Von eigenen Welten und Liebestränken

Zipfel

Lucie, 13, braucht einen Job. Sie will weg von der Mutter, die sich schon wieder so einen seltsamen Typen angelacht hatte. So ein ökologisches Weichei mit Namen der Michi.
Da kommt ihr im Roman von Dita Zipfel der Zettel mit dem Angebot, als Hundesitter zu arbeiten, ganz gelegen. 20 Euro pro Stunde scheinen zudem ungemein lohnend.
Doch als sie an der Tür von einem gewissen Klinge läutet, ist da kein Hund sondern nur ein seltsamer Alter in Outdoor-Klamotten mit Sprachfehler, der sie einfach nur »Mädchen« nennt und ihr vegetarische Rezepte diktiert. Angeblich haben diese Rezepte Zauberkraft und sollen Ungeheuer fernhalten oder als Liebestrunk wirken.

Rösti des Lebens/Sterbens

Eigentlich glaubt Lucie an nichts davon, beobachtete Klinge aber überaus aufmerksam, stellt sich Fragen zu seinem Geisteszustand – und dennoch: Das mit dem Liebestrank muss sie ausprobieren, als Marvin, der angesagteste Boy der Schule, sie um ein Treffen im Freibad bittet. Er könnte schließlich funktionieren – man weiß ja nie.

Amüsante Weltbetrachtung

Lucies Beobachtungen und Schlussfolgerungen sind eine Mischung aus amüsanter Weltbetrachtung voller skurriler Menschen und der Entdeckung der eigenen Wünsche, des eigenen Weges, den Lucie schließlich einschlägt. Ihre Skepsis und ihre Verwunderung gegenüber Menschen wie Klinge oder der Michi kennen wir Lesende alle nur zu gut. Manchmal hält man einzelne Menschen für »verrückt«, manchmal auch die ganze Welt und steht mittendrin – mit seinen eigenen Zweifeln oder der leisen Ahnung, dass man vielleicht selbst »ver-rückt« ist.

Der Einfluss anderer

Dann bleibt die Frage, wie sehr man sich beeinflussen lässt, wie sehr man an gewissen Menschen hängt, wie sehr man Trends folgt – und dann feststellen muss, dass so ein Marvin vielleicht der Schwarm von vielen ist, im Grunde aber nicht gut riecht und auch ansonsten ein ziemliches A*loch sein kann.
Lucie begreift, dass es nicht nur eine objektive Welt gibt, sondern jeder von uns in seinem kleinen Kosmos lebt. Dass wir im Grunde vom anderen immer viel zu wenig wissen – und an dem Spruch »wer die Musik nicht hört, hält die Tanzenden für verrückt« ziemlich viel Wahres dran ist. Und dennoch neigen die Menschen dazu, andere immer und ständig in Schubladen zu stecken und sie zu bewerten. Lucie kann sich da gar nicht ausnehmen, aber sie lernt dazu und zwar in einer extrem steilen Lernkurve, die tatsächlich auf die Lesenden abfärben kann, wenn sie nur offen für dieses charmant wilde Buch von Dita Zipfel sind.

Anregend illustriert

Illustriert hat diese Wahnsinnsgeschichte (sorry, der passte jetzt grade!) Rán Flygenring, und es ist eine Wonne, die grellrot-schwarzen Drachen- und Punamy-Bilder zu betrachten. Und mögen die Rezepte nun Drachen im Zaum halten oder die Liebe heraufbeschwören, sie lesen sich so lecker, dass ein Nachkochen nach dieser Lektüre nur folgerichtig ist.

Dita Zipfel: Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte, Illustration: Rán Flygenring, Hanser Verlag, 2019, 200 Seiten, ab 12, 15 Euro