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Wirkungsvolle Lektüre

cool

Wie überwindet man seine Schüchternheit? Wie reagiert man am besten, wenn man als Mädchen Juli heißt und der neue Nachbarsjunge August? Das ist ja eine förmliche Einladung zu blöden Kommentaren, findet Juli.
Sie soll sich, in Katja Reiders Roman Cool in 10 Tagen, um den Neuen im Haus kümmern – worauf sie nicht wirklich Lust hat.
Doch Gus, wie er sich selbst nennt, scheint ein ganz netter Typ zu sein. Und zum Glück gehen die beiden nicht auf dieselbe Schule, sodass ihnen tägliche Spottattacken erspart bleiben. Dennoch muss ein Plan her, wie man im Notfall cooler reagiert.
Zum Glück ist Julis Mutter Unternehmenscoach und bringt anderen bei, sich durchzusetzen, eigene Wünsche zu erfüllen und eben auch cooler zu sein. So weit, so cool, auch wenn die Mutter Juli mit ihren To-do-Listen manchmal ganz schön nervt.

Coaching hilft

Anhand einer Broschüre der Mutter machen Juli und Gus sich daran, ein 10-Tage-Programm durchzuziehen. Sie stellen sich gegenseitig Aufgaben: Etwas tun, was man noch nie getan hat; fremden Leuten ein Kompliment machen; etwas im Alltag verändern; sich in die erste Reihe zu setzen; sich in Diskussionen einzumischen und Stellung zu beziehen.
Juli fällt das durchaus nicht leicht, aber sie hat ihr Ziel vor Augen und traut sich, selbst wenn sie sich dabei schon mal den Fuß verstaucht. Dass sie sich wirklich verändert, fällt ihrer Freundin Stine schnell auf. Und auch bei Gus scheint das Coolness-Programm anzuschlagen – zumindest erzählt er es.

Mut wird belohnt

Dass es dann am Ende natürlich doch nicht ganz so easy ist, liegt in der Natur solcher Erzählungen. Und manchmal hängt cool sein auch nicht nur von einem selbst ab, sondern auch vom Verhalten der Eltern und wie sie zu einem stehen …
Reider macht jedoch allen schüchternen Kindern (mit unvorteilhaften Namen) Mut, sich zu stellen. Dem Namen. Der Situation. Dem Leben. Denn man kann so gut wie alles lernen, selbst das Coolsein.
Diese Buch ist eine Aufforderung, aus dem eigenen Schneckenhaus herauszukommen – denn oftmals sind die Reaktionen, die man für seine Offenheit und Zugewandtheit bekommt, anders als man es sich in seiner Angst vorher ausgemalt hat.

Zur Nachahmung empfohlen

Abgesehen davon, dass junge Leser_innen von Reiders locker-coolen Geschichte ganz vorzüglich unterhalten werden, lassen sich die Aufgaben von Juli und Gus durchaus auch im echten Leben nachmachen. Der Erkenntnisgewinn und die Wirkung auf das Leben dürften nicht lange auf sich warten lassen. Soll also niemand behaupten, dass Literatur nicht auch zu etwas ganz Konkretem nützlich wäre.

Katja Reider: Cool in 10 Tagen, Illustration: Anke Kuhl, Rowohlt Verlag, 2019, 176 Seiten, ab 10, 10 Euro

Befreit euch

wegeVor kurzem haben wir das 100-jährige Frauenwahlrecht gefeiert. Eine lang erkämpfte Errungenschaft, die von den heutigen Generationen oftmals als selbstverständlich und daher vernachlässigbar zu sein scheint, im Sinne, der Gang an die Wahlurne wird auch mal ausgelassen. Eine fatale Haltung, die den falschen Parteien nützt.

Dass unser heutiges Dasein als Frauen nicht selbstverständlich ist (und auch noch immer nicht paritätisch und gleichberechtigt) verbildlicht Julia Zejn in ihrer Graphic Novel Drei Wege auf eine stille, fast poetische Art.
Darin schneidet sie die entscheidende Momente aus den Biografien dreier junger Frauen gegeneinander, die im Abstand von je fünfzig Jahren leben. Ida tritt 1918 eine Stelle als Hausmädchen bei einer Arztfamilie in Berlin an, Marlies lernt 1968 den Studenten Wolfgang kennen, und Selina dümpelt 2018 nach dem Abi vor sich hin, ohne zu wissen, was sie aus ihrem Leben machen soll.

Machtvolle Männer

Idas und Marlies‘ Lebenswege sind noch den männlichen Machtstrukturen ausgesetzt. Hatte Ida ein gutes Verhältnis zur Hausherrin, solange deren Mann noch im Krieg war, so ändert sich das schlagartig, als der Gatte zurückkehrt und mit harter Hand das kaisertreu geprägte Regiment in der Familie wieder übernimmt. Mit seiner dix-haft gezeichneten Physiognomie ruft er sofort eine Reihe von militaristisch-patriarchalen Assoziationen in mir auf, die ohne viele Worte die bedrückende Stimmung in einem damaligen Haushalt evozieren.
Auch Marlies, ein Arbeiterkind, muss sich mit den erzkonservativen Ansichten ihres Vaters auseinandersetzen. Der hält Wolfgang für einen Gammler mit zweifelhaften Ansichten. Dass Marlies sich den Studentenprotesten anschließt, passt den Eltern gar nicht, es kommt zu familiären Eklat. Aber auch der scheinbar progressive Wolfgang entpuppt sich bei näherer Betrachtung ebenfalls als konservativ, was sein Verhältnis zu Frauen angeht. Marlies kämpft als quasi an zwei Fronten.

Heutige Zwänge

Selina hingegen scheint von den Männern unbehelligt zu sein, der Vater lebt weit weg in Vancouver, ihr bester Kumpel ist schwul, ihre Mutter macht Yoga und postet auf einem Foodblog gesunde Super-Lebensmittel. Doch heute sind es andere Zwänge, die das junge Mädchen verunsichern. Ihre beste Freundin Alina erzählt, dass sie an die Columbia Uni in New York gehen wird. Dass diese jedoch eine Lüge ist, kommt erst heraus, als Alina versucht, sich umzubringen. Selina möchte ihr beistehen, doch die Freundin ist gefangen in dem Zwang von guten Noten, bester Ausbildung und der gesellschaftlichen Forderung nach einem stringenten, erfolgreichen Lebenslauf. Für Freundschaft und Freiheit bleibt da nicht viel Platz. Als Selina das alles erkennt, macht sie sich frei.

Lebendige Wurzeln

Was scheinbar unverbunden daherkommt, verwebt Zejn äußerst geschickt. Jeder Erzählstrang mit seinen zarten Bleistiftzeichnungen ist einer anderen Pastellfarbe gefärbt, sodass man als Leserin immer gleich weiß, bei wem man gerade ist. Doch die Wege der drei Frauen sind zudem über verwandtschaftliche und nachbarschaftliche Verhältnisse miteinander verbunden. So wird klar, dass wir alle das Erbe unserer Vorfahren immer noch in uns tragen, uns andere Generationen beraten und uns helfen können, dass wir also nicht in einem Vakuum agieren, sondern eben sehr lebendige Wurzeln haben. Und diese Wurzeln sollte man kennen. Eben um nichts als selbstverständlich hinzunehmen, was mühsam erkämpft wurde, aber auch um für sich selbst einen freien und selbstbestimmten Weg zu finden – immer noch und immer wieder. Denn auch das ist heute immer noch nicht selbstverständlich.

Zu diesem Thema passt schließlich auch der Kinder-Comic Heraus aus der Finsternis von Christopher Tauber und Annelie Wagner, der in Zusammenarbeit mit dem Jungen Museum Frankfurt entstanden ist.

Mädchenbande

Darin erleben junge Leserinnen die etwa zehnjährige Käthe, die sich mit ihren Freundinnen gegen die Schikanen der Jungsbanden in ihrem Viertel zur Wehr setzen. Und zwar im Frankfurt der Jahre 1918/1919.
Der erste Weltkrieg ist gerade erst zu Ende gegangen, die Männer sind zum Teil noch nicht von der Front zurück. Die Frauen und Mütter haben sich daheim durchgeschlagen, haben in den Fabriken die Arbeit der eingezogenen Männer übernommen. Sie stehen sich gegenseitig hilfreich zur Seite, kämpfen für das Wahlrecht und meistern ihr Leben auch ohne männliche Bevormundung. Das sehen auch die jungen Mädchen und schauen sich ihren Teil von den Erwachsenen ab.

Solidarität und Freundschaft

In dieser fiktiven Geschichte Jungs gegen Mädchen, Mädchen gegen Jungs (Tina & Bibi lassen grüßen) bilden die Mädchen schließlich ihre eigene Bande, um sich gegen die Jungs zu wehren – und kommen zu der Erkenntnis, dass Solidarität hilft. Aber auch, dass Jungs und Mädchen gar nicht so verschieden sind, wenn es darum geht, dass keiner gern geärgert wird und das es viel schöner ist, Freunde zu sein.

Historischer Hintergrund

Zu den historischen Begebenheiten, Personen und Institutionen in der damaligen Zeit gibt es am Ende eine Doppelseite mit Hintergrundinformationen und einem Glossar. Der Kasten „Anachronismen“ schickt die Betrachterinnen dann noch mal mit einem Rätsel durch den Comic, in dem drei Dinge versteckt sind, die es vor 100 Jahren noch nicht gab. Leider ist hier die Frage aus einem anderen Comic übernommen worden (es werden nach vier Dingen gefragt, die es 1742 noch nicht gab) – dies wird hoffentlich in der nächsten Auflage korrigiert, denn die Idee ist charmant. Und ich habe mich dabei ertappt, die drei Anachronismen übersehen zu haben.

Für Mädchen ab acht ist dieser Comic jedoch in vielerlei Hinsicht ein Gewinn, denn neben all der Historie bekommen sie ein Gefühl für Feminismus und weibliche Solidarität, aber auch für Menschlichkeit. Und das ist nicht nur in Frankfurt wichtig.

Julia Zejn: Drei Wege, avant-verlag, 2018, 184 Seiten, ab 16, 25 Euro

Christopher Tauber/Annelie Wagner: Heraus aus der Finsternis, Junges Museum Frankfurt/Zwerchfell Verlag, 2018, 52 Seiten, ab 8, 12 Euro

Drachenstark

Eigentlich sage ich ja immer, ich lese keine Fantasy. Aber dann fallen mir doch so viele Titel ein, in denen mich Magier, Hexen, Drachen, fantastische Wesen und mächtige Objekte aufs Beste unterhalten haben, dass ich meine Aussage wohl etwas relativieren muss.

Nur reiht sich ein weiteres Buch in diese Gruppe ein, das mich beglückt hat: Aventurine – Das Mädchen mit dem Drachenherz der walisischen Autorin Stephanie Burgis, wunderbar übersetzt von Sigrid Ruschmeier.
Hierin erzählt Burgis die Geschichte von Aventurine, ihres Zeichens ein junger Drachen-Schlüpfling. Aventurine ist mit ihren 13 Jahren noch viel zu jung, um aus der heimischen Höhle in die Welt hinaus zu können. Doch das Drachenmädchen ist zum einen viel zu neugierig, zum anderen will sie ihrer besorgten Familie beweisen, dass sie draußen überleben kann.

In einem unbeobachteten Moment schleicht sich sich über einen Geheimtunnel aus der Höhle und macht sich auf, die Welt zu erobern. Fest nimmt sie sich vor, der gefährlichsten Beute für Drachen, den Menschen, aus dem Weg zu gehen. So wie ihr Großvater es ihr beigebracht hat. Doch dann wird sie von einem unwiderstehlichen, köstlichen, verführerischen, unbekannten, nie-gerochenen Duft angelockt.
Auf einer Lichtung sitzt ein Mensch und kocht heiße Schokolade. Aventurine kann sich nicht losreißen und merkt zu spät, dass der Mensch ein Essensmagier ist. Zu verlockend ist die mit Zimt verfeinerte Schokolade. Aventurines Leidenschaft erwacht. Doch die bezahlt sie mit einem hohen Preis.

Hier muss ich ein kleines Bisschen spoilern, und das ist in diesem Fall durchaus nötig, um den ganzen Drive dieser Geschichte deutlich zu machen: Der Essensmagier verwandelt Aventurine in ein Menschenmädchen, und nun geht ihre Geschichte erst richtig los.
Denn Aventurine muss sich von einem Moment auf den anderen ohne ihre Familie in einer völlig fremden Welt zurechtfinden. Durch die Gelehrsamkeit, die den Drachen zu eigen ist, hat sie ein Mindestmaß an Menschensprache gelernt, doch das Wenige, was sie weiß, hilft ihr nur bedingt weiter. Wohl oder übel muss sie zunächst neue Worte lernen, wie „Haar“, „Augenbrauen“, „Schuhe“ oder „Lebensunterhalt“.

Der Zufall bringt Aventurine schon bald in die Stadt Drachenburg, wo es immerhin drei Schokoladenhäuser gibt. Für das Mädchen ist sofort klar, dass sie dort arbeiten will.

Burgis entwickelt so eine äußerst charmante Entwicklungsgeschichte eines drachenstarken Mädchens. Denn Aventurine lässt sich von den städtischen Eigenheiten und Schwierigkeiten, von hinterlistigen Stadtbewohnern oder arroganten Regierenden nicht einschüchtern. Sie lernt, Freunde zu erkennen und ihnen zu vertrauen, lernt, sich von ihrer Leidenschaft um nichts in der Welt abbringen zu lassen.
Und mit all ihrem Mut, ihrer Neugierde und ihrem unerschrockenen Drachenherz wird Aventurine so zu einem zauberhaften Role Model für junge Leserinnen.
Natürlich vermisst sie durchaus auch ihre Familie, aber sie ist mit so einer gehörigen Portion Resilienz ausgestattet, dass sie abzuwägen weiß und für ihre Leidenschaft bereit ist zu leiden. Aber Fantasy wäre nicht Fantasy, wenn es nicht doch noch ein Happy-End für Aventurine gäbe.

Von Aventurine, die trotz aller Widrigkeiten ihr Drachenherz behält und sich kommenden Herausforderungen unerschrocken stellt, können sich zehnjährigen Mädchen einen gehörigen Riegel Schokolade abbrechen – und sich den Genuss derselben von nichts und niemandem verderben lassen. Nie wieder.

Stephanie Burgis: Aventurine – Das Mädchen mit dem Drachenherz, Übersetzung: Sigrid Ruschmeier, Fischer KJB, 2017, 320 Seiten, ab 10, 14,99 Euro

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Mit Tampons jonglieren

tage

Okay, ich gehöre definitiv nicht mehr zu der Generation, die noch mal ganz unverblümt über ihre Menstruation sprechen wird. Zu sehr habe ich die verschämte Sprachlosigkeit über das ganz natürliche Vorgehen im weiblichen Körper in den vergangenen Jahrzehnten verinnerlicht. Ich tue mich also schwer.

Umso mehr beneide ich jetzt die jungen Mädchen, die mit dem Buch Ja, ich habe meine Tage! So what? der schwedischen Bloggerin Clara Henry ein Manual an die Hand bekommen, das mal Klartext redet.

Clara Henry nimmt kein Blatt vor den Mund. Locker und wunderbar schnodderig – hier gilt der Dank der Übersetzerin Kerstin Schöps – erklärt sie die Vorgänge in der Vagina, die Auswirkungen auf Körper und Psyche, wenn ein Mädchen seine Tage hat, wenn sie blutet, menstruiert, ihre Regel hat. In persönlichen Anekdoten erzählt sie von ihrem eigenen Umgang mit Schmerz, durchgebluteten Unterhosen und Schokoladengelüsten, weil Schokolade einfach gut tut. Sie erörtert die Unterschiede zwischen Binden, Slipeinlagen, Tampons und Menstruationstassen. Das macht sie mit Witz und Selbstbewusstsein. Ich hätte dieses Buch gern als Teenagerin gehabt, dann hätte ich vielleicht nicht Jahre gebraucht, um einen entspannten Umgang mit diesen roten Tagen zu erlangen. Allein dafür ist Henrys Buch schon eine wichtige Lektüre.

Was jedoch fast noch wichtiger ist, als die rein hygienischen Maßnahmen, die frau treffen sollte, ist die Haltung, die Henry vermittelt. Sie liefert den Mädchen beispielsweise selbstbewusste Antworten und Entgegnungen, die frau all denen liefern kann, die sexistische, verachtende, frauenfeindliche, herabwürdigende oder lächerlich-machende Bemerkungen fallen lassen. Dabei zieht sie gleichzeitig gegen herrschende frauenverachtende Körperbilder ins Feld. Sie macht klar, dass es durchaus okay ist, sich nicht zu rasieren. Egal wo. Der Körper eines Mädchens, einer Frau ist vollkommen in Ordnung, so wie er ist, groß, klein, dick, dünn, kurvig, flach. Jedes Körperteil an einem weiblichen Körper ist in Ordnung, so wie es ist. Hört sich banal an, kann aber in diesen Zeiten des schönen Scheins gar nicht oft genug wiederholt werden. Kein Mädchen sollte sich angeblichen Schönheitsidealen unterwerfen müssen, keine sollte sich von Versprechungen der Werbung beeinflussen lassen, alle sollten selbstbewusst sagen können: Ja, ich habe meine Tage!

Clara Henry macht den Mädchen Mut, die Herrschaft über ihren Körper zu behalten. Sie allein bestimmen, wann sie Sex haben wollen, ob sie ihn überhaupt haben wollen. Sie entscheiden, ob sie sich einem Ideal unterwerfen wollen. Und so sollten sie sich nicht im Geringsten dafür schämen, wenn sie ihre Tage haben, einen Tampon oder eine Binde wechseln müssen. Viel mehr schlägt Henry vor, mit den Tampons auf dem Weg zur Toilette gut sichtbar zu jonglieren, die frischen Binden offen in der Hand zu halten und in Lokalen, in denen man nichts konsumieren will, ganz locker zu sagen: „Entschuldige. Mein Tampon läuft aus. Kann ich bei euch auf die Toilette gehen? Vielen Dank.“ Ich finde das herzerfrischend.

Bei all diesen Tipps und Hinweisen macht Henry aber auch klar, dass die Menstruation nicht unbedingt als Ausrede herhalten kann. Es geht nicht darum, sich hängen zu lassen, sondern einen bewussten und entspannten Umgang mit dem Zyklus zu finden, die Rote-Bete-Woche mit Freuden zu begrüßen und sich über dieses Zeichen der eigenen Fruchtbarkeit zu freuen.

Ich hätte all dies so gern viel früher gelesen.

Clara Henry: Ja, ich habe meine Tage! So what?, Übersetzung: Kerstin Schöps, Beltz, 2016, 196 Seiten, ab 13, 16,95 Euro

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Die Generationsbande

maxGenerationenhäuser sind ja gerade schwer in Mode. Wer kann, macht ein eigenes Wohnprojekt auf, in dem Alt und Jung unter einem Dach leben, sich umeinander kümmern und niemand vereinsamen muss. Eine schöne Vorstellung, so für mich, als Erwachsene.

Den 9-jährigen Max hat das Autoren-Duo Lisa-Marie Dickreiter und Winfried Oelsner in ein nicht ganz so hippes „Generationenhaus“ gesteckt. Um genauer zu sein, Max wohnt seit einer Woche in einem Seniorenheim, weil seine Mutter dort als Pflegekraft arbeitet. Das Heim ist zwar in einer echt coolen Ritterburg untergebracht, dennoch muss Max sich erstmal an die „alten Knacker“ gewöhnen. Meistens bringt er vor Verlegenheit keinen ordentlichen Ton heraus. Außerdem macht ihm Oberschwester Cordula mit ihren Regeln das Leben zur Hölle. Kinder im Seniorenheim sind bei ihr gar nicht gern gesehen.

Max‘ desolate Lage ändert sich erst, als ein Einbrechen den Schmuck von zwei Bewohnerinnen entwendet. Max ermittelt, und dabei helfen ihm die drei Bewohner von Tisch Nr. 7. Vera, die Schauspielerin, Kilian, der Professor, und Horst, der Fußballtrainer, haben als „Wilde Sieben“ ihren Ruf bei Oberschwester Cordula weg – denn die drei lassen sich so gut wie nichts gefallen. Die Wilde Sieben ist nämlich beileibe nicht auf den Kopf gefallen. Und Max auch nicht.

Dickreiter und Oelser lassen in dem ungewöhnlichen Schauplatz – ein Seniorenheim in einer Ritterburg – liebevoll ausgearbeitete Charaktere aufeinandertreffen. Der schlaue Max tritt zu seinem eigenen Bedauern völlig uncool und verdruckst auf. Doch die drei Alten, gestählt mit jahrelanger Berufserfahrung, bringen dem Helden die nötigen Kniffe bei, so dass sich Max im Laufe der Geschichte weiterentwickelt und aus sich raus kommt.
Hierin hat mich Max und die wilde 7 an Erich Kästners Geschichten erinnert, der auf der Seite der Kinder stehend ihnen immer von mutmachenden Vorbildern erzählt. Die jungen Leser können sich also auch hier von Max und seinen Senioren-Freunden eine Menge abschauen, ohne dabei von oben herab belehrt zu werden .
Gleichzeitig bietet die Detektivgeschichte jede Menge Spaß zum Mitfiebern und Raten. Quasi nebenbei erfahren die Leser, dass ältere Herrschaften, die in einem Seniorenheim leben, durchaus noch nicht scheintot sein müssen.

Die Verbindung zwischen den Generationen und das Verständnis für einander kann im Kinderbuch wohl nicht besser dargestellt und gefördert werden. Die treffenden Illustrationen von Ute Krause tragen ihren Teil dazu bei, dass man Max und die anderen Figuren sofort ins Herz schließt. Als Folge davon freut man sich nach diesem ersten Abenteuer der Wilden Sieben schon auf den nächsten Band.

Lisa-Marie Dickreiter/Winfried Oelsner: Max und die Wilde Sieben – Das schwarze Ass, Illustration: Ute Krause, Oetinger, 2014, 208 Seiten, ab 8, 12 Euro