Die Vertreibung aus dem Paradies

postertGeschwister sind etwas Besonderes – für jeden, der das Glück hat, Bruder und/oder Schwester zu haben. Keine Frage, sie können unglaublich nerven und nicht immer ist man einer Meinung mit ihnen. Doch, wenn man sich nicht völlig dämlich anstellt, hat man mit Geschwistern Alliierte fürs Leben.

Kein Wunder also, dass sich die 10-jährige Franka in Petra Posterts Roman Piratenschwestern riesig freut, als endlich ihre große Halbschwester Kim bei Mama, Papa und ihr einzieht. Kim ist Papas erste Tochter, die er aus einer Beziehung mit der Französin Anne hat. Franka malt sich aus, wie sie gemeinsam Sachen machen, Klamotten tauschen, Schwimmen und Shoppen gehen. Die einzige Sorge von ihr ist, dass Kim eine Tussi sein könnte.
Zu ihrem Glück ist Kim alles andere als das. Kurze Haare, große Kreolen, Lederjacke, Boots – Kim ist definitiv cool, eine Piratin eben. Franka findet sogar ziemlich schnell die ersten Gemeinsamkeiten – beide lieben Schokolinsen und das Schwimmbad.

Franka öffnet Kim all ihre Türen. Doch Kim hat natürlich ihr eigenes Leben, eine Clique und sogar einen festen Freund. So bleiben Enttäuschungen bei Franka nicht aus, wenn Kims Freund plötzlich im Schwimmbad auftaucht und die große Schwester mit Beschlag belegt.
Immer wenn Kim nicht im Haus ist, schaut Franka sich in ihrem Zimmer um, probiert heimlich die Sachen der großen Schwester an – auf der Suche nach Nähe. Als Kim sie dabei eines Tages überrascht, schämt sich Franka sehr. Wenig später ist Kim verschwunden. Franka macht sich Vorwürfe und glaubt, dass sie schuld an Kims Verschwinden ist. Sie macht sich auf die Suche nach der Schwester …

Postert verpackt in dieser ungewöhnlichen Patchwork-Schwestern-Kombination sehr geschickt, wie bei Franka das Bewusstsein erwacht, dass es nicht nur ein harmonisches Familienleben gibt, so wie sie es bis zu diesem Moment erlebt hat. Durch Gespräche mit Papa, Mama und der Oma geht der Heldin langsam auf, dass Papa mal eine andere Familie hatte, Mama sich eigentlich noch ein weiteres Kind gewünscht hatte, und Oma nicht glaubt, dass mit dem Backfisch Kim alles bestens läuft.
So wird Franka ganz sanft aus der paradiesischen Kindheit in die komplexere Zeit der Jugend befördert. Dass dabei nicht alles sofort verständlich ist, illustriert Postert ganz wunderbar an Begriffen, die Franka nicht sofort versteht. Sie erfährt, dass Begriffe wie „Schluss machen“, „Backfisch“ oder „Erdbeerwoche“ nicht immer wörtlich zu nehmen sind, sondern durchaus mehr dahinter steckt. So wie bei vielen Dingen im Leben. Sehr häufig ist eben etwas nicht immer das, für was wir es halten. Das Leben ist nun mal eine komplizierte Sache. Das begreift Fanka und mit ihr die Lesenden im Laufe der Lektüre.

Die Geschichte von Franka und Kim geht gut aus – so viel darf ich hier durchaus verraten. Und selbst wenn Franka aus dem Paradies vertrieben wird, so macht Petra Postert klar, dass das Leben mit einer großen Schwester und einer Patchwork-Familie auch in Zukunft herrliche Momente bereithalten wird. Denn manchmal kann auch die kleine Schwester der großen beistehen und helfen. Piratenschwestern ist ein wunderbares, tiefgründiges Buch für kleine Schwestern mit einem großen Vorbild.

Petra Postert: Piratenschwestern, Tulipan, 2016, 188 Seiten, ab 10, 13 Euro

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