Es begab sich aber zu der Zeit …

adventNeulich durfte ich im Hamburger Literaturhaus eine ganz besondere Lesung erleben. In der Reihe „Spaß mit Büchern“ las Autorin Ilona Einwohlt aus ihrem neuen Kinderbuch Advent, Advent, die Bude brennt vor etwa 60 Erst- und Zweitklässlern.
Wer jetzt denkt, dass das eine ohrenbetäubende Veranstaltung gewesen sein muss, kennt Hamburger Schulkinder nicht. Aufmerksam, gespannt schauend, mitfiebernd lauschten sie Ilona Einwohlt, die von Lucas nervenaufreibenden Erlebnissen in der Vorweihnachtszeit berichtete.

Beim 10-jährigen Erzähler geht es nämlich alles andere als besinnlich zu. Lucas chaotische Mutter, die nach der Trennung vom Mann, endlich mal alles richtig machen möchte, fackelt aus reiner Schusseligkeit die Wohnung ab. Hochschwanger muss sie sich nun mit Luca und seiner großen Schwester sowie dem fast federlosen Papagei Bruder Jakob, der sämtliche Weihnachtslieder trällern kann, auf die Suche nach einer Unterkunft machen. Im Nobelhotel fühlen die drei sich allerdings nicht besonders wohl, bei Mamas Freundin Maria ist es zu eng, bei der Oma zu laut, bei der Tante zu aufgeräumt. Ein rundlicher Taxifahrer, der – hohoho – ganz erstaunlich an den Weihnachtsmann erinnert, fährt die Familie von einer Unterkunft in die nächste. Doch schließlich finden Lucas muslimische Freunde Mayla und Ibi eine Lösung, wo die Wohnungslosen unterkommen können …

Ilona Einwohlts Adventsgeschichte ist ein großer Spaß, inhaltlich wie sprachlich. Sie vereint alle Ingredienzien, die christlich geprägte Menschen aus der biblischen Weihnachtsgeschichte kennen: eine Hochschwangere, die Suche nach einer Unterkunft, wenig christliche Mitmenschen. Dass die Rettung von muslimischer Seite kommt, ist in unseren schwierigen Zeiten mit unzähligen Flüchtlingen und immer noch andauernden und anwachsenden Ressentiments und Vorurteilen ein wichtiges Zeichen.
Für die Kinder im Roman ist es  – ganz im Sinne Lessings  – völlig unerheblich, welcher Religion man angehört. Ibi formuliert es so: „Mayla denkt, sie muss sich zwischen Allah und Gott entscheiden […]. Erklär du ihr mal, dass der ein und derselbe ist und dass es völlig egal ist, zu wem sie betet. Hauptsache, sie glaubt an irgendwen.“ Klarer kann man die Verbindung von Christentum und Islam wohl kaum auf den Punkt bringen.

Die Kinder im Literaturhaus waren eine multikulturell-globalisierte Truppe, die diese Sätze mit aller Selbstverständlichkeit und Lässigkeit akzeptierten. Von Aufregung oder Unverständnis keine Spur. Die Freundschaft zwischen Luca, Mayla und Ibi im Roman ist wichtiger als jede kleinkrämerische Unterscheidung, wer Weihnachten feiern kann, darf oder nicht. Sie feiern. Alle. Und zwar zusammen. Und genau das sollten auch die Erwachsenen. Die Kinder machen vor, wie einfach das ist.

Ilona Einwohlts Advent, Advent, die Bude brennt hat für mich das Zeug zum weihnachtlichen Dauerbre … äh … Longseller.

Ilona Einwohlt: Advent, Advent, die Bude brennt. Die Weihnachtsgeschichte nach Luca, Illustration: Tine Schulz, Klett Kinderbuch Verlag, 2015, 128 Seiten, ab 8, 12,95 Euro