Eigentlich bin ich kein großer Fan von Zeitreisegeschichten, über die genauen Gründe meiner Abneigung gegen dieses Gedankenspiel muss ich jetzt allerdings noch mal genau nachdenken. Denn Eoin Colfer hat mit WARP – Der Quantenzauberer eine Variante dieses Genres vorgelegt, die ich nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Die 16-jährige Chevron arbeitet als jugendliche Hilfsagentin für das FBI. Nach einem misslungenen Einsatz in Los Angeles wird sie nach London strafversetzt, bis Gras über die Sache gewachsen ist. In der britischen Hauptstadt wartet ein langweiliger Bewachungsjob auf sie – was aber natürlich nicht so bleibt … denn das Objekt, das Chemie im Auge behalten soll, ist eine Zeitreisemaschine des anonymen Zeugenschutzprogramms „Witness Anonymus Relocaton Programme“ – kurz WARP. Damit schickt das FBI gefährdete Zeugen in der Zeit zurück ins 19. Jahrhundert, wo angeblich niemand an sie herankommt. Dass dieses Konzept nicht aufgeht, merkt Chevie ganz schnell, als in dem Ding plötzlich ein Toter und ein Junge aus der Vergangenheit auftauchen.
Der ebenfalls 16-jährige Riley ist Assistent des Zauberers Albert Garrick. Dieser arbeitet jedoch hauptsächlich als Auftragsmörder im London von 1898. Gerade als Riley von Garrick zu seinem ersten Mord gezwungen wird, aktiviert das Opfer einen so genannten Timekey und katapultiert sich durch ein Wurmloch in die Gegenwart. Garrick, der merkwürdigerweise an seinem Assistenten wie an einem Sohn hängt, folgt Riley später in die Zukunft. Ein rasantes Hin und Her zwischen Vergangenheit und Gegenwart entspinnt sich, bei dem Garrick durch das Zeitreisen zu einem Magier mit Superkräften mutiert und nun in James-Bond-Bösen-Manie leicht größenwahnsinnig die Weltherrschaft in seiner Zeit erlangen will.
Chevie, die mit Riley zusammen vor Garrick flüchtet, erlebt nicht nur das sehnlichst herbeigewünschte Agenten-Abenteuer, sondern lernt dabei auch den Gestank und das Elend des viktorianischen Englands kennen. In all dem Trubel von Verfolgungsjagden durch die Zeiten findet Riley schließlich heraus, wer seine Eltern getötet hat …
Eoin Colfer ist ein rasant-frecher Pageturner gelungen, der mit einem Augenzwinkern auf Charles Dickens, Arthur Conan Doyle und Jules Vernes anspielt und auch die Gegenwart mit ihren Absonderlichkeiten aufs Korn nimmt. Claudia Feldmann hat diese Geschichte entsprechend pfiffig ins Deutsche übersetzt. WARP ist spannendes Lesefutter für Liebhaber von Agentengeschichten – und wird zum Glück erst einmal nicht von einer Liebesgeschichte der Helden Chevie und Riley überlagert, sondern lebt ganz von dem Kontrast der verschiedenen Epochen in London. Das wird besonders anschaulich, wenn Riley in der Zukunft feststellt, dass er die Menschen gar nicht mehr riechen kann. Eine feinsinnigere Beobachtung, in was für einer angenehmen und bequemen Zeit wir heutzutage leben, kann es eigentlich kaum geben.
Eoin Colfer: WARP – Der Quantenzauberer, Übersetzung: Claudia Feldmann, Loewe Verlag, 201,4 352 Seiten, ab 14, 16,95 Euro
PS: Und endlich gibt es mal einen wirklich reizenden Buchtrailer, den ich hier gerne einbinde…