Über Ulrike Schimming

Ulrike Schimming übersetzt Literatur – von Kinder- und Jugendbüchern bis zu Graphic Novels und Comics – aus dem Italienischen und Englischen und arbeitet als freie Lektorin. Dieses E-Magazin entstand aus ihrer Arbeit für die Jugendzeitschrift stern Yuno. Hier stellt sie Neuerscheinungen oder Klassiker der Kinder- und Jugendbuchliteratur vor, Graphic Novels oder Buch-Perlen, denen sie ein paar mehr Leser wünscht. Weitere Infos zu Ulrike Schimming finden Sie unter www.letterata.de

Kolosseum hautnah

Vor ein paar Jahren habe ich hier schon mal Fred und seine Zeitreisenabenteuer vorgestellt. Jetzt ist Fred in Buchform zurück – und zwar mit seinen Erlebnissen im alten Rom.
Ursprünglich gab es Freds Geschichten als Hörbücher, liebevoll und historisch absolut korrekt von Birge Tetzner und Rupert Schellenberger konzipiert und produziert. Schon das war damals ein absoluter Knaller in Sachen Hörbuch und sei immer noch wärmstens empfohlen (meine Ausgaben hat sich mein Neffe unter den Nagel gerissen).

Auf nach Rom

Nun aber konnte ich Freds Geschichte in Rom noch mal nachlesen und bin wieder ganz verzückt. Fred fährt hier mit Opa Alfred im Nachtzug nach Rom und gemeinsam streifen sie zunächst über das Forum Romanum, wo es viel über das Leben im alten Rom zu entdecken gibt.
Im Kolosseum, was gleich hinter dem Forum liegt, darf Fred einen alten Lastenfahrstuhl ausprobieren und landet nach einer Zeitreise direkt in den Katakomben des Kolosseums, in dem gerade ein Gladiatorenwettkampf stattfindet.

Vielfältige historische Details

Während man sich beim Hörspiel der Geschichte einfach hingeben kann, hat man im Buch wunderbar viel zu lesen und zu schauen. Denn neben der eigentlichen spannenden Geschichte, gibt es unzählige Infos rund um die Gladiatorenkämpfe, deren Regeln und Akteuere, zu denen tatsächlich auch Frauen gehörten. Graphiken zeigen den Aufbau des Kolosseums, wo welche Menschen saßen (was interessant ist, weil einem sofort die historischen Fehler in Sandalenfilmen wie Gladiator auffallen …), welche medizinischen Instrumente benutzt wurden oder welche Inschriften von Gladiatoren erzählen. Diese Infos sind hier ausführlicher und vielfältiger als im Booklet des Hörspiels. Zudem gibt es einen umfangreichen Anhang, in dem neben der Geschichte des Römischen Reiches auch die verschiedenen Waffengattungen der Gladiatoren erklärt werden. Ein Glossar zu den Fachbegriffen rundet alles ab.

Atmosphärische Illustrationen

Illustriert hat wie schon bei den vorherigen Büchern und Hörspielen Karl Uhlenbrock. Seine Bilder in fast gedämpften Farben und außergewöhnlichen Perspektiven vermitteln eine intensive Atmosphäre der Gladiatorenkämpfe und der düsteren Nächte im alten Rom. So hat man nicht nur durch Freds Erlebnisse das Gefühl, als Betrachter:in mitten im Geschehen zu stecken.
Bei der nächsten Rom-Fahrt mit Kindern sollte dieses Buch auf jeden Fall mit ins Reisegepäck – eine bessere Vorbereitung auf das Kolosseum und das alte Rom gibt es nicht.

Birge Tetzner: Fred im alten Rom. Im Schatten des Kolosseums, Illus: Karl Uhlenbrock, ultramar media, 2025, 240 Seiten, ab 10, 22 Euro

Mutig-mysteriöser Fühlender

Rilke

Kann man Rilke fassen? Kann man ihn erklären? Kann man ihn bildlich darstellen? Auf so manche Fragen haben selbst Rilke-Ultras wohl keine endgültigen Antworten, zu mysteriös bleibt auch heute noch der Dichter, dessen Geburtstag sich am 4. Dezember 2025 zum 150. Mal jährt.

Eine bildliche Darstellung jedoch hat nun die Comic-Künstlerin Melanie Garanin gewagt, die vor ein paar Jahren mit der autobiografischen Graphic Novel Nils. Von Tod und Wut. Und von Mut ein berührendes Debüt hingelegt hat. Auch dort kam Rilke bereits vor, in der Funktion des Trauerkartenbeschrifters.

Anfängliche Skepsis

Als diesen hat auch die fiktive Journalistin Ellen aus Mein Freund Rilke den Dichter im Kopf: »Meiner ist er ja nicht so«, konstatiert sie am Anfang, als sie auf Recherche-Reise nach Worpswede aufbricht. Ellen, eine Frau mittleren Alters, die zwar verheiratet ist, aber die Liebe lange nicht mehr erlebt hat, liest auf der Fahrt Rilkes Biografie. Diese baut Garanin in sepiafarbenen Panels in ihre Geschichte ein und führt damit sowohl ihre Protagonistin als auch die Lesenden an diesen Gefühlsmenschen heran, an seine vielen Lieben, sein unstetes Leben, sein Schloss-Hopping.

Original-Verse

Es bleibt jedoch nicht bei einer einfachen Rezeption von Rilkes Werk, denn plötzlich steht der Mann nach einer Tagungseröffnung vor Ellen, ohne dass sie ihn sofort erkennt. Sie wundert sich über den komischen Kautz, der Rilke-Verse druckreif zitiert, und ist mehr und mehr fasziniert. Sie taucht immer weiter in seine Gedichte ab. Diese und all die zitierten Verse sind in gelbhinterlegten Kästchen quasi als Ausschnitte aus einem Rilke-Band sofort als Originale zu erkennen. So erschafft Garanin eine dreifaltige Geschichte aus Biografie, Gedichten und dem Tanz von Ellen und Rilke durch Worpswede, Paris und das Wallis.

Interpretationsspielräume

Rilke in die Jetztzeit zu holen mag gewagt erscheinen. Das Spiel allerdings geht auf und wird sogar lustig, wenn er zum Erstaunen von Ellen in Null-Komma-Nichts lernt, Textnachrichten mit Anhang zu verschicken. Aber es sind vor allem seine Gedichte, die mal mit einfachen Worten ganz klar erscheinen, dann jedoch wieder schwülstig-unzugänglich daherkommen, die uns allen genug Raum für eigene Interpretationen, eigenes Identifizieren, eigene Gefühle lassen. Das ist bereits auf diesen fast wenigen Seiten ganz deutlich zu spüren. Vermutlich ist es auch das, was Rilkes Werk auch in der Gegenwart noch so faszinierend macht.

Bildgedicht

Melanie Garanins Zeichnungen und Bilder entwickeln sich im Laufe der Geschichte selbst zu Versen, in denen mal ein Haus tranchiert wird, mal Rosenblätter schweben, mal die Liebenden sich umschlingen und von Versen zugedeckt werden.
Entgegen jeder Erwartung kommt Rilkes wohl bekanntestes Gedicht, der Panther, nicht vor, stattdessen darf die Gazelle springen und sogar das Cover zieren. Der mutig-mysteriöse Fühlende hat eben weit mehr in Petto, als das Raubtier hinter Gittern – was Rilke-Kenner nicht überraschen wird. Neulingen jedoch wird hier eine Tür in ein Universum geöffnet, die man so schnell nicht mehr zuschlägt.

Passender Auftakt fürs Rilke-Jahr

Dem entsprechend leitet für mich als mehr oder minder Rilke-Newbie diese Graphic Novel das kommende Rilke-Jahr ein, das mit seinem Geburtstag beginnt und am 29. Dezember 2026 mit seinem 100. Todestag endet. Denn nach der Lektüre dieses Buches greift man unweigerlich zu den Gedichtbänden von Rainer Maria Rilke, liest sich fest und versenkt sich in die großen Gefühle über Liebe, Tod, Universumsunendlichkeit und fängt womöglich an, wie er, an Engel zu glauben. Etwas Besseres hätte Rilke nicht passieren können.

Melanie Garanin: Mein Freund Rilke, Carlsen, 2025, 192 Seiten, 26 Euro

Universum – Kosmos – Weltall. Ein Special

Als Übersetzerin habe ich seit Jahren immer mal wieder Kindersachbücher zum Thema Weltall und Sterne auf dem Schreibtisch, so auch dieses Jahr. Gerade ist meine neueste Übersetzung herausgekommen: Mein großes Buch vom Weltall von Camilla De la Bedoyere.
Die Geschichten über das Universum, seine Entstehung, unser Sonnensystem und seine Planeten, ferne Galaxien und Schwarze Löcher sind jedes Mal überaus faszinierend, dass mich immer wieder die Lust überkommt, Astronomie zu studieren – aber Mathe und Physik waren und sind leider nicht meine Stärken. Umso schöner, dass ich durch diese gutgemachten und verständlichen Kindersachbücher meinen Horizont auch ohne Studium erweitern kann.

Das nehme ich nun zum Anlass mal den Blick auf die aktuellen Publikationen anderer Verlage zu diesem unendlichen Thema zu werfen. Sternen-Bücher gibt es wohl seit Anbeginn des Buchdrucks. Bei uns zu Hause lagen schon in den 1970er Jahren sowohl alte Ausgaben aus der Nachkriegszeit, als auch WAS IST WAS-Bücher über Sterne herum. Ein Gesamtüberblick über dieses Genres wäre also ein unmögliches Unterfangen, weshalb ich mich auf die wichtigsten Erscheinungen aus den vergangenen vier Jahren beschränke. Falls mir bei meiner Recherche dabei etwas entgangen ist, bitte ich um einen Hinweis. Dann erweitere ich diese Sammlung.

Ähnliche Inhalte – viele Besonderheiten

Da sich die Inhalte bei Kindersachbüchern über das Weltall natürlich alle ziemlich ähneln, habe ich versucht, die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Publikationen hervorzuheben. Da eine Kategorisierung per se nicht ganz einfach ist, habe ich mich am Alter der Zielgruppen orientiert, beginnend bei den Jüngsten bis hin zu den junggebliebenen Erwachsenen.

Ich hoffe, hier jede:r etwas Passendes aus den Weiten der Buchproduktionen über unser Universum findet. Und los geht’s: 3 – 2 – 1 – Lift off!

Lesealter 2-5

Für Geschichten über den Himmel, das Weltall, den Weltraum und die Sterne kann man nie zu jung sein. So gibt es die ersten Pappbilderbücher bereits für Zwei- bis Vierjährige.
In Sonne, Mond und Sterne fängt es ganz einfach mit der Erklärung für das Phänomen von Tag und Nacht an. Kurze Texte liefern erste Infos zum Weltall, zur Raumfahrt und den Sternbildern.
Auf jeder Doppelseite gibt es immer die eine oder andere Klappe zum Aufmachen, dahinter betreten Astronauten den Mond oder zündet die nächste Raketenstufe. Genaues und wiederholtes Hinsehen ist damit garantiert. Auf diesen wenigen Pappseiten ist die Faszination für die unendlichen Weiten liebevoll und kleinkindgerecht angelegt. Die alltäglichen Welten der ganz Kleinen werden so um den Blick ins Universum geweitet.

Patricia Mennen: Wieso? Weshalb? Warum? junior – Sonne, Mond und Sterne, Illus: Peter Niederländer, Ravensburger Verlag, 5. Aufl. 2022, 16 Seiten, ab 2, 11,99 Euro

Poetisch wird es auf den zwölf Papp-Doppelseiten von Guck mal tief ins Weltall. Regina Schwarz liefert zu Sonne, Mond und fünf Planeten jeweils einen gereimten Vierzeiler mit den wichtigsten Infos. Dazu kommen ein Raketenstart und die Raumstation ISS.
Die ausgestanzten Löcher in der Seitenmitte, werden mit jedem Umblättern kleiner und enden in einer Sternschnuppe, die natürlich einen Wunsch erfüllt. Auf jeder Doppelseite hat sich zudem ein kleines grünes Wesen versteckt, das gesucht werden muss. Ein liebevoller Einstieg in das Weltall-Thema!

Regina Schwarz: Guck mal tief ins Weltall, Illus: Lisa Apfelbacher, Kosmos, 2023, 24 Seiten, ab 2, 14 Euro

Weiter geht es mit dem nächsten gereimten Bilderbuch mit Loch. Auf jeder Doppelseite von Unsere 8 Planeten wird genau ein Planet in jeweils vier Zeilen vorgestellt. Und das ist echt gut gemacht, denn auf diesem wenigen Raum schafft es Chris Ferrie die wichtigsten Merkmal der Planeten unseres Sonnensystems unterzubringen. Uranus liegt auf der Seite und ist der kälteste, Saturn besitzt 80 Monde und daher so viele Ringe. Auf Venus ist es 500 Grad heiß und er strahlt am hellsten. Beim Reimen hat Übersetzerin Silke Pöppel super Arbeit geleistet. Denn das so auf den Punkt hinzubekommen ist überhaupt nicht einfach!
Kleine Betrachter:innen bekommen hier also spielerisch die ersten harten Fakten über unsere Planeten. Und die Löcher, die auf jeder Seite ein bisschen kleiner werden, lassen immer die Sonne sehen, um die bekanntlich unsere Planeten kreisen. Ein wirklich tolles erstes Sternen-Buch!

Chris Ferrie: Unsere 8 Planeten, Illus: Lizzy Doyle, Übersetzung: Silke Pöppel, Penguin Junior, 2022, 20 Seiten, ab 3, 10 Euro

Nur wenige Seiten hat das Pop-up-Buch Im Weltall, doch die beherbergen filigrane Papierkunst, die sich beim Aufklappen entfaltet. Ein echtes Spektakel und ein wahrer Hingucker: Es startet eine Rakete ins All, zwei Astronauten hüpfen über den Mond, die ISS macht sich breit, ein Rover erkundet den rote Mars und zum Schluss umkreisen die Planeten die Sonne.
Hier steht natürlich der Pop-up-Effekt im Mittelpunkt, aber erste Infos zum Weltall und zur Raumfahrt lassen sich auch hier finden. Ein dynamischer Einstieg ins Thema!

Laura Cowan: Mein erstes Pop-up-Buch: Im Weltall, Illus: Chaaya Prabhat, Übersetzung: Birgit Zimmerer, Usborne, 2023, 10 Seiten, ab 3, 13 Euro

Eine erdbezogene Annäherung an das Universum kommt von Vater und Tochter Hawking. Lucy, die Tochter des 2018 verstorbenen Astrophysikers Stephen Hawking, fasst hier das Erbe ihres Vaters in dem inklusiven Bilderbuch Schaut zu den Sternen! zusammen. Sie lässt Stephen Hawking sprechen, der davon erzählt, dass er die großen Fragen des Weltalls lösen wollte: Wie groß ist das Universum? Wie viele Sterne gibt es? Was ist ein Schwarzes Loch? Sind Zeitreisen möglich?
Aber für ihn sind auch andere Fragen wichtige, die unser Zusammenleben auf der Erde betreffen: Wie können wir auf unseren Planeten aufpassen? Wie für eine lebenswerte Zukunft sorgen?
Die Hawkings fordern hier bereits die kleinen Menschen auf, über diese Fragen nachzudenken und unseren Planeten und das gemeinsame Zusammenleben darauf zu schützen. Am Ende des Buchs beantworten sie noch einige Fragen zum Weltall, die den ersten Wissensdurst kleiner Astrophysiker:innen stillen, aber auch zum Weiterforschen anregen.

Stephen Hawking/Lucy Hawking: Schaut zu den Sternen! Gemeinsam unterwegs in Richtung Zukunft, Illus: Xin Li, Übersetzung: Knut Krüger, Penguin Junior, 2025, 40 Seiten, ab 4, 16 Euro

Einen ersten Flug zur Raumstation ISS können mit Abenteuer im Weltraum Vorlesende und neugierige Kids gemeinsam unternehmen. In diesem Pappbuch fliegen die Kinder Marie und Luis ins All und erleben, wie mal als Astronaut:in auf der Raumstation den Alltag bewältigt. Die Schwerelosigkeit macht selbst das Schlafen zu etwas Besonderem – von den Toilettengängen und dem Haarewaschen mal ganz abgesehen. Dass die Kinder sogar Weltraumspaziergänge machen, ist zwar eigentlich Quatsch bzw. Fiktion, aber für die Identifikation mit dem Thema ganz schön. Auch hier gibt es wieder Klappen, hinter denen sich veränderte Illus und weitere Infos finden. Das Vorlesen wird so zum Gemeinschaftserlebnis. Dazu finden sich »Mach-mit!«-Aufforderungen, bei denen kleine Experimente durchgeführt werden können. Mit diesem Basis-Wissen über die Raumfahrt haben die Kinder nach der Lektüre schon eine ganze Menge Erstaunliches zu erzählen.

Volker Kratzenberg-Annies: WAS IST WAS Junior. Abenteuer im Weltraum, Illus: Niklas Böwer, Tessloff, 2024, 20 Seiten, ab 5, 14, 95 Euro

Lesealter 6-9

Leseanfänger können sich dann in Weißt du schon alles über das Weltall? in verschiedenen Formen ausprobieren. Hier gibt es kurze Text in einfacher Sprache, deren Silben farblich herausgehoben sind. So kann das Lesen ganz spielerisch geübt werden. Inhaltlich geht es um – na, klar – das Weltall, wie es entstanden ist, wie Sterne geboren werden und um Sonnen kreisen, wie aus kleinen Staubkörnchen Sternschnuppen werden, oder wie viele Menschen bereits auf der ISS waren. Am Ende jedes Kapitels gibt es ein Quiz, in dem das Gelesen wiederholt wird.
Dazu kommen Seiten mit »Profiwissen zum Vorlesen«. Damit wird die Lektüre dieses Buches zu einem Gemeinschaftserlebnis von Groß und Klein. Und vermutlich lernen dann beide Seiten etwas über Sterne, Planeten und Schwarze Löcher. Nur, dass man dann schon alles über das Weltall weiß, sollte man wirklich nicht glauben …

Helen Seeberg: Dein Lesestart. Weißt du schon alles über das Weltall?, Dudenverlag, 2025, 64 Seiten, ab 6, 10 Euro

In Geheimnisvolles Weltall wird auf jeder Doppelseite ein neues Thema behandelt. Es beginnt mit dem Überblick über das Universum und die wichtigste Maßeinheit, das Lichtjahr. Nach und nach geht es weiter ins Detail: Urknall, Sonnensystem, Planeten. Bei letzteren gibt es Einblicke in deren Aufbau und Materialien, so erfahren die angehenden Astrophysiker:innen was »Mondglas« ist und dass es Meteoriten aus Stein, Eisen oder einer Mischung daraus gibt.
Außerhalb unseres Sonnensystems faszinieren Helix-, Krebs- und Adlernebel ebenso wie die verschiedenen Formen der Galaxien. Exoplaneten könnten Lebensräume für Aliens sein. Und ein Rätsel gibt immer noch die Dunkle Materie auf, von der die Wissenschaft noch nicht weiß, woraus sie besteht.
Dieses Kompendium mit kurzen, gut verständlichen Texten, befasst sich zu dem mit Raumtechnik und Raumfahrt, thematisiert das Problem des Weltraumschrotts, die Schwierigkeit der Marsmissionen und spekuliert über Aliens. Den Abschluss bildet der eigene Blick in den Himmel, an dem sich Sternbilder entdecken lassen.

Shoshana Z. Weider: Geheimnisvolles Weltall. Entdecke die unendlichen Weiten des Universums, Illus: Claire McElfatrick, Übersetzung: Birgit Reit, Dorling Kindersley, 2025, 80 Seiten, ab 7, 16,95 Euro

In dem Klappenbuch Abenteuer Weltraum gibt es jede Menge Sachen zum Ausklappen. Gleich die erste Doppelseite verdoppelt sich noch mal und zeigt in comichaften Illustrationen das Weltall mit Sternen, Planeten, Galaxien. In einfachen Worten und kurzen Sätzen wird die Entstehung von Sternen erläutert und wie sie wieder sterben.
Auf einer mäandernden Zeitleiste gibt es Infos zur Geschichte der Astrophysik und den wichtigsten Protagonisten wie Galileo Galilei oder Albert Einstein. Auch das Sonnensystem wird wieder im Breitbandformat vorgestellt. Zu jedem Planeten sind Fakten und Zahlen zum Staunen eingestreut.
Als Goody gibt es am Ende ein Heftchen mit kleinen Sternkarten, auf denen man die Sternbilder entdecken und sie gleich abends am Himmel suchen kann.

Katie Daynes: Ich weiß mehr! Abenteuer Weltraum. Vom Urknall bis zur Raumfahrt, Illus: Peter Allen, Übersetzung: n.n., Usborne, 2025, 12 Seiten ab 7, 16 Euro

Unklare Besitzverhältnisse sind bekanntermaßen nie gut. Sie führen meist zu Streit. Auch beim Weltraum, den wir ja nach und nach immer weiter erforschen und erobern, stellt sich diese Frage: Wem gehört eigentlich der Weltraum? Nur ist es hier nicht ganz so einfach. Anne Scheller nähert sich in ihrem Buch dieser Frage, indem sie zunächst erklärt, wo der Weltraum überhaupt beginnt und wie er entstanden ist. In kurzen Texten geht es durch die Geschichte von Universum und Raumfahrt. Von der Forschung auf der ISS und möglichen Touristentouren ins All gelangt sie zu den Satelliten, die unsere Erde umkreisen. Diese mittlerweile unverzichtbaren Helfer in unserem Alltag sind dort oben heute so zahlreich vertreten, dass es langsam fast etwas eng wird. Und sie entwickeln sich zu einem Problem: Kaputte Satelliten bleiben einfach in der Erdumlaufbahn und werden zu Weltraumschrott. Doch wer macht den wieder weg? Normalerweise sind die Eigentümer zum Aufräumen verpflichtet, aber die unendlichen Weiten gehören niemandem. Der Blick auf diese ungeklärten Verhältnisse und die ersten Ansätze zur Lösung dieser Probleme ist eine interessante Facette in diesem liebevoll illustrierten Buch.

Anne Scheller: Wem gehört eigentlich der Weltraum?, Illus: Julia Christians, Beltz & Gelberg, 2025, 62 Seiten, ab 7, 16 Euro

Zu einem Tripp ins All startet Mein galaktischer Weltraum-Atlas von Jane Wilsher. Auf jeder Doppelseite gibt es ein neues Thema, angefangen bei der Betrachtung des Sternhimmels von der Erde aus, über den Raketenstart und den Alltag im Kosmos. Kleine Texthäppchen liefern Erstlesenden erstaunliche Infos – beispielsweise muss die Zahnpasta heruntergeschluckt werden. Dazu gibt es knallbunte Illus, in denen vor allem die Technik der Raumfahrt dargestellt wird, wie der Mond- und auch der Marsrover.
Zum Mitmachen und genauen Hinschauen animiert auf jeder Doppelseite ein bunter Kreis mit Fragen. So müssen die Sonneneruptionen gezählt oder der Planet mit dem Roten Fleck gesucht werden. Kleine Technik-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten!

Jane Wilsher: Mein galaktischer Weltraum-Atlas. Eine Reise zu den Sternen und zurück, Illus: Paul Daviz, Übersetzung: Elena Bruns, moses. Verlag, 2024, 32 Seiten, ab 8, 14,95 Euro

Unter dem Sesamstraßen-Motto Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt bleibt dumm! werden in diesem Ringbuch 27 Fragen zum Weltraum gestellt und beantwortet. Zwei kleine Weltall-Alliens begleiten die Lesenden und liefern in Sprechblasen lustige Anmerkungen zu den vielen Infos, die sich um Sonne, Planeten, Kometen und die Milchstraße drehen. Auf zum Teil aufklappbaren Seiten entfaltet sich so ein grundlegender Überblick über das Universum. Es gibt zudem einen kurzen historischen Abriss über die wichtigsten Astronomen und Entdecker.
In der Abteilung »Spezial-Wissen« wird ein Faktum des jeweiligen Themas vertieft, beispielsweise wie sich in der Sonne Protonen in Neutronen verwandeln.
Aber es bleibt nicht bei der Theorie, denn hier finden sich auch Anregungen, wie man die Phänomene des Alls in Experimenten nachstellen kann. Da wird dann eine Luftballon-Rakete gebaut, die Wirkung der Schwerelosigkeit oder eines Schwarzen Lochs gezeigt.
Abgerundet wird alles durch aufschlussreiche Interviews mit noch lebenden Astronomen, Astrophysikern und Astronauten. Die Frauen der Astrophysik fehlen allerdings gänzlich.

Stefan Greschik: Wieso? Weshalb? Warum? Profiwissen – Weltraum, Illus: Jochen Windecker, Ravensburger Verlag, 10. Auflage 2014, 56 Seiten, ab 8, 14,99 Euro

Wahrscheinlich eine der wichtigsten Fragen in Sachen Weltraumfahrt ist natürlich: Wie geht man im Weltall aufs Klo?
Eine vereinfachte Antwort findet sich in diesem Klappenbuch. Dazu noch jede Menge andere Fragen, wie: Wer erfand Raketen? Wo gehen Astronauten zur Schule? Warum funkeln Sterne? Welche Tiere nutzen Mond und Sterne?
Wissensdurstige Leser:innen finden dann hinter den Klappen die kurzen, aber präzisen Antworten. Wissensvermittlung findet hier ganz spielerisch statt. Trotzdem wird auf wenigen Seiten mit mehr als 50 Fragen eine große Bandbreite an Weltraumwissen geboten.

Katie Daynes: Wie geht man im Weltall aufs Klo?, Illus: Peter Donnelly, Übersetzung: Andrea Reinacher, Usborne, 2. Auflage 2024, 14 Seiten, ab 8, 14 Euro

Auslöser für dieses Weltall-Special war meine Übersetzung von Camilla De la Bedoyeres Mein großes Buch vom Weltall, das nun endlich im Handel ist. Es ist mit 64 Seiten eigentlich nicht so dick – der ursprüngliche Titel lautete auch ganz anders –, aber vom Format her mit fast 35 cm Länge eben ziemlich groß. Es zeigt liebevoll illustriert die wichtigsten Elemente des Weltalls: Unser Sonnensystem mit Planeten, Sonne, Erde und Mond; die Entstehung von Sternen und was aus ihnen wird; die verschiedenen Galaxien und die nördliche und südliche Hemisphäre.
Ein Überblick über die ersten Reisen ins All fehlt ebensowenig wie die Erkundung von Mars und die Suche nach außerirdischem Leben.
Als ein erster Einstieg in die Materie ist es zum Blättern, Schauen und Entdecken super geeignet.

Camilla De la Bedoyere: Mein großes Buch vom Weltall, Illus: Aaron Cushley, Übersetzung: Ulrike Schimming, carlsen, 2025, 64 Seiten, ab 8, 16 Euro

Noch ein paar Zentimeter größer ist der Atlas des Weltalls, in dem in fünf Überkapiteln Fragen zum All beantwortet werden: Was sehen wir mit bloßem Auge? Wo sind wir? Wie sind die anderen Planeten? Was sehen moderne Teleskope? Wie erforscht der Mensch das All?
Den Auftakt machen verschiedene Sternbilder und Himmelskarten aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen. Die alten Griechen sahen etwas anderes in den Sternen als die Chinesen, Afrikaner oder Navajo. Dieser Blick über unseren Himmelshorizont hinaus ist spannend und anregend.
Weiter geht es dann mit der Position der Erde in der Galaxie Milchstraße und den Portraits unser Planeten.
Bei der Betrachtung durch die Teleskope kommt man später noch mal auf die Sternbilder zurück.
Die grafisch ansprechenden Illustrationen abstrahieren die Himmelsphänomene und wirken dabei sehr modern.

Lara Albanese: Atlas des Weltalls. Die Geheimnisse des Himmels und der Sterne, Illus: Tommaso Vidus Rosin, Übersetzung: Claudia Koch, midas, 2021, 88 Seiten, ab 8, 25 Euro

Spielerisch geht es in dem Wissenwelten-Buch über das Weltall zu. Die wenigen, aber sehr aufwändig produzierten Seiten haben es in sich: Hier findet man überall kleine Klappen, hinter denen sich weitere Informationen z. B. über die Sonne, die Planeten, Atome oder Raumfahrttechnik verbergen. Fast kommt man sich wie bei einem Adventskalender vor – hinter jedem Türchen eine Überraschung.
Auf einer großen ausklappbaren Doppelseite sieht man dann sogar die Planten um die Sonne kreisen.
Die kurzen Texte sind durch die Übersetzung von Birgit Reit sehr gut verständlich und auch für junge Leser:innen geeignet. Die Cut-outs und Löcher in den Seiten werden zu einem zusätzlichen Hingucker, die immer wieder neue Perspektiven ermöglichen. Die teilweise dreidimensional angelegten Illustrationen in poppigen Farben vermitteln in ihrer Abstraktion einen ersten Eindruck des Universums um uns.
Langweilig wird es einem bei diesem Buch nicht.

Gail Armstrong (Illus): Wissenswelten Weltall. Schicht für Schicht die Weiten des Universums entdecken, Text: Ruth Symons, Übersetzung: Birgit Reit, Dorling Kindersley, 2025, 28 Seiten, ab 8, 19,95 Euro

Mit einem witzigen Anstrich geht es in dem Comic Auf der Raumstation zur ISS. Hier dreht sich alles um das Leben der international zusammengewürfelten Crew im Weltall. Jungastronautin Becky führt die Leser- und Betrachter:innen durch das Innere der Raumstation und zeigt, wie ein Tag 400 Kilometer über der Erde so abläuft.
Dabei geht es weniger um Sterne und Planeten, sondern um die ganz alltäglichen Dinge im All: Wieso schwebt alles? Und wieso ist das Schweben eigentlich ein Fallen? Stichwort: Mikrogravitation.
Auch die Nahrung im All hat ihre Besonderheiten. Nichts darf krümeln, damit die herumschwebenden Bröckchen nicht in die Bordelektronik geraten und eine Katastrophe auslösen. Daher gibt es eher Tortilla-Wraps anstatt Chips, alles ist in Dosen oder Plastik verpackt und Gurte, Magneten und Klettbänder helfen, dass die Dinge an Ort und Stelle bleiben.
Aber Becky berichtet auch von den Tieren und Pflanzen, die zu Forschungszwecken mitfliegen, den körperlichen Veränderungen, die die Astronaut:innen bei ihrem Aufenthalt im All durchmachen, und dem Training, damit sie fit bleiben.
Wer nach dieser Lektüre immer noch ins All will, dem erzählt Becky, wie lang und umfangreich die Ausbildung zum Astronauten ist. Danach kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Rob Lloyd Jones: 24-Stunden-Abenteuer. Auf der Raumstation, Illus: Laurent Kling, Übersetzung: Andrea Reinacher, Usborne, 2025, 64 Seiten, ab 8, 13 Euro

ESA-Astronaut Matthias Maurer verbrachte 175 Tage auf der ISS und hat nun zusammen mit Autorin Sarah Konrad und Illustratorin Noa Sauer den Comic Training für den Mond vorgelegt, in dem er von seinem größten Traum erzählt: nämlich einmal über den Mond zu hüpfen.
Was scheinbar eine leichte Übung in der Raumfahrt sein sollte – schließlich waren die Menschen schon vor mehr als 50 Jahren auf dem Mond – entpuppt sich jedoch als eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Und die muss sehr gut vorbereitet werden.
Mauerer nimmt die Leserschaft mit zu diesem intensiven Training, das die Astronaut:innen bewältigen müssen. So geht es in steinige Gebirge, dunkle Höhlen, trockene Wüsten, um dort das genaue Beobachten zu lernen und zu üben, in Raumanzügen und mit Greifern Gesteinsproben zu nehmen. Nur sind die natürlichen Bedingungen der Erde selbstverständlich nicht mit denen auf dem Mond zu vergleichen. Daher hat die ESA in der Nähe von Köln das Mondtrainingszentrum LUNA gebaut. Und auch dorthin nimmt Maurer uns mit und schenkt uns einen hochinteressanten Einblick in all das, was auf dem Mond alles zu beachten ist. Allein, dass das Licht wegen der mangelnden Atmosphäre anders ist und Schatten wirklich pechschwarz sind, stellt eine Herausforderung dar. Mauer erzählt lustig und manchmal selbstironisch, immer jedoch hochinformativ. Der Respekt für die Leistung der Astronaut:innen steigt nach dieser Lektüre umso mehr.

Matthias Maurer/Sarah Konrad: WAS IST WAS. Training für den Mond, Illus: Noa Sauer, Tessloff, 2025, 112 Seiten, ab 8, 16,95 Euro

Ebenfalls auf der ISS spielt die fiktive Geschichte, die die italienische Raumfahrerin Samantha Cristoforetti zusammen mit Emma Roberts geschrieben hat. Darin verbringt die junge Cassie Futura ein halbes Jahr auf der ISS – was natürlich reine Fiktion, aber dicht an der Zielgruppe ist.
Cassie beschreibt in ihrem Tagebuch, was sie dort oben alles erlebt. Eine Tutorin gibt dem Mädchen aus dem Missionkontrollzentrum auf der Erde bestimmte Aufgaben, die sie während ihres Aufenthalts auf der Raumstation lösen muss.
Hier wechseln sich Cassies Tagebucheinträge mit grau umrandeten Erklärseiten ab (Cassies Aufgaben), in denen beispielsweise der Aufbau der ISS, die Funktion des Webb-Weltallteleskops oder botanische Experimente erklärt werden. Natürlich haben auch Weltraumnahrung und Weltraumklogänge ihren Platz.
In der Mitte des Buches finden sich dann ein paar Seiten mit farbigen Fotos, die Samantha Cristoforetti auf ihrer Mission 2022 in der ISS zeigen. Samantha und ihre weibliche Protagonistin Cassie machen also neben der ganzen ISS-Vermittlung, die in Zusammenarbeit mit der ESA entstanden ist, deutlich, dass auch Frauen ins Weltall fliegen. Das ist bei der männlichen Dominanz in diesem Beruf immer noch nicht selbstverständlich, wird aber durch solche Vorbildbücher langsam aufgebrochen. Endlich.

Samantha Cristoforetti/Emma Roberts: Cassie Futura. Mit 11 1/2 Jahren im Weltall. Mein Tagebuch – streng geheim!, Übersetzung: Moritz Langer, Dorling Kindersley, 2025, 160 Seiten, ab 8, 12,95 Euro

Wer nicht nur lesen und Wissen aufsaugen möchte, hat bei Memo Wissen Weltall die Gelegenheit zu quizzen. Über die Lernplattform Kahoot! kann man testen, ob man auch all die vielen Zahlen und Infos über Planeten, Weltraummissionen, Sternengeburten und Galaxien behalten und abrufen kann. Personengebundene Daten werden dabei nicht erhoben, man spielt unter einem Nickname. Anmeldung und Benutzerkonto sind nicht erforderlich.
Zuvor sollte man jedoch das Buch genau lesen, denn manche Antworten sind nicht allgemein bekannt und es kommt auf das Detail an. Aber auch das macht bei den vielen Fotos und Illustrationen Spaß. Die kurzen Texte überfordern niemanden. Im Battle mit den Erwachsenen kann man dann spielerisch herausfinden, wer mehr über das Weltall und die Raumfahrt weiß.

Robin Kerrod: Memo Wissen Weltall, Übersetzung: Susanne Schmidt-Wussow, Dorling Kindersley, 2025, 72 Seiten, ab 8, 12,95 Euro

Fast wie ein Videospiel ist die Mission zum Mars aufgemacht. In neonknalligen science-fiction-artigen Illus wird eine Crew zum Mars geschickt. Als Crew-Mitglied muss man auf jeder Doppelseite eine Entscheidung treffen und wird so kreuz und quer durchs Buch geschickt. Man kann es natürlich auch ganz klassisch von vorn nach hinten lesen, aber dann geht die Spannung verloren.
So erfährt man spielerisch, was für ein langwieriges und schwieriges Unterfangen es ist, a.) überhaupt auf den Mars zu gelangen, b.) dort zu überleben und c.) beispielsweise sich dort fortzubewegen und Gesteinsproben zu nehmen.
Gerade träumen so einige Menschen von der Besiedlung dieses Planeten, aber noch ist das alles ziemliche Zukunftsmusik und vom Nutzen her auch eher fragwürdig. Aber in diesem interaktiven Abenteuer, das zusammen mit der ESA entwickelt wurde, bekommen die Kids eine Ahnung von den Herausforderungen der Astrophysik. Und manchmal muss man auch einfach groß träumen.

Sheila Kanani: Mission zum Mars. Aufbruch zum Roten Planeten, Illus: Adamstor, Übersetzung: Maria Zettner, Dorling Kindersley, 2025, 64 Seiten, ab 8, 14,95 Euro

Die WAS-IST-WAS-Bücher gab es ja schon zu meiner Kindheit, was auch schon ein halbes Jahrhundert her ist, und immer noch werden sie gepflegt und regelmäßig überarbeitet. Im aktuellen Universum-Band finden sich jetzt spektakuläre Illus und Bilder. Wobei hier endlich mal die Anmerkung auftaucht, dass viele Illustrationen nur eine Fantasie bzw. eine Vorstellung sind, wie es möglicherweise im All aussehen könnte. Das sensibilisiert ganz gut dafür, dass das Universum immer noch ein großes Unbekanntes ist. Neben den üblichen Infos über Sterne, Sonnen, Planeten, Sterngeburten und -tode beschreibt der Astrophysiker Kratzenber-Annies auch andere Theorien wie die vom Multiversum oder die Stringtheorie. Humoristisch wird es, wenn er sich das Weltall als Donut vorstellt oder ein (natürlich fiktives) Interview mit einem Alien führt. Das lockert die schwierige Materie auf, die ansonsten in bester WAS-IST-WAS-Manier in kurzen, gut verständlichen Texten umfangreiches Wissen vermittelt.

Volker Kratzenberg-Annies: WAS IST WAS Universum. Galaxien, Sterne, Schwarze Löcher, Tessloff, 2025, 48 Seiten, ab 8, 14,95 Euro

Wenn sich die Planeten-Begeisterung bei den Kindern halten sollte und sie mehr wissen wollen, bietet sich Sophie Allans Die Planeten an. Hier geht es rein in unser Sonnensystem bzw. zunächst einmal in unsere Galaxis, die Milchstraße. Übersetzerin Birgit Reit schafft es, die komplizierten Fakten mit ihren ganz speziellen Fachbegriffen so einfach zu schildern, dass Kinder mit ersten Lesekenntnissen hier bereits einsteigen können.
Die Planeten werden dann natürlich einzeln vorgestellt, ihre Besonderheiten herausgehoben und nützliche Vergleiche gezogen, um sowohl Größe, Entfernungen und Beschaffenheit genau einordnen zu können.
Beim Mond geht es dann selbstverständlich auch um die Mondmissionen der NASA und die ersten Menschen, die auf unserem Trabanten spazierten. Die Marsmissionen werden ebenso erläutert und machen klar, wie schwierig die Erforschung der anderen Planeten ist. Je weiter entfernt die Planeten von der Erde sind, umso schwieriger wird es natürlich.
Illustrativ wird hier sowohl mit Zeichnungen als auch mit Fotos von der NASA gearbeitet. Das liefert neben anschaulichen, gut verständlichen Illus auch einen ersten wissenschaftlichen Blick ins Universum.

Sophie Allan: Die Planeten. Entdecke unser faszinierendes Sonnensystem, Illus: Dawn Cooper, Übersetzung Birgit Reit, Dorling Kindersley, 2024, 80 Seiten, ab 9, 14,95 Euro

Nach all den Fakten über das All, die uns mittlerweile bekannt sind, stellt man sich irgendwann unweigerlich die Frage: Was kommt hinter dem Universum? Philosoph Jörg Bernardy, der mit Kindern und der Maus über die wichtigen, grundlegenden Fragen des Lebens nachdenkt, versucht, darauf eine Antwort zu finden. Spoiler: Er weiß es auch nicht. Aber das ist vielleicht auch nicht entscheidend. Wichtiger ist, sich über den Begriff »Unendlichkeit«, der im Zusammenhang mit dem Universum immer wieder fällt, Gedanken zu machen.
Und so stellt Bernardy hier nach bester Philosophen-Manier unzählige Fragen – über Zahlen, Grenzen, Größen, Dauer, Langeweile, Wurst und Käse, Schneeflocken und das Leben. Das mag mit dem Weltall nicht so viel zu tun haben, eröffnet aber das Universum in uns und trägt zum Verständnis unseres Daseins in dieser Unendlichkeit bei. Denn nur, wenn wir unsere Endlichkeit begreifen, haben wir möglicherweise eine Chance, uns dem Phänomen der Unendlichkeit und dem nicht zu begreifenden Universum anzunähern, ohne dabei den Kopf zu verlieren.

Jörg Bernardy: Was kommt hinter dem Universum? (Fast) alles über die Unendlichkeit, Illus: Andrea Stegmaier, Beltz & Gelberg, 2024, 62 Seiten, ab 8, 18 Euro

Lesealter 10-12

Einen ganz besonderen und hochaktuellen Blick ins Universum bekommt man in Jenseits der Unendlichkeit. An Weihnachten 2021 startete das James-Webb-Weltraumteleskop ins All und schickt seitdem spektakuläre Fotos von uralten Galaxien, Sternnebeln und Saturnmonden.
Auf den ersten Seiten wird der Aufbau und die Funktion dieses neuesten Teleskops erläutert. Vergleiche mit den Fotos vom Vorgänger Hubble verdeutlichen, wie sehr sich die Weltraumfotografie verbessert hat. Forschende können nun noch genauer die Geheimnisse des Universums erkunden und Rückschlüsse auf seine Entstehung, die Geburt von Sternen und mögliche Planeten mit Leben machen.
Top-Forscherinnen wie Quyen Hart, Megan Reiter, Naomi Rowe-Gurney und Tiffany Kataria beantworten Fragen zu unterschiedlichsten Themen, wie dem Wetter auf anderen Planeten, die Geheimnisse des Sonnensystems und Aliens. Und diese Runde zeigt einmal mehr, dass Astrophysik keine Männerdomäne mehr ist, sondern sehr viele Frauen dort ganz selbstverständlich neue Erkenntnisse liefern.
Die Fotos sind tatsächlich spektakulär – so erscheint der sonst immer rot gezeigte Jupiter auf einmal in grün-blau-weißen Streifen mit roten Polarlichtern. Man hat kann hier also über die Fotos staunen und bekommt daneben in verständlichen Grafiken, die Technologie hinter dem Webb-Teleskop erklärt und wie man mit Licht die verschiedenen chemischen Elemente im All ermitteln kann. So scheint das All plötzlich ganz nah.

National Geographic Kids: Jenseits der Unendlichkeit, Übersetzung Katja Hald, Ravensburger Verlag, 2025, 80 Seiten, ab 10, 16,99 Euro

Haben die Sternengucker:innen schließlich Lust bekommen, selbst ins All zu fliegen, so finden sie in Dein Ticket ins Weltall Informationen zur Raumfahrt. Kate Peridot stellt anschaulich die verschiedenen Transportraketen vor, was sie können und wie das »Leben« darin abläuft. Sie erklärt nur am Rande die Sterne, wie beispielsweise den Mars, wenn sie die geplanten Marsmissionen der Zukunft schildert. Astrophysik kommt in gut dosierten Maßen und leicht verständlich daher. So erfahren die Lesenden, wie sie Nachrichten ins All übermitteln können.
Hier vermischen sich der aktuelle Technikstand der Raumfahrt mit der Fantasie und der Vorstellung des Lebens im All. Vieles ist tatsächlich Zukunftsmusik, die vermutlich sogar die heutige Zielgruppe dieses Buches nicht erleben wird. Aber wer – wie irgendwelche durchgeknallte Tech-Milliardäre aus Silicon Valley – groß denken und dabei mitmachen will, findet hier Infos, wie man auf der ISS duscht und warum man sich dort auch um Pflanzen kümmern muss.
Am Ende gibt es ganz praktische Vorschläge, wie zukünftige Raumfahrende ihre Fähigkeiten fürs All schon hier auf der Erde trainieren können. Wer das dann durchzieht und länger durchhält, hat vielleicht wirklich Chancen irgendwann um die Erde zu kreisen oder gar zum Mars zu fliegen.

Kate Peridot: Dein Ticket ins Weltall. Wie du von der Erde ins Universum durchstartest, Illus: Terri Po, Übersetzung: Silke Körber, Knesebeck Verlag, 2025, 64 Seiten, ab 10, 20 Euro

Schon ausführlicher und weiter ins Detail geht es in Erstaunliches Universum. Neben den klassischen Infos zu Urknall, Planeten und Sonnensystem erfährt man Interessantes zu Weltraumschrott und Treibstoffen, mit denen die Raketen angetrieben werden.
Auch Phänomene wie die Oorthsche Wolke, Supernovae, Schwarze Löcher und Neutronensterne werden leicht verständlich erklärt – auch wieder Dank der Übersetzung von Birgit Reit. Nach und nach fließt die Physik in die Texte mit ein.
Die Mischung aus Weltraumfotografien und wunderschönen aquarellierten Illustrationen bietet jede Menge Anschauungsmaterial. Und bei einem Umfang von 176 Seiten kann man sich auf ein langes Lese- und Erkundungsabenteuer freuen. Dieses Kompendium deckt damit so gut wie alle wichtigen und bekannten Bereiche des Universums ab.

Sophie Allan/Josh Barker: Erstaunliches Universum. Von spannenden Raumfahrt-Missionen und fernen Galaxien, Illus: Tim Smart, Übersetzung: Birgit Reit, Dorling Kindersley, 2025, 176 Seiten, ab 10, 19,95 Euro

Der niederländische Grafikdesigner Jan Van Der Veken konzentriert sich in seinem Werk ganz auf die Raumfahrt. In großartigen Illus, die sich jeweils über die oberen zwei Drittel einer Doppelseite ziehen und ganz offensichtlich von Hergé inspiriert sind, stellt er alle Bereiche der Raumfahrt vor. Das beginnt mit den Bestandteilen der Raketen und der Raketenkontrolle, umfasst aber auch die Geschichte der Raumfahrt wie den russischen Sputnik und Gagarin als ersten Menschen im All. Van Der Veken zeigt die Flugbahn zum Mond und wie das Landemodul auf dem Erdtrabanten aufsetzt. Natürlich fehlen weder die Raumstation MIR noch die wiederverwendbaren Spaceshuttles und die ISS.
Launige Texte, von Rolf Erdorf lässig übersetzt, erläutern dann, was es mit der Technik auf sich hat, wo der Weltraumschrott auf der Erde entsorgt wird und welche unerklärlichen Objekte so schnell durch unsere Galaxie sausten, dass sie nicht erforscht werden konnten.
Dieses Buchkunstwerk war 2024 als Wissenschaftsbuch nominiert und ist ein Augenschmaus.

Jan Van Der Veken: Das Raumfahrt-Buch, Übersetzung: Rolf Erdorf, Gerstenberg Verlag, 2024, 104 Seiten, ab 10, 25 Euro

Im ungewöhnlichen Querformat von Alles dreht sich widmet sich die Katalanin Aina Bestard unserem Sonnensystem. Dabei geht sie ganz klassisch von den allgemeinen Infos aus, um sich dann, beginnend bei der Sonne durch die Planeten, den Asteroidengürtel, die Monde bis zu den Grenzen unseres Sonnensystems vorzuarbeiten. Die zumeist monochromen Illus erinnern an Radierungen und werden mittels durchscheinenden Pergamentseiten und einem ausklappbaren Planeten-Panorama zu beeindruckender Buchkunst. Aina Bestard hat sich dabei von den wissenschaftlichen Illustrationen des 19. Jahrhunderts inspirieren lassen. Diese Kunst geht über das rein Wissenschaftliche hinaus und verdeutlicht um so mehr die Faszination, die das Universum auf uns alle ausübt.
Die kurzen Texte, geschmeidig von Ursula Bachhausen übersetzt, liefern Zahlen, Infos und die aktuellen Fakten. 2023 war dieses Werk als Wissenschaftsbuch nominiert.

Aina Bestard: Alles dreht sich. Die Wunder unseres Sonnensystems, Übersetzung: Ursula Bachhausen, Gerstenberg Verlag, 2023, 60 Seiten, ab 10, 26 Euro

523 bemerkenswerte Informationen und ziemlich viel Text finden sich in Jan Paul Schuttens Buch Das Weltall oder Das Geheimnis, wie aus nichts etwas wurde. Hier muss man also wirklich Lust aufs Lesen haben. Doch zum Glück sind die Seiten immer wieder mit den grafischen Illus von Floor Rieder aufgelockert. Die Lesenden werden in der legeren Übersetzung von Verena Kiefer geduzt und direkt angesprochen – und so immer bei den riesigen Zahlen, die Schutten liefert, und den vielen Einzelheiten zur Entstehung des Universums, der Zeit, den chemischen Zusammensetzungen der Materie und des Menschen mitgenommen. Vom Kleinen bewegen wir uns hier immer weiter zum Größeren, hinaus ins All.
Dabei geht es weniger um die üblichen Erklärungen zu Sonne und Planeten, sondern mehr um die Art, wie wir das All erkunden, welche Fragen sich stellen, welche Rätsel und Geheimnisse noch ungelöst sind und vielleicht bleiben. Zwischendrin gibt es Hinweise zum Innehalten, um die Dinge hier auf Erden noch weiter zu hinterfragen oder sich von Einsteins Theorien zu erholen.
Ein Rezept für Blaubeerkuchen lädt zum Machen ein und erklärt dann noch ganz nebenbei die Ausdehnung des Universums.
Aus dieser Lektüre kommt man nicht als Raumfahrende:r, sondern viel mehr als Philosoph:in wieder heraus. Denn das Fragenstellen ist fast wichtiger, als die eindeutigen Antworten.
So war dieses Buch 2022 durchaus verdient für den Jugendliteraturpreis in der Sparte Sachbuch nominiert.

Jan Paul Schutten: Das Weltall oder Das Geheimnis, wie aus nichts etwas wurde, Illus: Floor Rieder, Übersetzung: Verena Kiefer, Gerstenberg Verlag, 2. Auflage 2022, 160 Seiten, ab 12, 28 Euro

Lesealter ab 14

Einen wahren Prachtband hat ein Autorenteam aus vier Physiker:innen und Astronom:innen vorgelegt. In Kosmos blicken wir anhand von aktuellen Fotos, die u.a. das James-Webb-Weltraumteleskop gemacht hat, in die Tiefen des Alls.
Auftakt machen jedoch zunächst Erläuterungen über das Licht, wie es eingefangen wird, mit welchen Teleskopen die Menschen einst den Sternhimmel beobachteten. Über die Portraits unserer Sonne und unserer Planeten geht es dann immer weiter in das Weltall, zur Milchstraße, zu Supernovae, diffusen Nebeln und Schwarzen Löchern.
Zwischen diesen hochaktuellen Fakten finden sich dann regelmäßig Kapitel über die Geschichte der Sternkunde und Astronomie. Alte Zeichnungen, Grafiken, Gemälde und Objekte zeigen das damalige Wissen, das dem unseren manchmal verblüffend genau entspricht, manchmal jedoch auch die Fantasie der Menschen spiegelt.
Diese zeigt sich vor allem in den Sternkarten, denen am Endes dieses Kompendium viel Raum gegeben wird. Alte Sternkarten und Zeichnungen der 88 offiziellen Konstellationen werden mit aktuellen Weltraumfotos kombiniert. Hier ergeben Wissenschaft und Mythologie eine faszinierende Mischung.

Abigail Beall/Philip Eales/Carolyn Kennett/Giles Sparrow: Kosmos. Wunderwelt des Universums, Übersetzung: Stephan Matthiesen, Dorling Kindersley, 2025, 416 Seiten, 49,95 Euro

Wer sich intensiver mit der Astronomie befassen will, aber noch keine Lust auf reine Physik- und komplizierte Fachbücher hat, findet in Alles über Astronomie längere, tiefer gehende Text mit jeder Menge Informationen, Zahlen, Übersichten, Listen, beispielsweise über die »10 hellsten Sterne am Himmel« oder »Heiße und kühle Sterne«. Ergänzt werden die Text durch unzählige, spannende Weltraum- und Planetenfotografien, die ins Detail gehen. So bekommt man einen hervorragenden Eindruck, mit welchen Daten und welchem Bildmaterial die Profis auf der Erde arbeiten, um den Raum zu erforschen.
Im hinteren Teil des Buches liefert das Autoren-Duo (über die es im Buch leider keine biografischen Infos gibt) praktische Tipps zur Himmelsbeobachtung. Monat für Monat zeigen sie den Sternhimmel und die daran zu erkennenden Sternbilder. Eine kurze Übersicht über Fernrohre und Teleskope erklärt, welche Hardware wichtig ist, um als Hobbyastronom:in in der Nacht wirklich etwas erkennen und eigene Sternfotos machen zu können.

Mark Emmerich/Sven Melchert: Alles über Astronomie. Das Einsteigerbuch. Die Wunder des Weltalls entdecken, Stern und Planeten beobachten, Kosmos, 6. Ausgabe 2025, 208, Seiten, ab 14, 16 Euro

In Zusammenarbeit mit der ESA entstand der aufwendige Comic Aufbruch ins Weltall, der sich an bereits ältere Lesende und Erwachsene richtet. Auf gerade einmal 192 Seiten wird die verwickelte Geschichte der Raumfahrt geschildert.
Dabei beginnt es ganz klassisch mit dem Urknall und der Entstehung des Universums, reißt ziemlich kurz die Astronomie-Geschichte von Altertum bis zur Neuzeit ab, um sich dann ausführlich, dem Wettrennen zwischen der Sowjetunion und den USA in Sachen Weltraumeroberung zu widmen.
Die Wissensvermittlung findet hier natürlich in den Sprechblasen statt, was durchaus anspruchsvoll ist. Zumal es sehr viele Figuren bzw. Wissenschaftler gab, die in Sachen Raumfahrt mitgemischt haben. Aber so wird eindrücklich deutlich, wie lang es überhaupt gedauert hat, bis die erste bemannte Rakete den Orbit erreicht hat und die ersten Menschen überhaupt den Mond betreten konnten. Das Weltall lässt sich also nicht so einfach bereisen, geschweige denn besiedeln.
Natürlich fehlen auch popkulturelle Anspielungen nicht, wie auf die Filme 2001 – Odyssee im Weltraum, Armageddon und Dont’t Look Up.
Von der NASA geht es am Ende dann zur ESA und den aktuellen Raumfahrern wie Alexander Gerst, Matthias Maurer und Astronautinnen wie Amelie Schoenenwald und Nicola Winter.
Reines Science-Fiction ist das Abschlussszenario, bei dem eine Schulklasse auf einem Planeten landet und sich bereit macht für die Besiedlung. Aber wer weiß – eines fernen Tages wird es möglicherweise so kommen.

Arnaud Delalande: Aufbruch ins Weltall. Eine kurze Geschichte der Raumfahrt, Illustration: Éric Lambert, Übersetzung: Anja Kootz, Knesebeck Verlag, 2025, 192 Seiten, ab 14, 28 Euro

Momo in neuer Leinwandoptik

Momo

»Wie sind wir nur hierher gekommen?« Gleich die erste Szene aus der aktuellen Verfilmung von Michael Endes Klassiker Momo ist wie eine Ohrfeige an das Publikum. Erstarrt stehen graue Menschen, erstarrt mitten im Streit, erstarrt in der täglichen Hektik, in dem immer Schneller, immer Produktiver, im Zeitspar-Modus.

Und dann rennt plötzlich die rothaarige Locken-Momo (Alexa Goodall) durch dieses graue Elend – und rasante anderthalb Stunden entführen uns ins Amphitheater in einer fiktiven europäischen Stadt, die mal an Rom, Verona, Hamburger Hafen oder auch Paris erinnert, in der das Leben anfangs noch bunt und menschlich ist. Das Märchen von Momo, dem Mädchen, das so gut zuhören kann, dass sich selbst spinnefeinde Nachbarn wieder versöhnen, und das gegen perfide Zeitdiebe kämpfen musst, ist eigentlich hinlänglich bekannt. Doch diese neue internationale Verfilmung von Regisseur Christian Ditter holt die Story aus der scheinbar zeitlosen Märchenwelt in unsere Gegenwart.

Greycelet und Bibi-Bot

Hier taucht in der Stadt nämlich plötzlich ein internationaler Konzern auf, der so stylische Armreifen verkauft, mit denen man sein Zeitmanagement verbessern kann. Zeit wird auf ein Zeitkonto verschoben, damit man sich später mal »eine schöne Reise mit den Kindern« leisten kann. In Momos Umfeld laufen immer mehr Menschen mit diesen Dingern rum. Die Analogie zu Smartphones, Smartwatches, Fitnessringe und anderen Technologygadgets ist natürlich absolut gewollt und fast ein bisschen vorhersehbar – aber es funktioniert hervorragend. Ein kugelrunder fliegender Bibi-Bot mit großen Augen – anstelle des Barbie-Bibigirl im Buch – soll Kinder beschäftigen, Momos bester Freund, hier mit Namen Gino (Araloyin Oshunremi), erliegt der Verlockung und wird reichenweitenstarker Influencer, der im selbstfahrenden Auto vorfährt. Als seine Mutter endlich Zeit von ihrem Zeitkonto für eine Reise abheben will, landet sie in einer Warteschleife – »Ihre aktuelle Wartezeit beträgt vier Stunden und sechsunddreißig Minuten«. So viel zum Zeitsparen im technischen Zeitalter.

Aktuelle Technik, diverse Gesellschaft

Doch nicht nur die Technik im Film ist brandaktuell – und z.T. sogar unserer Zeit voraus –, auch in der dargestellten Gesellschaft spiegelt sich heutigen Zustände: Sie ist bunt und divers, Ginos Mutter (Laura Haddock) ist eine alleinerziehende schwarze Working-Mum von drei Kindern. Die Grauen Herren aus Endes Buch sind hier geschlechtlich divers und somit nur noch die Grauen.
Dazu kommt eine aktuelle Sprache, mit der Momo schon mal als »weird« bezeichnet wird und Kassiopeia auf ihrem Panzer ein »crazy« erscheinen lässt. Das ist frisch, ohne dass sich die Filmemacher dem jungen Publikum anbiedern. Fremdscham dürfte bei den Kids nicht aufkommen, sondern vielmehr ein kritischer Blick auf unseren Umgang miteinander und unseren Umgang mit technologischen Zeitfressern.

Opulente Inszenierung, pathetische Musik

Die computergenerierte Stadt, die im Laufe des Films von immer höheren und graueren Monsterbauten – den »Seelensilos« – dominiert wird, aber auch die Niemalsgasse und das Reich von Meister Horus (Martin Freeman) sind allesamt opulent-fantastisch inszeniert.
Untermalt wird alles von pathetischer Musik, die manchmal etwas zu sehr die Message dem Publikum unter die Nase reibt: Zeit ist das Wichtigste, was wir haben, nutzt sie richtig, genießt sie.

Philosophische Gedanken zur Zeit

Die philosophischen Gedanken von Michael Ende über die Zeit und unser Umgang damit finden sich quasi in jeder Szene. Zwar gehen sie nicht so in die Tiefe, wie im Buch was dem jedoch relativ kurzen Filmformat geschuldet ist. Aber sie können für jüngere Zuschauende durchaus herausfordernd sein. Die Spannung behält jedoch immer die Überhand und lässt einen am Ende fast atemlos zurück.
Das Schauen dieses Films ist jedenfalls keine Zeitvergeudung – und wer sich dann hinterher die Zeit nimmt, das Buch noch mal in aller Ruhe zu lesen, findet eine aktuelle Ausgabe mit Bildern aus dem Film im Buchhandel. Ich werde mir diese Zeit jetzt nehmen und es genießen.

Kinostart am 2. Oktober 2025, FSK6, 92 Minuten

Michael Ende: Momo, Thienemann, 2025, 288 Seiten, ab 8, 15 Euro

Im Frieden mit dem Tod

sterben

Das Mysterium von Leben und Tod Kindern zu erklären, ist ein ewiges und schwieriges Unterfangen. Einen sehr liebevollen Versuch unternimmt nun Dita Zipfel in Leben, Sterben und Kaninchen. Die Illustrationen von Rán Flygenring spielen dabei erzählerisch eine entscheidende Rolle.

Namenloses Kind in einer Du-Erzählung

In dieser Geschichte hat nur das Kaninchen einen Namen, Miss Marpel. Ansonsten richtet sich ein:e ungenannte:r Erzähler:in an ein kindliches Du. Zunächst liegt der Fokus auf dem Leben, das wir – und gerade auch Kinder – als selbstverständlich und gegeben hinnehmen. Die Erzählstimme weist das Du auf so wunderschöne Dinge wie Gefühle im Bauch oder das flauschige Fell von Miss Marpel hin, auf die Einzigartigkeit jedes Lebewesen auf der Erde, die aber auf tiefen Wurzeln beruht. Und selbst das Backen von Pfannkuchen geht auf das jahrtausendelange Wissen der Menschen um Weizenkörner und das daraus gewonnene Mehl zurück.

Nichts geht verloren

Beim Aufbau des menschlichen Körpers spielt dann das 13,8 Millionen Jahre alte Universum eine entscheidende Rolle. Denn wir alle bestehen im Grunde aus Sternenstaub und unsere Atome, die uns formen, können nicht sterben, sondern verwandeln sich.
Und dann liegt plötzlich Miss Marpel tot am Boden, alle viere von sich gestreckt. Zwei dunkelblau-neogrün gehaltene Doppelseiten nur mit Illus erzählen von der Beerdigung im Karton und der Trauer des namenloses Kindes.
Überhaupt die Illus: Sie wimmeln in ihrer Zweifarbigkeit vor Leben, denn hier kribbeln und krabbeln große und kleine Tiere. Es ist ein Füttern und Fressen und überall ist der Tod zugegen – und sei es als neongrüner Röntgenblick auf die Knochen von Miss Marpel oder als kleiner Sensenmann in einer Ecke.

Liebevolle Trauerarbeit

Im zweiten Teil des Buches wird dann die Erzählstimme zu einer Ich-Erzählinstanz, die vom Sterben in ihrem Leben berichtet. Wie die eigenen Großeltern langsam gingen, wie die eigene Schwester plötzlich fort war. Sie erzählt von verschiedenen Arten der Trauerbewältigung, von dem, was Menschen glauben, was nach dem Tod kommt, von den großen Brocken, die die meisten Menschen während ihres Lebens mit sich herumschleppen, von dem Schmerz der Trauer. Das passiert sehr liebevoll und angemessen, und so wandelt sich die Trauer, wendet sich am Ende wieder dem Leben zu, das erst durch den Tod seine wichtige Bedeutung bekommt.

Trauerbegleiter

Diese ist kein Buch, das man Kindern einfach so in die Hand drückt. Es ist eins für Kinder, die in ihrem Leben gerade den Tod erleben. Es kann ihnen helfen, das Unbegreifliche zu verarbeiten. Es kann Gespräche zwischen Eltern und Kindern über den Tod und den Umgang unterstützen und anregen. Es kann helfen, eigene Rituale zu finden und den Abschied – ganz gleich, ob von Mensch oder Tier – bewusst zu gestalten. Und das ist einfach schön.

Dita Zipfel: Leben, Sterben und Kaninchen, Illus: Rán Flygenring, Hanser Verlag, 2025, 80 Seiten, ab 5, 17 Euro

Pinocchio faszinierend düster illustriert

Pinocchio

Auch mehr als 140 nach dem ersten Erscheinen der Geschichten von Pinocchio in Italien, regt die flunkernde Holzpuppe immer noch zu neuen Veröffentlichungen an. Die neueste auf dem deutschen Markt ist nun das opulente Bilderbuch aus dem Bohem Verlag, gestaltet von dem großartigen Carll Cneut.

Hier liegt allerdings keine Übersetzung des italienischen Originals von Carlo Collodi zugrunde, derer es in Deutschland seit 1905 ja bereits mehr als 50 Varianten gibt, siehe auch hier. Übersetzungstechnisch scheint Pinocchio auserzählt zu sein. Stattdessen liegt den Bildern die Nacherzählung der niederländischen Autorin Imme Dros, übersetzt von Rolf Erdorf, zugrunde.

Nacherzählung mit den wichtigsten Episoden

Dros hat die Abenteuer von Pinocchio auf die Kernepisoden zusammengedampft und leicht verändert. Der Holzjunge gehorcht immer noch nicht, geht Betrügern auf den Leim, trifft die Sprechende Grille und die Blaue Fee, landet im Bauch des Hais und wandelt sich zum braven Sohn. Soweit nichts Neues. Allen Veränderungen nachzuspüren, wäre eine rein akademische Aufgabe und langweilig. Denn hier liegt der Fokus woanders.

Bestiarium in den Illustrationen

Denn neu sind die Illustration von Carll Cneut. Hier gibt es keine niedlichen Figuren und hübschen Feen. Ganz in seinem unverwechselbaren Stil, der schon die Bilderbücher Der goldene Käfig und Hexenfee geprägt haben, versammelt Cneut hier ein wahres Bestiarium. Neben den Pinocchio-immanenten Tieren wie Grille, Katze, Fuchs, Hai, Kaninchen, Eule und Rabe finden sich in den dunkel gehaltenen Waldszenen zudem Frösche, Papageien, Elefanten, Seepferdchen und Clownsfische. Manchmal muss man sehr genau hinsehen, um sie zu entdecken.
Pinocchio selbst erinnert mit roter Jacke und spitzer roter Mütze an die typischen Holzfiguren, die man in Italien vor allem in der Toskana als Souvenir bekommt. Sein pausbackiges Gesicht mit langer Nase gleicht jedoch kaum einer Marionette, sondern hier sieht man eigentlich schon immer den menschlichen Jungen durchschimmern. Lediglich die Stricharme und -beine lassen die nichtmenschliche Natur des Protagonisten erahnen.
Neben den ganz- und doppelseitigen Gemälden in gedeckten Farben gibt es auf den Textseiten immer wieder schwarzweiße Strichzeichnungen von Pinocchio, Geppetto und den anderen Figuren.

Typische Cneut-Männerfiguren

Bei den menschlichen Figuren, die auf manchen Panels massenhaft die Szenen bevölkern, wechselt Cneut zwischen seinen Signature-Profilen von identischen Jungen mit Seitenscheitelfrisuren und ganz einfachen Punkt-Punkt-Komma-Strich-Gesichtern. Sogar die Blaue Fee wird nur im Profil dargestellt, was eher männlich wirkt. Mädchen und Frauen habe ich nicht entdecken können. Selbst die Marionette Gretel könnte als Mann durchgehen. Doch das passt zur Pinocchio-Geschichte, in dessen Original es bis auf die Blaue Fee keine Frauenfiguren gibt.

Herausforderndes Kunstwerk

Dieser Pinocchio also ist von den Illustrationen her ein absolutes Kunstwerk. Viele Details entdeckt man zum Teil erst auf den zweiten oder dritten Blick. Ob die dunklen Bilder Kindern gefallen oder ihnen womöglich Albträume bescheren, ist die große Frage. Ich werde das Buch bei Gelegenheit mal meiner jüngsten Nichte zeigen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Fantasie auf jeden Fall angeregt wird.
Einziger Wermutstropfen bei dieser wunderschönen Ausgabe mit rotem Leinenrücken ist, dass dem guten Carll auf dem Cover ein L seines Vornamens abhanden gekommen ist. Das ist gerade an dieser prominenten Stelle extrem ärgerlich, weil so eine teure Ausgabe nicht einfach eingestampft und neugedruckt werden kann. Aber solche Dinge sind auch zutiefst menschlich und kommen im stressigen Verlagsalltag eben vor.
Nichtsdestotrotz wurde das Pinocchio-Universum mit dieser großartigen Ausgabe um sehr beeindruckende und herausfordernde Illustrationen bereichert, die für jede:n Pinocchio-Liebhaber:in ein Muss ist.

Carlo Collodi: Pinocchio, nacherzählt von Imme Dros, Illus: Carll Cneut, Übersetzung: Rolf Erdorf, Bohem Verlag, 2025, 64 Seiten, ab 5, 28 Euro

Der Kampf um die Demokratie

Vorneweg – ich war noch nie in einem Escape-Room und habe auch nicht vor, mich jemals in so eine Situation zu begeben. Dafür wird mir in abgeschlossenen Räumen zu schnell mulmig, auch ohne dass ich an Klaustrophobie leide.
Aber umso interessierter habe ich den neuen Roman von Manfred Theisen gelesen, Escape.

In diesem Pageturner werden sechs Jugendliche am Ende einer Schulprojektwoche in einen ebensolchen Raum geschickt, in dem sich zum Thema Demokratie ein wahres Labyrinth befindet. Durch dieses Wirrwarr müssen die sechs innerhalb von fünf Stunden hindurch. Die Räume sind thematisch ausgestattet, mal als Spiegelkabinett, mal als Barbie-World, als Studier- oder Arbeitszimmer oder als umgekrempelter Zauberwürfel.

Nur gemeinsam zu lösen

Wie es in Escape-Rooms üblich ist, kommt die Gruppe nur weiter, wenn sie jeweils ein Rätsel oder eine Aufgabe löst. Und da es sich thematisch um Demokratie dreht, werden die Teens, drei Jungs, drei Mädchen mit unterschiedlichen sozialen und geografischen Hintergründen, beispielsweise nach den den wichtigsten Grundsätzen für ein Zusammenleben in ihrem Traumland gefragt. Sie lernen die drei grundlegenden Pfeiler der Demokratie – Legislative, Judikative und Exekutive – kennen und müssen damit in einem virtuellen Computerspiel gegen einen drachenartigen Tyrannen kämpfen. Das alles geht nur gemeinsam – meistens jedenfalls.

Machtstreben und Machtspielchen

Die Gruppe wird aus einem Kontrollraum aus beobachtet, damit ihnen auch ja nichts passiert. Erzählerisch wechselt Theisen immer wieder zwischen den Spielenden und den Kontrollierenden und steigert so die Spannung. Nicht nur die wechselnden Räume führen zu beständigen Wendungen in den Plot, sondern Theisen bringt auch die Dynamiken in den Gruppen auf den Punkt und macht die Entwicklungen der verschiedenen Figuren deutlich. So wird aus dem nerdigen, aber superschlauen Josh, der im normalen Unterricht immer gemobbt wird, ein ziemlich unsympathischer Anführer mit diktatorischen Zügen. Der schöne Marc, der mit Ceylin zusammen ist, reagiert beleidigt. Die Mädchen versuchen auszugleichen, zwischen Ceylin und Sarah funkt jedoch die Eifersucht um Marc dazwischen.

Solidarität versus Egoismus versus Deepfake

Über eine App bekommen die Spielenden sowohl Anweisungen als auch monetäre Belohnungen, was die kapitalistischen Rahmenbedingungen spiegeln soll. Was draußen in der Welt also im Großen abläuft, findet sich so auch in diesem überschaubaren Kosmos wieder.
Dazu kommen die Intrigenspielchen der Überwachenden, die in einem Deepfake gipfeln, der die Stimmung auf einen dramatischen Höhepunkt treibt.

Rasante Geschichte, wichtiges Diskussionsmaterial

Auch wenn der auktoriale Stil Theisens mir nicht besonders gefällt – es gibt zu viel Headhopping und man muss sehr aufmerksam sein, um den Faden zwischen den Sprechenden und ihren Gedankengängen nicht zu verlieren –, bleibt Escape eine rasante Geschichte, die sich schnell liest und in keiner Sekunde langweilt. Mit den verschiedenen Räumen und ihren hochaktuellen Themen (bis hin zur Klimakatastrophe und KI-generierten Fake-News) bietet dieser Roman für Jugendliche viel Diskussionsmaterial. Die wichtigsten Punkte einer Demokratie werden erklärt, ohne dass es pädagogisch daherkommt. Dazu zeigen die Auseinandersetzungen und Verhaltensweisen der Figuren anschaulich, wo die Gefahren für dieses Herrschaftssystem liegen.

Potential als Schullektüre

Escape könnte ich mir als Schullektüre mit begleitenden Diskussionsrunden sehr gut vorstellen. Der Roman veranschaulicht, dass Demokratie keine einfachen Lösungen bereithält und dass für ihre Aufrechterhaltung sehr viel getan und hart darum gekämpft werden muss. Das mag abschrecken, das mag ermüden, das mögen viele Menschen vielleicht nicht gern hören, aber die Alternativen sind einfach nicht akzeptabel. Das den Jugendlichen so früh wie möglich zu vermitteln und ihnen die Gefahren von Manipulation durch die sozialen Medien und KI-Tools vor Augen zu führen, sollte mittlerweile eigentlich selbstverständlich sein. Scheint es aber leider immer noch nicht. Theisens neuer Roman könnte dabei helfen.

Manfred Theisen: Escape. Der Schlüssel sind wir, cbt, 2025, 240 Seiten, 10 Euro, ab 12

Sommersprossen auf der Zensur-Liste der Trump-Regierung

Streuselnase

Mitte Februar diesen Jahres postete die US-Schauspielerin Julianne Moore auf Instagram, dass die Trump-Administration ihr Bilderbuch Freckleface Strawberry aus den Schulen des Verteidigungsministerium (das sind die Schulen für die Kinder von Soldaten) verbannen will. Moore hatte die Geschichte bereits 2007 geschrieben, die Illustrationen dazu stammen von LeUyen Pham. Der Schock und das Entsetzen der Autorin ist berechtigt und nachvollziehbar, denn es ist völlig unverständlich, warum diese liebenswerte Geschichte nicht gelesen werden sollte.

Julianne Moore erzählt von einem siebenjährigen Mädchen, das hauptsächlich durch ihre vielen Sommersprossen auffällt. Die Punkte im Gesicht verleiten die anderen Kinder in der Schule dazu, Bemerkungen darüber zu machen. Sie halten die Sommersprossen für Schmutzflecken oder Sonnenbrand, vergleichen das Mädchen, dessen Name nicht genannt wird, mit einer Giraffe, oder wollen an ihr riechen. Alles sehr unangenehm. Vor allem, weil sie das Mädchen nur noch »Streuselnase-Erdbeekopf!« nennen, was ihr natürlich gar nicht gefällt.

Am liebsten verschwinden

Die Lütte tut alles, damit die unliebsamen Sommersprossen verschwinden: Sie schrubbt sich, behandelt die Haut mit Zitronensaft oder übermalt die Sprossen mit Filzstiften. Aber nichts hilft und Mama ist auch nicht begeistert.
Also beschließt das Mädchen, unsichtbar zu werden. Sie zieht eine Skimaske über – und weg sind die Sommersprossen. In der Schule hat sie fortan ihre Ruhe, niemand zieht sie mehr auf, niemand ärgert sie. Es ist, als wäre sie gar nicht mehr da. Die anderen Kinder fragen sich eher, wo Streuselnase-Erdbeerkopf denn abgeblieben ist.
So hatte die Protagonistin es sich nicht vorgestellt – außerdem ist es unter der Skimaske viel zu heiß und alles juckt.

Bereits 2009 in Deutschland

Diese Geschichte, deren Happy End ich hier nicht spoilere, war bereits 2009 in Deutschland, damals in der Übersetzung von Beatrice Howeg, unter dem Titel Sommersprossenfeuerkopf erschienen. Es gab einige Rezensionen in großen Medien wie DER SPIEGEL und Welt, was wohl dem Promi-Status von Julianne Moore zu verdanken war, werden doch Bilderbücher normalerweise in solchen Medien gar nicht erst erwähnt.

Heute kommen Promi-Status plus drohende US-Zensur dem Buch wahrscheinlich wieder zugute. Der Berliner Schaltzeit Verlag hat die in weiten Teilen autobiografische Geschichte Moores von Ruth Keen neu übersetzen lassen und wieder veröffentlicht. Das ist als Statement gegen staatliche Zensur natürlich per se begrüßenswert, denn Autokraten und ihrer disruptiven Politik sollten wir so wenig wie möglich durchgehen lassen bzw. versuchen, Gegengewichte zu schaffen und Hoffnung zu verbreiteten. Und sei es mit einer liebenswerten Geschichte über lustige Sommersprossen.
Den Aufkleber auf dem Cover, der verkündet: »Entfernt – gemäß einer Direktive der Regierung Trump«, hätte man sich allerdings sparen können. Er wirkt doch zu reißerisch und effektheischend.

Algorithmen und Zensur

In einem TV-Interview (ab Minute 6:00) vermutet Julianne Moore nämlich, dass u.a. auch Algorithmen an der Zensur mit Schuld sind, die nach Stichworten wie »different«/»anders« gesucht hätten und so auf diese sommersprossige Heldin gestoßen sind. Das macht den ganzen Vorgang mitnichten harmloser oder gar akzeptabel. Aber so kommt quasi noch ein weiteres Faktum dazu, das unsere heutige Zeit prägt: Das steigende Vertrauen in die KI. Auch hier sollten wir also vorsichtiger sein und nicht blind den Maschinen glauben.
Zudem ist der letzte Stand immer noch, dass die Bücher auf der entsprechenden Liste der Trump-Regierung »geprüft« werden sollten. Was das genau heißt und wie das für Julianne Moores Buch im Ende ausgegangen ist, scheint noch offen zu sein.

Das Schöne an dieser erschreckenden Episode ist jedoch, dass in den USA Julianne Moores Buch seit April nun wieder im Buchhandel erhältlich ist. Es gab so viele Vorbestellungen, dass Bloomsbury es wieder neu aufgelegt hat.
Und auch hierzulande können sich sommersprossige Kids freuen, wieder eine Identifikationsfigur zu haben, die nicht Pippi heißt …

Julianne Moore: Streuselnase Erdbeerkopf, Illus: LeUyen Pham, Schaltzeit Verlag, 2025, 40 Seiten, ab 4, 18 Euro

Die Königinnen als visuelles Feuerwerk

Königinnen

Normalerweise besprechen wir auf dieser Plattform keine Geschichte zwei Mal, doch nun muss es sein. Denn seit Kurzem liegt die Graphic Novel Die kleinen Königinnen von Magali Le Huche vor. Dabei handelt es sich um die graphische Visualisierung des Romans Die Königinnen der Würstchen von Clémentine Beauvais, der Mitte der 2010er Jahre erschienen ist und damals mit dem LUCHS ausgezeichnet wurde. Heute ist dieses Buch leider vergriffen. Umso schöner, dass diese fulminante Geschichte nun wieder zu lesen und zu bestaunen ist.

Gemeinsames Schicksal

Zur Erinnerung: Mireille, Astrid und Hakima teilen sich die zweifelhafte Ehre, in ihrer Schule von ihrem Mitschüler Malo zur »Wurst des Jahres« gekürt worden zu sein. Damit bezeichnet der Junge die hässlichsten Mädchen der Schule und postet das Ganze natürlich breitenwirksam im Internet. Es ist eine an Gehässigkeit kaum noch zu übertreffende Aktion, über die sogar die Presse berichtet, jedoch ohne die Mädchen selbst dazu zu befragen.

Doch die drei »Würste« tun sich zusammen, zunächst eigentlich nur, um sich gemeinsam auszuheulen und zu trösten. Doch schnell wird daraus ein Road-Trip der besonderen Art. Die drei radeln quer durch Frankreich nach Paris, wo am französischen Nationalpalast im Élysée-Palast das Sommerfest der Präsidentin stattfinden soll. Und jede der drei hat einen guten Grund, diese Party zu crashen. Mireille will ihren leiblichen Vater, den Ehemann der Landeschefin, kennenlernen, Astrid ihre Lieblingsband live erleben und Hakima den General zur Rede stellen, der dafür verantwortlich ist, dass ihr Bruder Kader im Krieg beide Beine verloren hat.

Ideenreichtum und Mut

Allerdings ist so eine Reise ohne Geld kaum zu machen. Die Mädels sind jedoch nicht auf den Kopf gefallen und so entwickeln sie einen Plan: Mit dem Fahrrad und einem Anhänger werden sie durchs Land radeln und während der Tour – ja, genau – Würstchen verkaufen. Hakimas Bruder wird sie als Aufsichtsperson im Rollstuhl begleiten. Ideenreichtum, Unternehmensgeist und Mut treffen hier aufeinander.
Was dann folgt, ist abgesehen von der anfänglichen Anstrengung des Radfahrens – die drei sind nicht gerade sportlich, was Mireilles Mutter ganz böse kommentiert: »Das strafft die Oberschenkel.« – ein Triumphzug. Denn das Unternehmen der Mädchen spricht sich im Netz und in den Medien herum.

Graphische Liebeserklärung an die Königinnen

In ihrer Graphic Novel hat Magali Le Huche diese drei Heldinnen in einem etwas schrägen, aber sehr passenden Stil in in Szene gesetzt. Geht es anfänglich und oberflächlich um Schönheit, so ist hier nichts wirklich schön dargestellt, sondern bunt und vielfältig wie das Leben eben so ist. Die Tiefe der Figuren findet sich in den knackigen und selbstbewussten Dialogen – aus der Übersetzung von Annette von der Weppen – wieder, ebenso wie die Dramen und Verletzungen, die bereits Kinder erleben müssen. Den Herausforderungen des Lebens, einschließlich der Loslösung von den Erziehungsberechtigten, stellen sich Mireille, Astrid und Hakima gemeinsam, was sie zu einer starken Gemeinschaft zusammenschweißt.
Die Freundschaft, die zwischen den drei Mädchen entsteht, wirkt empowernd auf junge Leserinnen, die sich in diesen harten Internet-Zeiten gegen Mobbing und Body-Shaming wehren müssen. Beauvais und Le Huche zeigen in dieser Kombination aus einer fesselnden Story und coolen Illus nonchalant, wie schnell sich die Dinge im Leben und im Netz drehen können, wie zweischneidig und vergänglich Ruhm sein kann und wie viel wichtiger wahre Freunde im Leben sind, mit denen man Höhen und Tiefen teilen kann.

Vielleicht wäre dies der richtige Moment für den Carlsen Verlag eine Neuauflage des Romans von Beauvais herauszubringen, denn diese Geschichte hat nichts an ihrem Biss und ihrer Message verloren, sondern ist aktueller denn je.

Magali Le Huche: Die kleinen Königinnen, nach dem gleichnamigen Buch von Clémentine Beauvais, Übersetzung: Annette von der Weppen, reprodukt, 2025, 156 Seiten, ab 13, 29 Euro

Unumstößliche Wahrheiten

Ob es uns passt oder nicht, wir alle sind sterblich. Daran lässt sich nichts ändern, ganz gleich, was die Wissenschaft erfindet oder irgendwelche Longevity-Gurus uns einreden wollen. Und das wissen auch bereits Kinder. Es sind die Erwachsenen, die sich zumeist schwertun, über das Thema Tod zu sprechen. Sei es untereinander oder eben auch mit den Kids. Dabei sollte es völlig normal sein. Eine Art von Gesprächshilfe gibt es nun in dem wunderbaren Buch Hallo Tod, ich habe da mal ’ne Frage der Autorinnen Ellen Duthie und Anna Juan Cantavella.

Jede Menge Fragen zum Tod

Die beiden haben im Vorfeld in der ganzen Welt Kinder und Jugendliche gefragt, was diese über das Thema Tod wissen wollen. Und das war so eine Menge, dass sie eine gewisse Auswahl treffen mussten. Übrig geblieben sind 38 Fragen, die das Wichtigste in Sachen Sensenmann & Co. behandeln. Da geht es dann darum, wie unsere Haut vom Skelett verschwindet, ob man noch Gefühle hat, wenn man tot ist, was mit den persönlichen Sachen später passiert, warum Tote beerdigt werden oder warum in manchen Kulturen weiß als Farbe für den Tod steht.
Die Fragen, die es nicht in die engere Auswahl geschafft haben, finden sich ganz wunderbar auf den Innenseiten der Buchdeckel.

Philosophische Antworten

Als Antworten auf die ausgewählten Fragen liefern Duthie und Cantavella neben aufschlussreichen Fakten dann auch diverse amüsante Anekdoten über ungewöhnliche Todesfälle, aber vor allem weitere Fragen. Damit gelingt es ihnen zum einen, den Wissensdurst der Kinder zu befriedigen, ohne dass es traurig oder traumatisch wird. Der leichte Ton der Texte ist auch der feinen Übersetzung von Ilse Layer zu verdanken. Zum anderen regen sie die Zielgruppe gleichzeitig an, weiter über den Tod und vor allem über das Leben nachzudenken.
So wird dieses Buch quasi zu einem philosophischem Starter-Set, in dem die grundlegenden Fragen – wo kommen wir her, wo gehen wir hin, hat das Leben einen Sinn und wenn ja, welchen –vorgestellt und zur persönlichen Weiterverarbeitung vorgeschlagen werden.
Jüngeren Kindern kann man diese kurzen Kapitel gut vorlesen. Danach wird es sicherlich jede Menge Redebedarf geben, der aber auch für Erwachsene bereichernd sein wird.

Illustrationen mit Hintersinn

Illustriert sind die Kapitel mit blau-roten Bildern von Andrea Antinori, der 2023 mit dem International Award für Illustration ausgezeichnet wurde. Antinori fertigte sie nur anhand der Fragen der Kinder an. Die Antworten der Autorinnen gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht. So entstanden hintersinnige Bilder voller Witz und Charme, die der kindlichen Fantasie gutes Futter zum Schauen, Denken, Reden und Nachmachen liefern. Auch die Autorinnen haben sich von den Illus zu ihren Antworten inspirieren lassen und verweisen dann oftmals darauf.

Nach dieser Lektüre über den Tod wird der Blick auf das Leben vielleicht ein etwas anderer sein – möglicherweise bewusster und dankbarer. Und damit wäre schon sehr viel gewonnen.

Ellen Duthie/Anna Juan Cantavella: Hallo Tod, ich hab da mal ’ne Frage, Illus: Andrea Antinori, Ü: Ilse Layer, Gabriel, 2025, 144 Seiten, ab 6, 15 Euro

Von innerer Emigration und einem nie gedrehten Film

innere Emigration

Neulich hat Robert De Niro beim Fillmfestival in Cannes betont, dass Künstler:innen Faschisten und Autokraten Angst einjagten und daher unverzichtbar und wichtig seien. Diese Kritik an der aktuellen Regierung der USA kam gut an, der Applaus war immens.
Was für eine Gratwanderung die künstlerische Arbeit in Diktaturen ist, zeigt die Graphic-Novel-Künstlerin Isabel Kreitz in ihrem neuesten Werk, Die letzte Einstellung.

Sie erzählt darin die Geschichte von Autor Heinz Hoffmann, der 1933 als Filmkritiker bei der Zeitung arbeitet, doch anstatt den neuesten Charlie-Chaplin-Film rezensieren zu dürfen, muss er Nazi-Propaganda sehen – »Propaganda mit Leiche«, wie er seiner Begleitung, seiner Sekretärin Erika, erklärt. Während seine intellektuellen Freunde offen darüber nachdenken, ins Ausland zu gehen, will Hoffmann in Deutschland bleiben, denn er ist kein Jude und möchte die Entwicklungen im Land beobachten und darüber schreiben. Er sieht es als berufliche Pflicht an.

Die Intelligenzia geht in die Emigration

Zudem arbeitet er als Drehbuch-Autor für die UFA und soll eine winterliche Komödie schreiben. So etwas gibt man nicht so schnell auf. Zusammen mit Erika fährt er in die Berge für die Vorort-Recherche und das konzentrierte Arbeiten. Nur dass die Konzentration den zwischenmenschlichen Entwicklungen zum Opfer fällt – und der Reichstagsbrand in Berlin die Gäste schließlich völlig aufgeschreckt nach Hause holt. Danach geht es bergab. Die wichtigsten Autoren emigrieren, die Nazis verbrennen ihre Bücher, darunter auch die von Heinz Hoffmann. Aber er bleibt immer noch im Land.

Zehn Jahre später

Derweil lässt Erika eine Abtreibung vornehmen, wovon ihre Wirtin jedoch Wind bekommt und sie aus der Wohnung wirft. Heinz allerdings ist nicht für sie da, denn er ist mit einer anderen Frau zusammen. Kurz zieht Erika wieder zu ihren Eltern, doch sie schafft es, Produktionsassistentin in den Filmstudios Babelsberg zu werden. Zehn Jahre später ist das Filmemachen allerdings nicht mehr so einfach. Berlin ist von Bombenangriffen zerstört, Aufnahmen in den Studios werden vom Fliegeralarm immer wieder unterbrochen. Und plötzlich steht Hoffmann vor Erikas Tür. Seine Wohnung wurde ausgebombt, er braucht eine Unterkunft.

Umgekehrte Vorzeichen

Hatte anfangs Hoffmann Erika protegiert, so ist nun sie es, die ihm hilft, mit einer Schlafstatt. Jetzt nimmt sie ihn mit zu Kinopremieren und die alte Liebe lebt wieder auf. Hoffmann hat Arbeitsverbot, seine Bücher sind verboten, er hat sich in die innere Emigration zurückgezogen, lebt von seinen Ersparnissen, schreibt für die Schublade. Bis die Filmleute in Babelsberg ein ordentliches Drehbuch brauchen, und Erika einen Autor vorschlägt, der jedoch nicht genannt werden darf …

Erich Kästner als Vorbild

Wem jetzt schon all diese Geschehnisse bekannt vorkommen, ist auf der richtigen Spur. Kreitz hat sich frei am Leben von Erich Kästner bedient und Heinz Hoffmann auch ganz offensichtlich dessen Aussehen verpasst. Die Anspielungen und Referenzen sind vielfältig, von der Bücherverbrennung bis zu »Drei Männer im Schnee« oder »Die Feuerzangenbowle«, von den Werken von Veit Harlan zu den Schauspielern Heinz Rühmann und Gustav Knuth. Bis auf Kästner werden die anderen Künstler:innen mit Klarnamen erwähnt und machen deutlich, dass hier auch die wahre Geschichte um den letzten Propagandafilm der Nazis erzählt wird. Manche Szenen der sepiafarbenen Kohle-Bleistiftzeichnungen erinnern an »Babylon Berlin« und damit an die fiktive Ebene um Heinz und Erika.

Ein gezeichneter Film

In einem Anhang erklärt Kreitz die wahren Gegebenheit, um eben diesen letzten Propagandafilm, der jedoch nie gedreht werden sollte, und führt die realen Personen in der Geschichte noch mal gesondert auf. Ihr gelingt es, ein Stück Filmgeschichte ins allgemeine Bewusstsein zu holen und daraus quasi einen komplexen gezeichneten Film zu schaffen, der aufs Allerbeste fesselt. So wird neben geschichtlichem Wissen auch gezeigt, dass künstlerisches Schaffen in diktatorischen und kriegerischen Zeiten alles andere als eine Selbstverständlichkeit und natürlich mitnichten einfach ist – selbst in der inneren Emigration, die von manchen in vergangenen Zeiten vielleicht als feige und nicht als »richtige« Emigration angesehen wurde.
So wird diese Graphic Novel zu einem beredeten bzw. bebilderten Beispiel für das, was wir verlieren würden, wenn die Rechten weiter an Einfluss gewinnen würden. Auch dies eine Aufforderung an uns alle, es nicht wieder zu solchen Verhältnissen kommen zu lassen.

Isabel Kreitz: Die letzte Einstellung, Reprodukt, 2025, 304 Seiten, 29 Euro

Selbstbestimmt leben

Philosophin

Frauen in der Philosophie sind leider immer noch eher selten anzutreffen – selbst heute noch wird diese Domäne von Männern dominiert. Höchste Zeit also, das Bild zu wandeln. Das kann man nun mit dem wunderbaren Comic der Niederländerin Barbara Stok. In Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit widmet sie sich der antiken Denkerin Hipparchia, von der die wenigsten von uns je etwas gehört haben dürften.

Die Philosophin Hipparchia lebte um 300 v. Christus und kam aus einer wohlhabenden Familie. Viele Informationen über diese Frau gibt es allerdings nicht, doch Barbara Stok hat alle erdenklichen Infos zusammengetragen und eine Geschichte daraus entwickelt.

Die Lauscherin an der Tür

Ausgangspunkt ist, dass Hipparchia endlich verheiratet werden soll und daher zu ihrem Bruder nach Athen reist, um mit dem möglichen Ehemann Kallios (dies ist eine fiktive Figur) Gespräche zu führen. Doch Hipparchia hat eigentlich keine Lust auf Ehe, sondern möchte viel lieber philosophische Schriften lesen, an Diskussionen teilnehmen und ein gutes Leben führen. Heimlich lauscht sie an den Türen, hinter denen sich ihr Bruder mit Studenten aus Platons Schule trifft und die jungen Männer über die Natur oder das Leben philosophieren.

Gegen die Konventionen

In Athen begegnet sie dann zufällig dem Kyniker Krates, der ohne Besitz auf der Straße lebt und gegen die Konventionen der Gesellschaft andiskutiert. Er ruft zu einem einfachen Leben auf, um nicht von Besitz und Zwängen belastet zu werden. Hipparchia ist angetan. Doch als Frau darf sie nicht allein auf die Straße und ihm einfach so zuhören. Daher verkleidet sie sich als Mann und freundet sich mit Krates an. Dieser nennt sich »Kyniker«, vom griechischen Begriff »kyon« für »Hund«, weil er anspruchslos wie ein Hund lebt.

Eine Hochzeit wird arrangiert

Derweil gehen jedoch die langwierigen Verhandlungen und Treffen mit der Familie des zukünftigen Ehemanns von Hipparchia weiter. Man wird sich einig, Hipparcha ist der neuen Familie würdig, die Hochzeit wird geplant und angekündigt. Nur eine ist nicht glücklich damit: Hipparchia.
Es ist in diesem Rahmen durchaus okay zu spoilern, dass Hipparchia sich auf den Deal nicht einlässt, sondern ihre Familie verlässt und sich für Krates entscheidet. Sie zieht das einfache, aber erfüllende Leben dem leeren Luxusleben vor.

Anstoß zu Verzicht

Die Geschichte der Philosophin Hipparchia, die Barbara Stock in knallbunten einfachen Bildern schildert, regt ungemein zum Nachdenken über das Leben, den Konsum und unsere Ansprüche an. Wie in allen guten philosophischen Büchern werden mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben. Man erfährt darüber hinaus viel über das Leben von Frauen in der Antike, über die untergeordnete Rolle, die ihnen zugewiesen wurde. Sie zählten nicht als Bürger, waren kaum als Menschen anerkannt.
Auch die damals üblichen Sklaven und deren Lebensbedingungen werden thematisiert. Hipparchia beobachtet das alles, spricht mit ihrer persönlichen Sklavin darüber und bildet sich eine eigene Meinung, die nicht mit den herrschenden Konventionen übereinstimmt. Daraus erwächst ihr Drang selbstbestimmt zu leben, sich zu bilden und sich nicht weiter unterzuordnen.

Moderne Sprache

Wer nun glaubt, eine Geschichte aus der griechischen Antike kommt in angestaubter alter Sprache daher, wird hier überrascht. Die Sprache, wunderbar von Sylke Hachmeister ins Deutsche übersetzt, ist frisch und heutig. Da ist vom »Look« die Rede, von »Markwert« oder »Abgang machen«. All das trägt dazu bei, dass dieses alte Geschichte unglaublich gegenwärtig erscheint und wir uns in philosophischer Hinsicht und in Bezug auf unsere Lebensführung so manche Scheibe abschneiden können. Konsumverzicht wäre beispielsweise eine …

Barbara Stok: Die Philosophin, der Hund und die Hochzeit, Ü: Sylke Hachmeister, Carlsen, 2025, 295 Seiten, ab 12, 26 Euro

Kick-off für Football-Fans

Football

Vor einiger Zeit lief im TV der Super Bowl, das NFL-Endspiel im American Football, das größte Einzelsport-Ereignis der Welt – wie ich beim Rumzappen so nebenbei lernte. Eigentlich habe ich es weder mit Fußball noch mit Football, aber letzteres breitet sich seit ein paar Jahren auch hierzulande immer weiter aus.

Nun gibt es die erste Football-Buchreihe für Fans ab acht Jahren und das finde ich erwähnenswert. Denn Autor Andreas Hüging schafft es, diesen schnellen und intensiven Sport in eine fesselnde Geschichte zu verpacken.
Dabei geht es um Jimmy King, der von einer Karriere im American Football träumt. Doch leider hat seine alleinerziehende Mutter ihm quasi ein Ultimatum gestellt: Entweder er besteht den Mathe-Test oder es ist aus mit dem Football, auch wenn Jimmy ein begnadeter Quarterback ist.

Mathe und andere Misslichkeiten

Jimmy tut also alles, um den Mathe-Test zu bestehen – und gerät so leider in eine Spirale aus Lügen, Erpressung und scheinbar aussichtslosen Situationen. Da hilft es auch nichts, dass er zufällig das Playbook, also den Strategieplan, der gegnerischen Mannschaft findet und seine Mannschaft, die Rebels, perfekt coachen kann.
Neben den persönlichen Problemen von Jimmy kämpft der Trainer der Rebels mit einer Hundeallergie, was hinderlich ist, wenn das Maskottchen ein Hund namens Stinker ist. Zudem hat der Neuzugang Artem einen teuren Helm geklaut. Doch den Ärger mit dem Privatdetektiv und dem Besitzer des Sportladens können die Rebels gemeinsam abwenden.

Einführung in die Football-Spielregeln

In diesen actionreichen Plot hat Hüging sehr geschickt die Begriffe und Regeln des American Football eingewebt. Alle, die sich in dieser Welt noch nicht auskennen, finden hier sowohl im Text, als auch in einem Glossar quasi eine Einführung in diese Sportart. So bekommt man ganz rasch und wie nebenbei die Erklärungen zu Begriffen wie Huddle, Interception oder Scrimmage, die mir im Alltag zwar noch nie untergekommen, aber für kleine und große Football-Fans unerlässlich sind.
Dieser Band, Touchdown für die Grasdorf Rebels, ist der Kick-off für eine ganze Serie. Zwei weitere Folgen sind bereits angekündigt. Und vielleicht hat dieses neue Genre zwei Wirkungen auf die Kids: Lesen und Bewegung. Denn die Geschichte ist spannend bis zum Schluss und der Inhalt macht Lust darauf, Bälle zu werfen und sich in einer Mannschaft auf dem Sportplatz zu treffen.

Andreas Hüging: Die Football-Freunde. Touchdwon für die Grasdorf Rebels, Illus Dominik Rupp, cbj, 2025, 144 Seiten, ab 8, 12 Euro

Die Stärken der Frauen

Das Bild der Frau an sich ist seit etwas 2000 Jahren ein ziemlich stereotypisches und unterwürfiges. Ein Bild, das von Männern in die Welt gesetzt wurde. Dies stellt Ulli Lust in ihrem neuen Sachcomic Die Frau als Mensch gleich zu Anfang fest. Und macht sich auf, die Ursprünge der Frauen-Darstellung zu erkunden.

Denn mehr als 30.000 Jahre kursierten auf der Erde kleine Statuetten, die ein ganz anderes Bild der Frau zeigten: breite Hüften, große Brüste, keine Zeichen von Scham oder Unterwerfung. Während der Eiszeit gab es diese kleinen Figuren, die meist nur wenige Zentimeter groß waren, von Südfrankreich bis nach Sibirien und die Wissenschaft – vornehmlich die männlichen Archäologen – rätselten, was es mit diesen Figurinen auf sich hatte.

Als Göttinnen verehrt

In diesen Zeiten, vor Erfindung der Schrift, fehlten ikonische Männerfiguren bzw. -bilder. So ging man davon aus, dass des sich bei den Statuetten um Darstellungen von Göttinnen handelt. Dennoch drehten die Wissenschaftler es so, als zeigten gerade diese Figuren die Unterlegenheit und Schwäche der Frauen. Denn angeblich konnten Frauen nicht jagen. Die Darstellungen wurden als schamlos und unzüchtig angesehen. Frauenfeindliche und antisemitische Vergleiche waren an der Tagesordnung.

Überholtes Denken richtig stellen

Ulli Lust räumt nun mit diesen überholten Argumentationen auf und geht dabei in der Geschichte sehr weit zurück. Sie rekapituliert die Urgeschichte der Menschen, schildert die neuesten Erkenntnisse aus Grabfunden und die einstigen Fehlinterpretationen. Dies führt sie zur Betrachtung des menschlichen Sozialverhaltens und den Ursprüngen unseres Zusammenlebens vor Tausenden vor Jahren.
So wird aus einem vermeintlichen kunsthistorischen Sachcomic ein Werk über die Wurzeln der Menschen und unseren Gesellschaften.

Die Frau – mehr als Mann denkt

Ulli Lust erzählt dabei auch von den überlieferten Mythen verschiedener Gesellschaften, dem Einsatz von roter Ockerfarbe und ihrer Funktion, den vermutlichen Anfängen von Kunst, der Notwendigkeit, Kleidung zu erfinden und dem Wandel des Klimas über die Jahrtausende. Dazu kommt das Bedürfnis der Menschen am Erzählen und Klatschen, was der Vermeidung von gewalttätigen Auseinandersetzungen diente, und die Neugierde auf Fremde, die in der Gemeinschaft aufgenommen wurden und denen man auf jeden Fall half.
Diese Fülle an Informationen fügt sich zu einer spannenden Lektüre, die nicht nur das Verhältnis zwischen den Geschlechtern zurechtrückt. So wird die Menstruation als etwas Verehrungswürdiges gezeigt, Frauen gingen durchaus jagen und haben vermutlich auch die Statuetten geschaffen. Zudem gab es schon damals trans Menschen, die als Schamanen verehrt wurden. Ohne die Frauen und ihre vielfältigen Beiträge zum Alltag hätte die Menschheit nicht überlebt.

Lektion für die Gegenwart

Dieser Blick in die fernste Vergangenheit der Menschen ist überaus erhellend und hat so viel mit unserer Gegenwart zu tun, dass man sich wünscht, eine Rückbesinnung auf unsere weltweit gemeinsamen Wurzeln würde heute viel öfter stattfinden. Es gibt so viel, dass wir in der Behandlung und Betrachtung von Frauen ändern müssen – wahrscheinlich ist es utopisch zu glauben, dass das jemals geschehen wird. Aber Ulli Lusts Sachcomic Die Frau als Mensch, von dem es demnächst einen zweiten Teil geben wird, erinnert uns eindringlich daran, dass das herrschende Ungleichgewicht nicht natürlich ist – und schon gar nicht sinnvoll.

Ulli Lust: Die Frau als Mensch. Am Anfang der Geschichte, Reprodukt, 2025, 254 Seiten, 29 Euro

Lektüre zum Zuckerfest

Zuckerfest

Als ich vor einiger Zeit, das Bilderbuch Das Haus ohne Lichter von Reem Faruqi in meiner Post fand, dachte ich zunächst, es wäre ein Irrtum, jetzt schon mit einem Weihnachtsbuch zu kommen. Tja, falsch gedacht und prompt auf meine eigenen Vorurteile und mein – manchmal immer noch – stereotypisches Denken hereingefallen. Denn hierbei handelt es sich natürlich nicht um eine Weihnachtsgeschichte, selbst wenn die ersten Seiten danach aussehen.

Hier geht es viel mehr um das Zuckerfest, das nach dem Ramadan gefeiert wird. Der Ramadan begann dieses Jahr am vergangenen Wochenende und endet am 30. März mit dem Zuckerfest. Also die beste Zeit für dieses Buch.

Ein Haus und sein größter Wunsch

Protagonist in dieser liebevollen Geschichte ist ein Haus, dass dunkel und trist in einem verschneiten Bergdorf steht und nicht festlich geschmückt ist. Es würde jedoch auch so gern funkeln und strahlen wie die Nachbarhäuser, in denen Diwali, das hinduistische Lichterfest, Chanukka, das jüdische Lichterfest, oder eben Weihnachten gefeiert wurde.
Eines Tage zieht eine fünfköpfige Familie in dieses Haus ein, und es schöpft Hoffnung, dass es nun auch endlich festlich beleuchtet wird. Doch nichts passiert. Selbst als Oma und Opa und Cousins und Cousinen die Familie an Weihnachten besuchen, wird das Haus nicht geschmückt. Außerdem gehen Mama und Papa sogar arbeiten. »Wir arbeiten heute, damit unsere Freunde gemeinsam mit ihren Familien feiern können«, erklären sie ihrer Tochter Huda. Aber sie versprechen Huda, dass sie am Eid zusammen feiern.
Das Haus schöpft Hoffnung.
Und ein paar Monate später, in einer klaren Neumondnacht funkelt das Haus in bunten Farben – und wird von den anderen Häusern, die nun nicht mehr geschmückt sind, bewundert.

Eid al-Fitr, das Zuckerfest

In all den Jahren, die ich mich mit Bilder- und Kinderbüchern beschäftige sind mir kaum Bücher über den Ramadan oder das Zuckerfest untergekommen. Das liegt natürlich an meiner christlichen Prägung und meinem mangelnden Fokus auf dieses Thema, aber auch, wie ich durch eine Recherche feststellen musste, daran, dass es nicht viele erzählende Bücher zu Ramadan und Zuckerfest gibt. Es gibt die üblichen religiösen Bücher, die beispielsweise Ostern, Pesach und Zuckerfest erklären. Aber nicht diese so selbstverständlichen Geschichten, die man seinen Kindern vorliest, weil es gerade die passende Zeit ist.
Das Bilderbuch von Reem Faruqi ändert dies nun und schafft ein Bewusstsein für dieses wichtige islamische Fest. Die Illus von Nadia Alam zeigen bunt-poetische Häuser, dick verschneit in dunklen Winternächten, daneben das gemütliche Innere des Hauses, in dem gespielt, gekocht, gelesen wird und die Liebe der Familie quasi in jedem Strich zu finden ist.

Feiern nach dem Mondkalender

In einer Anmerkung erklärt die Autorin kurz, warum sich der Termin des Zuckerfestes jedes Jahr verschiebt – Stichwort: Mondkalender – und weist darauf hin, dass 2033 das Zuckerfest wohl auf den 24. Dezember fallen wird. Vielleicht wird das eine Gelegenheit für ein großes überkonfessionelles Fest mit ganz vielen bunten Lichtern – überall. Bis dahin sollten wir alle uns aber über die bunten Lichter und die Feierstimmung am Zuckerfest freuen. Und und nun erst einmal allen, die fasten, »Ramadan Mubarak« wünschen und am 30. März dann »Hayirli bayramlar«, ein gesegnetes Fest, und »Eid Mubarak«.

Reem Faruqi: Das Haus ohne Lichter, Illus: Nadia Alam, Ü: Aisha Meier-Chaouki, ars edition, 2025, 40 Seiten, ab 4, 16 Euro