mit den jungen Frauen wahrscheinlich leichter identifizieren, als mit lange verstorbenen Schriftstellerinnen oder Wissenschaftlerinnen. Doch jenseits von Identifikation finden sie hier Vorbilder aus allen Bereichen des Lebens wie unter anderem Informatik, Astrophysik oder Boxen, die eben nicht nur den Männern vorbehalten sind.

Diese Rebel Girls machen mehr als deutlich, dass Mädchen gerade heute alles werden können, was sie nur wollen, wenn sie es denn wirklich wollen. Denn es wird nicht immer einfach werden, und es werden immer wieder Hindernisse auftauchen, die überwunden werden müssen, doch die Rebellinnen, Widerstandskämpferinnen und Piratinnen in diesem Buch zeigen eindrücklich, dass frau es mit Beharrlichkeit und Mut weit bringen kann.
Dafür darf man sich – und das ist wirklich der einzige Wermutstropfen in diesem Buch – vom Stil der Texte nicht abschrecken lassen. Viele beginnen nämlich mit „Es war einmal …“ und verweisen so auf eine märchenhafte Geschichte. Märchen jedoch, das wissen wir, sind nicht real und werden nur selten wahr. Dabei sind genau hier, all die Träume und Wünsche der Mädchen und Frauen wahr geworden, und zwar ohne die Hilfe eines Zaubertranks oder eines Prinzen, sondern einzig durch die ungebändigte Kraft dieser Frauen selbst.

Dennoch bringen diese kurzen Text die wichtigsten Meilensteine und Überzeugungen der Frauen auf den Punkt, ohne mit Einzeldaten oder weitschweifigen Erklärungen zu langweilen. Wer dann sein persönliches Lieblingsvorbild findet und neugierig geworden ist, wird sicherlich an anderer Stelle weiterlesen und für sich dann die Wege finden, die zum eigenen Rebellinnen-Ziel führt.

Die Portraits der vorgestellten Frauen runden das Buch dann endgültig zu einem Gesamtkunstwerk ab: 60 Illustratorinnen aus aller Welt zeigen den jungen Leserinnen, dass auch grafische Kunst genauso vielfältig sein kann wie die Lebensentwürfe der außergewöhnlichen Frauen.

Die Good Night Stories for Rebel Girls sollten eigentlich jedem Mädchen mit auf den Weg gegeben, und zwar nicht erst ab zwölf, wenn die Girls schon fast zu alt für Gute-Nacht-Geschichten sind. Wenn sich das Potential dieses Buches ganz entfaltet, können wir alle uns auf eine Welt voller kreativer, anpackender, gerechtigkeitsliebender, mutiger, Welten entdeckender Rebellinnen freuen! Die dann vielleicht nicht mehr außergewöhnlich sind, sondern normaler Standard.

Elena Favilli/Francesca Cavallo: Good Night Stories for Rebel Girls. 100 außergewöhnliche Frauen, Übersetzung: Birgitt Kollmann, Hanser Verlag, 2017, 224 Seiten, ab 12, 24 Euro

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Ein Bündelchen Widerspruch

anneIch war zwölf, als ich das Tagebuch der Anne Frank zum ersten Mal las. Das ist ziemlich lange her, und die vielen Details von Annes Erzählung, ihre persönliche Art, ihr Erzählstil und ihre Wachsamkeit gegenüber den grausamen Vorgängen in der damaligen Welt habe ich als Jugendliche dann wieder relativ schnell vergessen. Geblieben ist mir jedoch ein tiefes Mitgefühl für Anne und ihre Familie, für die beengte Situation im Hinterhaus und den Schrecken, den diese Menschen durchgemacht haben. Es hat mich für die Verbrechen, die die Nazis den Juden angetan haben, so sensibilisiert, dass mich dieses Thema seit dem immer begleitet hat und nicht loslässt.

Nun habe ich Das Tagebuch der Anne Frank erneut gelesen, und das gleich zwei Mal. Zunächst in der aktuell erschienen Fassung als Graphic Dairy der Israelis Ari Folman und David Polonsky. Die beiden Künstler sind durch ihren Animationsfilm Waltz with Bashir bekannt geworden und haben Anne Franks Tagebuch in eine Graphic Novel umgesetzt. Sie haben mich vom ersten Panel an berührt.

Die Geschichte von Annes Zeit im Hinterhaus in der Prinsengracht ist bekannt. Folman und Polonsky ist es nun gelungen, Annes Briefe an ihre imaginierte Freundin Kitty in einem Ligne-Claire-Stil in warmen Farben in verhältnismäßig wenigen Panels bildlich umzusetzen. So ist man schon nach den ersten Seiten über die Verhältnisse der Familie Frank im Bilde, wie sie unter den Einschränkungen für Juden in Amsterdam zu leiden haben und wie sie im HInterhaus von Franks Firma untertauchen.
In den Textbalken der Panels erzählt Anne selbst, entsprechend ihren Tagebucheinträgen. In den Sprechblasen finden sich fiktive Dialoge, die das extreme Zusammenleben auf engstem Raum unmittelbar erscheinen lassen. Als Leserin hat man Anne und ihr Lebensumfeld also plastisch vor Augen – und kann sich so voll auf Annes innere und äußere Kämpfe konzentrieren.
Äußerlich kämpft sie um ihren Platz unter den Untergetauchten, reibt sich an ihnen, wird als frech und aufmüpfig empfunden. Sie vergleicht sich mit ihrer Schwester Margot, sucht ein bisschen Glück bei Peter.
Innerlich träumt sie von einem Leben nach dem Krieg, setzt sich mit ihrer Wut auf die Mutter auseinander, reflektiert über das, was sie von ihren Helfern und aus dem Radio hört, sorgt sich um ihre Freundinnen, die irgendwo da draußen sind. In diesen Passagen versagt zwar die bildliche Darstellung und Folman und Polonsky drucken dann seitenweise den Originaltext, in Mirjam Presslers Übersetzung, ab, doch mindert das die Qualität dieser Darstellung nicht im Geringsten. Es zeigt viel mehr, was für eine reife, tiefgründige und lebensfrohe Person Anne Frank war.

Damals mit zwölf habe ich diese Dimension überhaupt nicht begriffen, wie es mir nun aufgeht. Ich habe daher meine alte Ausgabe von 1980, in der Übersetzung von Anneliese Schütz, noch einmal vorgezogen. Und darin, in den vergilbten Seiten, fand ich dann genau die Anne aus der Graphic Novel wieder: Das so wache, fröhlich-freche Mädchen, das schon in so jungen Jahren zu so bedeutenden Worten fähig war, das zuhören konnte und aus dem Gehörten die richtigen Schlüsse zog (wenn man ihre Schilderungen von den Radioberichten betrachtet). Die sich aber auch genau bewusst war, dass sie sich nach außen hin ganz anders gab, als sie innerlich eigentlich war.

anneHier passierte bei mir nun zweierlei: Zum einen wurde mir klar, wie exakt Folman und Polonsky in ihrer Graphic Novel gearbeitet haben. Die Anne, die sie darstellen, mit den großen dunklen Augen, dem Seitenscheitel und den keck hochspringenden Haarspitzen, die sich also äußerlich genau dem weltberühmten Foto von Anne annähert, entspricht auch innerlich genau der Anne, wie sie mir im Tagebuch selbst begegnet. Folman und Polonsky ist es also gelungen, diese komplexe Person mit all ihren Facetten lebendig werden zu lassen. Und das ist einfach großartig.

Das andere ist, dass ich nun die enorme Tiefe von Annes Texten natürlich viel besser verstehe als mit zwölf. Aus Annes Tagebucheinträgen schlägt mir die dramatische Wucht ihres Lebens entgegen. In jedem Eintrag entdecke ich etwas Neues, das mich auf ihre Seite zieht. Ich möchte sie gegen alle Vorwürfe ihrer Mitbewohner verteidigen, sie in den Arm nehmen, sie aus dem Hinterhaus rausholen – und kann es nicht. Anne hätte ich gern als Freundin gehabt (wer hätte das nicht?), auch wenn ich mit ihr wahrscheinlich gar nicht hätte mithalten können.
Und so wie ich vergangenes Jahr in Bergen-Belsen vor ihrem Grabstein heulen musste, treiben mir nun ihre Texte wieder die Tränen in die Augen. Weil sie so schön sind, und das Ganze gleichzeitig so traurig und widersinnig ist.

Das Graphic Dairy, das vom Anne Frank Fond in Basel autorisiert wurde, bringt einen vielleicht nicht zum Heulen, doch es stellt einen hervorragenden Einstieg für junge Leser_innen dar, die Anne Frank erst noch kennenlernen müssen. Dass man danach zum richtigen Tagebuch greift, ist eigentlich das höchste Lob, dass man Folman und Polonsky machen kann. Denn auch 75 Jahre nachdem Anne und ihre Familie im Hinterhaus untertauchen mussten, hat sie uns immer noch viel zu erzählen und zu lehren.
Heute vielleicht mehr denn je.

Ari Folman/David Polonsky: Das Tagebuch der Anne Frank, Übersetzung Mirjam Pressler/Ulrike Wasel/Klaus Timmermann, Fischer Verlag 2017, 160 Seiten, 20 Euro

Anne Frank: Tagebuch, Fassung von Otto H. Frank u. Mirjam Pressler, Fischer Verlag, 6. Aufl. 2016, 19,90 Euro

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Lebensrettendes Chaos

meschenmoserMit klassischen Märchen habe ich Probleme: Zu unreflektiert werden überkommene Werte und Rollenvorbilder wieder und wieder erzählt, passend zum heutigen Neokonservativismus. Noch verhasster sind mir Hans-Christian Andersens Schauergeschichten, in denen Mädchen sich prinzipiell opfern und die sich wie die kindliche, überhaupt nicht kindgerechte Vorlage für Filmtragödien des dänischen Regisseurs Lars von Trier lesen. Für Märchen im Sinn von Geschichten, wie sie die von mir sehr geschätzte Jugendbuchautorin Meg Rosoff gegen den grassierenden Realismuszwang verteidigt, bin ich dagegen auf jeden Fall zu haben – gern auch für fantastische, naturwissenschaftlich absolut abwegige Abenteuer. Nirgendwo kann man besser den Horizont erweitern und dem Denken eine neue Richtung geben als zwischen zwei Buchdeckeln und dem, was das im eigenen Kopf entfacht.

Gegen den Strich und gängige Erwartungen gebürstete Märchen gefallen mir umso besser: Sebastian Meschenmosers neuester Streich Die verflixten sieben Geißlein ist mindestens so gut wie seine hier von mir bereits vorgestellte Adaption eines anderen Grimmschen Klassikers. Rotkäppchen hat keine Lust enthebt das Mädchen der Opferrolle, lässt sie als unabhängige Räuberin glücklich werden, während nun Wolf und Großmutter in einer tierisch guten WG zusammen leben.

Schon damals hatte der Wolf einen klaren Plan: „Kind, Höhle, Kochtopf, Zack“. Auch diesmal ist der Wolf absolut erfolgsgewiss: Allerdings reicht ein bisschen Kreide fressen heute nicht mehr aus, sondern er gibt sich wirklich Mühe als Germanys-Next-Top-Geißenmutter zu landen: Schon auf dem Vorsatzpapier (!) bastelt er sich schicke Geißenhörner aus aneinander geklebten Klopapierrollen, trägt Puder und Lippenstift auf, dazu ein schickes Kleid und Highheels. Und dann das: Direkt hinter der der Schwelle fällt das aufgetakelte Raubtier über einen Ball und mit der Tür ins Haus – und landet im schönsten Durcheinander. „Haaarrrghnnpff!“ Das Wohnzimmer ist kunterbuntes Suchbild Nummer eins: Wer findet alle sieben Geißlein, die sich hier verstecken? Obwohl ich kein Freund von bekleideten Tieren bin, sind sie hier auf Meschenmosers farbenfrohen Aquarellen ganz und gar richtig.

Es hilft nichts, der Wolf muss aufräumen, um etwas zwischen die Zähne und in den Magen zu bekommen. Kein Chaos, keine Verstecke mehr. Deshalb bringt der Eindringling systematisch das Haus in Ordnung. Und gerade als er alle Verstecke auf- und weggeräumt hat und seinen überhaupt nicht verschreckten, potenziellen Opfern auch noch eine Standpauke hält, – „Wie kann man nur so unordentlich sein! Ob sie sich nicht schämten, wenn jemand vorkommt, um sie zu fressen und so einen Saustall vorfinden muss?“ – kommt die Geißenmutter nach Hause zurück und bereitet dem ordnungsliebenden Wolf ein unrühmliches Ende.

Und die Moral von der Geschichte? Es lebe das rettende Chaos! Als jemand mit einem angeborenen Hang zur Schlampigkeit und großem Mut zur Lücke freue ich mich über Meschenmosers märchenhaftes Plädoyer für ein kunstvolles Durcheinander. Aktuelle Metastudien beweisen sogar, dass Perfektionismus tatsächlich tödlich sein kann: Nämlich wenn Menschen mit zu hohem, unerfüllbarem Anspruch an sich selbst zum Scheitern verdammt sind und sich im Extremfall sogar umbringen. Oder wie der kluge Karl Kraus einst sagte: „Das Chaos sei willkommen, denn die Ordnung hat versagt.“

Ein buntes Durcheinander feiert auch die Doodle Cat: Eine auf das Wesentliche reduzierte, dafür umso ausdrucksstärkere Katze. Teilweise nur mit roter Umrandung gekritzelt („to doodle“) zeigt das Tier alles, was es liebt, vom Tanzen über Meer und Sterne zu geometrischen Mustern und Pupsen. Doodle Cat liebt Unterschiede, die vielfältigsten Typen, denn logische Begründung: „Unterschiede machen uns interessant. Wenn wir alle gleich wären, hätten wir einander nichts zu sagen. Stell dir vor, du würdest den ganzen Tag bloß in den Spiegel starre. Langweilig“.

Und nicht zuletzt liebt Doodle Cat sich selbst. Das heißt, sie nimmt sich so an wie sie ist: sprunghaft, verspielt, vielseitig, unperfekt. Gesundes Selbstbewusstsein kann nie schaden. Illustriert hat Doodle Cat Lauren Marriott, die von sich selbst als geborene Zeichnerin spricht, genauer als „doodler“. Es sind wirklich liebenswert exzentrische Kritzeleien, die das Kinderbuchdebüt der Wahl-Neuseeländerin Kat Patrick bebildern und zum Leben erwecken. Der Schweizer aracari Verlag ist eben immer für eine Überraschung gut: Nach diversen zarten Entdeckungen aus Südkorea und dem Bestseller Heute bin ich der Niederländerin Mies van Hout jetzt ein buntes Bilderbuch vom anderen Ende der Welt, das in der Übersetzung von Ilse Layer ebenfalls das Potenzial zum modernen Klassiker hat.

Sebastian Meschenmoser: Die verflixten sieben Geißlein, Thienemann Verlag 2017, 30 Seiten, ab 4, 12,99 Euro

Kat Patrick: Ich bin Doodle Cat, Illustratrion: Lauren Marriott, Übersetzung: Ilse Layer, aracari Verlag 2017, 36 Seiten, ab 3, 13.90 Euro

Märchenhafte Problemlösung

Kinder brauchen Märchen. Immer noch. Daran hat sich auch in diesem Jahrtausend nichts geändert. Das hat die ALMA-gekrönte Autorin Meg Rosoff erst vor kurzen in ihrer Rede an junge Leser in Berlin eindrucksvoll bewiesen. Nachzulesen sind ihre eindringlichen Worte, in der Übersetzung von Brigitte Jakobeit, hier.

Wie man Märchen in heutigen Geschichten für junge Leserinnen einweben kann, beweist aktuell Iris Lieser mit ihrem Buch Sieben Zwerge für Paulina. Die 15-Jährige Hauptfigur ist darin mit einer ziemlich üblen Familiensituation konfrontiert: Ihre Mutter ist seit der Trennung von Paulinas Vater völlig überfordert und gibt tatsächlich Paulina die Schuld an der Trennung. Dementsprechend mies behandelt sie die Tochter. Der Vater hingegen, ein erfolgreicher Anwalt, möchte, dass Paulina Jura studiert, um später mal in seiner Kanzelei arbeitet. Was Paulina wirklich will, interessiert ihn nicht.
Und auch in der Schule läuft es für Paulina überhaupt nicht gut, sie schreibt schlechten Noten und ihre Mitschüler wollen nichts mit ihr zu tun haben. Als dann aber der verhasste Deutschlehrer die Klasse mit einer Sonderaufgabe über Märchen beauftragt, meldet sich auf einmal das coole Freundinnen-Kleeblatt Kira, Fabienne, Lisa und Henriette bei Paulina, die dem Lehrer diese „Gemeinheit“ heimzahlen will. Wenn Paulina also Mitglied in der Clique werden will, soll sie eine Mutprobe bestehen …

Dass es mit dieser Mutprobe nichts wird, liegt nahe. Paulina lernt eine sehr bittere Lektion – bei der ihr jedoch ein ungewöhnlicher Verbündeter zu Seite steht: ein alter sprechender Spiegel.

Das Spiel mit dem Märchen gelingt Iris Lieser auf eine ganz wundervolle Art. Alle Elemente sind vorhanden: die böse Mutter, die Feinde, der magische Helfer, aber auch die wohlwollenden Verbündeten und die gute Fee. So macht Paulina eine Entwicklung, vom frustrierten, pubertierenden Teenager zur verständigen und selbstbewussten Tochter und Freundin durch. Sie kann Leserinnen durchaus als Beispiel dienen, dass es auch für scheinbar aussichtslose Situationen eine Lösung gibt.
Vor allem zeigt Paulinas Geschichte aber auch, dass angeblich so coole Mutproben einfach nicht sinnvoll sind, sondern es viel mehr Ehrlichkeit und Empathie sind, durch die man seinen Platz im Leben findet. Ist man erst einmal soweit, dann klappt es auch mit echten Freunden.

Lieser straft durch ihren sympathischen Roman also diejenigen Lügen, die meinen, Märchen wären altes Zeug und heute nicht mehr nötig. Und liefert damit viel mehr den überzeugenden Beweis für Meg Rosoffs Worte: „Ohne Geschichten sind wir in einer starren Version unseres Selbst gefangen. Geschichten erschließen uns neue Wege.“

Iris Lieser: Sieben Zwerge für Paulina, Fabulus-Verlag, 2017, 120 Seiten, ab 12, 16 Euro

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Schinkensandwich mit Marmelade

„Träges Auge, Riesenschädel, schnarcht wie ein Nilpferd, oft krank, abartiger Essgeschmack, schreckliches Gedächtnis, ständig außer Atem, schmächtig, frech, kann nichts allein machen oder sich mehr als zwei Sekunden auf irgendetwas konzentrieren, Hirn tickt verkehrt, keinen Begriff für Gefahren. Mein absolut bester Kumpel der Welt.“

Martin liebt seinen drei Jahre jüngeren Bruder Charlie heiß und innig. Charlie wurde viel zu früh geboren, hat in seinen ersten Lebenstagen und –wochen mehrmals mit dem Tod gerungen und gewonnen. Vor zehn Jahren stand er als das „Wunderbaby“ sogar in der Zeitung, er ist ein ganz besonderes Kind unter Millionen, oder Charlillion, wie Charlie selbst sagen würde. Mit dem Preis, dass der Junge unter Asthma, Herzschwäche, und Konzentrationsstörungen leidet. Vieles, was für Kinder in seinem Alter selbstverständlich ist, kann er nicht und wird es auch nie lernen, er ist immer auf Hilfe und jemanden, der ihn im Auge behält, angewiesen.

Charlie ist wie ein springender Delfin, wie Mark Lowerys neuer Roman („Das peinlichste Jahr meines Lebens“) hierzulande heißt – was das bedeutet, wird später verraten. Er ist scheinbar der perfekte Held für ein Buch über gelungene Inklusion, das selbstverständliche Zusammenleben von Menschen, egal, ob „normal“ oder mit geistiger oder körperlicher Behinderung (selbst die Aktion Mensch, ehemals Aktion Sorgenkind, spricht von „Behinderung“, der naive, politisch überkorrekte Euphemismus „anders begabt“ ist passé).

Neulich ging es in der sowieso sehr empfehlenswerten Radiosendung „Büchermarkt für junge Leser“ (Samstagnachmittag um fünf nach vier im Deutschlandfunk) um Inklusion. Angefangen mit Klassikern wie Peter Härtlings Das war der Hirbel oder Max von der Grüns Die Vorstadtkrokodile wurden auch neuere Titel wie Wunder von Raquel Palacio und Sarah Crossans Eins vorgestellt. Denn immer mehr Jugendromane handeln von Menschen, die anders sind, die mit physischen und psychischen Problemen zu kämpfen haben. Wie ein springender Delfin ist eine spritzige Variante des Themas.

Charlie ist ungeheuer witzig, auch weil laut Martin sein Gehirn „anders verdrahtet“ ist, und haut Sätze raus, wie „wir fahren in die Schweiz, da kriegt mein Schniedel-Laser ein Upgrade“. Damit wehrt er zum Beispiel lässig die Fragen des misstrauischen Kioskbesitzers ab, der wissen will, warum der 13-jährige Martin mit seinem kleinen Bruder Ende Oktober schon frühmorgens unterwegs ist. Die beiden brechen auf in ein großes Abenteuer. Im Gepäck eine Keksdose mit „super-besonderen Weihnachts-Überbleibsel-Keksen“ (unter anderem mit Schokokränzen aus 90 Prozent Schokolade, fünf Prozent Keks, die restlichen fünf Prozent sind „Träume“, sagt Charlie) und Schinkenbroten mit Marmelade, Charlies Lieblingssandwiches.

Nennt mich naiv, aber ich habe mich mitreißen lassen und mitgefiebert, wenn die Jungs brenzlige Situationen, teils von Charlie provoziert, mit fanatischen Fußballfans oder neugierigen Kartenverkäuferinnen meistern, und Schaffnern und Polizisten immer wieder entwischen. Spannend und lustig erzählt Martin vom aufregenden Trip mehrere hundert Kilometer aus ihrer nordenglischen Heimatstadt Preston an die Küste Cornwalls, im Wechsel mit Rückblenden auf ihre Sommerferien eben dort im vergangenen Jahr. Auch die eingestreuten, von Martin geschriebenen Gedichte haben mir gefallen, zum Beispiel ein hübsches Haiku

Du lebst nur einmal.
Wie wär es dann einfach mit
Keksen zum Frühstück?

Drei Zeilen mit fünf, sieben und wieder fünf Silben, so kann man sich die japanische Gedichtform doch endlich gut merken. Oder ein Formgedicht über und in Form einer Sanddüne.

Die Anzeichen, dass etwas nicht stimmt, habe ich willentlich ignoriert. Wer sich auf Mark Lowerys raffiniert aufgebaute, von Uwe-Michael Gutzschhahn erfrischend übersetzte Geschichte unvoreingenommen einlässt, den trifft die Wende umso heftiger. Gespoilert wird nicht, nur soviel: Die Fahrt nach Cornwall ist für Martin eine Reise zu sich selbst und ein Rettungsversuch. Familie ist ein fragiles Konstrukt. Und auch alle Liebe und Hingabe macht nicht alles möglich. Menschen mit Behinderungen sind sich meist schmerzlich bewusst, dass sie vieles nie werden tun und erreichen können. Sie haben dieselben Träume und Wünsche nach einem selbstbestimmten Leben, aber nicht die Freiheit, sie sich zu erfüllen.

Deshalb fühlt Charlie sich so zu dem Delfin hingezogen, den er im Sommer an Cornwalls Küste beobachtet. Ein freies Wesen, das nicht eingesperrt lebt und unabhängig ist. Ein Tier, in dessen wilden, kraftvollen Sprüngen sich Charlies Schicksal und das seiner Familie in allen Facetten spiegelt: Schöne Metapher, klasse Helden, tolles Buch!

Elke von Berkholz

Mark Lowery: Wie ein springender Delfin, Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn, Rowohlt, 2017, 221 Seiten, ab 12, 14,99 Euro

Drachenstark

Eigentlich sage ich ja immer, ich lese keine Fantasy. Aber dann fallen mir doch so viele Titel ein, in denen mich Magier, Hexen, Drachen, fantastische Wesen und mächtige Objekte aufs Beste unterhalten haben, dass ich meine Aussage wohl etwas relativieren muss.

Nur reiht sich ein weiteres Buch in diese Gruppe ein, das mich beglückt hat: Aventurine – Das Mädchen mit dem Drachenherz der walisischen Autorin Stephanie Burgis, wunderbar übersetzt von Sigrid Ruschmeier.
Hierin erzählt Burgis die Geschichte von Aventurine, ihres Zeichens ein junger Drachen-Schlüpfling. Aventurine ist mit ihren 13 Jahren noch viel zu jung, um aus der heimischen Höhle in die Welt hinaus zu können. Doch das Drachenmädchen ist zum einen viel zu neugierig, zum anderen will sie ihrer besorgten Familie beweisen, dass sie draußen überleben kann.

In einem unbeobachteten Moment schleicht sich sich über einen Geheimtunnel aus der Höhle und macht sich auf, die Welt zu erobern. Fest nimmt sie sich vor, der gefährlichsten Beute für Drachen, den Menschen, aus dem Weg zu gehen. So wie ihr Großvater es ihr beigebracht hat. Doch dann wird sie von einem unwiderstehlichen, köstlichen, verführerischen, unbekannten, nie-gerochenen Duft angelockt.
Auf einer Lichtung sitzt ein Mensch und kocht heiße Schokolade. Aventurine kann sich nicht losreißen und merkt zu spät, dass der Mensch ein Essensmagier ist. Zu verlockend ist die mit Zimt verfeinerte Schokolade. Aventurines Leidenschaft erwacht. Doch die bezahlt sie mit einem hohen Preis.

Hier muss ich ein kleines Bisschen spoilern, und das ist in diesem Fall durchaus nötig, um den ganzen Drive dieser Geschichte deutlich zu machen: Der Essensmagier verwandelt Aventurine in ein Menschenmädchen, und nun geht ihre Geschichte erst richtig los.
Denn Aventurine muss sich von einem Moment auf den anderen ohne ihre Familie in einer völlig fremden Welt zurechtfinden. Durch die Gelehrsamkeit, die den Drachen zu eigen ist, hat sie ein Mindestmaß an Menschensprache gelernt, doch das Wenige, was sie weiß, hilft ihr nur bedingt weiter. Wohl oder übel muss sie zunächst neue Worte lernen, wie „Haar“, „Augenbrauen“, „Schuhe“ oder „Lebensunterhalt“.

Der Zufall bringt Aventurine schon bald in die Stadt Drachenburg, wo es immerhin drei Schokoladenhäuser gibt. Für das Mädchen ist sofort klar, dass sie dort arbeiten will.

Burgis entwickelt so eine äußerst charmante Entwicklungsgeschichte eines drachenstarken Mädchens. Denn Aventurine lässt sich von den städtischen Eigenheiten und Schwierigkeiten, von hinterlistigen Stadtbewohnern oder arroganten Regierenden nicht einschüchtern. Sie lernt, Freunde zu erkennen und ihnen zu vertrauen, lernt, sich von ihrer Leidenschaft um nichts in der Welt abbringen zu lassen.
Und mit all ihrem Mut, ihrer Neugierde und ihrem unerschrockenen Drachenherz wird Aventurine so zu einem zauberhaften Role Model für junge Leserinnen.
Natürlich vermisst sie durchaus auch ihre Familie, aber sie ist mit so einer gehörigen Portion Resilienz ausgestattet, dass sie abzuwägen weiß und für ihre Leidenschaft bereit ist zu leiden. Aber Fantasy wäre nicht Fantasy, wenn es nicht doch noch ein Happy-End für Aventurine gäbe.

Von Aventurine, die trotz aller Widrigkeiten ihr Drachenherz behält und sich kommenden Herausforderungen unerschrocken stellt, können sich zehnjährigen Mädchen einen gehörigen Riegel Schokolade abbrechen – und sich den Genuss derselben von nichts und niemandem verderben lassen. Nie wieder.

Stephanie Burgis: Aventurine – Das Mädchen mit dem Drachenherz, Übersetzung: Sigrid Ruschmeier, Fischer KJB, 2017, 320 Seiten, ab 10, 14,99 Euro

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Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln

huppertz„Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen“, hat Johann Wolfgang von Goethe einst gesagt. Wurzeln, solange sie klein sind, und Flügel, wenn sie größer werden.
Doch was, wenn der leibliche Vater nicht zur Familie gehört? Fehlt dann im Wurzelwerk nicht etwas?

Lisse, 12, vermisst zu Beginn des neuen Romans von Nikola Huppertz erst einmal nichts. Sie lebt mit ihrer Mutter und dem Comiczeichner Jamal glücklich in Hannover. Jamal ist seit elfeinhalb Jahren ihr Vater.
Doch dann erreicht ein Anruf ihre Mutter: Lisses leiblicher Vater Markus ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und obwohl Lisse ihm niemals begegnet ist, überkommt sie doch die Trauer, die sie selbst an ihrem geliebten Schlagzeug nicht so richtig loswird.
Auch ihre Mutter muss die Nachricht erst einmal verdauen, und da gerade Sommerferien sind, machen sich Mutter und Tochter für ein paar Tage auf und reisen zu den Orten, wo sich Lisses Eltern begegnet sind. Über Berlin und die Müritz geht es nach Rostock und schließlich zum Friedwald, wo Markus‘ Asche unter einem Baum beerdigt wurde.

Im Laufe der Reise erzählt die Mutter von ihrer ersten Begegnung mit Markus, von ihrer Verliebtheit, von Markus‘ Leidenschaft für Musik, von ihrer damaligen Tour an die Ostsee. Lisse erfährt so Einiges über ihren leiblichen Vater und lernt in diesen wenigen Tagen ganz andere Seiten ihrer Mutter kennen. Auf dem Baum-Friedhof schließlich begegnen die beiden dann einem alten Ehepaar und Lisses Leben bekommt eine neue Wendung.

Feinfühlig und emotional packend entwickelt Nikola Huppertz Lisses Geschichte. Der Tod ist kein Tabu, sondern wird hier viel mehr zu einem Auslöser, sich der Vergangenheit und der Komplexität des Lebens zu stellen. Lisse lernt auf vielen Ebenen, was es bedeutet zu lieben, einander, das Kind, die Eltern, den Stiefvater. Und sie kommt mit sich selbst ins Reine, kann die Sommersprossen und die Stupsnase, die sie vermeintlich zu niedlichsten Drummerin der Welt machen, akzeptieren, weil sie begreift, dass sie das genetische Erbe ihres Vaters sind. Ebenso wie ihre Leidenschaft für Musik und das Trommeln. Sie findet ihre Wurzeln, jedoch ohne zu Verzweifeln.
Denn wenn sie auch ihren Vater nicht mehr kennenlernen wird, so treten auf diesem sommerlichen Roadtrip neue Menschen in Lisses Leben, die sie bereichern.

In Huppertz‘ Roman geht es um das große Gefühl der Trauer und wie man ordentlich Abschied nimmt, ganz egal, ob man den Menschen kannte oder nicht. Jetzt könnte man vermuten, Woher ich meine Sommersprossen habe sei ein todtrauriger Roman, doch dem ist nicht so. Denn Huppertz versteht es vorzüglich, die Hoffnung in das Geschehen einzuflechten, in Form einer neuen Freundschaft, durch wunderschöne Naturerlebnisse, durch eine neue Vertrautheit zwischen Mutter und Tochter und durch Lisses Erkenntnis, dass ihr Leben und ihre Familie in Hannover vollkommen ist.

Ich weiß natürlich nicht, wie viele Kinder genau solche Familien-Geschichten und -Konstellationen erleben, doch von Lisse können sie sich so Manches abschauen, sei es, dass Mädchen sehr coole Schlagzeugerinnen abgeben oder dass man seinen Eltern durchaus nervende Fragen über die Vergangenheit stellen sollte, um mehr über sich selbst zu erfahren.
In diesem Sinne ist dieser wunderbare Roman ein Vorbild für die Suche nach den eigenen Wurzeln. Denn auch das gehört zum Erwachsenwerden dazu.

Nikola Huppertz: Woher ich meine Sommersprossen habe, Thienemann, 2017, 176 Seiten, ab 11, 11,99 Euro

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