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Die wahren Helden

vinkeNach diesem Wochenende und den Ereignissen von Paris einfach so weiterzubloggen fällt mir irgendwie nicht ganz leicht. Zu unwichtig erscheint mir das Unterfangen, über Bücher zu schreiben. Und doch können es auch Bücher sein, die den Geist der Menschen erhellen und ihnen vielleicht unsinnige Überzeugungen austreiben oder zumindest einen Zweifel daran wecken. Terror ist das Letzte, was wir in dieser Welt, egal wo, noch brauchen, bringt er doch nur Leid, schürt den Hass, stachelt Politiker zu abstrusen Gedankengängen an und macht die Rüstungsindustrie noch reicher. Lauter Dinge, die keiner will.
Dabei ist unsere Welt auch ohne Terror schon eine einzige Problemzone. Die Suche nach Schuldigen, Hintermännern und Drahtziehern ist wichtig, genauso wichtig ist aber auch, an die vielen Menschen zu denken, die versuchen, diesen Ort zu einem besseren zu machen.
Ein Gefühl dafür, dass etwas – irgendetwas – getan werden muss, entwickeln Kinder und Jugendliche meines Erachtens schon relativ früh. Dass man als Erwachsener oft gegen die Ohnmacht kämpft, steht auf einem anderen Blatt. Was also tun, um Jugendlichen einen Weg durch diesen widersprüchlichen Dschungel aufzuzeigen und ihnen Mut zu machen, sich zu engagieren und die Ursachen von dem Leid zu bekämpfen, das letztendlich auch zum Terror führen kann?

Man könnte ihnen die Lektüre des Buches Zivilcourage 2.0 von Hermann und Kira Vinke empfehlen. Denn die beiden Autoren stellen hier die wahren Helden des 21. Jahrhunderts vor. In sieben großen Kapiteln zu den drängendsten Problemen, den Plagen unserer Zeit – Krieg, Armut, Hunger, Kampf um Menschenwürde, Umweltzerstörung, Finanzbetrug und Überwachung – portraitieren sie 19 mehr oder minder berühmte, vor allem aber sehr engagierte Persönlichkeiten. Edward Snowden, der sein gesamtes Leben über den Haufen geworfen hat, um den wohl umfassendsten Überwachungsskandal aufzudecken, den wir bisher je erlebt haben (hier gibt es scheinbar keine klischeefreien Ausdrücke mehr, um dieses irrsinnige Drama in Worte zu fassen) macht den Auftakt. Malala, die sich allein durch ihren Bildungshunger mit den Taliban anlegte, schließt die Reihe.

Dazwischen lernt man die Künstlerin Parastou Forouhar, die für die Freiheit im Iran kämpft, Sheela Patel, die sich in indischen Slums für den Bau von Toiletten einsetzt, oder Sylvia Earle kennen, die ihrerseits gegen die Verschmutzung der Meere kämpft. Mir waren die drei nicht bekannt, so bin dich dankbar für diese Aufklärung.
Die Vinkes erinnern aber auch an die wichtige Arbeit von Rupert Neudeck, der mit der Cap Anamur schon Ende der 70er Jahren Flüchtlinge aus dem Meer gerettet hat, und an den Kampf von Aung San Suu Kyi für Freiheit in Myanmar, der mit den Wahlen vergangene Woche eventuell endlich gewonnen wird.

Biografisches verflechten Vater und Tochter Vinke in verständlichen Texten mit den großen Problemen und schaffen so grundlegendes Wissen, das einen Überblick über die weltweiten Zusammenhänge schafft. Einige der Personen lassen sie in Interviews zu Wort kommen und zeigen auch die Helfer der Helden, da diese natürlich nie im luftleeren Raum agieren.
In ihren Darstellungen machen sie aber auch klar, dass für diesen vorbildliche Einsatz und diesen Mut oft ein hoher Preis gezahlt werden muss. Haft, Verlust von Heimat, körperliche Schmerzen – wir Erwachsenen wissen um diese Schicksale dieser Vorkämpfer. Die Unbeugsamkeit dieser Menschen, die sich davon nicht unterkriegen lassen, fordert Respekt ein.
Für junge Leser gibt es hier die ganze Bandbreite von Überzeugungen, für die man sich einsetzen kann, damit unserer Welt wirklich geholfen wird. Sie bekommen Anregungen, in welchen Organisationen sie tätig werden könnten – beispielsweise Attac, Amnesty International oder Greenpeace – oder worauf sie bei ihrem täglichen Leben achten könnten (Verzicht auf Plastiktüten).

Selbst als Erwachsener wird man durch diese geballte Ladung an Zivilcourage inspiriert, noch einmal nachzudenken, welchen Teil zum Ganzen man selbst betragen kann. Denn auch das macht dieses Buch klar: Würde jeder von uns den Mut aufbringen, sich für eine der Facette von Gerechtigkeit einzusetzen, könnte diese Welt eigentlich ein Paradies sein. Nach Paris, Ankara, Beirut, Irak, Syrien, Nigeria hört sich dieser Gedanke zwar ziemlich weit hergeholt an, aber ich weigere mich, die Hoffnung aufzugeben. Und hoffe auch, dass die Mächtigen endlich mal die Luft aus ihrem Ego rauslassen und die Probleme an den Wurzeln anpacken, anstatt gleich nach Verschärfung von allem Möglichen schreien. Denn jeder klar denkende Mensch, dessen Hirn nicht von Lobbyisten vernebelt wurde, kann den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung verstehen. Wenn dazu noch Respekt und weniger Gier kämen, könnte man diese ganze verfahrene Lage eventuell wieder auf einen Kurs bringen, der allen Menschen ein würdiges, angenehmeres und friedlicheres Leben ermöglicht. Aber vielleicht bin ich auch nur naiv …

Hermann Vinke/Kira Vinke: Zivilcourage 2.0. Vorkämpfer für eine gerechte Zukunft, Ravensburger, 2015, 248 Seiten, ab 13, 16,99 Euro

Congratulations!

malalaWährend der Frankfurter Buchmesse werden immer jede Menge Preise vergeben. Angefangen beim Deutschen Buchpreis (dieses Jahr für Kruso von Lutz Seiler), über den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (Jargon Lanier), den Melusine-Huss-Preis der Hotlist der unabhängigen Verlage (an den Aviva Verlag für Mädchenhimmel von Lili Grün), den Virenschleuderpreis und die Nobelpreise. Bei den letzteren brennen auf der Buchmesse immer alle auf den Literaturnobelpreisträger. In diesem Jahr ist es der Franzose Patrick Modiano – einen Autor, den ich erst noch entdecken muss. Ich habe jetzt bestimmt noch ein paar andere Preise vergessen.

Das Highlight war für mich der Freitag. Da wurde mittags verkündet, dass Malala Yousafzai zusammen mit Kailash Satyarthi den Friedensnobelpreis bekommt. Echtes Gänsehautfeeling im Messetrubel. Denn gerade habe ich Malalas Geschichte in der Fischer-Ausgabe gelesen. Zusammen mit Patricia McCormick, der Jugendbuchautorin von Cut und Versehrt, erzählt Malala noch einmal von ihrem Leben im pakistanischen Swat-Tal, ihrem Wunsch nach Bildung und dem Schrecken der Taliban und ihrem Widerstand – und zwar für jugendliche Leser. So ist man ganz dicht bei Malala, erfährt, dass sich sich durchaus mit ihren Brüder streitet oder ihre Nase zu groß findet, dass sie gerne Badminton spielt – und wie sie schließlich 2012 als 15-Jährige niedergeschossen wurde und in Birmingham wieder gesund wird. Bilder aus ihrem Leben zeigen das wache Mädchen während einer Schulaufführung, als Klassenvorsteherin, mit Auszeichnungen für gute Leistungen. Es waren nur die ersten von einer ganzen Reihe, die ihr nach dem Attentat verliehen wurden.
Mit ihrer Malala-Stiftung kämpft sie weiterhin für das Recht von Mädchen auf Bildung. Vor all dem, ihrem Schicksal, ihrem Mut, ihrer Unverdrossenheit, ihrer Lebensfreude kann man sich nur respektvoll verneigen und ihr wünschen, dass sie durchhält und ihre Ideen möglichst viele Früchte tragen.

garlandFreitagabend wurde dann in Frankfurt zudem der Deutsche Jugendliteraturpreis vergeben. Aus Termingründen konnte ich nicht bei der Veranstaltung teilnehmen und erfuhr dann am späten Abend, dass Inés Garland und ihre Übersetzerin Ilse Layer in der Kategorie Jugendbuch gewonnen haben. Welche Freude! Ihren Roman Wie ein unsichtbares Band hatte ich bereits im vergangenen Jahr besprochen und ein Interview mit Inés Garland geführt. Nachzulesen hier.

Die anderen Preisträger sind Claude K. Dubois mit Akim rennt, in der Übersetzung von Tobias Scheffel, in der Kategorie Bilderbuch. Der Kinderbuchpreis ging an Martina Wildners Roman Königin des Sprungturms. Heidi Trpak (Text) und Laura Momo Aufderhaar (Illustration) bekamen den Preis für das beste Sachbuch, Gerda Gelse, Allgemeine Weisheiten über Stechmücke. Die Jugendjury entschied sich für Raquel J. Palacio Roman Wunder (übersetzt von André Mumot). Der Sonderpreis schließlich ging an die Übersetzerin Angelika Kutsch, die Kinderbücher aus dem Dänischen, Schwedischen und Norwegischen ins Deutsche bringt.

Also, ein echt preiswürdiger Messe-Freitag. Allen Gewinnern ganz herzlichen Glückwunsch! Congratulations! Felicitaciones!

Malala Yousafzai/Patricia McCormickMalala. Meine GeschichteAusgezeichnet mit dem Internationalen Friedenspreis für Kinder 2013 und Specsavers National Book Awards, Non-Fiction Book of the Year 2013, Übersetzung: Maren Illinger, Fischer KJB, 2014,  272 Seiten, 12,99 Euro