Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Vor ein paar Tagen habe ich schon einmal über John Green und sein fulminantes Buch Das Schicksal ist ein mieser Verräter geschrieben. Jetzt hat mir John Green ein bisschen seiner wertvollen Zeit geschenkt und ein paar Fragen beantwortet.

Mr Green, woher stammen die Ideen für Ihre Geschichten?
Von Fragen. Im Fall von Das Schicksal ist ein mieser Verräter habe ich mich gefragt, wie man gleichzeitig optimistisch und intellektuell interessiert in einer Welt leben kann, die oftmals so grausam und launisch ist.

Warum sind Themen wie Krankheit und Tod für Sie so wichtig?
Bücher sind am interessantesten und nützlichsten, wenn sie unmittelbar von den Dingen erzählen, die wir fürchten und vor denen wir weglaufen. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich ein Buch über Verlust, Trauer und Krankheit schreiben wollte. Gleichzeitig sollte es aber auch eine sehr lustige und sehr hoffnungsvolle Geschichte sein, denn das menschliche Leben ist im Grunde genommen lustig und verheißungsvoll.

Wie entwickeln Sie einen Plot?
An diesem Buch habe ich über zehn Jahre gearbeitet, also hatte ich viel Zeit, um über den Plot und die Struktur nachzudenken. Die Geschichte sollte eigentlich wie eine epische Liebesgeschichte angelegt sein – aber ich wollte, dass es – wenn so etwas überhaupt möglich ist – ein kleines und zärtliches Epos wird.

Haben Sie reguläre Arbeitszeiten, während Sie schreiben?
Ja, ich schreibe morgens von 8 Uhr bis mittags 12 oder 13 Uhr. An den Nachmittagen arbeite ich an meinen Videos und anderen Dingen.

Wie haben Sie das Roman-Schreiben gelernt? Oder war das ein Talent, das Sie schon in jungen Jahren besaßen?
Als ich jung war, habe ich mich fürs Schreiben interessiert, aber ich glaube nicht, dass ich besonders talentiert war. Das Schreiben habe ich hauptsächlich vom Lesen gelernt. Ich hatte viele hilfreiche und wichtige Lehrer, die mir das Schreiben beibrachten. Aber ich glaube, die beste Art, das Roman-Schreiben zu lernen, ist zu lesen.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter spielt zum Teil in Amsterdam: Haben Sie diese Stadt zufällig ausgewählt? Oder hat Ihr Stipendium dort dazu beigetragen?
Schon Jahre bevor ich das Stipendium für Amsterdam bekam, hatte ich die Geschichte dort angesiedelt. Ich habe Amsterdam genommen, weil die Erzählerin meiner Geschichte mit einer Krebsart lebt, bei der sich ihre Lungen immer wieder mit Wasser füllen. Sie ertrinkt sozusagen innerlich. Amsterdam ergeht es ähnlich: Die Stadt versinkt im Wasser, sie ist von Kanälen durchzogen, ist aber dennoch eine lebendige und blühende Stadt. Ich wollte eine Verbindung zwischen Hazel und dem Ort herstellen, den sie sich so liebevoll ausmalt.

Hatten Sie vorher auch über andere europäische Städte nachgedacht wie Paris, Rom oder Berlin?
Ich hatte kurz Venedig in Erwägung gezogen, auch das ist ja eine untergehende Stadt. Aber Venedig ist nicht so pulsierend und modern wie Amsterdam. Außerdem ist es viel kleiner.

Haben Sie mit dem Erfolg der amerikanischen Ausgabe von Das Schicksal ist ein mieser Verräter (im Original: The Fault in Our Stars) bei Amazon und Barnes & Nobels gerechnet?
Nein, ich hätte nie gedacht, dass das Buch so viele Leser ansprechen könnte und sie es so begeistert aufnehmen würden. Realistische Literatur für junge Erwachsene schafft es fast nie auf die Bestsellerlisten in den USA, aber 26 Wochen nach Erscheinen ist es immer noch auf Platz 3 der New York Times Bestsellerliste. Ich bin total überrascht.

Wie war es, 150 000 Exemplare des Buches zu signieren?
Das war anstrengend. Es hat fast drei Monate gedauert, und ich habe pro Tag zehn bis zwölf Stunden signiert. Aber gleichzeitig war ich so glücklich, dass so viele Menschen mein Buch vorbestellt hatten. Es war eine körperliche Herausforderung, aber ehrlich gesagt, habe ich das auch genossen. Romane zu schreiben ist sehr schwierig, es ist eine langsame Arbeit, für die man sehr viel Ausdauer und Konzentration braucht. Da ist es schon fast entspannend, seinen Namen immer und immer wieder zu schreiben.

Was hielt Ihre Frau von all den Kartons in Ihrem Haus?
Sie war nicht gerade sehr begeistert davon. Aber sie freut sich natürlich, dass so viele Leute das Buch lesen.

Haben Sie schon eine neue Idee für Ihr nächstes Buch?
Nein, ich habe keine Ahnung, was ich als nächstes schreiben werde.

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter, Übersetzung: Sophie Zeitz, Hanser Verlag, 2012, 287 Seiten, 16,90 Euro

 

Seepocken am Containerschiff des Bewusstseins

Dieser Tage erscheint endlich der neue Roman von John Green. In den USA steht er seit über einem halben Jahr auf der Bestsellerliste der New York Times. Zurecht. Denn mit Das Schicksal ist ein mieser Verräter ist Green ein ganz großartiges Buch gelungen. Darin erzählt er mit einer riesigen Portion an Humor und Liebe für seine Figuren die Geschichte von Hazel Grace.

Das Mädchen ist 16, liebt America’s Next Top Model, hasst die Selbsthilfegruppe, zu der ihre Mutter sie immer wieder fährt, und zieht eine Sauerstoffflasche hinter sich her. Denn Hazel Grace hat Krebs. Eigentlich Schilddrüsenkrebs, aber mittlerweile machen ihr die Metastasen in der Lunge viel mehr zu schaffen. Ein Buch, das so beginnt, scheint harter Tobak zu sein. Man vermutet zunächst eine dieser vielen Krebsleidensgeschichten, die den Leser immer ganz betroffen und geknickt zurücklassen. Doch John Green, amerikanischer Jugendbuchstar, entgeht diesem Klischee mit Bravour.

Hazel trifft in der Selbsthilfegruppe nämlich auf Augustus, dem ein Osteosarkom (Knochenkrebs) ein Bein genommen hat. Mit seiner schlagfertigen und frech-ironischen Art bricht der Junge nach und nach Hazels ruppigen Schutzpanzer auf. Die beiden diskutieren über Bücher, Musik, Leben und Sterben, Krankheit und Tod. Und das ohne Tabus. So entspinnt sich zwischen ihnen eine anfangs rüde und dann doch sehr romantische Love-Story. Gemeinsam philosophieren sie über das Dasein von pubertierenden Krebspatienten, bezeichnen sich als „Nebenwirkungen“ und als „Seepocken am Containerschiff des Bewusstseins“. Hört sich grausam an, und für jeden einzelnen Betroffenen ist es das selbstverständlich auch, aber Green erzählt entwaffnend offen und gnadenlos von Krankheit, Leid und Tod, dass es einfach nur bewunderungswürdig ist.

Hazels steckt Augustus mit ihrer Begeisterung für das Buch „Ein herrschaftliches Leiden“ von Peter Van Houten an. Es handelt von dem krebskranken Mädchen Anna, endet jedoch so abrupt, dass Hazel, die Krebsbücher eigentlich total doof findet, nicht davon lassen kann. Sie will unbedingt die Antworten auf eine Reihe von dringlichen Fragen haben (Was passiert mit dem Hamster Sisyphus? Ist der Tulpenholländer ein Betrüger? Was wird aus Annas Mutter?). Augustus, der mittlerweile bis über beide Ohren in Hazel verliebt ist, organisiert daraufhin eine gemeinsame Reise nach Amsterdam. Dort lebt Van Houten ganz zurückgezogen und hat sich von der Welt abgewandt.

Wie dieser Plot sich auflöst, darf ich hier natürlich nicht verraten – denn das würde die Spannung und die Faszination der Geschichte kaputtmachen. Und fasziniert ist man, von der ersten Seite bis zur letzten. Greens schnörkellose Erzählart – souverän übersetzt von Sophie Zeitz – zieht einen sofort in den Bann. Man ist unmittelbar bei den Protagonisten, nicht nur, weil er Hazel aus der Ich-Perspektive erzählen lässt, sondern weil Green ihr Innenleben mit so einer erfrischenden Selbstironie schildert, dass man sich am liebsten eine Scheibe davon abschneiden möchte.

Sähe Green nicht wie Schwiegermutters Liebling aus, könnte man ihn für den Punk der Jugendbuchbranche halten. Seit 2007 betreibt er mit seinem Bruder Hank einen Video-Blog und gebärdet sich darin wie ein durchgeknallter Nerd. Ein liebenswerter Nerd, der unglaublich schnell quasselt. Als er sein neues Buch mit dem englischen Titel The Fault in Our Stars im Netz ankündigte, hat seine Fan-Gemeinde ihm noch vor Erscheinen seines Buches in den USA mit den Vorbestellungen bei Amazon und Barnes & Nobel den ersten Platz auf der Bestsellerliste gesichert. Wahnwitzigerweise versprach Green in einem weiteren Video vor Freude, er werde all die bestellten Bücher der Erstausgabe handsignieren. Das hat er dann getan: 150 000 Exemplare in drei Monaten, zehn bis zwölf Stunden täglich. Respekt.

Mittlerweile ist in den USA so ein Hype um TFiOS ausgebrochen, dass Green auf einer Extra-Site Fragen zu dem Buch beantwortet. Mit der klaren Ansage, erst zu fragen, wenn man das Buch auch gelesen hat. Eine ganze Reihe von Fragen dreht sich dabei um das Buch im Buch. Und so verwundert es nicht, dass es auf Facebook bereits eine eigene Seite gibt, die sich nur um Peter Van Houtens An Imperial Affliction dreht. Die etw 450 Facebook-Anhänger bedauern zum großen Teil, dass es dieses Buch wirklich nicht gibt.

Eigentlich müsste man bei so viel Trubel misstrauisch werden. Aber dann schaut man wieder in das Buch, schlägt eine beliebige Seite auf und ist entzückt, gerührt und von den beiden tiefsinnigen, feinfühligen und rotzfrechen Protagonisten einfach nur überwältigt. Von John Green, der mit seinem Debütroman Eine wie Alaska 2008 in Deutschland für den Jugendliteraturpreis nominiert war, werden wir hierzulande sicherlich noch mehr zu lesen bekommen – und darauf freue ich mich schon.

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter, Übersetzung: Sophie Zeitz, Hanser Verlag, 2012, 287 Seiten, 16,90 Euro