Lecker Essen

Schmeckt! Was für ein treffender Titel. Denn dieses Sachbuch von Anke Loose und Ariane Camus ist kein Buch über Ernährung. Sondern über Essen. Ernährung, gern auch mit den Adjektiven vernünftig, gesund oder ausgewogen angereichert, ist das, was man dem Organismus, dem Körper zuführt, um ihn am Laufen zu halten. Eine Mischung aus Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, versehen mit Vitaminen und Mineralstoffen. Astronauten zum Beispiel saugen es mangels Küche und Schwerkraft aus Tuben. In Zukunft gibt es das womöglich komprimiert in Tablettenform.

Iss bunt!

Glücklich macht das nicht, Spaß sowieso keinen und die Seele wird davon auch nicht satt. Orthorexie ist der Inbegriff der ebenso vernünftigen wie freudlosen Ernährung.  Dieses Sachbuch ist das Gegenteil davon. Und es fängt auch gleich mit dem besten und allgemein gültigen Tipp überhaupt an: Iss bunt! Das ist wortwörtlich gemeint: Es ist erstaunlich, welche Farbvielfalt Obst und Gemüse haben. Das kann man im Supermarkt bewundern. Noch schöner auf dem Markt. Dabei muss man nicht auf ökologisch bedenkliche, von weit her eingeflogene und herbeigeschiffte Lebensmittel gucken. Auch regional gibt’s ein abwechslungsreiches Farbfeuerwerk für Topf und Teller. Selbst im Winter bringen Äpfel, Rotkraut oder Möhren noch Farbe ins Spiel.

Was wir am liebsten essen und was wir zum Würgen finden

Schon ist man drin in Anke Looses klugem, von Ariane Camus fröhlich illustriertem Rezept für gutes Essen. Von den Farben und was es damit auf sich hat, geht’s spannend und sehr wissenswert weiter zu Themen wie Warum wir essen. Warum wir was essen. Woraus sich Nahrung zusammensetzt. Wo Lebensmittel herkommen – nachhaltig, unverpackt, saisonal und regional spielt ebenfalls eine Rolle. Wie wir schmecken oder warum wir was am liebsten essen. Und manches zum Würgen finden. Welche Vorlieben die Menschen auf der ganzen Welt haben. Und wie vielfältig Essen ist, wenn man allein die vielen Brotsorten und die vielfältigen Varianten von Frühstücksspeisen betrachtet.

So lang wie ein Omnibus

Ariane Camus illustriert anschaulich, lustig und mit schrägem Witz. Hier isst das Auge schon beim Lesen mit. Nahrungsbausteine sind bei ihr genau das: zusammenpassende Legobausteine. Selbst die Verdauung wird so illustiert, dass einem nicht der Appetit vergeht. Eine forsche Toastbrotscheibe fragt sich, wie sie wohl durch den Körper wandert. Ein Regenwurm ist beeindruckt von wellenförmigen Bewegungen des Darms, der übrigens etwa so lang wie ein Omnibus ist, den Camus zum Vergleich gleich daneben gemalt hat. Bei diesem Kapitel stutzt man nur kurz über das Wort Pipi. Und merkt gleich, Urin wäre viel zu abgehoben – oder vernünftig. Anke Loose schreibt sehr unterhaltsam und absolut verständlich, doch weder albern noch verniedlichend.

Gehirn und Darm sind im Gespräch

Auf Ernährungsmoden und Dogmen verzichtet Loose, auch auf den vielbeschworenen Begriff des Mikrobioms. Stattdessen erklärt sie kurz und eingängig, dass Darm und Gehirn miteinander kommunizieren, so kann Stress zum Beispiel Durchfall verursachen. Camus lässt dazu das schlau bebrillte Gehirn mit den munteren Eingeweiden über ein Joghurtbechertelefon reden (wobei das Telefon für kleine Kinder vielleicht erklärungsbedürftig ist – und ein witziger Bastelvorschlag).
Lecker! ist ein wunderbares Sachbuch und gleichzeitig ein klasse Rezept für Essen, das wirklich Spaß macht. Als krönenden Abschluss gibt’s sogar noch ein paar einfache Anregungen zum Nachkochen und Schmecken.

Vom Fressen über vernünftige Ernährung zu leckerem Essen gelangt auch der Wolf im Bilderbuch Mahlzeit!. Eigentlich möchte der eher einzelgängerische Grauschnauz genüsslich in Ruhe den Mond anheulen. Doch dann übertönt ein scheußliches Schluchzen sein schönes Geheule und er entdeckt ein weinendes Hasenkind. Wenn sich das schon mitten in der Nacht im Wald aufhält, dann ist es ein willkommener Snack. Aber dem Häppchen für einen hohlen Zahn fällt ein Zettel aus der Tasche: »Lieber Finder dieser Nachricht, unser kleiner Knuffel liebt es, auf Entdeckungstour zu gehen. Solltest du ihn finden, begleite ihn doch bitte nach Hause. Als Dankeschön laden wir dich zu einem superleckeren Essen ein.«
So fantasievoll und skurril beginnt Larysa Maliush ihre entzückende Geschichte einer Nahrungsumstellung.

Festmahl statt kleinem Snack

Nach kurzem Nachdenken siegt die Vernunft über die spontane Snacklust. Warum sich mit einer winzigen Portion abspeisen, wenn sich ein Festmahl in Form einer ganzen Hasenfamilie anbietet. Also macht sich Grauschnauz mit Knuffel auf den Weg. Unterwegs verteidigt der Wolf das Häschen gegen seine Artgenossen und überwindet noch einige Widrigkeiten, zum Beispiel Bäche und Kletten. Das letzte Stück trägt er das inzwischen sehr müde Appetithäppchen auf den Schultern, wo es vertrauensvoll einschläft.

Gute Entscheidung

Zu Hause angekommen wird der Wolf von einer imposanten Großfamilie freudigst begrüßt. An der üppig gedeckten Tafel bekommt er den Ehrenplatz. »Noch nie hatte er so viel Essen auf einmal – und so hübsch angerichtet – gesehen. Bereits nach dem vierten Stück Karottenpastete war er pappsatt. Vielleicht war es doch eine gute Entscheidung gewesen, den kleinen Kerl nach Hause zu begleiten«, lässt Larysa Maliush den großen grauen Wolf zu guter Letzt überlegen. Anna Schaub hat die Geschichte ebenfalls sehr hübsch übersetzt.

Essen für die Seele

Mahlzeit! beginnt im nächtlichen Wald, in gedecktem Graublau. Doppelseitige Szenen wechseln sich mit lustig hoppelnden Stop-Motion-Sequenzen ab. Die sich verändernde Miene und Motorik des Wolfes im Laufe der Nacht ist hinreißend und für ältere Vorleser von hohem Wiedererkennungswert. Unter den vielen Grauschattierungen der Wölfe blitzt nur das weiße Häschen und vor allem seine leuchtend rote Jacke hervor, aus der der Zettel fällt (wer die Autorin dieser Zeilen kennt, wundert sich jetzt eventuell: Echt jetzt, bekleidete Tiere? Dazu kann ich nur mit Grauschnauz erwidern: Keine Regel ohne wohlüberlegte Ausnahme).

Augenschmaus

Wenn die beiden zu Hause bei Familie Hase ankommen, ist es mittlerweile Tag und die Welt wird detailreicher und vielfarbig. Vor allem die quirlige Familie rund um den bunt gedeckten Tisch ist ein Augenschmaus. Weil es einiges in der Szene zu entdecken gibt. Vor allem zeigt sich auch hier, dass Essen so viel mehr ist als Ernährung. Es macht glücklich und nicht nur den Körper satt. Es verbindet, schafft Gemeinschaft und Vertrauen und ist kommunikativ. Vor allem schmeckt’s!

Anke Loose (Text), Ariane Camus (Illustrationen): Schmeckt!, Carlsen, 2025, 64 Seiten, 15 Euro, ab 6

Larysa Maliush: Mahlzeit!, Übersetzung: Anna Schaub, NordSüd Verlag, 2025, 32 Seiten, 18 Euro, ab 4

Kinder an den Herd

kochenErinnert sich noch jemand an Lirum, larum, Löffelstiel? Ja? Doch, bestimmt das ältere Semster hier … Lirum, larum, Löffelstiel war der Kinderkochkurs im ZDF in den 70er Jahren. Schon damals stand TV-Kochen hoch im Kurs. Und ich habe es geliebt. Die Kinder Doris, Heidi und Axel in ihren gelben Schürzen mit den roten Herzen drauf fand ich irgendwie cool, was man damals noch nicht sagte und Axel mit seiner Brille eigentlich immer etwas strebermäßig aussah. Irgendwann bekam ich auch das Buch zur Serie, ob ich daraus gekocht habe, weiß ich nicht mehr. Das Buch habe ich aber immer noch. Und die schlichten Rezepte sind zwar zeitlos – aber auch nicht mehr unbedingt zeitgemäß.

Für die zeitgemäße Heranführung von Kindern ans Kochen – was meines Wissens momentan im TV nicht passiert (klärt mich bitte auf, wenn es auf den Kinderkanälen irgendetwas in der Art gibt …) – gibt es aktuell das herzallerliebste Wimmel-Kochbuch von Rotraut Susanne Berner und der Ernährungsexpertin Dagmar von Cramm.
Entsprechend den Jahreszeiten zeigen die Wimmlinger den Lesern, was man so alles saisonal zubereiten kann, Frühlingssammelsalat beispielweise, mit selbstgepflückten Kräutern aus Wald und von der Wiese. Die botanisch exakten Zeichnungen von Berner klären auf, um was für Gewächse es sich dabei handelt.
In diesem Kochbuch wimmelt es auf jeder Seite. Nicht so sehr mit Zeichnungen wie in den großen Wimmelbüchern, sondern mit vielen größeren und kleineren Texten. Und die haben ein Informationsgewimmel in sich. Denn es gibt hier nicht nur Rezepte, sondern jede Menge Hinweise und Erklärungen zum Kochen, zur Ernährung, zur Herkunft von Nahrungsmitteln und was man alles selber anbauen und ziehen kann. Sicherheitshinweise und Techniken, wie was zu behandeln ist, fehlen natürlich auch nicht.

Die Rezepte selbst sind nicht immer kinderleicht, sondern „normal“ wie von Cramm in ihrem Vorwort erläutert – und so soll es sein. Sicher wird ein vierjähriges Kind nicht gleich indisches Biryani kochen, doch Plätzchen-Ausstechen geht allemal. Spielerisch kochen lernen und dabei den Wert von Lebensmitteln zu erfahren sind hier quasi die Nebeneffekte von abwechslungsreichen, internationalen, leckeren Gerichten. Und die schmecken nicht nur Kindern.
Ich jedenfalls werde diese Kochbuch neben meine anderen stellen und mich immer wieder von dem Gewimmel inspirieren lassen.

Rotraut Susanne Berner/Dagmar von Cramm: Das große Wimmel-Kochbuch. Mit Rezepten für alle Jahreszeiten, Gerstenberg Verlag, 2014,  144 Seiten,  ab 4, 19,95 Euro