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Trost ist ein schräger Vogel

Trost

»Ich gebe Gott bei Google ein. Zum Glück lässt sich das leicht buchstabieren. Es erscheinen eine Menge langer Worte, die ich überhaupt nicht verstehe. Zum Beispiel monotheistisch. Aber eine Sache finde ich trotzdem heraus: Gott ist der Herr über Leben und Tod. Ich würde gern mal ein Wörtchen mit ihm reden, diesem Herrn Gott.«

Ist Gott dumm?


Hugos heißgeliebter Opa liegt nämlich im Sterben. Samstag Morgen war noch alles wie immer mit Rosinenbrötchen, Kaffeeduft, Schlagballspielen im Park und Pokern. Am Abend ist der Großvater kollabiert. Donnerschnitzel, das sagt nur Hugos Opa. So nennen Ida-Marie Rendtorff und Daniel Zimakoff ihr ein bisschen trauriges, ziemlich lustiges, mal  spannendes und ungeheuer tröstliches Kinderbuch über Verlust und Tod, hilflose Wut und Trauer. Weil Religion, in den hiesigen westeuropäischen Gesellschaften vor allem das Christentum, bei dem Thema unumgänglich ist, lässt das dänische Autorenpaar geschickt und behutsam verschiedene Vorstellungen davon einfließen. In der Schule hören Hugo und sein bester Freund Dylan etwas vom Baum der Erkenntnis, von dem Adam und Eva aßen, und zur Strafe aus dem Paradies vertrieben und sterblich wurden. »Kann es sein, dass Gott ein bisschen dumm ist?«, fragt Hugo ob solch drastischer Maßnahmen, die Gott seinen eigenen Geschöpfen antut. Auch Mitschülerin Siri findet: »Gott ganz schön ungerecht.«

Trost aus dem Himmel?

Für manche ist die Vorstellung von Gott, Himmel, ewigem Leben und einer vermeintlich verdienten Hölle tröstlich. Hugo hilft es nicht. Zu konstruiert, abstrakt, auch unlogisch –  und überhaupt kann Opa, sein »Mentor«, ihm jetzt nicht mehr Pokern beibringen. »Manche Menschen glauben, dass man immer wieder neu geboren wird«, erzählt Hugos Vater. Als es plötzlich »Donnerschnitzel« aus einer Tierhandlung krächzt, ist Hugo sofort klar : »Mein Opa ist ein Papagei!« Und er muss Opa nach Hause holen.

Wie Hugo und Dylan mutig und erfinderisch das Geld für den besonderen Vogel verdienen und schließlich doch alles anders kommt, ist eine charmant geschriebene und hübsch illustrierte Geschichte, Donnerschnitzel!

Trost

Berührend und von Mehrdad Zaeri wunderschön illustriert erzählt Werner Holzwarth, wie der Madenpickervogel Hacki Abschied von seinem Freund nimmt. Mein Jimmy ist ein altes Nashorn, das spürt, dass es mit ihm zu Ende geht und Hacki mit gemeinsamen Erinnerungen und schrägen Witzen trösten möchte. »Ich hatte mal wieder gedöst. Dann öffne ich die Augen und schaue direkt einem Typen ins Gesicht, der sein Gewehr auf mich anlegt. Du merkst sofort was los ist, und fliegst auf ihn zu und flatterst ihm so um den Kopf herum, dass er die Hände nach oben reißt und dabei das Gewehr fallen lässt. Da hast du mir das Leben gerettet.« Aber Hacki ist zu traurig und frustriert: »Hat auch nicht viel gebracht, Jimmy, ist ja erst zwei Monate her … Dann hätte er dich auch gleich erschießen können.«

Der altersweise Jimmy sieht das anders: »Die letzten Wochen waren doch schön. Wie die ganze Zeit mit uns. Jeder einzelne Tag«, muntert der müde, alte Dickhäuter seinen gefiederten Freund auf. Und stirbt. Wobei man angesichts der ruhigen, dunklen, scherenschnittartigen Bilder über mehrere Doppelseiten ehrlich »schläft friedlich ein« sagen darf.

Berührender Abschied

Werner Holzwarth, der mit dem Kinderbuchklassiker »Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat« weltberühmt geworden ist, hat die Geschichte im Alter von 67 Jahren seinem kleinen Sohn erzählt. Die Zeichnungen, die der damals fünfjährige Tim dazu gemacht hat, sind auf dem Vorsatzpapier abgedruckt.
Seine Geschichte besticht durch die lebendige, nie sentimentale Sprache – die lebenskluge, gelassene und zärtliche Stimme Jimmys und die erst trotzige und enttäuschte und schließlich muntere und fröhliche Hackis.
Solange du an mich denkst, wird es mich geben«, sind Jimmys letzte Worte –  der einzige Trost, den es gibt, wenn ein geliebtes Wesen stirbt.

Ida-Marie Rendtorff, Daniel Zimakoff, : Donnerscnitzel. Mein Opa ist ein Papagei, Übersetzung: Friederike Buchinger, Illustration: Peter Bay Alexandersen, Carlsen 2018, 112 Seiten, ab 8, 7,99 Euro

Werner Holzwarth: Mein Jimmy, Illustration: Mehrdad Zaeri, Tulipan 2019, 40 Seiten, ab 4, 15 Euro

Für ihn soll’s bunte Blumen regnen

tuckermannIn diesem Frühjahr haben Anja Tuckermann, Mehrdad Zaeri & Uli Krappen ihr zweites gemeinsames Buch vorgelegt: Der Mann, der eine Blume sein wollte.
Bekannt wurden sie als Team bereits mit Nusret und die Kuh, das 2017 u.a. für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war. Beide Bilderbücher erscheinen im feinen Münchner Tulipan Verlag.

Doch wer ist nun dieser Mann ohne Namen aus dem Buchtitel? Und was ist das für eine Idee, eine Blume werden zu wollen?

Der Mann arbeitet als Bahnwärter. Sein Arbeitsleben ist nach der Uhr getaktet. Zugzeiten bestimmen den Tag, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit haben Priorität, man vertraut ihm und dem richtigen Rhythmus. Der Beruf scheint sein Leben zu sein. Kommt er nach Hause, erwartet ihn nur ein Kleiderständer als Gesprächspartner …

Eines Tages beginnt dieser Mann zu träumen. Von einer Wiese, auf der er als Butterblume leuchten würde. Von großen Blüten, die ihm Schutz gewähren vor den Hummeln. Von schaukelnden Schmetterlingen. Eine Leichtigkeit überkommt ihn, sein Traum wird konkreter und wagemutiger. Er würde wachsen, seine Blätter würden Schatten spenden, die Blüten süß duften. Die Menschen würden sich nach ihm umschauen, sich an ihm freuen. Er würde schweben ganz hoch hinauf auf einen Berg, um als blaue Blume die Wanderer zu bezaubern. Und dann noch ein Gedankensprung: Blumen und Frauen gehören zusammen. Wie wunderbar wäre es, er könnte fließende Kleider tragen, mit Blumen bedruckt, in allen Farben. Doch er ahnt: Seinem Chef würde das nicht gefallen. Und den Leuten? Die würden ihn auslachen. Mal Frau, mal Mann, wo gibt´s denn so was?

Vielleicht im Karneval? Und aus dem Konjunktiv wird ein Indikativ! Er verkleidet sich als Blumenwiese — und alle sind begeistert. Und sie klatschen nicht nur. Eine wunderschöne rote Tulpe löst sich aus der Menge und tritt auf ihn zu. Sie nehmen sich an der Hand, laufen hinaus in die Nacht, in die unbekannte Weite. Auf ihrem Weg wachsen Blumenmeere, Blättergirlanden ranken aus den hell beleuchteten Fenstern des Bahnwärterhäuschens, Schmetterlinge und Vögel schwirren durch die Luft, und wir meinen fast, den Duft der Blüten zu riechen. Aus der ehemals karg getönten Landschaft wird ein lebendiges Gemälde.

Es ist eine Freude, sich zu vertiefen, ja verführen zu lassen. Der Kraft der Imagination des kleinen Mannes mit der großen Brille und dem breiten Schnäuzer zu folgen, der eines Tages zu fliegen beginnt. Die Worte nehmen uns mit auf die Reise, und gleichzeitig lassen sie Raum für prachtvolle Doppelseiten ohne Text. Die wir selbst füllen können mit unserer Fantasie. Indem wir die Blumen aus den Vorsätzen suchen, die so schillernde Namen tragen wie Babydoll, Shiva, Meier 3 oder Hanni & Nanni. Oder selbst zum Stift greifen, um unsere Blumen und Namen zu entwerfen, und uns auszutauschen über das, was möglich ist … Am Ende des Buches erzählt das Trio hautnah von seiner Arbeit. Herausgekommen ist ein inspirierendes Kunstwerk!

Heike Brillmann-Ede

Anja Tuckermann/Mehrdad Zaeri & Uli Krappen (Illus): Der Mann, der eine Blume sein wollte, Tulipan 2018, 56 Seiten, für alle, € 14,95