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Kunterbunte Subkultur

Nicht jedes Abenteuer beginnt mit einem aufregenden Szenario. Und die echten Abenteurerinnen sind nicht unbedingt die, die sich für besonders abenteuerlustig halten. Zum Bespiel im neuen Bilderbuch des belgischen Bilderbuchkünstlers Leo Timmers: Drei Enten dümpeln in einem Tümpel. »Kommt, wir gehen zum See«, schlägt die vierte vor. Also machen sich drei flugs auf den Weg in unbekannte Gewässer, Abwechslung ist das halbe Leben. Nur Erik ist unsicher: »Zum See? Aber man sagt, dort wohnt ein schreckliches Monster!«

Viele fiese Begriffe für zurückhaltende Leute

Ist Erik ein Feigling? Ein Angsthase? Eine Bangbüx? Ein Schisser? Die deutsche Sprache kennt viele fiese Begriffe für zurückhaltende Leute, die auch mal was in der Frage stellen. Dabei sind die wenigsten wirklich mutig, die meisten schwimmen einfach bequem mit der Mehrheit. Erik ist eher skeptisch. Trotzdem geht er mit zum titelgebenden Monstersee. Während die anderen drei stoisch und gleichförmig über die nun etwas größere Oberfläche paddeln, schwimmt Erik hinterher und hält die Augen offen.
Und tatsächlich, unter ihm gleitet ein riesiges Ungeheuer entlang, mit furchteinflößenden Hauern im Maul. Eindeutig ein »MONSTER!«, wie Erik panisch aufschreit. Von den vorausschwimmenden Wasservögeln wird das nur als schlechter Witz abgetan.

Mit Taschenuhr und verrücktem Zylinder

Bei genauerem Hinsehen – und das tut Erik – sieht dieses türkise Ungetüm aber ziemlich entspannt, sogar sehr freundlich aus. Ein bisschen wie das Yellow Submarine als Lebewesen. Nette Accessoires aus Alice im Wunderland baumeln an ihm, die Taschenuhr des hektischen Kaninchens und ein bunter Miniaturzylinder, direkt aus der Manufaktur des verrückten Hutmachers.

Aberwitzige Wesen im Breitbandpanorama

Als eben dieses Monster Erik wortlos einlädt, ihm zu folgen, überwiegt Eriks Neugier seine Angst. Er taucht ab unter die Oberfläche. Dort wird der Abenteurer wider Willen mehr als belohnt für seinen echten Mut. Über ein aufklappbares Breitbandpanorama erstreckt sich gleich über ganze vier Seiten eine fröhliche und kunterbunte Subkultur am Seegrund. Leo Timmers malt eine sehr lustige und kuriose Straßenverkehrsszene, in der sich die aberwitzigsten Wesen in allen Größen und Formen tummeln. Eine Kreuzung in New York wirkt dagegen wie ein lahmer Abklatsch. Erik hat einen Monsterspaß im fantastischen Schwarm.

Echte Abenteuer warten unter der Oberfläche

Bis die anderen drei Enten ihn vermissen. Also taucht Erik wieder auf und beweist, wie cool er wirklich ist: Er behält das wahre Geheimnis des Monstersees für sich. Man muss gar nicht so mutig sein, um ein Abenteurer zu sein. Aber offen und neugierig unter die Oberfläche sehen. Dann entdeckt man die tollsten Welten. Das zeigt Leo Timmers mit wenigen Worten (die von Eva Schweikart übersetzt wurden). Dafür mit umso vielsagenderen Bildern.

Leo Timmers: Monstersee, Übersetzung: Eva Schweikart, aracari Verlag, 2023, 44 Seiten, ab 6, 18 Euro