Neulich hörte ich einen für mich neuen Begriff: Helikopter-Eltern. Damit sind Väter und Mütter gemeint, die sich überführsorglich um das Wohl der Sprösslinge sorgen und ständig über sie wachen, damit ihnen ja kein Leid zustoße. Dass das auf die Dauer nicht immer hilfreich ist, kann man sich fast denken.
Nun ist mir zu diesem Begriff das entsprechende Kinderbuch unter die Nase gekommen: Die besten Freunde der Welt von Ute Wegmann. Darin erzählt die Autorin von Fritz und Ben. Ich-Erzähler Fritz hat ständig was um die Ohren, jeden Nachmittag Termine, Termine, Termine: Tennis, Fußball, Schlagzeugunterricht, Nachmittage im Park oder bei den Großeltern. Nur sonntags verbringt er ganz entspannt mit seinen Eltern und fragt sie Löcher in den Bauch. Ganz anders ist das bei Ben: Der hat gar keine Termine, geht nirgendwohin, liest dafür jede Menge Bücher und kann sich alles merken. Ben hatte als Baby einen Herzklappenfehler, und seine Mutter hat sich auch Jahre später noch nicht davon erholt und hält den Jungen von allem ab, was auch nur im Geringsten anstrengend sein könnte, obwohl er mittlerweile kerngesund ist. Dabei würde Ben gern Fußballspielen, Tennis lernen, mit der Schulklasse am Schwimmunterricht teilnehmen, das Seepferdchen machen und nicht immer am Rand sitzen und der ewige Außenseiter sein. Doch die Mutter verbietet es. Zum Glück gibt es Fritz, der seinen besten Freund dabei unterstützt, dem Radar dieser Helikopter-Mutter wenigstens ab und zu zu entfliehen. Und so versucht er, in der wenigen Zeit, die er zwischen seinen Terminen hat, Ben das Schwimmen beizubringen. Das ist nicht ganz einfach, denn Ben hat Angst vor Wasser. Doch ganz behutsam führt Fritz ihn an das nasse Element heran, von der Badewanne über das Babybecken im Schwimmbad bis zum großen Becken. Und auch wenn Ben seine Angst nur sehr langsam überwindet und immer wieder Rückschläge erlebt, verliert Fritz nie die Geduld und hält unerschütterlich zu ihm. Alles passiert heimlich, ohne dass die Eltern der Jungen etwas mitbekommen. Und gerade das schweißt die beiden noch fester zusammen.
Ute Wegmann ist eine entzückende Hymne auf die Freundschaft gelungen, in der sie zwei völlig unterschiedliche Charaktere zusammenbringt, die sich durch nichts unterkriegen lassen. Sie zeigt, dass gute Freunde sich manchmal besser kennen und die Bedürfnisse und Wünsche des anderen viel nachhaltiger befriedigen können als Eltern. Dabei handelt es sich hier keinesfalls um Rabeneltern, sondern Wegmann porträtiert einen Eltern-Typus, der scheinbar gerade immer mehr in Mode kommt. Erwachsenen Lesern hält sie damit einen Spiegel vor, ihrer Zielgruppe, 8-jährigen Jungs, zeigt sie hingegen, dass man sich dem elterlichen Überwachungssystem mit Mut, Cleverness und Spaß auch mal entziehen kann und sollte. Denn das stärkt ganz klar das Selbstbewusstsein und macht stolz –schlussendlich auch die Eltern.
Sehr charmant finde ich in der Geschichte zudem noch die Mutter von Fritz. Ruby ist Britin, spricht ständig Englisch und ein nicht ganz korrektes, aber überaus apartes Deutsch. Ihre englischen Sätze bleiben zum Teil einfach so stehen, werden nicht sklavisch übersetzt, sondern erklären sich durch die Zusammenhänge der Szenen von selbst. Das grammatisch nicht korrekte Deutsch verpasst ihr einen authentischen Anstrich und macht sie zu einer total coolen Mutter-Figur.
Ergänzt wird der Roman von den zarten Illustrationen von Sabine Wilharm, die schon die deutsche Harry-Potter-Ausgaben gestaltet hat. Sie verleihen der Geschichte ein ganz muckeliges Gefühl – wie die Schlafanzüge der Jungs nach dem Baden …
Ute Wegmann: Die besten Freunde der Welt, Illustrationen: Sabine Wilharm, dtv, Reihe Hanser, 2012, 205 Seiten, ab 8, 12,95 Euro