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Zu den Sternen

margherita hackHierzulande war Margherita Hack wohl nur Eingeweihten aus der Astrophysik-Szene bekannt, nun ist die italienische Sternenforscherin im Alter von 91-Jahren in Triest gestorben.

Ich muss zugeben, dass auch ich bis vor etwa einem Jahr nichts von Margherita Hack wusste. Schließlich habe ich Literatur und nicht Astronomie studiert. Doch durch die Übersetzung des Kindersachbuches Warum? Darum! – Astronomie schloss sich meine Wissenslücke. In diesem kleinen Bändchen hat sie dem Journalisten Federico Taddia jede Menge freche Fragen über Sterne, Astronomie und Himmelsphänomene beantwortet. Dabei hat sie sich für mich als eine sehr bodenständige und humorvolle Frau vorgestellt.

1922 in Florenz geboren war sie von 1964 bis 1997 Professorin für Astrophysik an der Universität in Triest. Gleichzeitig leitete sie bis 1987 das Observatorium in Triest und hat sowohl mit der ESA als auch mit der NASA zusammengearbeitet. Im Universum rast der nach ihr benannte Asteroid 8558 durch den Raum.

Über vieles aus ihrer Arbeit berichtet sie in dem Warum?-Darum!-Buch und holt dort neugierigen Kindern die Sterne vom Himmel. Sie erklärt Zwergplaneten, Schwarze Löcher, erzählt von Galileo Galileo und von Tieren auf dem Mond. Und macht damit die Astrophysik zu einer sehr anschaulichen und spannenden Wissenschaft, der man sich sofort intensiver widmen möchte.

margherita-hackIn Italien war Margherita Hack daneben auch als politische Aktivistin bekannt. Sie kandidierte für die Kommunistische Partei und setzte sich für die juristische Gleichstellung homosexueller Paare ein. Als Atheistin hat sie sich für einen laizistischen Staat stark gemacht.

Eine herausragende Wissenschaftlerin, eine durch und durch emanzipierte und aufgeklärte Frau und ein leuchtendes Vorbild zivilen Engagements ist gegangen – vermutlich zu den Sternen. Das macht traurig.

Taddia, Federico: Warum? Darum! AstronomieÜbersetzung: Ulrike Schimming, Oetinger Verlag, 2013, 96 Seiten, ab 8, 7,95 Euro

Fantasie trifft Genie – oder die wahren Werte im Leben

Beim Fußball schießt Anton öfter mal ein Eigentor, Mathe ist seine Sache nicht, obwohl sein Vater darauf besteht, dass man damit auf jeden Fall etwas wird. Dafür aber berichtigt der Junge mit Leidenschaft die Enden von Märchen. Als seine Eltern eines Tages beschließen, ein zweites Kind zu adoptieren, setzt Anton sich durch, dass dieses Kind genauso alt ist wie er, nämlich neun. Mama will ein Mädchen, doch im Kinderheim verliebt sich die ehemalige Apothekerin auf den ersten Blick in den indischstämmigen Dilip. Und ab jetzt ist nichts mehr wie vorher.

Dilip lächelt rätselhaft, verehrt den Elefantengott Ganesha und sagt erstmal lange Zeit kein Wort. Nach und nach kommt heraus, dass Dilip sich für Astrophysik, das Weltall, den Urknall und die Planeten interessiert. Aus der Bibliothek leiht er sich keine Kinderbücher, sondern englischsprachige Fachliteratur aus. Als ob das alles noch nicht genug Veränderungen im Leben von Anton sind, bekommt sein Vater einen neuen, besser bezahlten Job in einer Bank. Die Familie bezieht ein viel zu großes Haus, der Vater erfüllt sich seinen Wunsch nach dem butterweich bremsenden Mercedes und der samtweichen Wildlederjacke, Mama mutiert zu einer eleganten Vorstadttussi und bekommt nicht mit, dass Dilip wieder in seinen Schweigemodus gefallen ist.

Alle sind irgendwie mit sich beschäftigt. Nur Anton beobachtet mit seinem Reporterauge die Wandlungen in seiner Familie. Opa Gert, Vaters Papa, scheint der Einzige, der noch einen klaren Blick auf die Geschehnisse hat. Mama kommt erst wieder zu sich,  als eine Lehrerin sie darauf aufmerksam macht, dass Dilip hochbegabt ist. Nur mit Papa geht es weiter bergab, er kommt spät nach Hause, liegt am Wochenende nur noch im Bett und verzweifelt am fallenden Dax-Kurs. Als die beiden Brüder ihn eines Nachmittags in einem Cafe im Einkaufszentrum treffen, denken sie sich nichts Böses …

Salah Naouras Roman Dilip und der Urknall und was danach bei uns geschah ist eine entzückend leichte Familiegeschichte. Dabei wird aus dem Thema Adoption kein traumatisierendes Drama gemacht. Es ist viel mehr die natürlichste Sache der Welt. Ebenso die indische Herkunft von Dilip. Und auch der Junge hadert nicht im Geringsten damit, dass er seinen leiblichen Vater nicht kennt und nicht genau weiß, woher er kommt. Denn „… das wäre eigentlich nichts Besonderes, weil die Welt nämlich proppevoll mit Dingen ist, von denen kein Mensch weiß, wo sie herkommen und wozu sie da sind.“ Schon allein für diesen Satz liebe ich dieses Buch!

Mit vergnüglicher Leichtigkeit verknüpft der Autor die Alltagswelt von fast Zehnjährigen mit Konsum- und Statusdenken der Erwachsenen, Bankenkrise und wahrer Lebensfreude. Antons Fantasie trifft auf Dilips Wissenschaftsgenie, durch das man so ganz nebenbei eine Menge über das Universum erfährt, und den beiden Jungs, aber auch dem Leser wird klar, dass das eine nicht besser oder schlechter ist als das andere. Beide Talente sind in dieser Welt wichtig. Und dass Job, Haus und Auto nicht alles im Leben sind, muss schließlich auch der Vater feststellen, als er im neuen Job nicht besteht und sich von all dem Luxus wieder trennen muss.  So lustig und kurzweilig sind die wahren Werte im Leben wie Liebe, Freundschaft, unvoreingenommener Zusammenhalt und Leidenschaften jenseits von monetärem Erfolg schon lange nicht mehr verpackt worden!

Salah Naoura: Dilip und der Urknall und was danach bei uns geschah, Dressler, 2012, 176 Seiten, ab 8, 12,95 Euro