Fußball, Fummel & Freundschaft

kicker im KleidNeulich habe ich mich ja über David Walliams Mr. Stink schlappgelacht und jetzt landete das Erstlingswerk des Autors und Schauspielers auf meinem Tisch. Das musste ich natürlich gleich mal dazwischen schieben, weil Kurzweil und Amüsement lockten … und ich wurde tatsächlich nicht enttäuscht.

Dennis ist 12 und hat momentan nicht viel Freude im Leben. Seit seine Mutter die Familie verlassen hat, gelten in dem Männerhaushalt aus Dad, Dennis und seinem 14-jährigen Bruder John drei eiserne Regeln: Kein Wort über Mum! Nicht heulen! Keine Umarmung! Ziemlich trostlos das Ganze. Fußball ist die einzige Abwechslung, und darin ist Dennis einfach unschlagbar.

Als dann jedoch eines Tages auf der Vogue ein Model in einem Sommerkleid abgebildet ist, das Dennis ganz heftig an seine Mutter erinnert, kann der Junge nicht widerstehen und kauft die Zeitschrift. Er schwelgt in den opulenten Bildern all dieser unwiderstehlichen Kleider und entdeckt eine neue Leidenschaft: Frauenkleider!

In der coolen Lisa, die eigene Modelle entwirft,  findet Dennis die perfekte Freundin, die ihm ihren gesamten Kleiderschrank zum An- und Ausprobieren zur Verfügung stellt. Dennis erfindet sich neu und entdeckt, wie gut es tut, auch mal ein paar Regeln zu brechen. Schließlich schenkt Lisa ihm ein selbstgeschneidertes Paillettenkleid und überredet ihn, damit in der Schule aufzutauchen, verkleidet als ihre französische Brieffreundin.

Dass das Alles so richtig schön schief geht, ahnt man natürlich schnell. Doch Walliams gelingt es ganz großartig, liebevoll und lustig über den Spaß am Anderssein (nein, Dennis ist nicht schwul), echte Freundschaft und ein Fußballendspiel im Fummel zu erzählen. Das Buch legt man folglich erst wieder aus der Hand, wenn die letzte Seite erreicht ist. Und möchte sofort mehr solcher Geschichten …

David Walliams: Kicker im Kleid, Übersetzung: Dorothee Haentjes, Illustration: Quentin Blake, Aufbau Verlag, 2010, 232 Seiten, ab 10, 14,95 Euro

Deutschstunde

Berlin ist für mich das ideale Pflaster, kultur-historische Wissenslücken zu schließen. So heute im Berliner Ensemble, wo sich Wolf Biermann mit seiner Gitarre auf die Bühne setzte, erzählte und sang. Auf den Tag 35 Jahre nach seinem Kölner Konzert, das zu seiner Ausbürgerung aus der DDR geführt hatte. Zwei Tage vor seinem 75. Geburtstag erinnerte er an seine Wut und Frechheit von damals, an den schmalen Grat, auf dem er die „Firma“ ärgern wollte und der ihm dennoch den Weg zurück in sein gelobtes Land frei halten sollte. Es hat bekanntermaßen nicht geklappt.

Die Wut ist geblieben, vor allem auf das „Pack“, von Verbitterung ist jedoch nichts zu spüren. Geradezu rührend erzählt der Wolf von der Lektüre seiner angeblich 50000-80000 Seiten dicken Stasi-Akte, in der sich eine Abschrift seiner „Stasiballade“ findet. Nur eine Zeile stimmt nicht. Statt „Die Stasi ist mein Eck… mein Eck… mein Eckermann“ steht dort nur „Die Stasi ist mein Henkersmann“. Goethes Sekretär schien dem diensthabenden Stasi-Mann nicht bekannt gewesen zu sein. Biermann kichert vor sich hin, ob der Amtsinterpretation und der Bildungslücke.

Anders dagegen in Schweden. Dort schätzt man Biermanns Liedgut mittlerweile so sehr, dass die evangelische Kirche seinen Song „Ermutigung“ in das Gesangbuch aufgenommen hat. Biermann gehört in Skandinavien zum Chorrepertoire.

Der Wolf erzählt, rezitiert Heine, fordert den Freiheitskampf der Menschheit und vergisst fast das Singen. Der Blick auf die Uhr und auf Ehefrau Pamela in der ersten Reihe bringt ihn wieder zum Vortragen. Doch dann doziert er weiter über den Webfehler der Demokratie und die wahren Schuldigen der Finanzkrise sowie den „dummen Lafontaine“.

Als das „Seminar für Wirtschaftswissenschaft“ nach zweieinhalb kurzweiligen Stunden zu Ende geht, ist die historische Figur des Wolf Biermann, die für mich immer irgendwie da, aber nie real war, auch in meinem Leben angekommen.

(Und hätte mir Freundin Ruth nicht vor einiger Zeit seine eindrucksvollsten Lieder vermacht, wäre mir dieses Erlebnis sicher entgangen… danke, Ruth!)

Zum Nachhören/Nachsehen: Das Kölner Konzert 13. November 1976 (das ungekürzte Original-Dokument), Doppel-DVD, 17,99 Euro

Zum Nachlesen: Wolf Biermann: Fliegen mit fremden Federn. Nachdichtungen und Adaptionen, Hoffmann & Campe Verlag, 2011, 26 Euro.

Es muss nicht immer Dr. Sommer sein…

Ja, es gibt sexuelle Aufklärung jenseits des Dr.-Sommer-Teams. Mädchen ab 12, denen die Bravo zu peinlich ist, können jetzt auf den Jugend-Brockhaus „Total verknallt!“ ausweichen. Dort finden sie verständlich geschriebene Artikel zu allen Themen rund um Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln, erklären die Autoren tabulos, aber sachlich nicht nur die Basics der körperlichen Vorgänge, Sexualpraktiken oder das jugendliche Gefühlschaos, sondern plädieren auch für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Vom Quickie bis Queer ist hier alles drin, was wichtig ist, und was man vielleicht nicht zu fragen wagt …

Layout-technisch ist dieses Nachschlagewerk frech aufgemacht. Das Rosa-Lila von Schrift und Hintergrund wirkt jung und Girls-kompatibel, aber nicht kindisch – und ist auf jeden Fall keine Pink-Orgie á la Lillifee. Nur warum die Verweise und die Randbemerkungen gelb gedruckt wurden, verstehe ich nicht so richtig. Lesbarkeit ist für mich jedenfalls etwas anderes … aber vielleicht bin ich auch schon zu alt und augenschwach, um diese Entscheidung wirklich nachvollziehen zu können.

Der Jugend-Brockhaus: Total verknallt! Alles über Liebe, Sex und Zärtlichkeit. Brockhaus in der Wissenmedia, 2011, 192 Seiten, ab 12, 12,95 Euro

Eine Frage der Haltung

grenzfallWas weiß man heute noch vom Grenzfall? Damit ist nicht der Mauerfall gemeint, sondern die Untergrundzeitschrift, die von 1986 bis 1987 in der DDR erschien. Nicht sehr viel, zumindest im Westen. Meine Bildungslücke zu diesem Thema hat vor einiger Zeit der Comic „Grenzfall“ von Thomas Henseler und Susanne Buddenberg wenigstens ansatzweise geschlossen.

In eindringlichen, klaren Bildern erzählen die Grafiker die Geschichte des Schülers Peter Grimm, der keine „sozialistische Persönlichkeit“ aus sich machen lassen will. Stattdessen schließt er sich dem Dissidentenkreis um Katja Havemann, der Witwe von Robert Havemann, an. Vergeblich versucht die Stasi, den jungen Mann anzuwerben. Im Gegenzug wird Grimm neun Tage vor dem schriftlichen Abi von der Schule verwiesen. In der „Initiative Frieden und Menschenrechte“, der er sich anschließt, entsteht später die Idee, eine eigene Zeitung jenseits der staatlichen Meinung herauszugeben. Der erste „Grenzfall“ erscheint in Kleinstauflage von 50 Stück – und die Stasi schreibt seitenlange Berichte … bis sie mit der Aktion „Falle“ zuschlägt.

Die schwarzweißen Panels dieser Graphic Novel schaffen es, die bedrückende Atmosphäre der späten 80er Jahre in der DDR wieder aufleben zu lassen. Originalzitate aus den Stasi-Unterlagen zeugen von dem Überwacherwahn der Herrschenden. Henseler und Buddenberg gelingt es durch die verdichtete Darstellung einer wahren Geschichte, der Aufarbeitung der SED-Diktatur ein fesselndes Puzzleteil hinzuzufügen. Und gelungen an eine wichtige Keimzelle der Wende von 1989 zu erinnern.

Thomas Henseler/Susanne Buddenberg: Grenzfall, avant-verlag, 101 Seiten, 14,95 Euro

Signor Eco und der Hamburger

 

Umberto Eco hat mich in Form seiner semiotischen Werke durch die Dissertation begleitet. Da war es fast schon ein Muss, ihn auf seiner Lesereise durch Deutschland einmal live in Augenschein zu nehmen. Und so saß eben der ältere Herr und Überintellektuelle im Hamburger Thalia Theater auf der Bühne,  um seine jüngste Fiktion, Der Friedhof in Prag, zu promoten. Der fast 80-jährige Signor Eco plauderte eloquent – oder sollte man sagen, erwartungsgemäß schlau – über Trottel, Vorurteile, echte Fälschungen, Feindbilder, vom Hass als einem warmen und verbindenden Gefühl sowie über kulinarische Vorlieben (Hamburger). Die medien-massentauglichen Fragen von Denis Scheck forderten den Denker allerdings nicht sonderlich. Da wünscht man ihm wirklich einen etwas tiefgründigeren Interviewpartner.

Bei der Betrachtung dieser beiden stattlichen Herren drängte sich mir so vielmehr der Eindruck auf, in Denis Scheck einen 1-A-Wiedergänger von Umberto Eco vor mir zu haben – da bräuchte man nur ein Bärtchen ankleben, einen Pullunder überziehen und die Ohren anlegen…

Neben dem gefeierten Idol war für mich Paola Barbon die wahre Heldin des Abends. Klein und schmal saß sie zwischen den beiden Schwergewichtern und übertrug Ecos wortreiche Ausführungen souverän und dauerhaft lächelnd ins Deutsche. Und Wolf-Dietrich Sprenger hauchte mit seiner Lesart der Hauptfigur Simonini Leben ein und holte quasi die Kloake von Paris auf die Bühne. Währenddessen verfolgte Umberto Eco in seiner italienischen Ausgabe, leicht vor und zurück schaukelnd, die vorgetragenen deutschen Sätze so aufmerksam, als würde er seinen eigenen Text zum ersten Mal hören und lesen. Ein fast rührender Anblick.

Die italienische Ausgabe von Ecos Roman habe ich hier schon so einige Zeit liegen – jetzt sollte ich die Geschichte endlich mal zu Ende lesen.

Umberto Eco: Der Friedhof in Prag, Hanser Verlag, Übersetzung: Burkhart Kroeber, 528 Seiten, 26 Euro

Zum Heulen schön

Es gibt nur sehr wenige Bücher, die mich zum Weinen bringen. Patrick Ness, der in Sieben Minuten nach Mitternacht das literarische Vermächtnis der Autorin Siobhan Dowd umgesetzt hat, aber hat es geschafft, dass ich heulend im Zug von Frankfurt nach Hamburg saß. Auf äußerst berührende Weise erzählt er die Geschichte von Conor und dem Monster.

Immer um sieben Minuten nach Mitternacht taucht das Monster, das die Form einer riesigen Eibe hat, in Conors Zimmer auf und fordert den 13-Jährigen auf, sich seinen Ängsten zu stellen. Und Conor hat unglaubliche Angst. Denn seine Mutter ist todkrank. Von den Behandlungen ist sie so geschwächt, dass sie sich nicht um ihren Sohn kümmern kann. Allein macht er sich also das Frühstück und trägt den Müll hinaus. Als es der Mutter eines Tages noch schlechter geht, zieht die Großmutter im Haus ein. Conor kann sie nicht ausstehen, die Großmutter kann nichts mit dem Enkel anfangen. Doch sie müssen sich zusammenraufen, denn die Mutter muss schließlich ins Krankenhaus.

Conor ist niedergeschlagen. Alle um ihn herum behandeln ihn wie ein rohes Ei, seine Klassenkameraden ziehen sich immer mehr zurück, niemand nimmt ihn mehr wahr. Er scheint quasi zu verschwinden. Nur das Monster ist da, pünktlich um 12:07 Uhr. Es erzählt Conor drei märchenhafte Geschichten vom Leben – und er lernt sich seiner Wut, seiner Angst und seiner Trauer zu stellen.

Diese Geschichte vom Leben und Sterben ist schwere Kost und verdammt herzzerreißend – und trotzdem macht sie extrem viel Mut, sich den eigenen Gefühlen zu stellen, sie wahrzunehmen und sie auszusprechen.

Die eindrucksvoll-düsteren Illustrationen von Jim Kay unterstreichen die melancholische Stimmung aufs trefflichste. Bettina Abarbanell hat den Text auf den Punkt aus dem Englischen übersetzt.

Patrick Ness (nach einer Idee von Siobhan Dowd): Sieben Minuten nach Mitternacht, cbj Verlag, Übersetzung: Bettina Abarbanell, Illustration: Jim Kay, 215 Seiten, ab 12, 16,99 Euro

 

Hier stinkt’s gewaltig

Mr StinkChloe, 12, ist eine Heldin. Jedenfalls für mich. Denn sie traut sich, Mr Stink anzusprechen. Mr Stink ist obdachlos und lebt auf einer Parkbank – und er stinkt erbärmlich. Kaum ein Mensch hält es mit ihm aus, denn seine Ausdünstungen sind so richtig widerlich. Chloe aber traut sich. Sie freundet sich mit dem sonderbaren alten Herrn an. Er ist nett zu ihr, was sonst niemand ist. Nicht ihre Schwester Annabelle, die einen Pokal nach dem anderen gewinnt, nicht ihre Mutter, die mit abstrusen Forderungen in der Politik Karriere machen will, nicht der Vater, der sich von seiner Ehefrau unterbuttern lässt und seine Musikkarriere für sie aufgegeben hat.

Doch mit Mr Stink ist das anders. Und so quartiert Chloe den Obdachlosen heimlich im Gartenschuppen ein. Aber sein Gestank lässt sich nicht so leicht verbergen, und das Chaos bahnt sich seinen Weg durch die Katzenklappe …

Selten habe ich bei einem Buch so Tränen gelacht wie bei diesem Highlight. Mit seinem trockenen britischen Humor erzählt David Walliams eine ungewöhnliche, liebenswerte und berührende Geschichte, die soziale Grenzen einreißt und ein Fest des Lebens, der Freundschaft und der Geheimnisse feiert.

Der Roman ist charmant von Quentin Blake  illustriert und überaus treffend von Dorothee Haentjes aus dem Englischen übersetzt.

Dieses Buch ist nicht nur eine Offenbarung für Kinder. Für dieses Buch gibt es keine Altersbeschränkung, denn es erzählt eine Geschichte, von der diese Gesellschaft mehr gebrauchen könnte.

David Walliams: Gestatten, Mr Stink, Übersetzung: Dorothee Haentjes, Illustration: Quentin Blake,  Aufbau Verlag, 2011, ab 11, 14,99 Euro

Steampunk – oder vom Schreiben mit der Hand

Col Porpentine soll Karriere machen – jedenfalls wenn es nach dem Willen seines Großvaters geht. In ein paar Jahren soll der Junge das Kommando über den Juggernaut Worldshaker übernehmen. Auf diesem Riesen-Eisenkoloss, der sich auf Rollen über die Kontinente und durch die Meere wälzt, lebt die Viktorianische Elite auf den Oberdecks im absoluten Luxus. Col gehört dazu und muss sich eigentlich keine Sorgen machen – bis eines Tages die junge Riff auftaucht. Das Mädchen gehört zu den so genannten Dreckigen, die im Bauch des Schiffes unter unmenschlichen Bedingungen malochen. Riff ist die Anführerin der Aufständischen aus den Unterdecks und führt Col in die düstere Seite seiner Heimat ein. Der Junge schließt sich den Revolutionären an und verliebt sich in Riff…

Der australische Autor Richard Harland hat 15 Jahre an seiner extrem mitreißenden Steampunk-Geschichte gearbeitet und alles mit der Hand geschrieben. Warum, das hat er mir im Interview verraten …

Mr Harland, was fasziniert Sie daran, über eine viktorianische Alternativ-Gesellschaft auf einer Art Dampfschiff zu schreiben? Warum haben Sie sich für Steampunk und nicht für einen “normalen” historischen Roman entschieden?
Ich wuchs in einer Zeit auf, als modern sein sehr wichtig war. Alles sollte glatt, stromlinienförmig und verchromt sein. Dreckige, sonderbare, alte Maschinen gehörten der Vergangenheit an, einer schlimmen Vergangenheit. Heutzutage wirkt Verchromtes selbst schon völlig überholt. Aber was ist so schlimm an Dreckigem und Sonderbarem? Sonderbar ist schön! Ich glaube, dass sonderbare Dinge, wie alte Maschinen, Charakter haben – und das ist weitaus interessanter als Farblose, Glattes und Langweiliges. Anders als im historischen Roman kann ich bei Steampunk diese sonderbar-schönen Qualitäten einer Umgebung und einer Atmosphäre viel stärker betonen. Maschinen aus dem 19. Jahrhundert können darin noch viel mehr dampfen und qualmen, noch viel rußgeschwärzter und messinggelber aussehen, als sie es wirklich waren. Und sie können natürlich 100 Mal größer sein. Die Juggernauts in der Welt des Worldshakers sind drei Kilometer lang, sie bewegen sich auf Rollen über Land und durch das Meer. Historische Dampfschiffe sind damit nicht zu vergleichen!

Hat Jules Vernes Ihr Schreiben beeinflusst?
Nein. Da gibt es nicht den Hauch von Jules-Vernesschem Einfluss. Seine Bücher habe ich erst vor kurzem gelesen. Mich haben alte Maschinen und industrielle Szenerien einfach schon immer fasziniert. Wer mich dabei wirklich beeinflusst hat, war mein Cousin in England. Er war mein bester Freund, als ich zehn Jahre alt war, und er interessierte sich viel mehr für Mechanik als ich. Als Kinder bauten wir hinten im Garten große U-Boote, Flugzeuge und irgendwelche mechanischen Gebilde. Aber alles ganz nach unserer Fantasie. Dafür nahmen wir dann Zinkwannen, Gummischläuche, Holzplanken, verrostete Eisenstücke, Kartons und allen möglichen Abfall. Wir zeichneten Pläne von unseren eigenen Flugzeugen und Super-Vehikeln in unsere Schulhefte. Bei so einer Kindheit musste ich einfach Steampunk-Autor werden!

Sie schreiben Ihre Geschichten mit der Hand. Warum das? Was halten Sie von modernen Technologien?
Ich schreibe mit der Hand, weil ich dann nicht darüber nachdenken muss. Wenn ich auf einer Tastatur tippe, kann ich nicht so gut in meine Welt und meine Geschichte eintauchen. Die Tastatur lenkt mich ab und erinnert mich ständig an meine direkte Umgebung. Dabei habe ich nichts gegen Tastatur und Computer. Die Rechner haben mein schriftstellerisches Leben gerettet. Denn vor Erfindung der Computer schreckten die Schreibmaschinen einen richtig ab, irgendetwas zu Ende zu bringen. Alles musste beim ersten Mal richtig sein, ansonsten musste man die ganze Seite neu abtippen. Ich litt deshalb 25 Jahre unter einer Schreibblockade. Ohne die neuen Technologien könnte ich nicht mehr leben.

Könnten Sie sich vorstellen, auf Ihrem Juggernauten zu leben?
Aber sicher! Das ist ja meine Aufgabe als Fantasy-Autor – ich denke mir Dinge aus, die es nicht gibt, um sie dann so darzustellen, als ob es sie gibt. Viele Leser von Worldshaker berichten mir, dass sie beim Lesen den Eindruck bekommen, tatsächlich in diesen endlosen Korridoren, den engen Kabinen und zwischen den Spundwänden herumzulaufen – und in der höllischen Unterwelt, wo die Dreckigen zwischen Kesseln und Turbinen schuften.

Wie würden Sie das finden?
Das wäre eine schrecklich klaustrofobische und erdrückende Welt. Ich selbst würde das hassen! Aber wenn ich zu der Elite auf den Oberdecks gehören würde, wie Col, tja, dann würde ich mir keine Gedanken darüber machen, denn ich hätte ja nie etwas anderes kennengelernt.

Richard Harland: Worldshaker und Liberator, Verlagshaus Jacoby & Stuart, Übersetzung: Werner Leonhard,  je 16,95 Euro.

Ab Januar 2013 auch als Taschenbuch bei dtv, für 8,95 Euro.


Worldshaker

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Die Leiden einer Rezensentin

In meinem Büro stapeln sich Bücher, viele Bücher, mittlerweile vornehmlich Rezensionsexemplare. Schöne Bücher, spannende Bücher, berührende Bücher, für Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Es gibt so viel zu Lesen, dass ich kaum noch hinterher komme. Irgendwie habe ich die Büchse der Pandora geöffnet, als ich die Betreuung der Buchecke für das Jugendmagazin Yuno übernommen habe. Ich habe es selbst vorgeschlagen und freue mich sehr, dass ich das nun seit gut einem halben Jahr tun darf.

Doch die Bücher in meinem Büro machen mir ein schlechtes Gewissen. Denn nicht alle kann ich besprechen, und viele hätten es verdient, erwähnt zu werden. So manchem Buch wünsche ich mehr Leser. Manchen Lesern würde ich gern das eine oder andere Buch zusätzlich empfehlen. Doch in der gedruckten Presse ist dafür leider kaum noch Platz.

Dafür aber gibt es das Netz mit seinen unendlichen Weiten – und seinen unendlichen Literaturblogs. Es ist also nichts Neues, was ich hier anfange. Aber es ist vielleicht eine Chance, Aufmerksamkeit zu schaffen und den vielen Büchern und Geschichten ein wenig gerechter zu werden. Vielleicht freuen sich hier ja ein paar Leser über den ein oder anderen Hinweis auf leckere Lektüre, ansprechende Anregung, poetische Perlen der Literatur oder einfach nur gute Unterhaltung.

Und möglicherweise lassen sich so die Leiden einer Rezensentin etwas lindern …