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Cinemascope-Reise

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Es gibt Reisebücher, die punkten mit genauen Infos zu Sehenswürdigkeiten, Unterkünften, Klima und landestypischen Sitten. Das ist wichtig, und das möchte ich auf gar keinen Fall missen. Aber es gibt auch Reisebücher, die überraschen mit ganz anderen Dingen – mit Atmosphäre, genialen Bildern und charmanten Details. Wenn sich das dann auch noch in einem Comic wiederfindet, bin ich hin und weg. Geschafft hat das der Reise-Comic Was kostet ein Yak? von Philipp Cassirer. Am liebsten hätte ich jetzt geschrieben: „Nach Lektüre verreist …“ In diesem Fall Richtung Nepal, Indien, Himalaya … Doch da das gerade nicht geht, erfreue ich mich an Cassirers Bildern. Und beschränke mich darauf, dieses Buch am 60. Jahrestag der Erstbesteigung des Mount Everest durch Edmund Hillary und Tenzing Norgay vorzustellen.

Der Grafiker hat nach seinem Studium mit zwei Freunden eine dreimonatige Reise unternommen – auf der Suche nach einem Diplomthema und natürlich, um ein bisschen zu chillen. Im ligne-claire-Stil mit schwarzen Konturen und realistischen Details erzählt Cassirer von seinen Reiseerlebnissen in der Himalaya-Region. Angefangen bei unbequemen Schlafpositionen in Flugzeugen, über allgegenwärtige Taxi-Unternehmer an den Zielorten, Verstopfung am Berg, notgeile Italiener, einheimische Menschentypen und Freelancer, Kamikaze-Busfahrer, Dealer und Bartmoden.
Und so laufen die drei Helden schließlich mit den abgefreaktesten Bärten durch den Himalaya, die sie eher wie Porno-Darsteller aus den 1970er Jahren erscheinen lassen, als neugierige Studenten aus Hamburg. Das kommt alles sehr cool daher. Cassirer erzählt seine Geschichte auf Deutsch und Englisch, was die Authentizität der Erlebnis noch erhöht, vom Leser allerdings einigermaßen ordentliche Englischkenntnisse abverlangt (was durchaus vertretbar ist).

Bei den Panels wechselt Cassirer zwischen Einzelpanels mit abgerundeten Ecken (konsequent 70er Jahre) oder aber mit querformatigen, ganzseitigen Bildern. Dort gehen manche Szenen in einander über oder zeigen eine einzige Ansicht von atemberaubender Landschaft. Schneebedeckte Bergspitzen vor tiefblauem Himmel. Man bekommt sofort Sehnsucht.
Umgekehrt überkommt den Betrachter bei den Darstellungen von Verkehrsregelung und Rushhour Beklemmung in Anbetracht des Chaoses auf dem Subkontinent. Das man in der Detailfülle dann jede Menge Dinge entdecken kann, fällt einem spätestens nach dem zweiten Lesen auf.

Cassirer liefert einen Reisebericht mit allen Höhen und Tiefen, voller Anekdoten und Skurrilitäten, kaputten Mountainbikes, Gewaltmärschen, dubiosen Drogen. Im Nachwort berichtet er, dass er noch mal soviel hätte erzählen können, den Leser jedoch nicht langweilen wollte. Hätte er nicht. Manche Szenen hätte man eventuell weiter auserzählen können und die schlechte Tranceparty hätte sicherlich lustiges Bildmaterial hergegeben …

Zum Comic wird ein Internet-Code mitgeliefert, über den man sich die Geschichte bei Carlsen als PDF herunterladen kann. Auf Tablets oder farbigen E-Book-Readern kann man dann der Reise durch den Himalaya auch auf elektronische Art sehr gut folgen.

Auf jeden Fall ist dieser unverstellte Blick auf Indien, Nepal und Bangladesh ein Augenschmaus und die Selbstironie des Erzählers sehr charmant. Auf die nächste Geschichte aus der Feder bzw. dem Computer von Philipp Cassirer bin ich jedenfalls schon sehr gespannt – je mehr Seiten, desto besser…

Philip Cassirer: Was kostet ein Yak?  Von heiligen Kühen und heiligen Bergen, Carlsen Comics, 2013, 64 Seiten, 14,90 Euro