Geistreiches Seelenleben

Manche Leute sagen, es gibt Gespenster. Manche Leute sagen, es gibt keine Gespenster. Ich aber sage, Hui Buh ist ein Gespenst!« . So raffiniert, fast schon dialektisch, begann jede Folge der Hörspielreihe um das Schlossgespenst Hui Buh. Ob es Geister gibt oder nicht – darüber streiten sich die Geister. Und zwar durchaus kluge und gewitzte.
So wie der Illustrator Adam Allsuch Boardman, der jetzt Alles über Geister gesammelt hat. Seine Recherchen stellt er in einem grandios gestalteten Band vor, voller schaurig-schöner Infografiken. Das beginnt schon mit dem üppig gestalteten Vorsatzpapier, das wie eine Wand voller Fotos, Fundstücke, interessanter Artikel und Kuriositäten aussieht.

Poltergeister, Hantus und Duppys

Der aus den beschaulichen Yorkshire Dales stammende Illustrator geht das Thema umfassend und global an. Detailliert und farbenreich beginnt er mit Grundlegendem wie verschiedenen Arten von Geistern, zum Beispiel Poltergeistern, Naturgeistern wie Kobolden und Feen, den Hantu in Indonesien und Duppys in der Karibik, auch Krisen- und Nahtoderscheinungen kommen vor. Auf der folgenden Doppelseite spukt es quer durch ein Schloss gleich in 14 Varianten, es kracht und flackert, Flecken tauchen plötzlich auf, es wird eiskalt und Gegenstände schweben durch die Luft, Haustiere verhalten sich merkwürdig.

Es eint die Seele

Der Begriff Geist ebenso wie der englische Ghost hatte ursprünglich laut Herkunftswörterbuch die Bedeutung Erregung, Ergriffenheit. Seine Bedeutung wandelte sich zu Seele, Gemüt, überirdisches Wesen und Gespenst. Und das ist es, was so gut wie alle Geisterphänomene weltweit eint: die Seele.
Geister sind in den verschiedensten Kulturen die Seelen von Verstorbenen, vermissten Angehörigen, verlorenen Kindern, Menschen, die offene Rechnungen haben oder mit denen man noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Irgendwas lässt sie nicht in Frieden ruhen (der Grabspruch ist mehr als ein frommer Wunsch) und treibt um. Selbst wenn Geister vielleicht nur Halluzinationen der Hinterbliebenen, Ausdruck von Trauer, Schmerz und Verlust oder das projizierte schlechte Gewissen sind – es hat mit den Seelen von Toten und der Lebenden zu tun und hält Geistererscheinungen lebendig.

Erscheinungen im Halbschlaf

Da kommen wir wieder auf den Anfang des Kinderhörspiels Hui Buh zurück, der im Grunde ähnlich verzwickt ist wie René Descartes berühmte Behauptung »Ich denke, also bin ich«. Der vermutete übrigens den Sitz der Seele in der Zirbeldrüse. Einem kleinen, zapfenartigen Organ im Gehirn, das den Schlaf-Wach-Rhythmus durch die Produktion des Hormons Melatonin regelt.
Das ist zwar widerlegt. Aber hier spielen trotzdem zwei interessante Aspekte rein, die Descartes‘ These in Bezug auf paranormale und übersinnliche Phänomene gar nicht so abwegig machen. Geister erscheinen meist nachts. Und gern im Halbschlaf, dem diffusen Geisteszustand zwischen wach sein und Schlaf.

Von Geistertieren und Ektoplasma

Das Thema ist faszinierend und assoziationsreich. Viel zu schade, um es auf das Konsumremmidemmi Halloween oder ein paar mediokre Gruselfilme zu reduzieren.
Auf doppelseitigen Schaubildern widmet Boardman sich vielfältigen Aspekten, zum Beispiel Geistertieren, Geisterfahrzeugen und Geistern in den Medien, in Film, Fernsehen und Computerspielen (Pac Man!). Man lernt paranormale Puppen und das universelle Phänomen der weißen Fran kennen. Liebevoll illustriert erzählt Boardman von Spiritismus, Exorzismus und Ektoplasma. Manche Geistererscheinungen lassen sich als makaberer Scherz und schlechter Spuk entlarven, in Infografiken erklärt Adam Boardman wie die fiesen Tricks funktionieren. Der gewiefte Illustrator nimmt die Betrachter:innen mit auf Geisterjagd, durch die Jahrhunderte und kreuz und quer über die ganze Welt – super interessant und extrem spannend. Sabine Rahn hat es sachlich und gut verständlich übersetzt. Nur das Nazar-Auge, das vorm bösen Blick schützen soll, wird nicht im Mittleren, sondern im Nahen Osten als Amulett getragen. Zumindest aus der Perspektive hierzulande.

Skeptisches Bettlakengespenst

Ein guter Witz ist, dass Boardman auf dem Titelbild ein harmloses Bettlakengespenst abbildet. Vielleicht ist er auch infolge seiner weitreichenden Recherchen eher skeptisch ob der Existenz von Geistern. Das tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Alles über Geister ist ein geistreicher Genuss – ob man nun an Gespenster glaubt oder nicht.

Adam Allsuch Boardman: Alles über Geister, Übersetzung: Sabine Rahn, Karibu, 128 Seiten, 19,99 Euro, ab 10

Spukgruselig & fußballfiebrig

max

Normalerweise versuche ich, meinen SUB schön der Reihe nach, kontinuierlich durchzulesen – doch es gibt Momente, in denen auch ich alles über den Haufen werfe und mich kopfüber in ein neues Buch ziehen lasse. Aktuell geschehen mit dem zweiten Band der Reihe Max und die Wilde Sieben von Lisa-Marie Dickreiter und Winfried Oelsner.

Da das Personal aus dem ersten Band mir noch lebhaft in Erinnerung war, war ich nach den ersten Sätzen sofort wieder auf Burg Geroldseck, dem Seniorenheim, in dem Max mit seiner Mutter lebt und wo er an Tisch Sieben in Vera, Kilian und Horst allerbeste Freunde gefunden hat. Danach war klar, dass ich das Buch nicht so schnell wieder aus der Hand legen würde. Denn die sympathische Generationsbande muss einen neuen Fall lösen: Vera wird des Nächtens von einer Geisterstimme terrorisiert und um den wichtigen Schlaf gebracht. Die Schauspielerin ist mit den Nerven am Ende und überlegt ernsthaft, das Angebot eines anderen Seniorenheims unten in der Stadt anzunehmen, um endlich wieder Ruhe zu haben.
Die drei „Jungs“ können das natürlich nicht zulassen und nehmen die Ermittlungen auf. Für Max kommt allerdings erschwerend hinzu, dass er in der Schule weiterhin von Ole gemobbt wird und prompt das Probetraining für die Schulfußballmannschaft versemmelt. Dabei ist Max ein echt guter Kicker. Das stellt Horst, der ehemalige Trainer, nach nur fünf Minuten fest.
Zu Maxens Leidwesen interveniert Horst in der Schule und als Ergebnis muss die Schulmannschaft gegen eine Alt-Knacki-Auswahl plus Max antreten. Es geht um die Ehre.
Max erlebt in mehrfacher Hinsicht ein Wechselbad der Gefühle. Die Geisterjagd setzt ihm zu und das mit dem Fußball, dem Mut und der Ehrlichkeit ist auch nicht so einfach zu meistern.

Die Autoren Dickreiter und Oelsner schaffen es erneut, den Leser von der ersten Seite in den Bann zu ziehen. Man freut sich, die alten Bekannten, ja, Freunde, wiederzulesen und fiebert mit Max und Konsorten mit und wird von den diversen Wendungen im Plot und den Wandlungen der Figuren dann doch immer wieder überrascht. Die Auflösungen der beiden Herausforderungen sind sehr lange Zeit nicht offensichtlich und auch nicht vorhersehbar, was ganz fein gemacht ist!
Max und die Wilde Sieben nimmt richtig Fahrt auf, lässt sich hervorragend vorlesen und wird die Leselust von Jungen und auch Mädchen mit Sicherheit befördern. Ein dritter Band ist auch schon angekündigt – mögen noch viele folgen, damit dieses Lesevergnügen noch lange fortdauert …

Lisa-Marie Dickreiter/Winfried Oelsner: Max und die Wilde Sieben – Die GeisterOma, Illustration: Ute Krause, Oetinger, 2015, 272 Seiten,  ab 8, 12 Euro