Schätze und Vampire

Roald DahlManchmal bescheren einem die Verlagsankündi-gungen unerwartete Reisen in die eigene Kindheit. Ein solch vergnüglicher Rückblick wurde mir jetzt mit dem Hinweis auf das 40-jährige Jubiläum der roro-Rotfuchs-Reihe aus dem Rowohlt Verlag zuteil.

Plötzlich sah ich sie wieder vor mir, die weißen Taschenbücher mit den Fotos auf der Vorderseite und dem dreiteiligen Comic-Strip mit dem Rotfuchs auf der Rückseite. Diese Bücher mit ihren packend realistischen Geschichten waren feste Begleiter meiner frühen Jugendzeit. Sie stillten meinen Lesehunger, und in der rückblickenden Mystifizierung könnte ich jetzt behaupten, die Comic-Strips haben meine Liebe für Graphic Novels geweckt …

Rowohlt hat jetzt im Rahmen ihres Jubiläums zwei meiner Kindheits- und Jugendbegleiter in neuem Kleid herausgebracht. In Die große Roald Dahl Schatzkiste findet man die Perlen des Walisers mit dem fiesen schwarzen Humor. Ich kannte von Ronald Dahl vor allem seine skurrilen Küsschen-Küsschen-Geschichten und habe jetzt mit Wonne die Storys von der leseverrückten Matilda, Willy Wonka, Mr. Fox oder vom schüchternen Herrn Hüpfenstich verschlungen.

Ergänzt werden die fantastischen Geschichten durch Ausschnitte von Dahls autobiografischem Text Boy sowie mit rotzfrechen Rezepten des Autors, die aus der Lektüre ein umfassend sinnliches Erlebnis machen, wenn man sofort in die Küche eilt und Karamellmilch und Theo-Torfkopp-Schokotorte zubereitet.

Diese wunderbare Melange ist so überaus liebevoll wie schräg von dem großartigen Quentin Blake illustriert, dass kleine Zuhörer beim Vorlesen jede Menge zu schauen und zu  entdecken haben. Dieses Buch ist ein wahrer Schatz, nicht nur eine Schatzkiste.

der kleine VampirDas zweite Rotfuchs-Déjà-vu ist Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg. In einer erweiterten Neuausgabe sucht Rüdiger von Schlotterstein neu ummantelt mit blutigen Illustrationen von Amelie Glienke den Jungen Anton heim.

Bei allem Vampir-Hype der vergangenen Jahre ist es richtig erholsam, mal wieder einen klassischen Blutsauger im schwarzen Umhang und mit einer Familiengruft als Zuhause zu erleben. Böse Tanten, Vampir-ärgere-dich-nicht, Blutvergiftung beim Vampir und ewig pubertierende Jung-Vampire ergeben noch immer eine charmante Mischung aus Grusel und Grinsen. Fast wünscht man sich, Anton möge sich gegen die Avancen von Anna, Rüdigers Vampir-Schwester, nicht so sträuben. Doch selbst wenn Rüdiger jetzt schon 33 Jahre durch die Buchregale und Kinderzimmer flattert, hat er nichts an Frische und Biss verloren. Und wer dann doch noch eine „richtige“ Vampirliebesgeschichte braucht, der findet mittlerweile ja schön bissige Romane dieser Art im Buchhandel …

Roald Dahl: Die große Roald Dahl Schatzkiste, Übersetzung: Inge M. Artl/Dorothee Asendorf/Roswitha Fröhlich u.a., Illustrationen: Quentin Blake, Rowohlt, 2011, 349 Seiten, ab 6, 19,99 Euro

Angela Sommer-Bodenburg: Der kleine Vampir, Illustrationen: Amelie Glienke, Rowohlt, 2011, 159 Seiten, ab 6, 10,00 Euro

Das Rotzgör

ur-pippiVor zehn Jahren starb Astrid Lindgren. Mit ihren Büchern bin ich erst ziemlich spät in Berührung gekommen. Meine Mutter drückte mir als Kind lieber der Reihe nach die Bände von Else Urys Nesthäkchen in die Hand. Damals habe ich die Geschichten aus Berlin geliebt – heute ertrage ich sie leider nicht mehr, zu konservativ ist die gutbürgerliche Welt der Ury.

Umso mehr habe ich sehr viel später die Geschichten von Michel, Bullerbü und natürlich Pippi verschlungen. Der Respekt für die Kinder und der offene Antikonformismus lagen mir näher. Pippi war dabei natürlich unübertroffen: stark, schlagfertig, unabhängig und so unglaublich lebensklug. Tommy und Annika, die „lieben kleinen karierten Kinder“ (Ur-Pippi), konnten dagegen einpacken.

Als dann der Oetinger Verlag 2007 die Ur-Pippi herausbrachte, las ich die Geschichte noch einmal, mit erwachsenen Augen und dem Blick der Literaturstudierten. Und hier präsentierte sich auf einmal eine Pippi, die noch frecher und vorwitziger war, als im Standardtext. Die Ur-Pippi ist sprachlich ungeschliffener und nicht so glatt. Die Heldin wiederum ist noch unabhängiger, hat sie doch keine „Mama im Himmel“ und keinen Vater als „Negerkönig“. Sie verschafft sich mit einem Fingerstupser Respekt vor mobbenden Jungs (wie man das Verhalten heute nennen würde) und führt die Erwachsenen noch rigoroser vor. Herrlich.

Der Kommentar, der dem Urtext folgt, klärt über die Entstehungsgeschichte und die Widerstände gegen diesen anarchischen Roman auf. Hier wird die ursprüngliche Kompromisslosigkeit Lindgrens bei der Verteidigung der Kinderrechte deutlich. Sie entlarvt die Unverschämtheiten und Beleidigungen der Erwachsenen – und deutet die Grandezza von Pippi an, die sie in ihrer späteren mythischen Form erlangt.

Die  Ur-Pippi liefert einen literaturwissenschaftlich aufschlussreichen Blick in die Entstehung des Pippi-Langstrumpf-Kosmos‘ – für eingeschworene Pippi-Fans im Erwachsenenalter ein Muss.

Astrid Lindgren: Ur-Pippi, Übersetzung: Angelika Kutsch und Cäcilie Heinig, Oetinger Verlag, 2007, 176 Seiten, 14,90 Euro 

Unerziehbar

Penelope Lumley ist zwar erst 15 Jahre alt, doch sie ist von ganzem Herzen Gouvernante. Schließlich wurde sie im renommierten Swanburne-Institut für kluge Mädchen aus armen Verhältnissen dazu ausgebildet und hat als Klassenbeste abgeschnitten. In ihrer ersten Stellung im noblen Herrenhaus Asthon Place werden ihr drei ganz besondere Kinder anvertraut. Sie heulen wie die Wölfe und jagen mit Vorliebe Eichhörnchen. Penelope brennt darauf, den Kindern ihre Lieblingsgedichte vortragen zu können, sie in Französisch und Latein zu unterrichten, ihnen die Unterschiede zwischen barocker und romantischer Musik zu erklären und Aquarelle mit ihnen zu malen.

Aber all dies muss erst einmal warten, denn ihre drei Schützlinge mit den Namen Alexander, Beowulf und Cassiopeia sind Wolfskinder. Der Hausherr Lord Frederick fand sie während einer Jagd auf seinen riesigen Ländereien. Und nun müssen die Geschwister zunächst die Grundregeln des menschlichen Daseins und Lebens erlernen, als da wären: sprechen, zivilisiert essen, sich anziehen und eben nicht jedem Eichhörnchen hinterherjagen.

Penelope legt eine unglaubliche Liebe und Geduld  bei ihrer Aufgabe an den Tag. Denn sie weiß, dass die Kinder nichts dafür können, in welchen Verhältnissen sie bis dahin gelebt haben. Die junge Gouvernante akzeptiert die drei vorbehaltlos und versucht mit ihrer Erfahrung aus der Hundeschulung und einem Eichhörnchen-Desensibilisierungsprogramm, sie nach und nach zu gesitteten Engländern zu machen. Doch auf dem Weihnachtsball von Lady Constance nimmt das Chaos seinen Lauf …

Der Amerikanerin Maryrose Wood, deren Gothic-Trilogie Poison Diaries seit vergangenem Jahr bei Fischer FJB erscheint, legt mit Das Geheimnis von Ashton Place eine wunderbar turbulente Geschichte vor. Sie bildet den Auftakt zu einer ganzen Reihe über die „unerziehbaren Kinder von Ashton Place“ (wie der Titel im Original lautet). Hier trifft versnobtes Getue aus dem Hochadel auf die Liebenswürdigkeit einer jungen Heldin, für die Kinder überaus ernstzunehmende Individuen sind, die es zu respektieren gilt. Dieses Buch geht ans Herz, zaubert ein Dauerlächeln auf die Lippen und ist einfach eine Wonne – die Lust auf die Fortsetzung macht.

Maryrose Wood: Das Geheimnis von Ashton Place. Aller Anfang ist wild, Übersetzung: Eva Plorin, Thienemann Verlag, 2012, 304 Seiten, ab 11, 12,95 Euro

Satt an Tagen

goodbye uromaUroma ist 92 und hat einen Entschluss gefasst: Am 14. September um 17 Uhr will sie sterben. Dann hat sie 33770 Tage gelebt, das reicht ihr, sie ist satt an Tagen. Und das möchte sie an dem Tag mit einem großen Fest im Kreis ihrer Familie und Freunde gebührend feiern. Das ist dem 11-jährigen Mikael nicht genug. Er lässt sich von der Schule befreien, um die restlichen zwölf Tage mit der geliebten Uroma zu verbringen.

Gemeinsam bereiten Urenkel und Uroma nun alles für den großen Tag vor: Sie kaufen orangefarbenen Stoff für das Leichenhemd, suchen einen schlichten weißen Sarg aus, unterrichten den Pfarrer über Uromas Musikwünsche für die Trauerfeier (die alte Dame steht auf Elvis und besteht auf „Return to Sender“), sie veranstalten einen Nachlass-Flohmarkt mit Uromas Habseligkeiten und machen einen letzten Ausflug.

Zwischendrin erzählt Uroma Mikael von den schönen und weniger schönen Dingen aus ihrem Leben, trainiert im Sarg das Sterben – und bringt dem Jungen quasi nebenher bei, dass der Tod zum Leben gehört.

Jetzt könnte man meinen, dieser amüsante Umgang mit dem Sterben sei pietätlos und gehöre sich nicht, doch der Norwegerin Eli Rygg gelingt es auf sehr charmante Art, sich diesem schweren Thema leicht und liebevoll zu nähern. Sein Leben auf natürliche Art und Weise selbstbestimmt zu beenden wird bei ihr zu einer erstrebenswerten Selbstverständlichkeit und hat etwas ungemein Tröstliches. Denn Uroma nutzt die Zeit davor, „den inneren Komposthaufen“ zu wenden, Versäumtes nachzuholen und ihrem Urenkel die Dinge zu gestehen, die sie bereut.

Erstaunlicherweise baut sich selbst bei der eher traurigen Aussicht auf Uromas Ende eine Spannung auf, ob ihr Vorhaben wirklich gelingt …

Man sollte sich von dem etwas sonderbaren Buchcover nicht abschrecken lassen – dahinter erwartet den Leser eine außergewöhnliche Geschichte, die eines der letzten Tabus unserer Zeit ankratzt und gleichzeitig das Leben feiert.

Eli Rygg: Goodbye, Uroma!, Übersetzung: Nina Hoyer, Gerstenberg Verlag, 2012, 221 Seiten, ab 9, 12,95 Euro

… und fernsehen hilft doch

wir werden nicht von Yaks gefressenMomentan mache ich eine Beobachtung, bei der ich ab und an mal schmunzeln muss – oder mich extrem wundere: Es erscheinen gerade ein paar Bücher, zu denen ich für den einen oder anderen Verlag in den vergangenen Monaten Gutachten geschrieben habe. Bei vielen ist mein Daumen nach unten gegangen. Doch jetzt stelle ich fest, dass einige dieser Trash-Romane dennoch auf Deutsch erscheinen (allerdings nicht in den Verlagen, denen ich davon abgeraten habe). Nun ja, es scheint ein immenses Bedürfnis nach neuen Storys zu geben, egal wie deren Qualität ist … Umgekehrt freue ich mich dann immer, wenn eine Empfehlung von mir auch wirklich eingekauft und übersetzt worden ist. So ein Fall ist das folgende Buch von C. Alexander London mit dem skurril langen Titel Wir werden nicht von Yaks gefressen* *hoffentlich.

Die 11-jährigen Zwillinge Celia und Oliver Navel lieben Fernsehen. Sie sitzen am liebsten den ganzen Tag vor dem Kasten und sind echte Experten für Film, Soaps, Reality-TV, Koch-Shows, Reisesendungen und Sportevents. Doch sie wohnen mit ihrem Vater, dem Forscher Dr. Ogden Navel, im Haus des exklusiven Forscher-Clubs und müssen sich ständig die Abenteuergeschichten aller möglichen Forschungsreisender anhören. In den Ferien schleppt der Vater sie in die exotischsten Länder, wo sie angeblich aufregende Dinge erleben. Doch die Kinder finden das entsetzlich, sie wollen keine Käfer essen oder von Eidechsen gebissen werden. Sie möchten einfach nur ihre Ruhe haben und wünschen sich nichts sehnlicher als ordentliches Kabelfernsehen. Ihre Mutter Claire ist seit drei Jahren verschollen, auf der Suche nach der verlorenen Bibliothek von Alexandria. Ein bisschen vermissen die Kinder sie und fragen sich, ob die Mutter vielleicht weggegangen ist, weil die Zwillinge solche Langweiler sind. Doch dann verschlägt eine Intrige gegen ihren Vater die Zwillinge nach Tibet. Dort begegnen sie üblen Gifthexen, machthungrigen Forschern und Lamas, die keine Lamas sind. Und sie finden eine Spur zu ihrer verschollenen Mutter …

An Rasanz und schrägem Humor ist diese Geschichte kaum zu übertreffen. In Indianer-Jones-Manier retten sich die beiden TV-Abhängigen aus allergefährlichsten Lebenslagen, immer mit Hilfe ihres Wissens aus dem Fernsehen. Schließlich winkt ihnen als Belohnung für ihr Abenteuer endlich Kabelfernsehen. Das Couch-Potato-Image der Kinder kontrastiert wunderbar mit der Aufgeregtheit und Angeberei der Erwachsenen, denen die jungen Helden beweisen, wie clever sie durch ihren Fernsehkonsum geworden sind. Falls also jemand noch einmal behauptet, Fernsehen mache dumm, dem sei dieses Buch empfohlen …

C. Alexander London: Wir werden nicht von Yaks gefressen* *hoffentlich, Übersetzung: Petra Koob-Pawis, Arena Verlag, 2011, 278 Seiten, ab 10, 14,99 Euro

Alles andere als verwahrlaust

Pünktchen und AntonImmer wenn ich mal eine Pause von all den Neuerscheinungen brauche, greife ich zu einem Klassiker. Momentan ist Erich Kästner mein liebster Autor. Daher habe ich neulich endlich mal Pünktchen und Anton gelesen. Gehört hatte ich die Geschichte als Kind auf einer Schallplatte bei Oma. Aber erinnern konnte ich mich eigentlich nur noch an das herzzerreißende „Streichhölzer, kaufen Sie Streichhölzer“.

Umso schöner und überraschender war jetzt die Lektüre. Kästners Kinderroman erschien bereits 1931, und trotz seiner 80 Jahre hat dieser Text nichts an Frische und Klarheit eingebüßt. Schnörkellos, ohne ein überflüssiges Wort, aber überaus warm und herzlich erzählt Kästner die Geschichte von Luise, genannt Pünktchen, aus gutem Hause und Anton, der sich bis zum Umfallen um seine kranke Mutter kümmert.

Die Kinder lernen sich beim Betteln auf der Weidendammbrücke in Berlin Mitte kennen – nur betteln sie aus völlig verschiedenen Gründen. Anton, um zu überleben, Pünktchen, weil ihr Kindermädchen Fräulein Andacht, sie zwingt. Gemeinsam mit Anton kommt das Mädchen dann den üblen Machenschaften von Fräulein Andachts Liebhaber Robert auf die Spur.

Kästner hat zwischen die Kapitel so genannte „Nachdenkereien“ eingeschoben, in denen er über Fragen der Moral, über Freundschaft, Mut, Neugierde, Armut und das Leben überhaupt schreibt. Solche erzieherischen Anliegen können verdammt schnell zu moralinsauren Predigten ausufern und einem den Spaß am Lesen verderben, doch nicht bei Kästner. Der schafft es, ohne erhobenen Zeigefinger, den Leser zum Nachdenken zu bringen – vor allem über die Vielschichtigkeit der Figuren, die nie nur gut oder nur böse sind, sondern sich durch ihre Zwischentöne auszeichnen und somit überaus menschlich sind.

Was mich dann restlos entzückt hat, war Pünktchens Spleen, sich neue Worte wie „Wärmometer“ oder „verwahrlaust“ auszudenken. Einfach großartig!

Erich Kästner: Pünktchen und Anton. Ein Roman für Kinder. Illustrationen: Walter Trier, Dressler Verlag, 129. Auflage 2011, 154 Seiten, ab 10, 12 Euro

Fußball, Fummel & Freundschaft

kicker im KleidNeulich habe ich mich ja über David Walliams Mr. Stink schlappgelacht und jetzt landete das Erstlingswerk des Autors und Schauspielers auf meinem Tisch. Das musste ich natürlich gleich mal dazwischen schieben, weil Kurzweil und Amüsement lockten … und ich wurde tatsächlich nicht enttäuscht.

Dennis ist 12 und hat momentan nicht viel Freude im Leben. Seit seine Mutter die Familie verlassen hat, gelten in dem Männerhaushalt aus Dad, Dennis und seinem 14-jährigen Bruder John drei eiserne Regeln: Kein Wort über Mum! Nicht heulen! Keine Umarmung! Ziemlich trostlos das Ganze. Fußball ist die einzige Abwechslung, und darin ist Dennis einfach unschlagbar.

Als dann jedoch eines Tages auf der Vogue ein Model in einem Sommerkleid abgebildet ist, das Dennis ganz heftig an seine Mutter erinnert, kann der Junge nicht widerstehen und kauft die Zeitschrift. Er schwelgt in den opulenten Bildern all dieser unwiderstehlichen Kleider und entdeckt eine neue Leidenschaft: Frauenkleider!

In der coolen Lisa, die eigene Modelle entwirft,  findet Dennis die perfekte Freundin, die ihm ihren gesamten Kleiderschrank zum An- und Ausprobieren zur Verfügung stellt. Dennis erfindet sich neu und entdeckt, wie gut es tut, auch mal ein paar Regeln zu brechen. Schließlich schenkt Lisa ihm ein selbstgeschneidertes Paillettenkleid und überredet ihn, damit in der Schule aufzutauchen, verkleidet als ihre französische Brieffreundin.

Dass das Alles so richtig schön schief geht, ahnt man natürlich schnell. Doch Walliams gelingt es ganz großartig, liebevoll und lustig über den Spaß am Anderssein (nein, Dennis ist nicht schwul), echte Freundschaft und ein Fußballendspiel im Fummel zu erzählen. Das Buch legt man folglich erst wieder aus der Hand, wenn die letzte Seite erreicht ist. Und möchte sofort mehr solcher Geschichten …

David Walliams: Kicker im Kleid, Übersetzung: Dorothee Haentjes, Illustration: Quentin Blake, Aufbau Verlag, 2010, 232 Seiten, ab 10, 14,95 Euro

Hier stinkt’s gewaltig

Mr StinkChloe, 12, ist eine Heldin. Jedenfalls für mich. Denn sie traut sich, Mr Stink anzusprechen. Mr Stink ist obdachlos und lebt auf einer Parkbank – und er stinkt erbärmlich. Kaum ein Mensch hält es mit ihm aus, denn seine Ausdünstungen sind so richtig widerlich. Chloe aber traut sich. Sie freundet sich mit dem sonderbaren alten Herrn an. Er ist nett zu ihr, was sonst niemand ist. Nicht ihre Schwester Annabelle, die einen Pokal nach dem anderen gewinnt, nicht ihre Mutter, die mit abstrusen Forderungen in der Politik Karriere machen will, nicht der Vater, der sich von seiner Ehefrau unterbuttern lässt und seine Musikkarriere für sie aufgegeben hat.

Doch mit Mr Stink ist das anders. Und so quartiert Chloe den Obdachlosen heimlich im Gartenschuppen ein. Aber sein Gestank lässt sich nicht so leicht verbergen, und das Chaos bahnt sich seinen Weg durch die Katzenklappe …

Selten habe ich bei einem Buch so Tränen gelacht wie bei diesem Highlight. Mit seinem trockenen britischen Humor erzählt David Walliams eine ungewöhnliche, liebenswerte und berührende Geschichte, die soziale Grenzen einreißt und ein Fest des Lebens, der Freundschaft und der Geheimnisse feiert.

Der Roman ist charmant von Quentin Blake  illustriert und überaus treffend von Dorothee Haentjes aus dem Englischen übersetzt.

Dieses Buch ist nicht nur eine Offenbarung für Kinder. Für dieses Buch gibt es keine Altersbeschränkung, denn es erzählt eine Geschichte, von der diese Gesellschaft mehr gebrauchen könnte.

David Walliams: Gestatten, Mr Stink, Übersetzung: Dorothee Haentjes, Illustration: Quentin Blake,  Aufbau Verlag, 2011, ab 11, 14,99 Euro