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Hinter der Fassade

prinzessinManchmal bin ich ratlos. Wie soll man ein Buch beschreiben und empfehlen, dass einen in den Bann zieht und gleichzeitig unendlich traurig ist?
Das ist der Fall bei Inken Weiands Roman Ich bin eine Prinzessin.

Darin erzählt sie die Geschichte von Mellani und ihren zwei Geschwistern. Sie leben in einer Familie, die kein Glück kennt. Der Vater trinkt, ist gewalttätig und ohne Arbeit. Die Mutter kann die Kinder nicht schützen, sie wird selbst gewalttätig. Sie kann nicht einmal sich selbst schützen, sucht Schutz und Liebe bei einem anderen Mann.
Mellani wird misshandelt. Sie kann nichts dagegen tun, sie deckt die Mutter, die sie gegen die Heizung geschlagen hat. Denn sie hat Angst in ein Kinderheim zu müssen, aus dem sie nie wieder herauskommt. Mellani übersteht den Horror nur, weil sie sich in eine Fantasiewelt flüchtet, in der sie die Prinzessin ist. In dieser Traumwelt ist alles schön, alle sind lieb und zuvorkommend zu Mellani. Dort hat sie Würde und übernimmt die Verantwortung für „ihr Volk“. Mehr und mehr kümmert sie sich um die Geschwister, versucht, ihnen wenigstens ein bisschen Essen zu besorgen, und geht mit ihnen zur Jugendstunde in der Gemeinde, weil es da Kekse gibt. Gegenüber den Damen vom Jugendamt spielt sie die häusliche Situation herunter. Erst als die Lage zu Hause zu eskalieren droht, ist Mellani bereit, Hilfe zu suchen …

Mellanis Geschichte ist keine schöne Geschichte. Keine, die man Kindern zu lesen geben möchte, und doch eine, die vermutlich viel zu oft in unseren Landen tatsächlich passiert. Weiand schreibt stringent aus der Perspektive Mellanis, erzählt von der Verwahrlosung, dem Hunger, dem Problemviertel, in dem die Familie lebt. Man ist als Leser dicht bei Mellani, erlebt ihre Ängste, Sorgen, versteht, warum sie handelt, wie sie handelt, und leidet doppelt, weil man weiß, dass es Hilfe gäbe.
Doch man verzweifelt auch fast, weil so viel schief läuft: Das Jugendamt lässt sich mit Ausreden abspeisen, ein düsteres Gespensterbild, das Mellani malt, wird zwar als ausdrucksvoll bewertet, doch nicht als Hilferuf gesehen. Da möchte man die Erwachsenen schütteln und rufen: „Macht doch mal die Augen auf.“ Es ist ehrlich frustrierend, weil man weiß, dass man manchmal nicht helfen kann.

Und genau deshalb habe ich so lange gebraucht über diesen preisgekrönten Roman zu schreiben. Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Buch für Kinder ist. Möglicherweise kann es betroffene Kinder trösten, andere jedoch durchaus schockieren. Erwachsenen kann es möglicherweise eine Hilfestellung sein, wie es in misshandelten und traumatisierten Kindern aussieht, wie sie sich zu schützen versuchen. Mag sein, dass es beim Umgang mit solchen Kindern weiterhilft. Ich muss sagen, ich kenne mich da zu wenig aus. Beschwingte Unterhaltung ist dieser Roman auf jeden Fall nicht. Er legt den Finger auf eine wunde Stelle in unserer Gesellschaft, erzählt von den misshandelten Kinder, die viel zu oft allein gelassen werden.
Weiands Roman ist trotz allem packend und hält einen auch nach der Lektüre noch lange im Bann. Er löst intensive Gefühle aus, macht nachdenklich und eben auch ratlos.

Sicher ist aber auch, dass dieser Roman ein großartiges Stück Literatur ist.

Inken Weiand: Ich bin eine Prinzessin, Ruhland Verlag, 2014,  94 Seiten, ausgezeichnet mit dem Kinder- und Jugendliteraturpreis des Landes Steiermark 2012, 14,80 Euro

Gegen das Schweigen

gensichenDie Zahlen sind erschreckend: Jedes Jahr werden in Deutschland 20.000 Fälle von Kindesmissbrauch angezeigt. Die Dunkelziffer liegt schätzungsweise bei dem zehn- bis zwanzigfachen. Viel zu oft schweigen die betroffenen Kinder und Jugendlichen, aus Scham, aus Angst, aus Abhängigkeit, aus Liebe.

Der Hamburger Psychotherapeut Simon Gensichen will mit seinem Buch Anpfiff Kindern und Eltern helfen und zwar auf doppelte Weise. Zum einen liegt es ihm am Herzen, sexuelle Gewalt zu verhindern, zum anderen zeigt er auf, wo Betroffene Hilfe finden und wie sie das quälende Schweigen überwinden können.
Gensichen nutzt dafür eine ungewöhnliche Mischung aus fiktiver Erzählung und Ratgeber.

Im ersten Teil des Buches erzählt Gensichen die Geschichte des 10-jährigen Olek und des etwa 15-jährigen Jan. Beide spielen im selben Verein Fußball.
Jan ist in Bente verliebt, kann jedoch mit seinen Emotionen nicht gut umgehen. Schnell rastet er aus, Nähe erträgt er nur schwer. Warum das so ist, weiß Jan nicht.
Olek ist neu in der Stadt, seine Mutter kommt aus der Ukraine. Freunde hat Olek noch nicht, daher ist er dankbar, dass Fußballtrainer Prott so nett zu ihm ist. Prott kümmert sich um Olek, als dieser beim Training verletzt wird, nimmt ihn mit auf die Kartbahn, lässt ihn bei sich zu Hause Computerspiele spielen, erlaubt ihm, Bier zu trinken. Dabei sucht Prott immer mehr die körperliche Nähe von Olek: Er streichelt ihn, küsst ihn auf die Wange, nötigt ihn, das nasse T-Shirt auszuziehen. Von Olek verlangt er, dass er niemandem von ihren „Geheimnissen“ erzählt. Olek hält sich daran – und gerät in Gefahr.
Gerade noch rechtzeitig können Jan und Bente ihn aus Protts Fängen retten.

In diesem Erzählteil zeigt Gensichen anschaulich, wie perfide die Täter oftmals vorgehen. Hilfsbereit und kumpelhaft auf der einen Seite, erpresserisch auf der anderen. Olek, der sich Freunde wünscht, durchschaut dieses gefährliche Spiel nicht.
Wie sich sexueller Missbrauch von kleinen Kindern auswirkt, macht die Figur Jan deutlich. Er wurde von seinem Vater missbraucht, kann sich aber nicht mehr daran erinnern. Vor Jahren hat die Mutter den Vater rausgeschmissen, ohne Jan die Gründe zu erklären, für die er damals einfach zu klein war. Aber Jans Emotionen, seine unzügelbare Wut, die Angst vor Nähe, deuten an, dass etwas nicht stimmt. Allein kann Jan das jedoch nicht lösen. Erst als die Mutter mit ihm über die Vorfälle in Jans Kindheit spricht, kann sich der Junge seinem Schicksal stellen.

Im zweiten Teil seines Buches, dem eigentlichen Ratgeber, erklärt Gensichen zunächst Jugendlichen, was alles zu sexueller Gewalt zählt, seien es vermeintlich harmlose Doktorspiele oder das gemeinsame Bad von Elternteil und Kind. Sobald ein Kind damit nicht einverstanden ist, aber gezwungen wird, wird die Grenze zur Gewalt überschritten. Gensichen macht den Kindern Mut, Nein zu sagen – und zwar „ohne Begründung“ –, wenn sie etwas nicht wollen oder ein Alarmgefühl sich in ihnen bemerkbar macht.
Erwachsene Leser finden anschließend Hinweise, wie sie die oftmals nonverbalen Hilferufe von Kindern und Jugendlichen erkennen und wo sie medizinisch, psychologische und rechtliche Hilfe bekommen können. Die entsprechenden Internetadressen und Telefonnummer sind im Anhang aufgelistet.

Der Mix aus fiktiver Erzählung und Ratgeber ist außergewöhnlich. Aber er funktioniert hervorragend, denn Gensichen erläutert im Sachbuchteil die psychologischen Hintergründe der fiktiven Alltagsszenen in Schule und auf dem Sportplatz. Jugendlichen Lesern bieten sich hier Identifikationsmöglichkeiten, sie können überprüfen, ob in ihrem Umfeld etwas nicht stimmt. Sie lernen, erste Gefahren zu erkennen und Schlimmeres im besten Fall abzuwenden.
Vor allem aber lernen sie, dass reden ganz wichtig ist. Nur wer einer Vertrauensperson sein Herz ausschütten und seinen Kummer erzählen kann, ohne dafür abgestraft zu werden, kann sich von seinen Peinigern befreien und anfangen, das schreckliche Geschehen zu verarbeiten.
Gensichens Buch ist ein erster, wichtiger Schritt, das schädliche Schweigen zu durchbrechen.

Simon Gensichen: Anpfiff. Gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen. Ein Aufklärungsbuch für Jugendliche und Erwachsene, Ellert & Richter, 2014, 192 Seiten, 12,95 Euro

[Jugendrezension] Céciles neue Rolle

murailCécile, eine junge, noch vollkommen unerfahrene Grundschullehrerin, kommt – in Ein Ort wie dieser von Marie-Aude Murail – frisch von der Uni. Nun soll sie „ins kalte Wasser“ springen und die Verantwortung für ihre erste eigene Klasse übernehmen: Klassenlehrerin, eine Rolle, in die die unsichere Cécile erst einmal hineinwachsen muss. Je mehr sie sich in ihre neue Rolle hineinfindet, desto mehr gewinnt sie an Selbstvertrauen. Sie versetzt sich in ihre Schüler hinein, und die Probleme ihrer Schüler werden zu ihren eigenen.
Insbesondere das Schicksal der Kinder der afrikanischen Großfamilie Baoulé, die aus ihrem Heimatland flüchten mussten, nun obdachlos sind und abgeschoben werden sollen, beschäftigt sie. Bei der Suche nach einer möglichst guten Lösung für die Probleme dieser Familie, trifft sie Eloi, der sich – nicht immer ganz legal – für Flüchtlinge einsetzt. Und sie lernt ihren Chef, den Leiter der Schule, besser kennen, der sich ebenfalls selbstlos für andere engagiert. Beide Männer fangen an, sie zu interessieren …
Doch auch für dieses Buch gilt, wenn du wissen möchtest, was aus der Familie Baoulé und dem Liebesleben von Cécile wird, musst du es selbst in die Hand nehmen und lesen.

Mir hat das Buch Ein Ort wie dieser von Marie-Aude Murail echt gut gefallen, und ich habe während des Lesens immer gehofft, dass es Hilfe für die Familie Baoulé geben wird. Ich hoffe, dieses Buch wird dich genauso faszinieren wie mich.
Empfehlen würde ich es für Mädchen im Alter von 11 bis 16 Jahren. Viel Spaß beim baldigen Lesen ☺

Bücherwurm (11)

Marie-Aude Murail: Ein Ort wie dieser, Übersetzung: Tobias Scheffel, Fischer KJB, 2014, 416 Seiten, ab 12, 16,99 Euro

Sichtbar machen


mobbing
Für den Menschen, der zur Spezies Homo Sociales gehört, ist eine der schlimmsten Pein vermutlich das Nicht-Gesehen-Werden. Mobbing-Opfer, die nirgendwo Hilfe finden gegen ihre Peiniger, werden im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbar. So jedenfalls geschieht es im Debütroman Operation Unsichtbar von Helen Endemann.

Eines Tages bemerkt der 12-jährige Nikolas, dass er für seine Umwelt unsichtbar geworden ist. Niemand sieht ihn mehr. Nicht die Schulkameraden, die ihn sonst in der Pause immer quälen, noch die Eltern, die vor allem mit der kleinen Schwester beschäftigt sind. Nikolas kann sich nicht erklären, wie es dazu gekommen ist. Vor allem, dass seine Eltern nicht über ihn reden, ihn nicht vermissen, nicht nach ihm suchen, wundert und bedrückt ihn ganz besonders. Zu Hause sieht ihn nur die kleine Schwester, die aber noch nicht reden kann. Nikolas fühlt sich dort überhaupt nicht mehr wohl. Er kommt nur noch zum Schlafen nach Hause, die übrige Zeit verbringt er in der Schule. Dort ist wenigstens etwas los. Er besucht unterschiedliche Klassen und sucht sich die interessantesten Lehrer und Fächer heraus. Nachmittags geht er ins Kino – und genießt wenigstens für eine kurze Weile den Vorteil, nicht gesehen, also auch nicht kontrolliert zu werden.

Eines Tages stellt Nikolas fest, dass es noch mehr unsichtbare Kinder an der Schule gibt. Vier von ihnen wohnen sogar dort im Keller. Er freundet sich mit Alice an, die bereits seit zwei Jahren unsichtbar ist. Sie wird immer schwächer, isst immer weniger, hat Schwierigkeiten schwere Türen zu öffnen. Manchmal taucht um die Unsichtbaren ein bedrohliches kaltes blaues Licht auf, und sie scheinen endgültig zu verschwinden. Die Jugendlichen sind ratlos, ob und wie sie wieder sichtbar werden können. Einer der Jungen hält es schließlich nicht mehr aus und stürzt sich vom Schuldach. Seine Leiche ist dann plötzlich für die Umwelt wieder sichtbar. Der Schock sitzt tief, bei den Unsichtbaren wie bei den Sichtbaren.

Mit der Zeit stellt Nikolas fest, dass immer wenn er starke Gefühle empfindet, er für empfindsame, aufmerksame Lehrer sichtbar wird. So bemerkt ihn schließlich die Religionslehrerin – und organisiert Hilfe.

Helen Endemann hat in ihrem Debüt das schwierige Thema Mobbing durch die Kombination mit dem fantastischen Element der Unsichtbarkeit zu einem richtig gehenden Page-Turner gemacht. Diese Unsichtbarkeit ist natürlich ein offensichtliches Symbol für die Folgen von Mobbing, doch es ist eingängig und überzeugend dargestellt, so dass sich das Fantastische fast wie selbstverständlich in einen realen Schulalltag fügt. Als Leser nimmt man Endemann diese großartige Idee sofort ab und verfolgt mit wachsender Spannung die Entwicklung von Nikolas und den anderen unsichtbaren Kindern.

Den Ausweg, den die Autorin liefert, orientiert sich an realen Konflikt-Lösungsstrategien, die an manchen deutschen Schulen tatsächlich schon durchgeführt werden. Neben der pädagogischen Absicht, Jugendliche für das Thema Mobbing zu sensibilisieren, sie davor zu schützen und sie davon abzuhalten, kommt somit auch für erwachsene Leser ein Lerneffekt hinzu. Man erfährt in Grundzügen, wie man Mobber möglicherweise ausschalten und den Mobbing-Opfern helfen kann. Dass die Mobber selbst zum Teil aus problembelasteten Familien kommen und auf eine andere Art selber leiden, vergisst Endemann dabei auch nicht.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Roman ist zudem der Glaube. Nikolas glaubt an Gott und zieht aus Bibelgeschichten Hoffnung. Ihm gegenüber steht Alice, die trotz atheistischem Zweifel dennoch auf einen guten Ausgang der Geschichte hofft und die Zeit bis dahin mit Unterricht nutzt. Endemann flicht hier das Thema Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit des Menschen in Krisensituationen, geschickt in die Geschichte ein. Sie zeigt, dass sowohl der Glaube, als auch ein starkes Selbstwertgefühl für Kinder und Jugendliche Wege sein können, Hindernisse im Leben zu meistern.

All diese vielen Schichten der Geschichte machen Operation Unsichtbar auch zu einer passenden Schullektüre, die den Lehrern eine spannende Geschichte an die Hand gibt, die die Schüler mit Sicherheit bis zur letzten Seite lesen werden. Diskussionsstoff gibt es danach jede Menge.
Der Höhepunkt des Romans ist zudem so anrührend und filmreif geschrieben, dass man heulen möchte … vor Glück.

Helen Endemann: Operation Unsichtbar, Brunnen-Verlag, 2013, 192 Seiten, ab 12, 9,99 Euro

Lob der Freundschaft

die besten Freunde der WeltNeulich hörte ich einen für mich neuen Begriff: Helikopter-Eltern. Damit sind Väter und Mütter gemeint, die sich überführsorglich um das Wohl der Sprösslinge sorgen und ständig über sie wachen, damit ihnen ja kein Leid zustoße. Dass das auf die Dauer nicht immer hilfreich ist, kann man sich fast denken.

Nun ist mir zu diesem Begriff das entsprechende Kinderbuch unter die Nase gekommen: Die besten Freunde der Welt von Ute Wegmann. Darin erzählt die Autorin von Fritz und Ben. Ich-Erzähler Fritz hat ständig was um die Ohren, jeden Nachmittag Termine, Termine, Termine: Tennis, Fußball, Schlagzeugunterricht, Nachmittage im Park oder bei den Großeltern. Nur sonntags verbringt er ganz entspannt mit seinen Eltern und fragt sie Löcher in den Bauch. Ganz anders ist das bei Ben: Der hat gar keine Termine, geht nirgendwohin, liest dafür jede Menge Bücher und kann sich alles merken. Ben hatte als Baby einen Herzklappenfehler, und seine Mutter hat sich auch Jahre später noch nicht davon erholt und hält den Jungen von allem ab, was auch nur im Geringsten anstrengend sein könnte, obwohl er mittlerweile kerngesund ist. Dabei würde Ben gern Fußballspielen, Tennis lernen, mit der Schulklasse am Schwimmunterricht teilnehmen, das Seepferdchen machen und nicht immer am Rand sitzen und der ewige Außenseiter sein. Doch die Mutter verbietet es. Zum Glück gibt es Fritz, der seinen besten Freund dabei unterstützt, dem Radar dieser Helikopter-Mutter wenigstens ab und zu zu entfliehen. Und so versucht er, in der wenigen Zeit, die er zwischen seinen Terminen hat, Ben das Schwimmen beizubringen. Das ist nicht ganz einfach, denn Ben hat Angst vor Wasser. Doch ganz behutsam führt Fritz ihn an das nasse Element heran, von der Badewanne über das Babybecken im Schwimmbad bis zum großen Becken. Und auch wenn Ben seine Angst nur sehr langsam überwindet und immer wieder Rückschläge erlebt, verliert Fritz nie die Geduld und hält unerschütterlich zu ihm.  Alles passiert heimlich, ohne dass die Eltern der Jungen etwas mitbekommen. Und gerade das schweißt die beiden noch fester zusammen.

Ute Wegmann ist eine entzückende Hymne auf die Freundschaft gelungen, in der sie zwei völlig unterschiedliche Charaktere zusammenbringt, die sich durch nichts unterkriegen lassen. Sie zeigt, dass gute Freunde sich manchmal besser kennen und die Bedürfnisse und Wünsche des anderen viel nachhaltiger befriedigen können als Eltern. Dabei handelt es sich hier keinesfalls um Rabeneltern, sondern Wegmann porträtiert einen Eltern-Typus, der scheinbar gerade immer mehr in Mode kommt. Erwachsenen Lesern hält sie damit einen Spiegel vor, ihrer Zielgruppe, 8-jährigen Jungs, zeigt sie hingegen, dass man sich dem elterlichen Überwachungssystem mit Mut, Cleverness und Spaß auch mal entziehen kann und sollte. Denn das stärkt ganz klar das Selbstbewusstsein und macht stolz –schlussendlich auch die Eltern.

Sehr charmant finde ich in der Geschichte zudem noch die Mutter von Fritz. Ruby ist Britin, spricht ständig Englisch und ein nicht ganz korrektes, aber überaus apartes Deutsch. Ihre englischen Sätze bleiben zum Teil einfach so stehen, werden nicht sklavisch übersetzt, sondern erklären sich durch die Zusammenhänge der Szenen von selbst. Das grammatisch nicht korrekte Deutsch verpasst ihr einen authentischen Anstrich und macht sie zu einer total coolen Mutter-Figur.

Ergänzt wird der Roman von den zarten Illustrationen von Sabine Wilharm, die schon die deutsche Harry-Potter-Ausgaben gestaltet hat. Sie verleihen der Geschichte ein ganz muckeliges Gefühl – wie die Schlafanzüge der Jungs nach dem Baden …

Ute Wegmann: Die besten Freunde der Welt,  Illustrationen: Sabine Wilharm, dtv, Reihe Hanser, 2012, 205 Seiten, ab 8, 12,95 Euro