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Bullerbü hat einen Riss

boieEs gibt tatsächlich Autor_innen, die hier in all den Jahren immer noch kaum aufgetaucht sind. Kirsten Boie gehört dazu. Doch nun hat mich neulich in einer Ringvorlesung an der Hamburger Uni, bei der es um den Einsatz von KJL im Grundschulunterricht geht (nein, ich sattle nicht auf Lehrerin um, ich geh da aus purem Interesse hin), Jana Mikota von der Uni Siegen ganz neugierig auf Boies neues Roman gemacht.

Obwohl ich noch ganz vorlaut über die nervige Wortdopplung im Titel gemäkelt hatte, habe ich mich dann eingelassen – und wurde so was von belohnt.
In Ein Sommer in Sommerby erzählt Boie von den drei Geschwistern Martha, Mikkel und Mats, die für ein paar Wochen zu ihrer Oma Inge an die Ostsee müssen. Denn die Mutter der Kinder hatte in New York einen Unfall, der Vater fliegt zu seiner Frau, und da gerade Ferienzeit ist, kann sich niemand anderes um die Kinder kümmern. Die Krux ist nur, dass die Familie zur Oma seit Jahren überhaupt keinen Kontakt hat. Martha kann sich noch ganz vage an sie erinnern, Mikkel, 7, und Mats, 4, kennen sie gar nicht.

Die Oma ist als dickköpfig und „Hexe“ verschrien, sie wohnt auf einer Landzunge, zu der nicht mal eine Straße führt. Mit einem kleinen Boot fährt sie hinüber zum Ort auf die andere Seite des Fjordes – ich möchte gerne Schlei schreiben, denn die Örtlichkeiten sind für landeskundlich bewanderte Schleswig-Holstein-Kenner_innen gut zu erkennen, aber Boie hat sich natürlich für eine Fiktionalisierung und erfundene Ortsnamen entschieden.
Als eine Freundin der Mutter die drei Geschwister also bei Oma Inge absetzt, herrscht auf beiden Seiten zunächst Skepsis und Befremden. Mats nennt die Großmutter beständig „Frau Oma“, denn er kennt sie ja noch nicht, die einfühlsame Martha versucht, ausgleichend zu vermitteln.

Unter diesen Voraussetzungen entspinnen sich nun Tage des gegenseitigen Kennenlernens und für die Kinder Tage des Erkundens der Natur und des Landlebens. Für Martha, die etwa 12, 13 ist, besteht der größte Schock zunächst einmal darin, dass die Oma kein WLAN hat, ja nicht mal ein Telefon – und der alte Fernseher funktioniert ohne Dekoder auch nicht. Netz hat Martha nur, wenn sie über die Kuhwiese zum Zaun läuft. Dort kann sie immer nur kurz mit Papa in New York simsen oder die Urlaubsfotos ihrer Freundin von den Malediven bewundern.

Doch schneller als gedacht, gewöhnen sich die Kinder an das Leben auf der Landzunge. Mikkel darf Eier einsammeln und die Gänse füttern, Mats läuft unbeaufsichtigt herum, was Martha mehr Sorgen macht als der Oma. Hier gibt es keine Helikoptereltern, die den Kindern ständig etwas verbieten oder sie nicht aus den Augen lassen. Nicht alles klappt auf Anhieb, und Oma ist auch nicht immer lieb und gerecht zu ihren Enkeln, doch in der Auseinandersetzung lernen beide Seiten dazu und wandeln sich.
Martha entwickelt mit der Zeit einen Blick für die Schönheit des Ortes: die alte Reetdachkate mit den Stockrosen vor der Tür, das Wasser, die langen hellen Abende. Und doch entspricht dieses Idyll nicht den Bildern aus den Hochglanz-Garten-Zeitungen, in denen jedes kleinste Detail abgestimmt ist. Oma hat zwar einen Ceran-Herd und ein modernes Bad, spült aber noch in einer hässlichen Plastikschüssel das Geschirr von Hand. Die Geschirrtücher sind alt und mit merkwürdigen Bildern versehen. Das ist nicht das manufactumausgestattete Traumhaus aus der Landlust. Hier ist nur das modern, was wirklich wichtig ist.

Mikkel hingegen ist entsetzt, wie die Oma mit den Tieren umgeht: Nacktschnecken werden zerhackt, die Rehe mit Steinwürfen von den Blumen vertrieben, die Gänse gemästet, um später als Martinsbraten verkauft zu werden. Die abstrakte Tierliebe der Großstadtkinder trifft auf die harte Realität des Landlebens, wo der Mensch seine mühsam gezogenen Früchte und Blumen vor den gefräßigen Tieren schützen muss. Auch die Beerdigung für einen toten Maulwurf – der zum Erstaunen der Kinder viel kleiner ist als der, dem auf den Kopf gemacht wurde – findet bei Oma keinen Zuspruch.

Boie entfaltet in dieser unaufgeregten, entschleunigten Sommergeschichte ein ganzes Panorama an geschickt eingeflochtener Kritik an unserer Großstadtgesellschaft. Neben der Brechung der Landlust-Idylle hält sie der Wegwerfgesellschaft einen Spiegel vor, nimmt die Low-Carb-Bewegung aufs Korn, indem sie Martha über den Kohlenhydrategehalt von Omas selbstgekochten Marmeladen reflektieren lässt. Auch dass man Unbekannte nicht nach ihrem Äußeren oder ihren Wohnverhältnissen beurteilen sollte, lernen die Geschwister, als sie Omas Nachbarn Krischan kennenlernen, der Holztiere schnitzt.
Mit einem geldgierigen Makler, der Omas Kate für einen siebenstelligen Preis kaufen will, dringen zudem der Immobilienhype und die rücksichtslosen Machenschaften von Geschäftsleuten bis auf die Landzunge vor. Dieser leicht kriminalistische Strang bringt Spannung in die Geschichte und lässt die Kinder darüber reflektieren, was wichtiger ist: viel Geld oder ein Zuhause in einer unzerstörten Natur.

Kirsten Boie schafft es in Sommerby tatsächlich all diese Punkte, von denen jeder für sich ein Thema wäre, ganz spielerisch und kindgerecht in die Geschichte einzuflechten. Ohne die Leserschaft dabei zu überfordern. Denn das Leben ist genauso vielschichtig und mit all den Problemen und Hindernissen versehen, wie es die Kinder hier erleben. Das Bullerbü, das wir alle so gern hätten, gibt es ja nicht. Trotzdem existieren noch wunderschöne Ecken in diesem Land und auf unserer Welt, nur müssen wir hart dafür kämpfen, dass sie nicht von geldgierigen Typen und unseren Luxusansprüchen kaputt gemacht werden.

Was mich persönlich zudem noch sehr angerührt und mich an meine eigene Jugendlektüre erinnert hat, ist der Roman, den Martha im Wohnzimmer von Oma findet. Dort stehen jede Menge alte Bücher ihrer Mutter, die Drei Fragezeichen und die Fünf Freunde, die Martha jedoch allesamt nicht interessieren. Sie entscheidet sich für den Roman Desirée von Annemarie Selinko, der das Mädchen dann in den Sommertagen begleitet und die erste aufkeimende Verliebtheit, die sie gegenüber dem Jungen Enes von der Schnasselbude empfindet, einordnet. Das ist so liebevoll gemacht, dass man sich die ganze Zeit mit Martha freut – und Desirée noch mal lesen möchte.

Für die anstehenden großen Ferien ist Kirsten Boies Ein Sommer in Sommerby die perfekte Lektüre! Man ist beglückt, wird bereichert und angeregt – und hat am Ende glänzende Augen.

Kirsten Boie: Ein Sommer in Sommerby, Oetinger, 2018, 320 Seiten, ab 10, 14 Euro

Eine Liebeserklärung

Es gibt ja durchaus Autoren, da wartet man schon fast ungeduldig auf neue Geschichten. Finn-Ole Heinrich ist für mich so einer, für den ich alle anderen Bücher zur Seite schiebe und sofort wissen muss, was der Schöpfer von Maulina Schmitt nun wieder erdacht hat.

Dieses Mal hat er zusammen mit Dita Zipfel ein Bilderbuch herausgebracht, das kleine und große Traktoren-Fans entzücken dürfte.
In Trecker kommt mit unterhalten sich ein etwa 4-jähriges Ich mit einem erwachsenen Du über den kommenden Umzug am Wochenende vom Land in die Stadt. Dabei ist es völlig schnurzegal, welches Geschlecht Ich und Du haben. Sie liefern eine Diskussion, die es in sich hat.

Das Ich hat nämlich bereits gepackt, und zwar die einzige Sache, die es wirklich mitnehmen will: den Trecker. Sehr zum Unwillen des Du, das mit rationalen Argumenten kommt. Das Gefährt ist zu groß, zu langsam, in der Stadt zu nichts zu gebrauchen, benötigt viel zu viel Platz und überhaupt, man kann ja nicht alles haben.

Das Du hat die Rechnung allerdings ohne das Ich gemacht, dass mit liebenswert überzeugender Inbrunst alle Vorteile von Trecker aufzählt: Er kennt den Weg, beseitigt Probleme und ist der beste Kumpel überhaupt. Er ist der „Held mit Motor“ und kann natürlich noch vieles mehr.

Heinrich und Zipfel schaffen es mit wunderbar trockenem norddeutschen Humor die Vorzüge des Treckers herauszukehren, die jedem Stadtmenschen bis dato verborgen geblieben sind. Durch die rhythmisierte Sprache, die knattert und rattert, wie es nur ein Trecker kann, durch die poetischen, oft elliptisch-lakonischen Sätze wird das laute Vorlesen ganz automatisch zu einem Poetry-Slam, von dem man sich wünscht, er möge nie enden.

Die Illustrationen von Halina Kirschner flankieren dann den Text mit einem rostroten Traktor vor türkisgrünblauem Hintergrund. Dicke schwarze Linien umrahmen die Farbflächen, verleihen Trecker und seinen tierischen Freunden Charakter. Und erinnern an expressionistische Kunstwerke voller Strahlkraft.
Trecker kuckt den Betrachter dann also mit seinen großen Scheinwerfer-Augen an, als wollte er sagen: „Können diese Augen lügen?“ Nein, können sie nicht – und man ist schockverliebt in Trecker.

Und am Ende fragt sich die Stadtbewohnerin, was sie eigentlich noch in der Stadt hält, so ganz ohne Trecker. Spätestens da ahnt frau, dass hier nicht nur dem Trecker eine Liebeserklärung gemacht wird, sondern auch dem Landleben. Fast im Sinne von: Ein Leben ohne Trecker ist möglich, aber sinnlos.

Wie dieses Kunstwerk auf die lütte Zielgruppe wirkt, werde ich dann demnächst an meinem Neffen, 3, erklärtem Treckerfan, seinem Cousin, 2, einem Emsländer Bauernjungen, und deren beider Großvater, erfahrenem Treckerfahrer, ausprobieren.
Ich ahne, dass alle drei nur nicken werden und sagen: „Jau, so geiht dat.“

Finn-Ole Heinrich/Dita Zipfel: Trecker kommt mit, Illustration Halina Kirschner, mairisch verlag, 2017, 32 Seiten, ab 3, 15 Euro

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Brüderlicher Beistand

gonzoSeit einiger Zeit stehen die Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2017 fest, worauf ich hier bis jetzt noch gar nicht eingegangen bin. Meine Mitbloggerinnen und ich haben natürlich nicht alle ausgewählten Bücher vorgestellt, aber für dieses Mal doch eine ganz gute „Trefferquote“ erreicht. Von den 28 nominierten Titeln haben wir immerhin sechs besprochen (Thé Tjong-Khings Hieronymus, Taran Björnstads Der Krokodildieb, Anna Woltz‘ Gips, Que Du Luus Im Jahr des Affen, Sarah Crossans Eins und Steven Herricks Wir beide wussten, es war was passiert.
Diesen und den anderen Nominierten sei hier – am Welttag des Buches – mit Verspätung herzlich gratuliert! Ich bin gespannt, wie sich die Jurys  dieses Jahr entscheiden.

Die Nominiertenliste ist für mich dann neben dieser Rückschau auch immer ein Anreiz, das nachzuholen, was ich im vergangenen Jahr versäumt habe. Gerade habe ich Dave Cousins Warten auf Gonzo, in der wunderbaren Übersetzung von Anne Brauner, beendet – und bin noch ganz selig berauscht.

Cousins, von dem ich vor zwei Jahren 15 kopflose Tage besprochen habe, widmet sich in seinem Roman, der in England bereits 2012 erschienen ist, dem Thema der Teenie-Schwangerschaft. Allerdings macht er das nicht auf voyeuristisch-betroffenheits-heischend-anklagende Art, sondern auf seine ganz spezielle, überaus komisch-liebenswerte Weise. Er wählt für dieses doch sehr weibliche Thema nämlich die Perspektive des 15-jährigen Ich-Erzählers Oz. Seines Zeichens Bruder von Meg, die mit 17 ein Kind von ihrem Ex-Freund erwartet.

Oz ist das, was man landläufig wohl eher als Loser bezeichnen würde. An der neuen Schule – er ist gerade mit seiner Familie irgendwo aufs Land in Nordengland gezogen – fällt er sofort auf, weil er den Rucksack mit der Schmutzunterwäsche seiner Schwester dabei hat, weswegen ihm umgehend der Spitzname „Slips“ verpasst wird. Davon ist nur schwer wieder runterzukommen, vor allem, wenn man sich dann mit dem Obernerd der Schule anfreundet, der auf Fantasy und Rollenspiele steht, sich die angebliche Schulpsychopatin zur Feindin macht und irgendwann das Handy mit all seiner Lieblingsmusik und kompromittierenden Fotos vom Obernerd verliert. Das pubertäre Schulelend nimmt unaufhaltsam seinen Lauf – so dass man Warten auf Gonzo auf den ersten Seiten zunächst für einen witzigen, aber relativ gewöhnlichen Schulroman halten könnte.

Doch Cousins Roman ist alles anderes als das: Als Oz per Zufall herausfindet, dass seine Schwester Meg schwanger ist, bekommt die Erzählung einen soghaften Drive. Denn Oz wundert sich zwar über seine Schwester, aber er verurteilt sie nicht. Viel mehr fängt er an, in seinen Gedanken mit dem Ungeborenen, das er Gonzo nennt zu kommunizieren. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie schildert Oz die Entwicklung in seinem Leben und dem seiner Familie, die mit dem kommenden Neuzuwachs einhergeht. Das sind keine dramatisch-überzogenen Ereignisse, doch allein, dass Meg eine Abtreibung plant, macht Oz schon ziemlich fertig.

Cousin hat hier einen Roman vorgelegt, der sich dadurch absetzt, dass er nicht die Perspektive und das Innenleben eines schwangeren Teenagers offenlegt und diskutiert. Gerade dadurch, dass er den frechen jüngeren Bruder in den Fokus rückt, bekommt die Geschichte eine angenehme Leichtigkeit, die aber dennoch die Schwierigkeiten einer Teenie-Schwangerschaft spiegelt. Meg nimmt das Ganze mitnichten auf die leichte Schulter. Ihr Hadern und ihre Verzweiflung bekommt Oz unmittelbar mit – und steht seiner Schwester dabei auf aller großartigste Weise zur Seite.Durch seine lakonisch-ironischen Kommentare trägt er schließlich zu Megs endgültiger Entscheidung bei.

Ohne erhobenen Zeigefinger oder Besserwisserei feiert Cousins das Leben. Er stellt sich ohne wenn und aber hinter seine jugendlichen Helden, so dass man als Leserin sowohl Oz, als auch Meg ins Herz schließt und beiden sagen möchten, dass sie das alles echt cool meistern.

Das Einzige, was ich mich nach der Lektüre gefragt habe, ist, wer dieses Buch wohl liest? Es ist zielgruppentechnisch ein echtes Rätsel: 15-jährige Jungs werden sich wohl kaum freiwillig für schwangere Mädchen interessieren, schwangere Teenager hingegen werden ganz andere Sorgen haben und in ihrer Lage vermutlich nicht noch ein Buch über eine Teenie-Schwangerschaft lesen, und schon gar nicht eins, das aus Sicht eines frechen Bruders erzählt ist. Erwachsene, die all diese Problemzeiten lange hinter sich gelassen haben, werden die Geschichte vermutlich lieben. Aber werden sie sie im Jugendbuchbereich auch finden?

Umso großartiger und verdienstvoller finde ich den Mut des Verlages, Warten auf Gonzo herausgebracht zu haben. Durch die Nominierung zum Jugendliteraturpreis in der Sparte Jugendbuch, in der Erwachsene die Wahl treffen, ist jetzt jedenfalls schon mal für die Aufmerksamkeit gesorgt. Und das hat diese Geschichte richtig verdient.

Dave Cousins: Warten auf Gonzo. Jeder kann einen Fehler machen. Um alles zu versauen, muss man ein Genie sein, Freies Geistesleben, 2016, Übersetzung: Anne Brauner, 304 Seiten, ab 12, 19,90 Euro

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Home is where the heart is

IslancWas ist Heimat? Das ist wohl eine der drängendsten Fragen der Menschen, die sie immer wieder umtreibt. Manche verlassen ihre Geburtsorte nie, manche haben mehrere Wohnsitze, andere lassen die Orte der Kindheit hinter sich und gehen ins Ausland. Oftmals kehren sie zurück. Oder sie bleiben für immer, weil sie eine neue Heimat gefunden haben.

Von solchen Menschen erzählt Journalistin und Fotografin Tina Bauer in ihrem Band Iceland – lovely home. Darin hat sie 14 deutsche Frauen porträtiert, die auf Island eine neue Heimat gefunden haben. 1200 Deutsche leben auf der Insel zwischen Nordatlantik und Europäischem Nordmeer, zwei Drittel davon sind Frauen. Tina Bauer, die selbst zwei Jahre auf Island verbracht hat, wurde von den Einheimischen immer wieder gefragt, warum so viele Deutsche sich für die Insel entscheiden. So hat sie sich auf die Suche nach einer Antwort gemacht. Herausgekommen ist ein wunderschöner Bildband mit Tina Bauers eigenen, sehr intimen und poetischen Fotos von starken Frauen.

Diese Frauen, zwischen 25 und 64 Jahren alt, heißen beispielsweise Ruth, Elisabeth, Dörte, Julia, Brit und Myriam. Sie erzählen von Krisen, Neuanfängen, vom Scheitern und vom Durchhalten, von Wandlungen im Leben, vom Mut, endlich die Dinge zu tun, die sie wirklich wollen. Dabei bekommt man den Eindruck, dass erst die Insel mit der überbordenden Natur, dem wilden Meer, den saftigen Wiesen, den schneebedeckten Bergen und den brodelnden Vulkanen aus den Frauen das herausgeholt hat, was wirklich in ihnen steckt.
Die Frauen geben Persönliches preis, offen lachen sie in die Kamera und erobern so die Leser im Sturm. Sie arbeiten als Sozialpädagogin, Hebamme, Bäckerin oder Bäuerin, unterstützen Künstler, kümmern sich um Schafe oder engagieren sich  im Islandpferdeverband. Sie sind so vielfältig wie die Insel selbst. Und sie wirken dabei so unglaublich gelassen und in sich ruhend, dass ich ganz neidisch geworden bin. Diese Frauen machen mit anderen Wort Mut, den eigenen Weg zu gehen, egal wie schwierig oder abgelegen er auch sein mag.

Tina Bauer schafft es mit ihrem Buch also nicht nur, großartige Frauen vorzustellen und Lust auf Island zu machen, sie zeigt auch, dass die Wahl der Heimat nichts mit Herkunft, sondern mit Herz, Leidenschaft und Mut zu tun hat. Und das wird mit einer wunderbaren Portion Glück und Gelassenheit belohnt, wovon man beim Lesen zumindest ein Häppchen abbekommt. Der nächste Schritt ist dann wohl ein Ticket nach Island zu buchen … oder sich einen eigenen Herzensort als Heimat zu suchen.

Tina Bauer: Iceland – lovely home. Porträts deutscher Frauen in Island, tibauna, 2013, 96 Seiten, 29 Euro