Vulvadialoge

girlsplainingMansplaining – dieser Begriff kursiert seit einiger Zeit in Diskussionen immer häufiger und kennzeichnet das unsägliche Verhalten mancher Männer, den Frauen von oben herab die Welt oder sonst etwas erklären zu wollen.

Seit diesem Herbst gibt es aber auch Girlsplaining – etwas, das wir dringend brauchen, als Begriff, aber auch in Form dieser Comic-Sammlung von Katja Klengel.

Comickünstlerin Klengel versammelt in diesem Band noch einmal ihre Kolumnen, die sie für das Online-Magazin Broadly gezeichnet hat. Und das ist hervorragend, denn an mir – und vielleicht auch anderen – ist Broadly bis jetzt vorbeigegangen (etwas das ich aber ändern werde). Nun also, können wir sieben Geschichten offline genießen und uns in ihnen wiederfinden.

Vom Alltagssexismus

Klengel erzählt darin von dem Alltagssexismus, den die meisten Frauen seit ihrer Kindheit erlebt haben dürften, beispielsweise die Anmache im Imbiss, aber auch von der Schamhaftigkeit der Eltern, wenn weibliche Geschlechtsmerkmale nicht benannt werden und alle einen sprachlichen Bogen um Ausdrücke wie Vulva, Scheide, Vagina, Schamlippen machen, so als handelt es sich dabei um den Namen Voldemort. Klengel veranschaulicht, wie Jungs auf weibliche Körperbehaarung reagieren, wie unsensibel Frauen auf das Thema Kinderkriegen angesprochen werden und welche Fallen in der Spielzeugabteilung lauern. Sie scheut nicht davor zurück eine vollgeblutete Binde abzubilden und das Vorsatzpapier des Buches mit Zeichnungen von unterschiedlichsten Schamlippen zu verzieren. Damit liegt sie voll im Trend, der sich in Büchern wie Ebbe und Blut von Luise Strömer, Sex von Chusita oder Der Ursprung der Welt von Liv Strömquist zeigt.

Bewusstsein für den eignen Körper

Ihre Geschichten, in ironisches Altrosa gefärbt, kommen an der Oberfläche witzig daher, erwischen die Leser_innen dennoch eiskalt, da jede diese Situationen so oder ähnlich schon mal erlebt hat. Klengel schärft damit auf großartige Weise das Bewusstsein der Mädchen und Frauen für ihren eigenen Körper, ihren Umgang damit, ihre Sprache und ihr Verhalten in der Öffentlichkeit.
Denn viel zu oft stehen wir da, hören einen sexistischen Spruch und wissen auf die Schnelle keine passende Antwort. Meist reagieren wir dann mit einem verschämtem Kichern und ärgern uns hinterher. Dass frau auf blöde Anmachen nicht mit einem coolen Spruch reagieren muss, sondern dass ein einfaches „Bitte lassen Sie solche Bemerkungen!“, wie Klengel vorschlägt, schon reicht, ist eine enorme Erleichterung. Keine von uns muss schlagfertig sein, wenn sie belästigt wird. Wir müssen uns nicht auf die witzige Tour revanchieren, und damit das Geschehen ins Lächerliche, also ins Unerhebliche ziehen. Es hilft auch nichts, den Männern über Witze klar machen zu wollen, dass ihr Benehmen inakzeptabel ist. Offenheit und direkte Botschaften sind da viel angebrachter – schließlich muss frau damit die vergurkte Erziehung der Herren ausgleichen. Auch in diesem Sinne ist Klengels Buch so wichtig: Je sensibler die Mädchen und Frauen in Bezug auf sich selbst und ihren Körper sind, umso besser können sie – hoffentlich – ihre Söhne erziehen, zukünftig respektvoller mit Frauen umzugehen.

Medienkritik

Fast wie nebenher gelingt Klengel zudem eine Kritik der Medien und unserer Sehgewohnheiten, indem sie ihre Überlegungen in Szenen aus TV-Serien einbaut, sie beispielsweise auf die Kommandobrücke von Raumschiff Enterprise verlegt, als Gespräch mit den Ladys aus Sex and the City erscheinen lässt, oder Anspielungen an Bridget Jones und Harry Potter einflechtet. Der Wiedererkennungseffekt ist hoch, und das heimelige Gefühl, den eigenen Serien- und Filmkonsum hier wiederzufinden, erfreut bei der Lektüre. Doch wieder wird das Bekannte gebrochen, Klengel legt den Zeichenstift in die offensichtlichen Schwachpunkte dieser Produktionen, sodass einem die Stereotypen aus den Serien und Filmen entgegenprallen und uns sensibilisieren, bei den nächsten Binge-Watching-Abenden die dargestellten Figuren genauer unter die Lupe zu nehmen.
Glücklicherweise liefert Klengel in einem Nachwort die Bücher, Serien und Filme, die sie bei ihrer Arbeit inspiriert haben, und die eingefleischte Sehgewohnheiten immer noch aufbrechen können.

Der edition f hat sie zudem ausführlich Fragen zu ihrer Arbeit und ihrer Haltung beantwortet. Nachzulesen ist das Interview hier. Bleibt zu hoffen, dass auf Broadly und später in gedruckter Form noch mehr dieser augenöffnenden Geschichten folgen.

Katja Klengel: Girlsplaining, Reprodukt, 2018, 160 Seiten, ab 14, 18 Euro

Mit Tampons jonglieren

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Okay, ich gehöre definitiv nicht mehr zu der Generation, die noch mal ganz unverblümt über ihre Menstruation sprechen wird. Zu sehr habe ich die verschämte Sprachlosigkeit über das ganz natürliche Vorgehen im weiblichen Körper in den vergangenen Jahrzehnten verinnerlicht. Ich tue mich also schwer.

Umso mehr beneide ich jetzt die jungen Mädchen, die mit dem Buch Ja, ich habe meine Tage! So what? der schwedischen Bloggerin Clara Henry ein Manual an die Hand bekommen, das mal Klartext redet.

Clara Henry nimmt kein Blatt vor den Mund. Locker und wunderbar schnodderig – hier gilt der Dank der Übersetzerin Kerstin Schöps – erklärt sie die Vorgänge in der Vagina, die Auswirkungen auf Körper und Psyche, wenn ein Mädchen seine Tage hat, wenn sie blutet, menstruiert, ihre Regel hat. In persönlichen Anekdoten erzählt sie von ihrem eigenen Umgang mit Schmerz, durchgebluteten Unterhosen und Schokoladengelüsten, weil Schokolade einfach gut tut. Sie erörtert die Unterschiede zwischen Binden, Slipeinlagen, Tampons und Menstruationstassen. Das macht sie mit Witz und Selbstbewusstsein. Ich hätte dieses Buch gern als Teenagerin gehabt, dann hätte ich vielleicht nicht Jahre gebraucht, um einen entspannten Umgang mit diesen roten Tagen zu erlangen. Allein dafür ist Henrys Buch schon eine wichtige Lektüre.

Was jedoch fast noch wichtiger ist, als die rein hygienischen Maßnahmen, die frau treffen sollte, ist die Haltung, die Henry vermittelt. Sie liefert den Mädchen beispielsweise selbstbewusste Antworten und Entgegnungen, die frau all denen liefern kann, die sexistische, verachtende, frauenfeindliche, herabwürdigende oder lächerlich-machende Bemerkungen fallen lassen. Dabei zieht sie gleichzeitig gegen herrschende frauenverachtende Körperbilder ins Feld. Sie macht klar, dass es durchaus okay ist, sich nicht zu rasieren. Egal wo. Der Körper eines Mädchens, einer Frau ist vollkommen in Ordnung, so wie er ist, groß, klein, dick, dünn, kurvig, flach. Jedes Körperteil an einem weiblichen Körper ist in Ordnung, so wie es ist. Hört sich banal an, kann aber in diesen Zeiten des schönen Scheins gar nicht oft genug wiederholt werden. Kein Mädchen sollte sich angeblichen Schönheitsidealen unterwerfen müssen, keine sollte sich von Versprechungen der Werbung beeinflussen lassen, alle sollten selbstbewusst sagen können: Ja, ich habe meine Tage!

Clara Henry macht den Mädchen Mut, die Herrschaft über ihren Körper zu behalten. Sie allein bestimmen, wann sie Sex haben wollen, ob sie ihn überhaupt haben wollen. Sie entscheiden, ob sie sich einem Ideal unterwerfen wollen. Und so sollten sie sich nicht im Geringsten dafür schämen, wenn sie ihre Tage haben, einen Tampon oder eine Binde wechseln müssen. Viel mehr schlägt Henry vor, mit den Tampons auf dem Weg zur Toilette gut sichtbar zu jonglieren, die frischen Binden offen in der Hand zu halten und in Lokalen, in denen man nichts konsumieren will, ganz locker zu sagen: „Entschuldige. Mein Tampon läuft aus. Kann ich bei euch auf die Toilette gehen? Vielen Dank.“ Ich finde das herzerfrischend.

Bei all diesen Tipps und Hinweisen macht Henry aber auch klar, dass die Menstruation nicht unbedingt als Ausrede herhalten kann. Es geht nicht darum, sich hängen zu lassen, sondern einen bewussten und entspannten Umgang mit dem Zyklus zu finden, die Rote-Bete-Woche mit Freuden zu begrüßen und sich über dieses Zeichen der eigenen Fruchtbarkeit zu freuen.

Ich hätte all dies so gern viel früher gelesen.

Clara Henry: Ja, ich habe meine Tage! So what?, Übersetzung: Kerstin Schöps, Beltz, 2016, 196 Seiten, ab 13, 16,95 Euro

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