Langeweile kann so schön sein …

Langeweile – dieser vermeintlich total uncoole Lebenszustand ist ein großes Buchthema. Es gibt wohl kaum einen Verlag, der nicht eine Publikation zum Thema im Programm hat. Meist mit dem Tenor: So werdet ihr die Langweile ganz schnell wieder los. Aktivismus ist das Mittel, um ja nicht in der Langeweile zu versinken.

Auch der Dachs, den wir schon in seiner übellaunigen Variante kennengelernt haben (Der Dachs hat heute schlechte Laune), langweilt sich im neuesten Band mit dem Titel Der Dachs hat heute Langeweile! Und zwar so sehr, dass ihm gar nichts einfällt, was er mal tun könnte. Er sitzt grübelnd vor seiner dampfenden Teetasse und überlegt, was er eigentlich am liebsten macht. Doch selbst seine Lieblingsbetätigung, das Malen, hilft nicht gegen seine Langweile. Die Leinwand auf der Staffelei bleibt leer. Zum Glück klopft der Fuchs an die Tür – doch auch ihm ist langweilig. Der Dachs, ganz schlau, schlägt ihm vor, etwas zu bauen, weil der Fuchs das doch am liebsten macht. Und das Resultat? Genau: Langeweile.

Aktionismus nützt nichts

Ganz im Dachsstil tauchen nun nach und nach die anderen Freunde vom Dachs auf, spielen alle Lieblingsspiele durch und langweilen sich fürchterlich. Erst als die Maus auftaucht und eine Augenklappe trägt, weil sie sich wehgetan hat, geht es der Langeweile an den Kragen …
Es ist hier also nicht der gut gemeinte Aktionismus, der durch Altbekanntes Ablenkung und Kurzweil schaffen will, sondern es ist das Leben selbst, das zu etwas Unerwartetem anregt. So erfindet die Gemeinschaft der Freunde etwas ganz Neues. Sie lassen ihrer Fantasie feien Lauf und können sich schließlich vor Einfällen gar nicht mehr retten.
Es ist das Aushalten-müssen der Langeweile – zumindest für eine gewisse Zeit –, was den Kopf anregt. Das erfahren kleine Leser:innen in diesem Buch ganz nebenbei. Vielleicht hilft es auch den vorlesenden Eltern, nicht immer mit Vorschlägen zu kommen, wenn die eigenen Kinder „Mir ist langweilig“ sagen, sondern sie einfach mal damit in Ruhe zu lassen. In Kombination mit guten Freund:innen, die den Zustand der Langeweile ja auch kennen, entsteht dann meist ganz von allein etwas Aufregendes.

Im NEINhorn-Universum von Marc-Uwe Kling herrscht zunächst einmal keine Langweile, sondern Streit. NEINhorn und KönigsDOCHter kloppen sich um Süßigkeiten. NAhUND und WASbär könnten nicht wirklich helfen.

So macht sich NEINhorn genervt vom Acker, pfeift auf Freunde, die doch kein Mensch braucht, und gerät in den Dschungel, wo ihm die SchLANGEWEILE begegnet. Natürlich fragt sie das NEINhorn, was sie denn so gegen die Langweile machen könnte. Doch nichts was das NEINhorn vorschlägt sagt ihr zu: »Ich schlache nie über Witzzze.«, »Nicht schlustig.«, »Ich bin doch keine Schluftschlange« »Zu schlaut«, »Zu schleise«, »Zu schlangsam«, erwidert sie auf alle möglichen Vorschläge in ihrer seltsam-komischen Art zu reden.
Dieses ständige Nein wird da selbst dem NEINhorn zu viel. Wieder haut es ab und galoppiert auf den wunderlichen Vulkan.

Ausklappbare Wunderwelt

Auf einem fünfseitigen, ausklappbaren Leporello schaut es nun in eine von Astrid Henn in zarten Bonbonfarben hingehauchte Welt mit Montgolfieren, Drachen, Burgen, chinesischen Tempeln, Dschunken, Fluggeräten, Gorillas und diebischen KLAUmeisen.
Bei so viel Entdeckungspotential in der Welt kann sich selbst das NEINhorn nur noch wundern, wie uns eigentlich überhaupt langweilig sein kann.
Aber dieses Gefühl ist nun einmal Teil von uns, da kann auch kein NEINhorn gegen an. Doch es findet, dass es traurig ist, diese wundersame Welt allein erkunden zu müssen. Also ruft er seine nervigen Freunde herbei, und selbst die SchLANGEWEILE schließt sich der Crew an. Und was soll man sagen: Am Ende haben die fünf trotz ihrer kleinen Fehler (die Verfressenheit des WASbären oder die Überheblichkeit der KönigsDOCHter) bannig viel Spaß.
Auch hier sind es wieder die Welt an sich und die Kombi mit den Freunden, die jenseits von hektischem Aktionismus, der Langeweile den Garaus machen. Fast möchte man von DEM Mittel gegen Langeweile sprechen …

Sprachspielereien bis zum Anschlag

Bücher von M-U-K wären nicht von Marc-Uwe Kling, wenn sie nicht vor herrlich rotziger Sprache strotzten und jede Menge Sprachspiele enthielten. Neben der vergnüglichen Sprechart der SchLANGEWEILE, die Nachahmungspotential in sich trägt, gibts am Ende sogar noch ein paar Spiele des Buchstabendurcheinanderbringers, die mit einem Haufen Freunde natürlich viel mehr Spaß bringen …

Moritz Petz: Der Dachs hat heute Langeweile!, Illus: Amélie Jackowski, NordSüd, 2021, 32 Seiten, ab 4, 15 Euro

Marc-Uwe Kling: Das NEINhorn und die SchLANGEWEILE, Illus: Astrid Henn, Carlsen, 2021, 54 Seiten, ab 3, 13 Euro