Jungvater in der Zwickmühle

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Eigentlich hat Mav, 17 Jahre alt, sich sein Leben anders vorgestellt. Der Ich-Erzähler in Angie Thomas neuem Roman Concrete Rose ist als Mitglied der King Lords geachtetes Mitglied einer Gang in den Garden Heights. Er dealt und hat immer genug Kohle für coole Klamotten und angesagte Sneakers. So könnte es weitergehen.

Doch dann liefert ein Vaterschaftstest den unumstößlichen Beweis, dass er und nicht sein bester Freund King der Vater von Ieshas Baby ist. Und noch ehe Mav sich versieht, lässt die Kindsmutter das Kind bei ihm und taucht erste einmal unter, ohne sich weiter um ihren Sohn zu kümmern. So beginnt eine Zeit, die jungen Eltern nur allzu bekannt vorkommen wird: ein dauerschreiendes Baby, volle Windeln, gestörter Nachtschlaf – und die Kohle geht weg wie nix. Zumal Mav als guter Daddy das Dealen aufgegeben und einen miesbezahlten Job im Laden von Mr. Wyatt angenommen hat.

Das Leben als Teenage-Vater

Mavs Leistungen in der Schule gehen durch die Dreifach-Belastung von Lernen-Jobben-Baby den Bach runter und seine geliebte Lisa nichts mehr mit ihm zu tun haben, als sie von dem Baby erfährt. Und als ob das nicht schon genug ist, wird dann auch noch sein Cousin Dre auf offener Straße erschossen und stirbt in Mavericks Armen.
Harter Tobak und viel Stoff für einen Roman, doch Thomas gelingt es – wie in ihren Vorgängerromanen THUG und On The Come Up – die Spannung und die Sympathie für ihren Protagonisten zu halten.

Die Gesetze der Straße

Mav hat Hochs und Tiefs, hadert mit seinem Leben, liebt seinen Sohn aber abgöttisch. Er ist hin und hergerissen zwischen den Ansprüchen seiner Gang und den Aufgaben eines Familienvaters, wobei ihm die Vorbehalte der Gesellschaft gegenüber einem Teenager-Vater zusätzlich belasten und nerven. Doch er versucht sein Bestes, um auf dem rechten Weg zu bleiben, obwohl der Mord an Dre ihn auf eine extreme Probe stellt, denn die Gesetze der Straße sind eindeutig – und hart.

Slang liefert authentische Atmosphäre

Thomas liefert eine dynamische plotgetriebene Geschichte, voller Dialoge, Liebesverwirrungen und überraschenden Wendungen, alles von Henriette Zeltner gewohnt souverän übersetzt. Diese lässt dabei unzählige Slangausdrücke im Original stehen – ein Glossar liefert die Bedeutungen –, sodass eine überaus authentische Atmosphäre selbst im Deutschen entsteht.

Wer Thomas‘ Debüt kennt, wird sich hier über die Vorgeschichte von Starrs Familie freuen und vieles von dem wiederfinden, was auch in THUG prägend war. Gerade in Zeiten, in denen Black-Lives-Matter-Aktionen aus guten Gründen täglich in den Nachrichten gezeigt und geschildert werden, Zeiten, in denen mit einer traurigen Regelmäßigkeit schwarze Bürger:innen von weißen Polizist:innen grundlos getötet werden, bleibt Thomas ihrem Thema treu. Die Gewalt in Problemvierteln ist quasi allgegenwärtig und das eben nicht erst seit George Floyds Tod im vergangenen Jahr, sondern seit vielen, sehr vielen Jahrzehnten. Aus diesen Gewaltspiralen auszubrechen und ein friedliches Leben zu führen, ist eine schwierige Aufgabe, die Haltung und Durchhaltevermögen benötigt. Genau das zeigt Angie Thomas anschaulich aus Sicht der schwarzen Jugend, wobei sie selbst nicht über dealende Jugendliche oder Teenager-Eltern urteilt, sondern deren Nöte und Beweggründe für ihr Verhalten schildert. Thomas überlässt es den Leser:innen, sich eigene Gedanken dazu zu machen – und das ist die bestechende Stärke ihres Schreibens.

Angie Thomas: Concrete Rose, Übersetzung: Henriette Zeltner-Shane, cbj, 2021, ab 14, 20 Euro