Nicht jedes Abenteuer beginnt mit einem aufregenden Szenario. Und die echten Abenteurerinnen sind nicht unbedingt die, die sich für besonders abenteuerlustig halten. Zum Bespiel im neuen Bilderbuch des belgischen Bilderbuchkünstlers Leo Timmers: Drei Enten dümpeln in einem Tümpel. »Kommt, wir gehen zum See«, schlägt die vierte vor. Also machen sich drei flugs auf den Weg in unbekannte Gewässer, Abwechslung ist das halbe Leben. Nur Erik ist unsicher: »Zum See? Aber man sagt, dort wohnt ein schreckliches Monster!«
Viele fiese Begriffe für zurückhaltende Leute
Ist Erik ein Feigling? Ein Angsthase? Eine Bangbüx? Ein Schisser? Die deutsche Sprache kennt viele fiese Begriffe für zurückhaltende Leute, die auch mal was in der Frage stellen. Dabei sind die wenigsten wirklich mutig, die meisten schwimmen einfach bequem mit der Mehrheit. Erik ist eher skeptisch. Trotzdem geht er mit zum titelgebenden Monstersee. Während die anderen drei stoisch und gleichförmig über die nun etwas größere Oberfläche paddeln, schwimmt Erik hinterher und hält die Augen offen. Und tatsächlich, unter ihm gleitet ein riesiges Ungeheuer entlang, mit furchteinflößenden Hauern im Maul. Eindeutig ein »MONSTER!«, wie Erik panisch aufschreit. Von den vorausschwimmenden Wasservögeln wird das nur als schlechter Witz abgetan.
Mit Taschenuhr und verrücktem Zylinder
Bei genauerem Hinsehen – und das tut Erik – sieht dieses türkise Ungetüm aber ziemlich entspannt, sogar sehr freundlich aus. Ein bisschen wie das Yellow Submarine als Lebewesen. Nette Accessoires aus Alice im Wunderland baumeln an ihm, die Taschenuhr des hektischen Kaninchens und ein bunter Miniaturzylinder, direkt aus der Manufaktur des verrückten Hutmachers.
Aberwitzige Wesen im Breitbandpanorama
Als eben dieses Monster Erik wortlos einlädt, ihm zu folgen, überwiegt Eriks Neugier seine Angst. Er taucht ab unter die Oberfläche. Dort wird der Abenteurer wider Willen mehr als belohnt für seinen echten Mut. Über ein aufklappbares Breitbandpanorama erstreckt sich gleich über ganze vier Seiten eine fröhliche und kunterbunte Subkultur am Seegrund. Leo Timmers malt eine sehr lustige und kuriose Straßenverkehrsszene, in der sich die aberwitzigsten Wesen in allen Größen und Formen tummeln. Eine Kreuzung in New York wirkt dagegen wie ein lahmer Abklatsch. Erik hat einen Monsterspaß im fantastischen Schwarm.
Echte Abenteuer warten unter der Oberfläche
Bis die anderen drei Enten ihn vermissen. Also taucht Erik wieder auf und beweist, wie cool er wirklich ist: Er behält das wahre Geheimnis des Monstersees für sich. Man muss gar nicht so mutig sein, um ein Abenteurer zu sein. Aber offen und neugierig unter die Oberfläche sehen. Dann entdeckt man die tollsten Welten. Das zeigt Leo Timmers mit wenigen Worten (die von Eva Schweikart übersetzt wurden). Dafür mit umso vielsagenderen Bildern.
Leo Timmers: Monstersee, Übersetzung: Eva Schweikart, aracari Verlag, 2023, 44 Seiten, ab 6, 18 Euro
Bei mir auf dem Schreibtisch hat sich in den vergangenen Wochen, sei es bei meiner Arbeit als Übersetzerin und Lektorin, als auch bei der Suche nach »schönen« Kinderbüchern ein Thema herauskristallisiert: die Angst. Gefühlt leben wir in einer Zeit, in der die Menschen immer mehr Angst haben. Vor Viren oder Impfstoffen dagegen, vor den Auswirkungen der Klimakatastrophe, vor drohenden Kriegen in nicht allzu weiter Entfernung. Die Liste ließe sich beliebig erweitern.
Ein Leben ohne Angst gibt es allerdings nicht und hat es auch nie gegeben. Das Gefühl der Angst ist uns angeboren und erfüllt eine wichtige Funktion, in dem sie uns vor lebensbedrohenden Gefahren schützen will. Nur, dass wir in unserem hochtechnisierten und durchgetakteten Leben voller Ansprüche und Erwartung mittlerweile auch vor Dingen Angst haben, die nicht unbedingt lebensgefährlich sind. Aber wie oft hat man als Erwachsener Angst um den Ruf oder den Job. Menschen wollen dazugehören, denn auch das sichert unser Überleben.
Kindern geht es nicht anders. Nur verfügen sie noch nicht über die Erfahrung, wie sie das unangenehme Gefühl Angst bewältigen können, welche Tricks und Kniffe man anwenden kann, um es wieder loszuwerden. Oder auch hinter die Schatten zu blicken. Aus Erwachsenenperspektive von oben herab zu sagen: »Da ist doch gar nichts« hilft den Kindern nicht. Die Angst bleibt und wird im schlimmsten Fall größer.
Bei der Durchsicht der aktuellen Verlagsvorschauen sind mir dann eine Vielzahl von Neuerscheinungen zum Thema Angst aufgefallen. Daraufhin habe ich mich ein bisschen umgesehen und erst einmal die Bilderbücher aus den vergangenen drei Jahren gesichtet (weiter zurück zu gehen würde das Internet sprengen…). Die Bandbreite bei Bilderbüchern zum Thema Angst ist riesig. Auffallend ist, dass hauptsächlich tierische Akteuere auf die eine oder andere Art gegen ihre Angst ankämpfen, vom Opossum bist zum klassischen Wolf, vom Hasen bis zum Mops, es ist alles dabei. Sogar ein Ents-ähnlicher Baum hilft bei der Angstbewältigung. Mag sein, dass die Angst so weniger Angst macht und die Identifikation leichter fällt. Dazu gibt es in so einigen Büchern Reime und Bannsprüche, die im realen Leben Halt und Hilfe geben können.
Ich habe versucht, die Bücher ein wenig nach Themen zu sortieren. Aber ich erhebe hier natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch ersetzt die Lektüre nicht eine professionelle psychologische Betreuung, wenn ein Kind unter einer Angst so sehr leidet, dass es davon ernsthaft krank wird. Aber meine kleine Hoffnung ist, dass ihr hier vielleicht Anregungen findet, wie ihr eurem Kind die Angst vor der Angst nehmen könnt. Es gibt hier sehr viel zu gucken, zu entdecken, zum Schmunzeln und zum Lachen. Vor der Angst braucht sich niemand zu fürchten. Sie gehört zu uns, zu unserem Leben dazu. Es ist eine Frage der Einstellung und des Wissens, wie wir ihr begegnen. Und sie dann letztendlich in Mut verwandeln und uns viel mehr trauen. Viel Spaß beim Stöbern.
Sich etwas trauen gegen die Angst
Schon für die kleinsten Leser:innen lässt sich das Gefühl Angst mit Hilfe eines Buches bewältigen. Das Pappbilderbuch Kleiner Angst-Frosch hab doch Mut! von Christine Kugler und Jutta Berend zeigt kindgerechte Alltagssituationen, in denen Angst aufkommen kann: auf der Rutsche, beim Sprung ins Schwimmbecken, abends im Bett oder auf der Bühne beim Chorkonzert. In kurzen gereimten Texten wird die Situation erklärt und Hilfe in Form von Freunden, Taschenlampe oder Mitsingenden geboten. So überwindet Frosch Ferdi schließlich seine Angst. Und jede kleine Leser:in erfährt schon hier, dass Angst etwas ganz Normales ist.
Angst versus Mut treffen unmittelbar im Wendebuch von Andrea Schütze und Stéffie Becker aufeinander: Ich trau mich/Ich trau mich nicht. Das mutige Orang-Utan-Mädchen Olivia und der ängstliche Tiger Jonte leben im Urwald und wüschen sich eigentlich nur einen Freund, ganz für sich. Die Elternteile können den beiden dabei nicht besonders gut helfen, ermuntern den jeweiligen Spross aber, auf die Suche zu gehen. Olivia und Jonte begegnen dem Krokodil Rokko, der sich als Freund anbietet. Allerdings unter der Bedingung, dass die beiden eine Mutprobe bestehen sollen … Das Gegenüber der unterschiedlichen Charaktereigenschaften der Figuren lässt kleine Leser:innen sicher über die Vielfalt im Leben nachdenken. Die identische Reaktion von Olivia und Jonte auf die Mutprobenfrage von Rokko macht ihnen jedoch auch klar, dass Freundschaft nicht unter Bedingungen geschlossen werden kann – und es mitunter sehr mutig ist, Nein zu sagen.
Die Neuausgabe von Valeri Gorbachevs Nur Mut, kleine Küken! ist im Grunde ein Klassiker von 2001 und begleitet zwei Kükengeschwister bei ihrem ersten Besuch auf den Spielplatz. Alles ist groß und scheinbar gefährlich: die Wippe mit den Hundekindern, das Karussell mit den Ferkeln drauf, die Schaukeln, die von den Kätzchen besetzt sind. Die anderen Tierkinder sind nett und fragen die Küken, ob sie mitmachen wollen, doch die beiden antworten stets: »Danke, aber dafür sind wir noch zu klein.« Man kann es ihnen nicht verdenken… Doch als der Biberjunge auf der Rutsche Verständnis für ihre Angst zeigt (er hatte beim ersten Mal auch Angst) und mit ihnen gemeinsam rutscht, überwinden die beiden ihre Scheu. Die nicht Verurteilung von Angst, das Verständnis der anderen und die Hilfsbereitschaft, die knuffige Tierfiguren hier zeigen, fördern auch bei den Betrachter:innen den Mut, sich auf neue Abenteuer, sei es auf dem Spielplatz oder sonst wo im Leben, einzulassen.
Der kleine rote Drache mit den niedlichen Flügeln traut sich nicht – zu fliegen. Obwohl das doch genau das ist, wozu er geboren ist, finden die großen Tiere wie Fuchs, Hase und Dachs. Allein Mama Drossel verteidigt den Ziehsohn: »Ach, das macht er schon noch, wenn die Zeit gekommen ist.« Bis dahin entdeckt der kleine Drache die Moosrutsche auf dem Baumstamm, malt Bilder in den Sand, betrachtet hübsche Blumen. Alle Versuche seiner tierischen Genossen, ihn zum Fliegen zu bewegen, bringen nichts. Bis er es eines Nachts selbst ausprobiert … Neben der Bewältigung der Furcht vor einer zu erlernenden Fähigkeit, geht es in Ein komischer Vogel traut sich was von Michael Engler und Joëlle Tourlonias auch um das Aushalten von gesellschaftlichem Druck. Alle erwarten etwas, drängen den kleinen Drachen förmlich – doch nur die Ziehmutter hat im Blick, dass jedes Wesen seinen eigenen Rhythmus hat und Zeit braucht. Ein Mutmachbuch für kleine Leser:innen der besonderen Art, ganz im Sinne: Kommt Zeit, kommt Mut.
Tiere gibt es im psychologischen Bilderbuch Muträuber von Johannes Traub, Wiebke Alphei und Suse Schweizer nicht: Dafür sind die Räuberbrüder Hugo und Zugo ziemlich verschieden. Hugo ist eher der angstfrei Draufgänger, Zugo der ängstlich Zurückhaltende. Zugo möchte gern mutiger sein, weiß aber nicht, wie er das anstellen soll. Der Räubervater gibt ihnen den Tipp, sich Mut zu räubern. Und Mut findet man da, wo Angst ist … und so stellt sich Zugo seinen Ängsten (der großen Rutsche, Radfahren). Hugo unterstützt ihn dabei, so dass auch Zugo sich schließlich traut. Geschickt sind hier im Text verschiedene Arten von Angst und ihre körperlichen Merkmale eingebaut. Die bestärkende Art von Hugo gegenüber dem Bruder zeigt den Lesenden, wie bei Kindern Ängste abgebaut werden sollten. Die Variante, dass hier nur Jungs und der Vater auftreten, macht das Buch zu einer perfekten Vater-Sohn-Vorlesegeschichte.
Mitmachbücher
Konkrete Strategien, wie Kinder mit ihren Ängsten umgehen können, liefern Nanna Neßhöver und Eleanor Sommer in Wenn ich ängstlich bin. Murmeltier Mumm verlässt seinen Bau und ist plötzlich einsam und bekommt Angst. Bär, Luchs, Mauerläufer und Steinbockmädchen machen ihm vor, wie sie ihre Angst wegbrummen, weghopsen, sich groß machen oder sich schöne Orte vorstellen. Mumm probiert das alles aus und findet schließlich das, was er am besten kann: pfeifen.
Mit kleinen Aufforderungen im Text werden die Kinder beim Betrachten der Bilder animiert, beispielsweise auf die Blüten zu tippen, über einen Stein zu streichen oder sich ihren Lieblingsplatz vorzustellen. Die Macherinnen zeigen den Kids durch süße Bilder und einfache Texte, wie sich die Angst körperlich zeigt (zittern), wofür sie gut ist (Warnung) und wie sie damit umgehen können (atmen, vorstellen, hopsen). Das Abenteuer von Mumm hat Unterhaltungswert und hilft Kindern und Eltern gleichzeitig mit alltäglicher Angst umzugehen.
Ähnlich geht es in dem Mitmachbuch Nur Mut, kleiner Schmollmops von von Lucy Astner und Alexandra Helm zu: Der Mopswelpe hat vor seinem ersten Tag in der Möpschen-Spielgruppe ein ganz seltsam kribbeliges Gefühl im Bauch. Mops-Eltern und -Großeltern konstatieren dem Nachwuchs Angst und reden ihm Mut zu. Doch wie wird man mutig? Hilfe naht durch Specht, Hamster, Dachs und Katze. Jedes Tier bringt dem kleinen Mops eine Entspannungs-Mutmach-Technik bei, die die kleinen Leser:innen dem Schmollmops aktiv vormachen sollen. Da wird geklopft, Katzenbuckel gemacht, die Backen aufgeblasen und durchgeatmet. Der Trick, den Kindern so ein paar Entspannungskniffe beizubringen, ist entzückend, bedarf aber sicher mehr als eine Lektüre, um alles wirklich zu verinnerlichen. Am Ende merkt der Schmollmops, dass es in der Spielgruppe gar nicht schlecht ist und er einfach seinem Herzen folgen sollte.
Angst vor Unbekanntem
Angst hat immer auch etwas mit dem Unbekannten, dem Fremden zu tun. Darum geht es in Jessica Meserves Die Welt da draußen. Die Betrachtenden tauchen ein in die Welt der Kaninchen, die am liebsten zu Hause und mit ihresgleichen zusammen sind. Am liebsten futtern sie Möhren und haben es gern kuschlig warm in ihrem Bau. Das Helden-Kaninchen gerät beim Ausrupfen eines leckeren Mörchens, das ein klein wenig außerhalb des bekannten Gefildes wächst, ins Neuland. Es kullert in ein unbekanntes Loch und erlebt ganz unkaninchenhafte Dinge wie Nasswerden und Luftanhalten. Auf seiner Reise begegnet es einem Tier mit Krallen und Haaren, vor dem Kaninchen immer gewarnt wurde. Kaninchen steht böse Ängste aus. Doch das Nicht-Kaninchen ist gar nicht schlimm, im Gegenteil, es versorgt Kaninchen mit lecker Essen … Und so kommt Kaninchen auf den Geschmack, dass es auch noch was anderes im Leben geben kann. In einem Baum, auf den es ganz unkaninchenhaft klettert, findest es Freunde mit Federn, Schuppen, Hörnern oder Hufen – und von allen kann es etwas lernen … Diese neue Häschen-Schule ist quasi ein Plädoyer für eine bunte Gesellschaft, in der wir alle von anderen sehr viel lernen können. Der Angst vor dem Fremden, dem vermeintlich Gefährlichen, wird hier eine charmante Absage erteilt – und tut uns allen gut.
Schon ganz junge Bilderbuchbetrachter:innen nimmt der kleine Bär, ein Puh-der-Bär-Look-a-like, mit auf einen Weg gegen die Furcht. Nach dem Besuch bei Großvater Bär geht der kleine Bär allein, aber mit einer Laterne in der Pfote nach Hause. Im Wald hört er immer wieder unheimliche Geräusche und findet kleine Tierkameraden, die sich im Dunkeln fürchten. Mit dem titelgebenden Mantra »Ich habe ein Licht und fürchte mich nicht!« nimmt er die Freunde mit und so gelangen alle schließlich sicher nach Hause. Gerade dieser Reim, den auch kleine Kinder ganz rasch behalten, wirkt wie eine erhellende Ermutigung. Der blau gehaltene Nachtwald mit den Augen, den versteckten Tierchen und deren süßen Behausungen (genau hinschauen!) machen das Buch von Brigitte Weninger und Laura Bednarski zu einer Lektüre voller Überraschungen.
Auf eine Reise oder einen Weg begibt sich auch die Ente. Zusammen mit der Maus macht sie sich in Wird schon schiefgehen, Ente! von Daniel Fehr und Raphaël Kolly auf, den Biber an seinem neuen Damm zu besuchen. Nur plagen die Ente unzählige Alltagsängste: Man könnte sich verlaufen, sich im Regen erkälten, verhungern oder verdursten. Zum Glück hat die entspannte Maus Proviant dabei und erträgt die schwarzseherische Ente mit einer bewundernswerten Gelassenheit. Und plötzlich sind die beiden am Ziel – und nichts ist passiert. Dieser sommerlich orangefarbige Reisegeschichte ist im Grunde der Monolog der ängstlichen Ente. Die Maus reicht ihr zu essen und zu trinken und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch so kann man oder sollte man Ängsten von anderen vielleicht begegnen: Nicht viel sagen, sondern einfach weitermachen. Das Ergebnis ist überzeugender als jede Erklärung.
In einem tiefen, aber wunderbar bunten Wald treffen in Ab hier kenn ich mich aus von Andrea Schomburg und Amrei Fiedlerein ein Menschenkind und ein Baumwesen, das erstaunlich an die Ents aus »Herr der Ringe« erinnert aufeinander. Das Kind hat sich verlaufen, findet den Weg nicht mehr. Dazu die unheimlichen Geräusche, das Geraschel, Gepiepse, Geheule und Geklopfe. Der Baum erklärt und zeigt, und gemeinsam finden sie den Weg aus dem Wald und gelangen in die Stadt mit den vielen Menschen, Häusern, Autos, der Enge, dem Gerumpel. Nun erklärt das Menschenkind und findet den Weg nach Hause wieder. Andrea Schomburg reimt was das Zeug hält und öffnet die Augen für die Schönheit der schützenswerten Natur, auch in der Stadt. Der Angst des Kindes im Wald setzt sie die Angst des Baumes in der vollen Stadt entgegen und zeigt, dass die Angst verschwindet, sobald man sich besser auskennt und gewisse Regeln (die Ampel) beachtet.
Angst vor Gewitter
Die Angst vor dem Naturphänomen Gewitter findet sich aktuell in zwei Bilderbüchern. In Da liegt was in der Luft von Malin Hörl wohnt Svea mit ihren zwei Schwestern, Mama und Papa irgendwo auf dem Land, als ein Sommergewitter aufzieht. So ein richtig heftiges. Die Mädchen sind leicht panisch, ziehen im Haus die Stecker aus den Dosen. Aber Papa bleibt cool, erklärt wie man Schutz sucht und die Entfernung des Gewitters berechnet. Dann schmiert er Erdnussbutterbrote und vom geschützten Balkon beobachten Vater und Töchter das Naturspektakel, mit ganz viel Respekt. Dieser und die gelassene Zugewandtheit des Papas bewirkt, dass Svea schließlich sagt: »Ich mag Gewitter.« Die gemeinsame Lektüre und das Betrachten der warmfarbigen, aber sturmbewegten Bilder kann kleinen Menschen vielleicht die Gewitterangst nehmen.
Auch Hibiskus, der Hase, findet Gewitter nicht gerade toll. In Hase Hibiskus und das grausige Gruseln von Günther Jakobs und Andreas König freut sich der Langohrheld auf einen geruhsamen Abend mit Kakao, doch stattdessen zieht ein Gewitter auf und der Strom fällt aus. Allein im Dunkeln ist es ganz schön gruselig. Schaurige Geräusche dringen von außen ins Haus, dunkle Schatten sind zu sehen, Monster schauen durchs Fenster. Doch glücklicherweise sind es lauter Freunde von Hibiskus, die nach und nach vom Gewitter überrascht bei ihm Unterschlupf suchen. So füllt sich das Hasenhaus mit Maus, Bär, Esel, Uhu und Schlange. Und gemeinsam bei einem Becher Kakao sind sich die Freund einig: »Und gruselt dich auch mal etwas, hab keine Angst, wir klären das.« Genaues Hingucken hilft also gegen Angst, erfahren kleine Leser:innen hier – und Kakao im Warmen ist bei Gewitter ein Seelentröster.
Dunkelheit und Schattenwesen
Die generelle Angst vor der Dunkelheit thematisiert das künstlerische Bilderbuch Louisa und die Schattenmonster von Liliane Steiner. Louisas Eltern haben sich für das Mädchen einen Bannspruch ausgedacht, damit es im Dunkeln keine Angst mehr hat: »Feenschmalz und Kräutersalz, lässt verschwinden von allein, Geister, Monster und Gebeine.« Dazu wird Glitzerstaub verstreut. Dennoch wird Louisa mulmig, wenn das Licht aus ist. Die Schatten an der Wand sind einfach unheimlich. Licht und Zauberspruch helfen ihr zunächst. Doch auf dem Weg in die Küche begegnen ihr noch mehr gruselige Schatten… Die Künstlerin arbeitet geschickt mit den Schatten von Alltagsdingen. So werden Holzlöffel, Spaghettizange und Kelle zu einem Skelett, Kehrblech, Handbesen und Wischeimer zu einem Teufel. Die Seiten sind dem Setting entsprechend dunkel gehalten, was für kleine Betrachter:innen spannend sein kann. Louisa enttarnt die Schattenmonster und verliert ihre Angst. Auf dem Vorsatz sind Beispiele für Schattenspiele mit den Händen zu sehen, die sofort zum Nachmachen animieren und die Verwandlung von verschränkten Fingern zu mehr oder minder gefährlichen Tierschatten veranschaulicht.
Die Angst vor der Dunkelheit findet in Hab keine Angst, kleines Dunkel von Peter Vegas und Benjamin Chaud eine reizvolle Umkehrung: Das kleine Dunkel hat nämlich Angst vor dem Licht. Es versteckt sich in Schubladen, unterm Bett und traut sich erst vor die Tür, wenn die Sonne weg ist. Das Dunkel bleibt die ganze Nacht wach, damit die Kinder ruhig schlafen können, auch wenn es selbst dann nichts erlebt. Dafür lieben Fledermäuse und Sterne das Dunkel. Dunkelheit kommt hier als ein sehr sympathisches und wichtiges Element in unserem Leben daher. Es wird Kindern, die sich davor fürchten, wie ein guter Freund präsentiert, dem man durchaus mal »Hallo« sagen kann. Nach dieser Lektüre können junge Leser:innen dem Dunkel mit ganz anderen Augen begegnen.
Ganz anders geht es in der folgenden Geschichte zu: Eines sonnigen Morgens entdeckt Hase, dass etwas nicht stimmt. Da war plötzlich noch jemand: Schwarzhase. Und ganz gleich, was Hase tat – rennen, verstecken, schwimmen – Schwarzhase verfolgte ihn und machte ihm Angst. Erst im dunklen Wald hat er Ruhe vor Schwarzhase. Bis ihn der Wolf zu jagen beginnt. Als Hase aus dem Wald in die Sonne rennt, passiert es … Das Schattenspiel in Philippa Leathers Bilderbuch Schwarzhase verdeutlicht die Funktion von menschlichen Ängsten schon für ganz kleine Leser:innen. Sie sind immer bei uns, aber sie schützen uns vor lebensbedrohlichen Gefahren.
Von Träumen und Albträumen
In der Dunkelheit kann es sein, dass wir von bösen Träumen belästigt werden. So er geht es Anton in Ben Furman und Mathias Weber Buch Antons Albtraum. Er soll bei Oma schlafen. Aber Anton hat in letzter Zeit immer wieder Albträume und kann nur schwer einschlafen. Oma weiß nichts davon und die Eltern vergessen, es ihr zu erzählen. Als Anton ihr selbst davon erzählt, sagt Oma: »Es gibt gar keine Albträume.« Aus dieser überraschenden Aussage entsteht ein Gespräch über Antons Albtraum. Oma nimmt die Bilder aus Antons Traum auf und erzählt dazu eine Geschichte mit einem schönen Ende. Die Beschäftigung damit hilft Anton, ohne Angst einzuschlafen. Nicht alle Albträume sind natürlich so »harmlos« wie Antons, daher erläutert Autor und Psychologe Ben Furman in einem Nachwort, wie Eltern damit umgehen können, wenn ihre Kinder etwas wirklich Erschreckendes erlebt oder gesehen haben. Offene Gespräche über das Erlebte oder Geträumte, das Malen von Bildern oder die Besuche von Orten oder Einrichtungen, die im Traum eine Rolle spielen, helfen den Kindern bei der Verarbeitung. Dieses Buch liefert eine wunderbarer Idee dafür.
Fantasie und Wirklichkeit treffen auf eine leichtere Art im Buch Timo kann was Tolles von Nikola Huppertz und Tobias Krejtschi aufeinander. In seinen Träumen ist Timo mutig, fliegt, hat keine Angst vor Dschungeltieren oder fährt große Feuerwehrautos. Doch tagsüber im Kindergarten schafft er es nicht hoch zu schaukeln, hat Angst einen Regenwurm zu streicheln und seine Bilder sehen aus wie Krikelkrakel. Die anderen Kinder lachen ihn aus. Bis auf Ava. Erst als sie Timo fragt, ob sie etwas zusammen machen wollen, erkennt Timo seine besondere Gabe. Und auf einmal fallen ihm zusammen mit Ava die Dinge ganz leicht. Träum können also wahr werden, wenn Kinder den Mut aufbringen, sich anderen anzuvertrauen. Gemeinsam ist man stärker und kann gewissen Hindernisse überwinden.
Angst als Freundin
Dass wir der Angst anders begegnen können, thematisieren zwei sehr ähnliche Bücher. In Mirjam Zels erdig-pastelligem Bilderbuch Fast wie Freunde geht es um das Mädchen Sophie. Sie wohnt in einer ganz normalen Stadt, in der die Leute sich zwar grüßen, aber nicht so genau hinschauen. Was sie nicht genau sehen, ist zunächst nicht erkennbar. Nach und nach wird klar, dass Sophie eine schwarze Last mit sich herumschleppt: ihre Angst. Sie hat Angst auf den Baum zu klettern oder im Teich zu schwimmen. Niemand versteht, was mit ihr los ist. Erst als sie ganz allein ist, entdeckt sie ihre Angst – und stellt fest, dass sie eigentlich gar nicht so schlimm ist. Sophie ändert ihre Taktik: Statt die Angst einfach herumzuschleppen, nimmt sie sie wie eine Freundin an die Hand und zeigt sie den Menschen in der Stadt. Und nun ändert sich etwas: Sophie erkennt, dass die Angst manchmal ganz sinnvoll ist – als Warnung vor Gefahren –, sie aber oftmals gar nicht nötig ist. Ihr Beispiel steckt an und so zeigen nun auch die anderen Menschen ihre Ängst und alle werden irgendwie netter zueinander. Mut zur Angst ist hier das wichtige Thema. Denn kein Mensch ist ohne Angst. Sie macht uns menschlich. Die eigene Angst zuzugeben, zu ihr zu stehen macht vielleicht angreifbar, aber das Zusammenleben gestaltet sich freundlicher, wenn wir für andere Verständnis entwickeln.
Francesca Sanna, die hierzulande mit ihrem Buch Die Flucht bekannt wurde, verarbeitet in diesem künstlerischen Bilderbuch in ähnlicher Weise ihre eigenen Ängst. Sie zeigt ein Mädchen, das ihre Angst als weißes Knuddelmonster immer dabei hat. Diese Angst ist mal kleiner und mal größer, oft beschützt diese Angst das Mädchen. Doch als es in ein neues Land kommt, in dem sich das Mädchen nicht wohl fühlt, wird diese Angst riesengroß. Sie stellt sich zwischen das Mädchen und die neuen Mitschüler:innen, sie verhindert, dass das Mädchen mit anderen reden kann, sie zerrt das Mädchen immer gleich wieder nach Hause. Erst als ein Junge aus ihrer Klasse ihr etwas zeigt und später beim Spielen seine eigene Angst offenbart, wird die Angst des Mädchens wieder kleiner. Die Darstellung der Angst als Barbapapa-förmiges Etwas entspricht der von Mirjam Zels in Fast wie Freunde. Die Beherrschung von Angst durch die Hilfe eines Freundes ist auch hier eine wichtige Botschaft.
Märchen reloaded
Seit Rotkäppchen und der Wolf ist dieses wunderbare Tier zu einem Angstsymbol geworden – völlig zu Unrecht. Er bietet sich trotzdem immer wieder an, die Angst zu illustrieren oder damit zu spielen. Ein herrliches Spiel mit diesen Stereotypen ist das Bilderbuch von Jan De Kinder: Keine Angst, Großer Wolf. Schon der Titel könnte stutzig machen: Warum wird der Große Wolf angesprochen? Das zeigt sich auf der ersten Doppelseite: Der kleine Wolf geht mit dem großen Papa Wolf in den Wald. Der kleine marschiert voran, der große mit angstvoller Schnauze hinterher. In farblich schön reduzierten Bildern lockt der Wolf-Sohn den Vater durch das Unterholz, erklärt, was für Geräusche zu hören sind, was es so zu sehen und zu riechen gibt. Bis die zwei tatsächlich jemandem begegnen und der große Wolf reiß aus nimmt. De Kinder spielt geschickt mit dem Märchen von Rotkäppchen. Er löst Ängst durch genaues Beobachten auf. Gleichzeitig zeigt er Kindern durch die Umkehrung der Vater-Sohn-Rolle, dass sie mutiger sein können als der Papa. Und nimmt am Ende das psychologische Trauma des Vaters aufs Korn – was für erwachsene Vorleser:innen eine sehr amüsante Pointe darstellt.
Das angebliche Angsttier Wolf schwebt auch in Myriam Ouyessads und Ronan Badels Der Wolf kommt nicht, quasi über allem. Hasenmutter bringt hier ihr Hasenkind ins Bett, das ständig fragt: »Bist du ganz sicher, dass der Wolf nicht kommt?« Hasenmutter beruhigt mit allen möglichen Argumenten: Es gibt keine Wölfe mehr, sie leben weit weg im Wald, ein Wolf kommt nicht in die Stadt, im Verkehr würde er nicht überleben und so weiter. Häschen versteckt sich derweil unter der Decke, schaut erschreckt. Die Hasenszenen mit dem Text finden sich immer auf der linken Seite, während rechts der Wolf in den verschiedenen Situationen gezeigt wird und immer näher kommt. Als sich Häschen scheinbar beruhigt hat und das Licht aus ist, klingelt es an der Tür … Die Auflösung ist so charmant, die müssen die Lesenden selbst herausfinden. Der Twist, den die Geschichte dadurch bekommt, ist absolut Angstvertreibend.
Ein weiteres Spiel mit Märchenklischees ist Prinzessin Riesenmut von Rachel Valentine und Rebecca Bagley. In knallbunten Illus machen sich die drei Prinzessinnen-Schwestern Thea, Juno und Liliy entgegen dem Verbot ihres Königs-Großvaters auf, den Riesen zu suchen. Dieser hat das Land verwüstet und treibt sein Unwesen. Angst kennen die drei scheinbar nicht: der Zauberwald schreckt sie nicht. Die Spinnen, die darin hausen, setzen sie geschickt außer Gefecht. Eine kaputte Brücke über eine Schlucht überqueren sie mit Kreativität. Und schließlich holen sie den Riesen ein, verschnüren und verhaften ihn. Ein klärendes Gespräch liefert dann die Erklärung für das zerstörerische Verhalten des Riesen … und alles wird gut. Der Mut der Prinzessinnen und ihr resolutes, aber auch einfühlendes Vorgehen räumt gehörig mit dem Image von braven Prinzessinnen auf, die auf ihren Prinzen warten und sich ihm unterwerfen. Die moderne Prinzessin trägt Kopfhörer und Sneakers, fährt Rollerskates, ist mit technischem Gerät ausgestattet und tanzt durchs Leben, ohne sich von schissigen Rittern Angst machen zu lassen. Die coolen Prinzessinnen geben vorzügliche Rolemodels ab.
Ängste im Alltag
Manchmal ist es natürlich auch so, dass wir mit der Angst leben, sie in unseren Alltag integrieren müssen. Wie so etwas entspannter geht, zeigt Kommt Zeit, kommt Opossum von Jennifer Black Reinhardt, das im April erscheint. Wenn Opossum Alfred Angst hat, erstarrt es und stellt sich tot. Das ist jedoch nicht besonders hilfreich in der Schule oder beim Sport. Freunde hat er so auch nicht gefunden. Doch dann lernt er Sofia, das Gürteltier, kennen. Sie rollt sich immer zu einer Kugel zusammen, wenn sie sich erschrickt. Die Erkenntnis der beiden, dass sie etwas gemeinsam haben, entspannt die Lage schließlich. Immer wenn der eine erstarrt oder die andere sich zusammenrollt, wartet er oder sie einfach ab. Und mit der Zeit passiert es ihnen immer seltener. Stattdessen entdecken sie, dass auch die anderen ihre Ängste habe: der Krake versprüht schwarze Tinte, die Schildkröte versteckt sich im Panzer, die Ziege fällt auf den Rücken. Doch mit Geduld und Verständnis weitet sich so ihr Freundeskreis aus. Die Verteidigungs- und Schutzmechanismen aus der Natur hat die Autorin für diese charmante Geschichte genutzt, um zu verdeutlichen, dass alle Menschen Ängste haben – und sogar die Tiere. Die Hilfe gegen die Angst liegt hier im Verständnis, das wir anderen gegenüber aufbringen sollten.
Auch Igel können Angst haben und bekanntermaßen rollen sie sich bei Gefahr zu stachligen Kugeln zusammen. Bei Autos haben sie damit leider nicht viel Glück. Doch in Britta Teckentrups Ich hab doch keine Angst! entgehen der große und der kleine Igel diesem Schicksal. Die beide Stacheltiere verleben einen schönen Tag zusammen, aber auch hier gibt es immer wieder Momente, in denen sie Angst haben könnten: der dunkle Keller, Geräusche im Wald, der Fuchs, das herannahende Auto, der Nebel. Dabei hat der große Igel genauso wie der kleine Igel Angst. Der Lütte behauptet jedoch steif und fest: »Ach was, ich hab doch keine Angst!« – was nicht immer ganz stimmt. In poetischen Illustrationen erleben die Betrachtenden hier, dass auch Erwachsene Ängst haben und damit umgehen müssen. Die Hilfe der befreundeten Katze verschafft den beiden Igeln schließlich einen guten Tagesabschluss.
In Kate Hindleys und Pamela Butcharts Buch Mika und das mutigste Mädchen der Welt hat der Titelheld Mika Angst vor allem: verbranntem Toast, komischen Socken, entlaufenen Dinos, zu knusprigen Keksen, bösen Eichhörnchen. Er benutzt keine Reißverschlüsse mehr, weil die ja klemmen könnten. Und am schrecklichsten ist der Wind, der ihn wegwehen könnte. Als Mika die unbeschwerte Emily trifft, die immer sagt: »Was soll schon passieren?«, erwacht sein Beschützerinstinkt. Doch da passiert’s: Der Wind bläst ihn davon, über Schnee und Meer zu den Piraten, bis ein Hubschrauber ihn rettet. Mika merkt, dass das alles gar nicht so schlimm ist und sogar Spaß machen kann. Und so wird er genauso mutig, wie das mutigste Mädchen der Welt. Gleichzeitig machen er und das Emily den jungen Leser:innen Mut, Dinge einfach mal auszuprobieren, denn: Was soll schon passieren?
Der Klassiker
Momentan ist auch wieder ein Klassiker der der psychologischen Bilderbücher zum Thema Angst auf dem Markt: Susi Bohdals Selina, Pumpernickel und die Katze Flora. In Neuauflage ist er seit vergangenem Jahr wieder zu haben. In schwarzweißen Federzeichnung erzählt Bohdal die Geschichte von Selina, die sich mit der Maus Pumpernickel anfreundet. Pumpernickel hat jedoch Angst vor der großen Katze Flora, der besten Mäusefängerin der Stadt. Als Selina sich zwischen Flora und Pumpernickel stellt, wird Flora wild und verfolgt das Mädchen. Immer größer wird die Angstkatze, während Selina mit der Maus vor ihr flieht. Eindrucksvoll ist die Katze auf den Illus irgendwann größer als die Häuser der Stadt. Pumpernickels Rat: »Du musst gegen sie laufen und ihr fest in die Augen sehen!« Selina nimmt allen Mut zusammen und wendet sich der Katze zu. Sie blickt ihr in die Augen. Und so wird Flora wieder kleiner. Natürlich merkt man diesem Buch sein Alter an. Illustrationen und Erzählstil haben eben schon 40 Jahre auf dem Buckel. Doch die Message gilt immer noch: Sich der eigenen Angst stellen, ihr in die Augen zu sehen, das kann helfen.
Das Sachbuch
Fiktive Geschichten können mit bunten Bildern, knuffigen Figuren und aufregenden Abenteuern bei der Angstbewältigung eine Form von Hilfe sein. Aber auch sachliche Texte, die zur Reflexion anregen, sind natürlich nicht zu unterschätzen. Ein solches Sachbuch ist Hey, du bist großartig von Karen Young und Norvile Dovidonyte, in dem es um Angst, Mut und die besonderen Fähigkeiten von kleine Menschen geht. Karen Young erklärt in einfachen Sätzen, was es mit unseren Angst-Gefühlen auf sich hat, welche Rolle das Gehirn dabei spielt und wie wir es trainieren oder verändern können. Bestärkende Gefühle und Gedanken können die Kinder quasi zu Superhelden machen, so dass sie in sich den Mut finden, schwierige Dinge zu meistern – beispielsweise vom Sprungturm im Schwimmbad zu springen. Young zeigt den jungen Lesenden, wie sie ihre Aufmerksamkeit auf das Hier & Jetzt lenken können, wodurch die Angst ebenfalls verschwinden kann. Sie fördert die Kinder in ihrer Kreativität und ihrer Entdeckerlust, unterstützt sie bei Entscheidungsfindungen. Dieses bestärkende Buch spricht die Kinder direkt als »du« an, kommuniziert also auf Augenhöhe und gibt ihnen das Gefühl, dass sie wichtig und eben großartig sind. Ein paar einfache Achtsamkeitsübungen schließen den Text ab und hinterlassen ein wohliges Gefühl.
Christine Kugler: Kleiner Angst-Frosch, hab doch Mut!, Illustration Jutta Berend, Penguin Junior, 2022, 12, Seiten, ab 2, 9 Euro Andrea Schütze: Ich trau mich/Ich trau mich nicht!, Ein Wendebuch, Illustration: Stéffie Becker, Ellermann, 2022, 52 Seiten, ab 5, 15 Euro Valeri Gorbachev: Nur Mut, kleine Küken!, Übersetzung: Christiane Jung, NordSüd, überarbeitete Neuausgabe 2022 (2001), 40 Seiten, ab 4, 15 Euro Brigitte Weninger: Ich habe ein Licht und fürchte mich nicht!, Illustration: Laura Bednarski, Annette Betz, 2019, 32 Seiten, ab 4, 14,95 Euro Michael Engler: Ein komischer Vogel traut sich was, Illustration: Joëlle Tourlonias, Annette Betz, 2020, 32 Seiten, ab 3, 14,95 Euro Johannes Traub/Wiebke Alphei: Muträuber. Hugo und Zugo besiegen die Angst, Illustration: Suse Schweizer, Balance, 2020, 40 Seiten, ab 3, 17 Euro Nanna Neßhöver: Wenn ich ängstlich bin, Illustration: Eleanor Sommer, Carlsen, 2022, 40 Seiten, ab 3, 15 Euro Lucy Astner: Nur Mut, kleiner Schmollmops, Illustration: Alexandra Helm, esslinger, 2022, 32 Seiten, ab 3, 14 Euro Jessica Meserve: Die Welt da draußen, Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn, Bohem, 2022, 40 Seiten, ab 3, 16,95 Euro Daniel Fehr: Wird schon schiefgehen, Ente!, Illustration: Raphael Kolly, Thienemann, 2022, 32 Seiten, ab 4, 14 Euro Andrea Schomburg: Ab hier kenn ich mich aus, Illustration: Amrei Fiedler, Tulipan, 2021, 48 Seiten, ab 4, 15 Euro Malin Hörl: Da liegt was in der Luft, annette betz, 2022, 32 Seiten, ab 4, 14,95 Euro Günther Jakobs: Hase Hibiskus und das grausige Gruseln, Illustration: Andreas König, Ravensburger, 2022, 32 Seiten, ab 3, 14,99 Euro Liliane Steiner: Louisa und die Schattenmonster, Kunstanstifter, 2021, 28 Seiten, ab 4, 20 Euro Peter Vegas: Hab keine Angst, kleines Dunkel, Illustration: Benjamin Chaud, Übersetzung: Ebi Naumann, Aladin, 2022, 36 Seiten, ab 4, 14 Euro Philppa Leathers: Schwarzhase, Übersetzung: Salah Naoura, Thienemann, 2019 (2013), 40 Seiten, ab 4, 13 Euro Ben Furman: Antons Albtraum, Illustration: Mathias Weber, Carl-Auer, 2. Auflage 2021, 28 Seiten, ab 4, 19,95 Euro Nikola Huppertz: Timo kann was Tolles, Illustration: Tobias Krejtschi, Tulipan, 2022, 32 Seiten, ab 4, 15 Euro Mirjam Zels: Fast wie Freunde, Kunstanstifter, 2. korrigierte Auflage 2020 (2017), 44 Seiten, ab 4, 22 Euro Francesca Sanna: Ich und meine Angst, Übersetzung: Thomas Bodmer, NordSüd, 2019, 40 Seiten, ab 4, 16 Euro Jan De Kinder: Keine Angst, Großer Wolf, Übersetzung: Eva Schweikart, Sauerländer, 2020, 40 Seiten, ab 4, 14,99 Euro Myriam Ouyessad: Der Wolf kommt nicht, Übersetzung: Ina Kronenberger, Illustration: Ronan Badel, Gerstenberg Verlag, 2020, 32 Seiten, ab 4, 13 Euro Rachel Valentine: Prinzessin Riesenmut, Übersetzung: Sabine Rahn, Illustration: Rebecca Bagley, Penguin Junior, 2021, 38 Seiten, ab 4, 14 Euro Jennifer Black Reinhardt: Kommt Zeit, kommt Opossum, Übersetzung: Ingrid Ickler, dtv, 2022, 32 Seiten, ab 4, 14 Euro – erscheint am 13.4.2022 Britta Teckentrup: Der große und der kleine Igel – Ich hab doch keine Angst, Jacoby & Stuart, 2022, 32 Seiten, ab 3, 12 Euro Kate Hindley: Mika und das mutigste Mädchen der Welt, Illustration: Pamela Butchart, Übersetzung: Michael Petrowitz, Ravensburger, 2021, 32 Seiten, ab 3, 12,99 Euro Susi Bohdal: Selina, Pumpernickel und die Katze Flora, Carl-Auer, 3. Auflage 2021 (ursprünglich 1981), 30 Seiten, ab 4, 19,95 Euro Karen Young/Norvile Dovidonyte: Hey, du bist großartig! Ein Buch über Angst, Mut und deine besonderen Fähigkeiten, Übersetzung: Siegfried Joel, Peter Lieder und Weronika M. Jakubowska, Carl-Auer, 2. Auflage 2021, 38 Seiten, ab 6, 19,95 Euro
Trudel Gedudel, das Huhn, wohnt auf dem Hühnerhof Das-Gelbe-vom-Ei. Es ist ein netter Hühnerhof, mit Hühnerhaus, Misthaufen, Hahn, anderen Hühnern und den beiden Puten Ete und Petete. Muss man mehr wissen, über das entzückende Bilderbuch Trudel Gedudel purzelt vom Zaun von Eva Muszynski und Karsten Teich? Aber sicher doch! Denn Trudel ist nicht wie andere Hühner, die nur auf einem Haufen hocken und viel zu spät für den ersten Wurm aufstehen. Trudel geht ihrer eigenen Wege – bis zum Zaun. Und nicht weiter. Denn hinter dem Zaun wohnt der Fuchs, und vor dem hat Trudel Respekt.
An diesem Morgen sitzt jedoch die Möwe Gräten-Käthe auf dem Zaun und schwärmt vom Meer, von Kartoffelchips und Pommes, lauter Leckereien, die es in Das-Gelbe-vom-Ei nicht gibt. »Hinter dem Zaun, Sprudel, da wohnt die Freiheit! Da gibt es Abenteuer und Currywurst!“, erzählt Käthe. Mal ehrlich, wer kann da noch widerstehen, selbst wenn er in Das-Gelbe-vom-Ei wohnt?
Meerchenhaftes Abenteuer
Käthe jedenfalls fliegt wieder davon und fordert Trudel auf, sie mal besuchen zu kommen, beim alten Strandkorb. Und so beginnt für Trudel ein meerchenhaftes Abenteuer, in dem sie zwar dem Fuchs nicht begegnet, zum Glück, dafür aber Herrn Klabautermann und Siegfried & Roy aus Schiszwack. Und diese neuen Freunde entpuppen sich als wahre Bereicherung und werden mit Sicherheit Kumpane fürs Leben.
Auf den Punkt illustriert
Muszynski und Teich haben hier ein Freundes-Trio erschaffen, dass man sich auch fürs echte Leben wünscht: Sie liefern genügend Anregung, um aus dem eigenen Trott und der eigenen Umzäunung auszubrechen, aber auch ein bisschen Frechheit und Gegrummel, wenn es um die Verteidigung des eigenen Lebensbereichs geht, und stehen am Ende doch für einander ein und sorgen sich um den anderen. Die reduzierten Zeichnungen der tierischen Helden stattet Illustrator Teich mit so passenden Accessoires aus, dass jedem gleich klar ist, wer hier die Hühner-Dame, die Frechmöwe und der grummelnde Ratten-Alte ist. Und so unterschiedlich die Drei auch sind, sie passen bestens zueinander.
Nordisch wortkarg, aber wortverspielt
Texterin Eva Muszynski schafft es dann mit kurzen, lakonischen Sätzen und einer unbändigen Wortspiellust, den nassforschen Humor der Waterkant zu transportieren, sodass Trudel auch des Öfteren mal »Nudel«, »Sprudel« oder »Pudel« genannt wird. Gräten-Käthe wird zu »Gräten-Käse«, und der Klabautermann zu »Klautermann«. Wenn die Kinder, denen dieses Buch vorgelesen wird, am Ende der Geschichte nicht selbst anfangen zu reimen und zu wortspielen, haben sie wahrscheinlich nicht richtig zugehört oder sich von den Illus ablenken lassen. Doch eigentlichen kann man nach dem Ganzen Trudel Gedudel gar nicht anders als sich zum einen noch Meer-Abenteuer auszudenken, und zum anderen sich auf den Weg zu machen, jenseits des eigenen Umzäuns, jenseits vom eigenen Gelbe-vom-Ei sich die wahren Freunde fürs Leben zu suchen. Ganz im Sinne von Trudels Abschluss-Erkenntnis am Meer: »Es gib hier so viel mehr Wasser.«
Eva Muszynski: Trudel Gedudel purzelt vom Zaun, Illustration Karten Teich, cbj, 2019, 88 Seiten, ab 5, 12 Euro
Seit Ende Januar feiern die Chinesen das Jahr des Hahns. Es soll Glück bringen für kommende Projekte. Eigentlich ein gutes Omen.
Ein Projekt hat auch Die kleine rote Henne von Pilar Martinez. Sie lebt mit ihren Küken auf dem Bauernhof und will ein Brot backen. Beim Bestellen des Feldes, beim Aussäen des Weizens, bei der Ernte, dem Mahlen der Körner und beim Backen könnte sie eigentlich ziemlich gut Hilfe gebrauchen. Doch ihre Mitbewohner Hund, Katze und Ente sind zu faul, schläfrig und lärmend und lehnen die wiederkehrende Frage, wer hilft, mit einem „Ich nicht!“ ab.
Da es bekanntermaßen so aus dem Wald herausschallt, wie man hineinruft, reagiert die kleine rote Henne am Ende dementsprechend, was hier mal nicht verraten wird.
Dieses freche spanische Volksmärchen ist eine entzückende Lektion in Sachen Hilfsbereitschaft, die kleinen Lesern durchaus zu denken geben wird. Und nicht nur denen.
Was mich bei diesem Buch noch ganz besonders freut, ist, dass die wunderbare Übersetzerin Ilse Layer auf dem Cover neben der Autorin und dem Illustrator genannt wird (wenn auch unverständlicherweise kleiner gedruckt). Das kommt in der deutschen Verlagslandschaft noch viel zu selten vor und sollte doch eigentlich selbstverständlich sein. Diesem Vorbild dürften andere Verlage bitte folgen.
Eine ebenso entzückende Federviehgeschichte ist die von Fledereule Eulenmaus der irischen Illustratorin und Schriftstellerin Marie-Louise Fitzpatrick. Ganz ohne Worte schildert sie die liebenswerte Begegnung zweier nachtaktiver Spezies des Tierreichs.
Da sitzt zunächst eine vierköpfige Eulenfamilie selig schlafend nebeneinander auf einem Ast, als sich eine Fledermausfamilie unter ihnen an den selben Ast hängt. Zunächst beäugt man sich misstrauisch, rückt auseinander und verbietet seinen Kindern den Kontakt während der Schlafenszeit.
Als ein Windstoß den Baum schüttelt, fällt das Getier vom Baum, und nun sammeln die besorgten Mütter ihren Nachwuchs wieder ein, allerdings nicht nur den eigenen, sondern auch den der Astnachbarin. Mittlerweile ist der Vollmond rund hinter dem Baum aufgegangen, die Lütten sind hellwach und alle rücken dichter zusammen.
Solidarität, Hilfsbereitschaft und Freundschaft brauchen hier keine Worte. Mutterliebe ist universell, und gemeinsam mit seinen Freunden macht die Erkundung der Nacht gleich doppelten Spaß. Braucht man mehr, um Kindern Offenheit und Toleranz zu zeigen? Ich glaube nicht.
Dicke Freunde sind auch die beiden Wollschweinferkel Krümel & Fussel von Judith Allert. Sie führen ein schweinotastisches und wunderborstiges Leben voller Gegrunze, Geknurpse, Gemampfe und Gebuddel auf dem Bauernhof. Es fehlt ihnen an nichts. Nachts kuschelt die Großfamilienwollschweinsippe sich zusammen und veranstaltet ein Schnarchkonzert.
Doch eines Abends entdeckt Krümel ein faszinierendes Funkellicht. Er will ihm folgen, wird jedoch vom Zaun gestoppt. Was aber so ein abenteuerlustiges Wollschwein ist, das lässt sich natürlich nicht von einem einfachen Lattenzaun aufhalten. Am nächsten Morgen ziehen die Freunde los, finden ein Loch im Zaun und weiter geht es, immer dem Rüssel nach. Der dunkle Wald bei Nacht, die unheimlichen Geräusche und die fremden Waldbewohner halten die beiden nicht auf, um näher zum Funkellicht zu kommen.
Dass manchmal ein Perspektivwechsel des Rätsels Lösung bringen kann, erkennen die Freunde schon bald. Dass so eine Erkenntnis auch noch weitere Folgen hat und man manchmal einfach seinem Rüssel folgen muss, auch. Die beiden knuffigen Wollschweine machen einfach Lust darauf, dem eigenen Forscherdrang nachzugeben und den eigenen Weg unbeirrt weiterzugehen.
So könnte das Leben eigentlich ganz wunderbar sein, wenn da nicht der nervige Schluckauf wäre. Vor allem, wenn er im ungelegensten Moment auftaucht und dann nicht mehr verschwindet, wie in Christian Gutendorfs Bilderbuch Hicks!
Krokodil Egbert kann ein Lied so einem Schluckauf singen. Als er eines Tages nach der Fütterung selig schlummert, schlägt der Aushilfsunterpfleger Tim die Tür mit so einem Ka-Bumm zu, dass es Egbert von seiner Mama runterschmeißt. „Eine Weile nix. Dann … Hicks“, so heißt es fort an. Es schüttelt und rüttelt und schmeißt Egbert hin und her, es ist herzerweichend.
Was macht man bei Schluckauf? Klar, man fragt andere um Rat. Egbert konsultiert Walross Wally, Mick, die Maus, Giraffe Ruth und noch so einige andere Zoobewohner. Doch nichts hilft, Luftanhalten nicht, Käse essen nicht, trocken schlucken erst recht nicht. Es ist zum … Hicks!
Und wenn schließlich alles nichts mehr geht, dann, ja dann sucht man auch endlich mal den Arzt auf. Egbert ist da nicht anders und traut sich endlich zum Tierarzt …
Liebevoll gereimt und humorvoll gezeichnet widmet sich Christian Gutendorf einem alltäglichen Phänomen, das zwar lästig, aber nicht lebensbedrohlich ist – und für das jeder sein eigenes Rezept entwickeln muss. Bis dahin ist diese Lektüre so wunderbar unterhaltsam, dass jede_r Schluckauf habende Leser_in vermutlich vor Lachen das nervige Gehickse wieder los wird …
Pilar Martinez: Die kleine rote Henne, Übersetzung: Ilse Layer, Illustration: Maro Somà, Aracari, 2017, 36 Seiten, ab 4, 13,90 Euro
Marie-Louise Fitzpatrick: Fledereule Eulenmaus, Sauerländer, 2017, 32 Seiten, ab 4, 14,99 Euro
Judith Allert: Krümel & Fussel immer dem Rüssel nach, Illustration: Joelle Tourlonias, Ravensburger, 2017, 32 Seiten, ab 4, 13 Euro
Christian Gutendorf: Hicks! Ein Krokodil hat Schluckauf, Lappan, 2017, 44 Seiten, ab 4, 12,99 Euro
„Es gibt eine größere Offenheit, die Literatur ist vorwitziger und frecher, weil man die Kinder ernst nimmt, sie auch zum Nachdenken bringen will, denn das gehört zum Aufwachsen.“ So beschreibt der Autor Bart Moeyart das Besondere der niederländischen und flämischen Kinder- und Jugendliteratur. Der Flame ist künstlerischer Leiter der Ehrengast-Präsentation bei der Frankfurter Buchmesse. Und das, obwohl er „nur“ Kinder- und Jugendbuchautor ist. Dass Literatur für junge Leser bei unseren Nachbarn einen besonderen Stellenwert genießt und im flämischen Sprachraum brillante Bücher für Kinder und Jugendliche geschrieben werden, zeigt auch diese Auswahl.
Jede dritte Ehe scheitert, das ist bedauerlich, aber alltäglich und banal, Menschen verlieben und entlieben sich. Schlimm wird es nur, wenn Kinder involviert sind: Denen fehlen ein paar Jahrzehnte ernüchternde Erfahrungen, es kann ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen und fortan müssen sie sich nicht nur mit „Hin- und Her-Taschen“ abschleppen zwischen getrennten Wohnungen und Leben. Da helfen auch oberschlaue Ratgeber wie „Glücklich verheiratet, glücklich getrennt“ nichts, die nur das schlechte Gewissen der Eltern beruhigen.
Die zwölfjährige Felicia, die fortan Fitz genannt werden will, ist vor allem wahnsinnig wütend. Auch noch, als ihr Vater und ihre jüngere Schwester Bente einen Unfall haben und die ganze Familie in der Notaufnahme zusammentrifft. Fitz ist aber auch eine scharfsinnige Beobachterin, ein ungeheuer waches, kluges und einfühlsames Mädchen, das man sofort ins Herz schließt. Kein Wunder, dass in den Weiten des großen Krankenhauses der höchst attraktive, lakonische Adam und die schräg-witzige Primula sofort auf sie anspringen und die drei im Laufe des Tages gleich mehrere Herzen entflammen, nicht nur die eigenen.
Anna Woltz hat bereits mit ihrer sehr modernen Familiengeschichte „Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess“ zwei liebenswerte Charaktere geschaffen, die draufgängerische Tess und den sensiblen Samuel. Ihre Heldin Fitz ist einfach grandios: Sie rettet vielleicht nicht die ganze Welt, auch die Ehe ihrer Eltern nicht, die kann man halt nicht wieder zusammennähen wie Bentes verletzen Finger. Aber mit ihrem Charme, ihrer Direktheit und ihren klugen Erkenntnissen kann sie die Welt auf jeden Fall lebenswerter machen. Weil dieses Mädchen abgeklärte Leser wieder an so etwas wie Liebe glauben lässt. Das liegt auch an den erwachsenen, ebenso lebendig wie vielschichtig beschriebenen Nebenfiguren. Spätestens wenn Fitz, nach ihrer Tour de Force über mehrere Stockwerke und Stationen der Klinik, nicht länger „lieber in einen Vulkan springen will, als jemals zu heiraten“. Man will dieses absolut hinreißende Mädchen am Ende der Geschichte und des Tages nie mehr loslassen. Aber mit etwas Glück hat Adam ja recht: „Vielleicht ist morgen dann wieder heute“ – in neuer Tag voller verrückter Emotionen, Begegnungen und Erfahrungen.
Nur schade, dass der Carlsen Verlag diese unter die Haut gehende Geschichte hinter einem nichtssagenden Einband versteckt. So don’t judge a book by looking at it’s cover.
Anna Woltz: Gips oder wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte; Übersetzung: Andrea Kluitmann, Carlsen 2016, 176 Seiten, ab 10 Jahren, 10,99 Euro
Kalle ist ein Macher, der lieber einen Gedanken zu wenig denkt, als sich von seinem Vorhaben abbringen zu lassen. Bei Helicoptereltern hätte solch ein tatendurstiger kleiner Kerl keine Chance (übrigens spielt ein Hubschrauber später auch noch eine Rolle, aber mehr wird hier nicht verraten!). Selbst für weniger behütende und gerade auch sehr müde Erziehungsberechtige ist es ganz gut, wenn sie nicht so genau wissen, was Kalle vorhat, wenn er sagt, er geht weg: Der Achtjährige springt mit Nachbarhund Max und Meerschweinchen Hektor in sein kleines Motorboot und nimmt Kurs Richtung großen Fluss – eine ebenso spannende und witzige wie haarsträubend gewagte Bootstour. Anke Kranendonks Geschichte ist pädagogisch völlig wertlos – im besten Sinn. So wie vor wartenden Kindern bei Rot über die Ampel zu gehen. Weil es Kinder zu selbstständigem Denken und Eigenverantwortung motiviert.
Charmant zitiert die niederländische Kinder- und Jugendbuchautorin Tomi Ungerers „Kein Kuss für Mutter“ und beerbt anarchistisch-autarke Helden wie Pippi Langstrumpf oder Michel. Sympathisch persifliert sie in den etwas einseitigen Dialogen Kalles mit Vierbeiner Max wie Eltern mit ihrem Nachwuchs reden: ein wenig herablassend ob des vermeintlich geringeren Verstands, auch mal ganz schön genervt, doch letztlich immer voller Zuneigung, gelegentlich zerknirscht.
Noch schöner wird die von Sylke Hachmeister erfrischend übersetzte Geschichte durch Annemarie van Haeringens in kräftigen Farben colorierte und an Quentin Blake (bekannt aus Roald Dahls Büchern) erinnernde Illustrationen. Kalles Selbstbewusstsein und Abenteuerlust sind umwerfend, niemand sollte solch tollkühne Kinder stoppen dürfen!
Anke Kranendonk: Käpt’n Kalle; Illustrationen: Annemarie van Haeringen, Übersetzung: Sylke Hachmeister, Carlsen 2016, 152 Seiten, ab 8 Jahren, 9,99 Euro
„One ist the loneliest number“ wissen wir aus der Popmusik. Jetzt erweitert die niederländische Illustratorin Henriette Boerendans unser Zahlenwissen mit „Die Null ist eine seltsame Zahl“. Mit kunstvollen Holzschnitten verknüpft sie die Ziffern eins bis zehn sowie fünfzig und hundert mit spannenden Informationen für kleine Kinder: Ein kleiner Elefant braucht zwei Jahre, bis er geboren wird. Tiger haben an den Vorderpfoten fünf Zehen und an den Hinterpfoten vier. Wie viele hat das Kind? Eine Schildkröte legt zehn Eier. Sie selbst kann bis zu 188 Jahre alt werden. Aber Muscheln werden noch viel älter. Und kleine Kaninchen sehen ihre Mutter nur fünf Minuten täglich.
In der Farbgebung erinnern die Drucke an Andy Warhols Siebdruckserien. Von der Anmutung haben sie etwas klassisch Asiatisches. Boerendans entwickelt eine ganz eigene Bildsprache und macht so abstrakte Größen lebendig und begreifbar. Für Vorleser ist dieses Buch auf jeden Fall ein optischer Genuss. Und warum ist die Null seltsam? Weil sie das Nichts beschreibt, eine Lücke – so wie die Dodos, die es nicht mehr gibt, die ausgestorben sind, weil ihre Eier aufgefressen wurden.
Henriette Boerendans: Die Null ist eine seltsame Zahl, Übersetzung: Martin Rometsch, aracari Verlag 2016, 32 Seiten, ab 3 Jahren, 14,90 Euro
Bücher, die das Wort „Reise“ im Titel tragen, üben auf mich eine seltsame Anziehung aus. Vielleicht, weil ich selbst gern reise. Denn jede Reise ist Aufbruch, Entdeckung von Neuem, Erweiterung des eigenen Horizonts, Abenteuer. Wer wünscht sich das nicht?
Der 11-jährige Archer in Nicholas Gannons Debüt-Roman Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt kann genau das eigentlich gar nicht erwarten. Er will endlich aufbrechen, hinaus aus seinem Haus, in dem ihn die Mutter fast wie einen Gefangenen hält. Dies tut sie allerdings nicht aus Bosheit, sondern aus Angst. Denn Archer hat eine Neigung. Die Neigung, alles zu erforschen und zu ergründen. Diese Neigung hat er von seinen Großeltern, den bekannten Naturforschern Ralph und Rachel Helmsley. Das Haus, in dem Archer mit seinen Eltern lebt, gehört den Großeltern und ist dem entsprechend ausgestattet mit ausgestopften Tieren aus aller Welt und anderen Objekten, die die Großeltern von ihren Forschungsreisen mitgebracht haben.
Doch seit zwei Jahren sind die Großeltern verschollen. Angeblich sind sie auf einem Eisberg festgefroren. Archer glaubt jedoch nicht daran. Er will Oma und Opa, die er noch nie im Leben gesehen hat, in der Antarktis suchen.
Auf seiner Reise sollen ihn die Nachbarkinder Oliver Glub und Adelaide Belmont begleiten. Zu dritt machen sie sich heimlich an die Vorbereitungen. Nur ist Oliver etwas ängstlich, was sich immer darin äußert, dass er die Augen zumacht, wenn es gefährlich wird.
Adelaide hingegen, die eine talentierte Ballerina war, hat durch einen Unfall ein Bein verloren, kann jedoch niemandem die Wahrheit sagen, sondern erfindet lieber abenteuerliche Geschichten, die ihre Freunde auf eine falsche Fährte locken, was ihre Reise-Erfahrung angeht.
Gemeinsam jedoch nehmen die drei Freunde es mit all den Erwachsenen auf, die ihnen Hindernisse in den Weg legen wollen …
Nun ja, dass die drei es nicht ganz bis zum Südpol schaffen, darf ich wohl verraten. Doch wie es dazu kommt, ist ein ganz großes Lesevergnügen, nicht zuletzt durch die frech frische Übersetzung von Harriet Fricke. Die drei Helden erleben schon vor Abreise jede Menge Abenteuer, die sie als Freunde immer enger zusammenschweißen. Sie beweisen dabei ganz nonchalant, dass der Weg das Ziel sein kann. Und dass man sich von den Meinungen der Erwachsenen nicht gleich von seinen Überzeugungen abbringen lassen sollte.
Die Geschichte von Archer, Oliver und Adelaide ist mit Illustrationen vom Autor selbst ausgestattet. Und diese Illustrationen sind so wundersam wie die Geschichte selbst. In zarten Sepia- und Rottönen entführt Gannon die Lesenden in das Haus der Helmsleys, zeigt die vielen Tiere, Globen und geheimnisvollen Schränke, Schubladen und Koffer. Er liefert architektonische Zeichnungen vom Haus und der Schule der Kinder. Es ist eine verwunschene Welt, der jegliche heutige Technik fehlt, in der es noch genügend Raum für Fantasie und Träumereien gibt. Ein echter Kindheitskokon.
Man ahnt, dass die drei Helden, sobald sie diesen Kokon wirklich verlassen und es in die harte Welt hinausschaffen, sie sich irgendwann genau danach wieder zurücksehen. Die Fortsetzung des Romans wird zeigen, wie es mit ihnen weitergeht. Bis dahin kann man schon mal seine eigenen wundersamen Reisen sonst wohin planen …
Nicholas Gannon: Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt, Übersetzung: Harriet Fricke, Coppenrath Verlag, 2016, 368 Seiten, ab 10, 14,95 Euro
In der Welt von Anton und Marlene, die sich gerade erst kennengelernt haben, herrscht plötzlich Chaos. In dem Roman Anton und Marlene und die tatsächlichen Tatsachen von Antje Herden ist plötzlich nichts mehr wie es war oder wie es sein soll. Die Kinder begegnen „kriechender Erde“, „seufzenden Moosbüscheln“, „atmenden Steinen“ und „trockenem Regen“. Wie kann es etwas geben, das es gar nicht gibt?
Vier Wissenschaftler und Professoren, die Marvel Helden, erforschen, ob alle Dinge, die vorstellbar sind, auch tatsächlich wahr werden können. Aufgrund ihrer Experimentierfreudigkeit gerät so einiges außer Kontrolle. Eigentlich experimentieren sie nur in ihrem Versuchszentrum, einem Raum unterhalb von dem Ballettstudio, in dem Marlene tanzt. Einer der Wissenschaftler hat allerdings eigene, geheime Pläne. Er möchte sich ein eigenes Imperium aufbauen und zum Herrscher in einer Welt des Chaos werden.
Anton und Marlene wollen dies verhindern und so suchen sie in der wirklichen Welt nach Dingen, die dort nicht hingehören. Dennoch nimmt das Chaos zu, es passieren immer mehr merkwürdige Sachen, es verschwinden irgendwann sogar Kinder, ohne dass sich jemand dafür zu interessieren scheint. Außerdem haben Anton und Marlene das Gefühl, ständig beobachtet zu werden…
Doch, ob die beiden es schaffen, die chaosfreie Welt zu retten und ob die verschwundenen Kinder wieder auftauchen, müsst ihr selbst herausfinden…
Insgesamt hat mir das Buch Anton und Marlene und die tatsächlichen Tatsachen ganz gut gefallen, wobei es auch in meinem Kopf manchmal ein bisschen chaotisch zuging. Ich konnte mich gut in die Welt von Anton und Marlene hineinversetzen und an manchen Stellen wurde das Buch richtig spannend.
Ich empfehle das Buch Jungen und Mädchen ab 10 Jahren, die Spannung mögen und viel Fantasie haben!
Eigentlich macht Leonard einen Ausflug in den Zoo. Die anderen Kindergartenkinder sind ganz hin und weg von den kleinen Eisbären und staunen, was die Robben und das Walross so können. Leonard scheint nicht so beeindruckt. Da legt sich etwas Schweres auf seine Schulter – die Tatze des Eisbären. „Gehst du ein Stück mit mir?“, fragt der Bär. Und jetzt wird der Ausflug für Leonard richtig spannend: Die beiden fahren mit der U-Bahn zum Hafen, essen Currywurst, spielen mit Leonards Holzeisenbahn und verdrücken Berge von Broten.
Genau dieser Kontrast von totaler Normalität dessen, was getan wird, und dem ganz und gar nicht alltäglichem Begleiter macht das Bilderbuch Ausflug mit Bär von Constanze Semidei so charmant. Das spiegelt sich auch in den grandiosen, außergewöhnlichen Illustrationen Volker Fredrichs: Der Hintergrund in gedeckten Farben ist fast hyperrealistisch, von den künstlichen Felslandschaften im Zoo über das geschmacklose Fleckenmuster der U-Bahn-Sitze bis zum ebenso stylischen wie unpraktischen Küchenmülleimer mit Federdeckel im typischen Beige-Emaille. Die Bilder wirken wie übermalte, dadurch akzentuierte Fotos einer Welt, die fast jedes Kind kennt und verinnerlicht hat, inklusive Hüpftierchen und Flachbildschirmfernseher (der sich nicht einfach so anschalten lässt, eine für Kinder sehr realistische Erfahrung).
Die Menschen und Tiere davor sind bunt und lebendig gemalt, wie Figuren aus einem richtigen Zeichentrickfilm, wobei die Erwachsenen ein bisschen karikaturesk rüberkommen und die Kinder unverstellt und einfach nett aussehen.
Der Eisbär ist groß, souverän, lässig, irgendwie erwachsen und doch für jeden kindlichen Spaß zu haben, ein echt cooler Kumpel. In einer Umhängetasche trägt er als Snack ein paar Fische mit sich und hinterlässt eine Spur abgenagter Gräten, was auch erklärt, warum die beiden in der Bahn so viel Platz haben: „Mein Freund roch ein wenig nach Fisch“, sagt Leonard. Die Gräten finden sich auch wie ein Emblem als skurriles Tapetenmuster auf den Innenseiten des Buchdeckels und dezent auf dem Titel wieder.
Ein ausgewachsener Eisbärenvater macht natürlich auch ganz erwachsene Sachen: Zur Wurst will er ein Bier und öffnet die Flasche mit den bloßen Pfoten. „Toll“, findet nicht nur Leonard. Der lakonische Tonfall, in dem Leonard vom Ausflug mit Bär erzählt, passt perfekt zu Geschichte: Wenn sich zwei auf Anhieb verstehen und sympathisch sind, braucht es nicht vieler, unnötig schmückender Worte. Die beiden sind ein tolles Gespann und man lässt sich nur zu gern auf dieses eigentlich unspektakuläre und doch absolut fantastische Abenteuer ein.
Als kleines Kind hatte ich das Bilderbuch „Ein dicker Mann wandert“ von Günter Bruno Fuchs. Für die damalige Zeit erfrischend anders und modern gestaltet, ganz einfach mit dicken Pinselstrichen konturiert, reduziert auf Schwarz, Blau, Rot und Grün, lebte auch diese Geschichte vom Kontrast aus vordergründig Banalem und dem subtilem Witz sowie einer inneren, verquerer Logik. Es war auch das Lieblingsbilderbuch meiner Mutter. Jetzt habe ich ein Lieblingsbilderbuch gefunden. Schade, dass mein Kind nicht mehr im entsprechenden Alter ist. Um so mehr wünsche ich mir, dass jetzt ganz viele jüngere Kinder einen Ausflug mit Bär machen und von Constanze Semideis Erzählung und Volker Fredrichs Illustrationen genauso begeistert sind, wie ich.
Einziger Einwand: Gut, dass der Bär sich ein Bier gönnt. Aber die gemalte Bierflasche gleicht der einer großen, ursprünglich Bremer Brauerei. Beck’s ist aber kein Synonym für Bier. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Aber in Hamburg, wo die Geschichte eindeutig spielt, trinkt man an den Landungsbrücken eher Astra, aus einer Knolle; macht sich auch gut in einer Tatze. Wenn schon Wiedererkennungseffekt und kindliche Lebenswelt, dann richtig. Ansonsten: Toll!
„Chill mal dein Leben!“, raten Kinder ihren Eltern, wenn diese sie zum Beispiel bitten, nicht mit den Fingern zu essen, nicht andauernd zu pupsen und rülpsen oder mal das Zimmer aufzuräumen.
Auch Kari aus Birte Hosodas Kinderbuch Lumfiti kawumm! wünscht sich, dass vor allem ihre Mutter mal entspannter wird und sie nicht permanent mit den Benimmregeln ihres früheren Kinderfräuleins traktiert. Aber dass ihre Eltern plötzlich mit abgenagten Hühnerknochen werfen, in einer selbstgebauten Höhle im Wohnzimmer hausen, nur einen Kunstpelz um die Lenden oder eine übergeworfene Straußenfederdecke tragen und sich wohlig gegenseitig die haarigen Rücken lausen, das hat die Zehnjährige wirklich nicht gewollt. Jetzt hat sie ein sehr schlechtes Gewissen. Auch ihr bester Freund Edgar, der nebenan mit seiner sehr gechillten Mutter Shala und drei nervigen kleinen Brüdern in charmantem Dauerchaos wohnt und Karis stilbewusste Mama deshalb sehr schätzt, hält Kari anfangs für nicht ganz unschuldig am Durcheinander.
Aber gemeinsam mit Shala sowie der leicht überdrehten TV-Reporterin Betty Bo und dem schrulligen Professor Zerberbier entschlüsseln die plietschen Freunde die mysteriöse Verwandlung und kommen dem wahren Übeltäter auf die Spur.
Raffiniert mischt Birte Hosoda in ihrem Debüt Krimi, lustiges Abenteuer, Mediensatire und Freundschaftsgeschichte. Nebenbei erzählt sie knapp, aber anschaulich die Menschheitsgeschichte vom heutigen Homo sapiens bis zum menschenaffenähnlichen Australopithecus anamensis – vier Millionen Jahre im Schnellrücklauf. Der soeben nahe Johannesburg entdeckte, grazile Homo naledi hätte sich auch noch dazu gesellen können, die Entwicklung des Menschen ist lange noch nicht auserzählt.
Kari und Edgar sind einem sofort sympathisch, weil sie auch mal eingeschnappt und biestig oder traurig und verzweifelt sind. Sie sind so klug wie die Leser, es gibt keinen plumpen „Achtung-Kasper-das-Krokodil!“-Effekt. Aber sie sind auch keine Computer-Nerds, Klugscheißer oder unrealistisch ausstaffierte und versierte Miniagenten.
Kari ist mutig und manchmal ganz schön schlagfertig und Edgar hat technisch schon einiges auf Kasten, wovon er sich das Meiste angelesen hat. Okay, das ist unrealistisch. Aber es schmeichelt der Seele aller Leseratten und gibt uns Bücherwürmern etwas Genugtuung.
Die erwachsenen Charaktere sind liebevoll überzeichnet, genauso wie kluge Karikaturen sein sollten. Reporterin Betty Bo ist extrovertiert, laut, kennt kaum Tabus und würde für eine gute Story einiges tun – aber nicht alles, also Typ: raue Schale, guter Kern. Es gibt darüber hinaus Einblicke in moderne Arbeitsfelder und die ernüchternde Profanität von Fernsehstudios, die viel kleiner sind als erwartet, mit gecastetem Publikum und hässlicher Einrichtung.
Selbst der hochgelobte Anthropologie-Prof erweist sich als weltfremd und wenig hilfreich in seinem monothematischen Elfenbeinturm.
Und mit der Figur des schmierigen Schokoladenfabrikanten erfährt man einiges über Profitgier und plumpe Eitelkeit, schädliche Übernahmegerüchte und altbackende Geschäftskonzepte.
Sehr erfrischend ist Birte Hosodas Tonfall und Sprache. Die Autorin und studierte Japanologin verbindet die Klugheit des Homo sapiens mit der Kreativität des Homo habilis und der Verspieltheit des Australopithecus. „Lumfiti kawumm“ lautet übrigens die einzige an Sprache erinnernde Äußerung von Karis Vater am Anfang seiner Verwandlung und Kari interpretiert es als Warnung im Sinne von „gleich kracht’s“. Vielleicht heißt es aber einfach „entspann dich“ auf Steinzeitisch.
Ein Fazit des Buchs lautet: Hört mehr auf Kinder, selbst wenn es quakige kleine Brüder sind. Und ein bisschen „lumfiti kawumm!“ kann auch nicht schaden.
Elke von Berkholz
Birte Hosoda: Lumfiti kawumm!, Illustration: Stefanie Jeschke, Tulipan Verlag 2015, 176 Seiten, ab 8, 12,95 Euro
Gemeinsam mit Pina am Amazonas auf Erkundungstour gehen, ja, das würde ich auch gerne…
Pina, aus dem Buch Pina reist zum Amazonas von Flávia Lins e Silva, ist ein abenteuerlustiges, nettes und lebhaftes Mädchen. Gemeinsam mit ihrem besten Freund und ihrem Kater hat sie den „CUS“ (Club der unsichtbaren Spione) gegründet. Im Moment suchen die drei Pinas Vater, der vor zehn Jahren verschwunden ist und den Pina schmerzlich vermisst.
Eines Tages entdeckt Pina einen Zeitungsbericht über einen Mann, der in der Umgebung von Rio de Janeiro nach bisher unbekannten Naturschätzen sucht. Jetzt weiß Pina, was zu tun ist! Sie muss schnell ihren Kater Samba und ihren besten Freund Bruno holen und mit ihnen in ihre magische Hängematte springen. Und dann? Natürlich ganz fest hoffen, dass die Hängematte sie nach Rio befördert …
Und? Es klappt. Pina und ihre Freunde landen sicher auf einem Boot, das auf dem Amazonas schwimmt. Hier lernen sie Maiara kennen, die ihnen bei ihrer Suche helfen will. Doch die Suche nach Pinas Vater wird gar nicht so einfach, denn zumindest die Bootsreisenden haben den Mann aus dem Zeitungsausschnitt noch nie gesehen.
Auf ihrer Reise erleben die drei viele Abenteuer. Eine Flussnixe will Bruno verzaubern und ihn auf den Flussgrund ziehen. Bira, ein Junge, den die drei auf dem Boot kenngelernt haben, zeigt ihnen einen wunderschönen Zauberwald, in dem sie einen seltsamen Holzfäller, einen gefährlichen Jaguar und einen netten Professor treffen, der aussieht, wie der Mann aus dem Zeitungsartikel … Und dann verschwindet plötzlich Samba, Pinas Kater …
Doch ob Samba wieder auftaucht und wer dieser nette Professor nun in Wirklichkeit ist, das werde ich nicht verraten, dass musst Du schon selbst herausfinden! Viel Spaß dabei.
Ich fand die Geschichte interessant und lehrreich, da im ganzen Buch auch immer wieder kurze, gut verständliche Infotexte über komplizierte Sachverhalte abgedruckt sind. Außerdem sind die Beschreibungen sehr schön, so dass ich in manchen Momenten dachte, ich wäre wirklich mit auf der Reise durch Brasilien.
Ich empfehle das Buch für Mädchen und Jungen im Alter von 7 bis 12 Jahren. Das Buch ist auch zum Vorlesen geeignet. Besonders gut gefallen wird es denjenigen unter Euch, die auch gern mal ein richtiges Abenteuer am Amazonas erleben wollen und auch denen, die gern wunderschöne Beschreibungen genießen und sich wie am Amazonas fühlen möchten!
Ein kleiner Mann in der großen Welt der Riesen, ja das ist Munkel Trogg. Er ist der kleinste Riese von allen, doch gleichzeitig auch der Schlauste. Der König der Riesen will ihn deshalb zum weisen Mann ernennen, doch Munkel Trogg hat Angst, dass die anderen Riesen finden, er könnte für eine solche Ehre zu klein sein. Warum sollte er zu klein hierfür sein, werdet ihr euch vielleicht fragen. Tja, er wird schon mal gemobbt wegen seiner Winzigkeit, nur sein kleiner Bruder, der ihn im Übrigen um einige Meter überragt, hält immer zu ihm.
Es gibt eine weitere Angelegenheit, die Munkel große Sorgen bereitet. Der Vulkan Rumpelberg, die Heimat der Riesen, scheint sich auf einen Ausbruch vorzubereiten, dass weiß er von seiner „Menschenfreundin“ Emily, die in ihrer eigenen Menschen-Welt im Rumpelbergtal lebt. Natürlich muss Munkel seine Freundschaft zu einem Menschenkind vor den anderen Riesen geheim halten.
Gemeinsam mit Emily versucht Munkel Trogg nun, eine gute Lösung für die beiden unterschiedlichen Probleme zu finden und das in großer Eile, denn mittlerweile herrscht Alarmstufe „rot“…
Alle Menschen aus dem Rumpelbergtal – außer Emily – sind bereits auf der Flucht vor den erwarteten Lavamassen…
Ich finde das Buch von Janet Foxley sehr interessant, denn in den meisten Büchern gibt es entweder Riesen oder Menschen. In diesem Buch funktioniert eine Kombination aus Menschen- und Riesenwelt.
Zu Beginn der Geschichte hatte ich ein paar Schwierigkeiten, mich in die Handlung einzufinden, was aber auch damit zusammenhängen kann, dass mir der erste Munkel-Trogg-Band unbekannt ist. Im Verlauf der Geschichte habe ich dann aber begonnen, sehr stark mitzufiebern, ob vielleicht ein gewisser „Esel“ bei der Rettung der Heimat von Riesen und Menschen helfen kann, und habe auch kräftig um das Schicksal des Riesen gebangt.
Kleiner Tipp am Rande: Ich würde empfehlen, zunächst den ersten Band von Munkel Trogg zu lesen. Meiner Meinung nach ist das Buch für Jungen – aber auch für Mädchen – im Alter von 9-12 Jahren geeignet. Ich kann es mit gutem Gewissen zum Lesen empfehlen.
Übrigens: Mein Bruder, der sonst eigentlich nur Bücher liest, auf denen an irgendeiner Stelle der Begriff „Star Wars“ aufgedruckt ist, hat jetzt Munkel Trogg neben seinen Bett liegen…
Wie schnell doch ein Jahr wieder vergangen ist – dabei kommt es mir noch so vor als hätte ich erst gestern über die vorwitzig coole Roxy Sauerteig geschrieben. Aber das war tatsächlich Ende 2012, nämlich hier. Und nun liegt schon seit ein paar Wochen Teil 2 von Katharina Reschke bei mir auf dem Tisch, und ich bin erst jetzt dazu gekommen, ihn zu lesen: Roxy Sauerteig – Alles löst sich in Luft auf.
Zweite Teile haben es ja nicht immer leicht, gerade wenn die Erwartungen hoch sind. Aber bei Roxy war ich gleich wieder eingefangen, begeistert, fasziniert und bestens unterhalten. Ich nehme gerade mein Urteil voraus – Roxy würde das jetzt eine „Vor-raus-sage“ nennen …
Womit ich schon wieder bei meiner Lieblingseigenschaft von Roxy bin: Wortschöpfungen. Immer wieder erfindet die Lütte neue Worte – wie „Kreaktion“, bei der man seine eigenen Ideen in eine Aktion mit einbringt. Herrlich. Möchte ich auch viel öfter machen.
Roxy ist auf jeden Fall extrem kreaktiv, muss sie doch zum einen ein Problem aus Teil 1 wieder beheben, zum anderen braucht die tüddelige Frau Feudel aus ihrem Haus Hilfe. Ihre Uhu-Eule ist verschwunden, und ohne die kann Frau Feudel einfach nicht leben. Gleichzeitig benimmt sich Frau Maschke vom Kiosk in der Straße merkwürdig, Herr Grindelmann kann immer noch nicht mit Kindern und schon gar nicht mit dem „roten Rettich“, wie er Roxy nennt.
Aber wie schon in Teil 1 lässt sich die kleine Heldin von nichts und niemanden ins Boxhorn jagen und geht mit Systematik und Mut an die Detektivarbeit.
Das Wiederlesen mit den wohlbekannten Figuren in Roxy Sauerteig – Alles löst sich in Luft auf vermittelt den Eindruck, als komme man nach Hause zur lieben, aber auch sehr schrägen Familie. Roxy trägt glücklicherweise immer noch Taucherbrille und Gummistiefel, ihre Frau Mutter übertrifft sich selbst mit ihrem überspannten Gehabe und Thusnelda, Roxys Fast-Freundin, schneidet sich endlich eine Scheibe von der Protagonistin ab. Die Kontinuität ist also hervorragend gewahrt, was den jungen Lesern mit Sicherheit ein Gefühl von Vertrautheit und Entspannung bei exzellenter Hochspannung gibt. Ein „Abendteuer“ eben.
Die feinen Illustrationen von Susanne Göhlich ergänzen die locker erzählte Geschichte ganz wunderbar, was sowohl das Selbstlesen als auch das Vorlesen zu einem echt kurzweiligen Vergnügen macht.
Muss man Tim und Struppi noch irgendwem vorstellen? Wohl kaum.
Aber erinnern und hochleben lassen kann man sie eigentlich gar nicht genug. Vor 85 Jahr erschien der erste Band von Hergés rasendem Comic-Reporter und seinem weißen Hund.
Nachdem meine Eltern in den 70er Jahren nicht viel von Micky Maus hielten – und es mich und meinen Bruder ziemlich viel Überzeugungsarbeit gekostet hatte, bis die ersten Disneys bei uns einziehen durften – war es mit Tim und Struppi ganz anders: Mir nichts, dir nichts hatten wir sämtliche Bände im Haus, sie stehen noch heute bei mir im Regal. Woran das lag, dass Hergé die elterliche Zensur so anstandslos passiert hat, weiß ich bis heute nicht. Aber ich bin auch ganz dankbar dafür, denn Tim, Struppi, Käpitän Haddock, Schulze und Schultze, Professor Bienlein, Bianca Castafiore waren aus unserem Kinderzimmer nicht mehr wegzudenken. Und Haddocks Fluchereien bildeten meine erste bewusste Erinnerung an Sprachwitz und Sprachspiel, die eigentlich auch heute noch ihresgleichen suchen.
Mit diesen Figuren bin ich dann also auf Weltreise gegangen, Amerika und Afrika fand ich zwar nicht so spannend, aber es gab ja genug Auswahl. Heute halte ich diese beiden Bände eh für die schwächeren, zumal sie mit ihrem offensichtlichen Rassismus nicht mehr tragbar sind.
Aber die späteren Abenteuer, in denen es Tim nach China, an den Amazonas, nach Arabien, Ägypten, Schottland und auf den Mond verschlägt, habe ich geliebt. Sie zeigten mir diese damals noch ziemlich fernen Länder, die neben den Schurken, Trotteln, verrückten Wissenschaftlern, Bonzen und einfachen Leuten auch immer eine eigene Rolle in den Geschichten spielten.
Heute erkennen wir sie natürlich als schlicht dargestellt, zum Teil mit Klischees behaftet, aber mir gaben sie damals ein Gefühl von Abenteuer und Aufregung und weckten meine Neugierde auf Orte, Geschichten und Lebensarten außerhalb unseres Landes. Denn neben den Schurken gab es in diesen Ländern auch immer liebenswerte Menschen und faszinierende Kulturen, die man auch im richtigen Leben entdecken sollte.
Bis jetzt habe ich im wahren Leben natürlich längst nicht all diese Länder und Kontinente bereist, schließlich bin ich kein rasender Reporter, aber Tim hat nicht wenig dazu beigetragen, dass ich mich immer wieder gern auf Reisen begebe. Seine Abenteuer waren zwar durchweg spannender, aber meine dafür echt.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, welche Einflüsse Hergé mir mit seinen Comics noch auf den Weg gegeben hat, so ist es ganz klar mein Faible für seinen Zeichenstil, die Ligne claire. Sobald mir heute Comics oder Graphic Novels in diesem Stil in die Hände fallen, kann ich meist nicht anders und muss sie haben. Es gibt ganz sicher jede Menge faszinierende, neue und alternative Arten zu zeichnen und zu illustrieren, und ich lasse mich auch gern auf neue Experimente ein und bin von vielen Stilen angetan – aber bei Ligne claire wird bei mir immer dieser wohlige Kindheitseffekt ausgelöst, den ich mit Tim und Struppi verbinde und den ich vermutlich mein Leben lang nicht mehr loswerde. Ich glaube, es gibt Schlimmeres… Dank an Hergé für diese perfekte Kindheitserinnerung und herzlichen Glückwunsch zum 85. Geburtstag.
Hergé: Tim und Struppi, Band 1-23, Carlsen Verlag, je 9,99 Euro
Der Sommer ist da. In der Reihenhaussiedlung sind die meisten Kinder verreist. Hannes genießt die Ruhe und seine geliebten Benny-Hotton-Krimi-Hefte. Die bekommt er, zusammen mit einer Packung Erdnusskekse, immer von seinem Nachbarn Herrn Moll, einem pensionierten Polizeibeamten. Hannes‘ Eltern, fürsorgliche Psychologen, dürfen davon allerdings nichts wissen, denn sie sind rigoros gegen Schundliteratur.
Perfekter Auftakt des flockigen Sommerromans Mission Unterhose von Sylvia Heinlein. Hannes‘ Idylle findet ein jähes Ende, als der zappelige Kalli am Gartenzaun auftaucht. Kalli erzählt einen Witz nach dem anderen und führt merkwürdige Schütteltänze auf. Er verehrt den Comedystar BIG und will unbedingt in dessen Fußstapfen treten. Hannes ist zunächst von dem Eindringling nicht sehr begeistert, doch irgendwie entwickeln die Witze, selbst die ganz flachen, ihren Charme, und als Kalli ihn zu sich nach Hause, zu Fernsehen, Pizza, Chips und Cola einlädt – lauter Sachen, die bei Hannes überkorrekten Vegetariereltern tabu sind – ist Hannes hin und weg.
Gemeinsam streifen nun die Jungs nur in Unterhose durch die Siedlung, denn der Sommer ist richtig heiß. Damit es spannend bleibt, dürfen die beiden nicht erwischt werden. Das klappt nicht immer, und wenn, dann erfahren die Jungs auf einmal ganz viel über ihre Nachbarn: das streitende Pärchen, Herr Moll, der nur Dosennahrung isst, Frau Biber, die immer lecker und massenhaft kocht, aber ganz allein ist. Mit anonymen Zetteln sorgen Hannes und Kalli nun dafür, dass niemand mehr einsam sein oder schlecht essen muss.
Eines Tages stellen sie fest, dass in der leerstehenden Villa am Ende der Siedlung Renovierungsarbeiten beginnen und ein geheimnisvoller Mann, der sich von einem Bodyguard schützen lässt, dort einzieht. Kalli, angestachtelt von Hannes Krimi-Heftchen, will um jeden Preis herausfinden, wer der neue Nachbar ist, der zudem ein Riesenbild von BIG an der Wohnzimmerwand hat. Es soll sein und Hannes Leben entscheidend verändern …
Sylvia Heinlein ist ein charmant-lockerer Unterhaltungsroman gelungen, der die Freundschaft zweier ganz unterschiedlicher Jungs feiert. Hannes, der introvertierte Leser, trifft auf Kalli, den durchgeknallten Comedy-Fan. Eigentlich möchte man denken, dass das nie was wird mit den beiden. Doch natürlich ist das hier nicht so, denn der (psycho-)analytisch geschulte Hannes bringt Ordnung in Kallis Witze-Sammlung, die er zu einer eigenen Comedy-Show zusammenstellt. Er bringt Kalli dazu, seinen Auftritt zu perfektionieren, und mausert sich zum Manager der kleinen Rampensau. Und Kalli treibt mit seiner Dickköpfigkeit Hannes in immer neue abenteuerliche Situationen, die die beiden dann gemeinsam meistern.
In Mission Unterhose zeigt sich ganz wunderbar, wofür Freundschaft da ist – sich zu ergänzen, sich zu unterstützen, dem anderen neue Welten zu eröffnen, das Beste aus ihm herauszukitzeln – und sich jede Menge Witze zu erzählen. Solche knuffigen Freunde und solche liebenswert-saukomischen Bücher sind allen Menschen nur zu wünschen.
Heute freue ich mich, die erste Gastrezension auf diesem Blog posten zu können. Sie stammt von Leon aus Hamburg und ist der Startschuss für den Aufbau einer Kinder- und Jugendredaktion für letteraturen in den nächsten Monaten. Los geht es:
Dieses Buch gehört zu der Buchreihe „Die geheimnisvolle Benedict-Gesellschaft“. Es ist der vierte Band, doch man muss keines der anderen Bücher lesen, um das Buch zu verstehen. Im Zusammenhang kann es aber trotzdem besser sein, wenn man schon ein Buch der Benedict-Gesellschaft gelesen hat.
Es geht um eine Person, Nicholas Benedict, die in der Buchreihe ein Erwachsener ist. In dem Buch Das geheimnisvolle Leben des Nicolas Benedict wird die Kindheit dieser Person erzählt.
In diesem Buch ist Nicholas ein neunjähriger Waisenjunge. Er kommt zum wiederholten Mal in ein neues Waisenhaus und hat es dort nicht leicht, weil er eine Krankheit hat (Narkolepsie) und deshalb manchmal in den dümmsten Situationen einschläft. Da er ein Genie ist und sogar Dinge im Voraus erahnen kann, merkt er schnell, dass im Waisenhaus merkwürdige Dinge geschehen. Schließlich findet er einen Freund im Waisenhaus und eine gehörlose Freundin außerhalb. Schnell lernt Benedict die Gebärdensprache und kann sich gut mit ihr unterhalten. Mit den beiden kommt er einem Schatz auf die Spur, und letztendlich muss er sich beeilen das Geheimnis des Schatzes zu lösen, denn auch Mr Collum, ein strenger Aufsichtsbeamter aus dem Waisenhaus, ist dem Geheimnis auf der Spur.
Ich kann dieses Buch empfehlen, weil Trenton Lee Stewart ein sehr schönes Licht auf das eigentlich traurige Leben im Waisenhaus wirft. Dies macht er mit viel Spannung und Humor, weshalb man den Roman gern schnell durchliest.
Wenn man dieses Buch gelesen hat, macht es einem Lust auch die anderen Romane von Stewart zu lesen.