Edvard ist 14 einhalb und hätte gern Haare auf der Brust. Außerdem ist er immer noch nicht im Stimmbruch, und Constanze will absolut nichts von ihm wissen. Keine gute Ausgangssituation für ein gelungenes Leben. Um an Constanze heranzukommen, hat er einen Facebook-Account gefakt und gibt sich dort als Jason aus Chicago aus. Constanze ist mittlerweile total in Jason verknallt, bombardiert ihn mit Anfragen und will schließlich sogar seine Telefonnummer. Das geht so gar nicht.
Edvard lässt Jason auf Facebook sterben. Jasons fiktiver Bruder James überbringt die Nachricht im Netz. Edvard glaubt, nun wieder Ruhe zu haben. Doch dem ist nicht so. Stattdessen richtet Constanze eine Gedenkseite für Jason ein und in kürzester Zeit steigen die Gefällt-mir-Klicks in die Hunderttausende. Alle wollen der Familie des Toten helfen und den angeblichen Ärztepfusch vor Gericht bringen. Die Angelegenheit verselbständigt sich immer mehr: Krankenschwester und Sanitäter werden interviewt, ein privates Spendenkonto wird eingerichtet und die Facebook-Freunde wollen unbedingt auf die eine oder andere Art helfen. Edvard ist völlig überfordert und stürzt sich erst einmal in ein anderes Projekt.
Sein merkwürdiger Nachbar, der immer die Haufen seines Pudels auf dem Bürgersteig liegen lässt, in die Edvard mit schöner Regelmäßigkeit reinlatscht, stellt sich als Astrophysik-Professor Tannenbaum heraus. Er ist Edvards großes Idol. Die beiden freunden sich an, der Professor gibt dem Jungen Nachhilfe-Unterricht.
Als Tannenbaum eines Tages verkündet, dass seine Vermieterin Eigenbedarf angemeldet hat und er aus seinem Geburtshaus ausziehen müsse, entwickelt Edvard ungewohnten Kampfeswillen und weckt auch in der Mutter die alte Revoluzzerlust. Gemeinsam mit Freunden besetzten sie Tannenbaums Haus, malen Transparente und erregen die Aufmerksamkeit der Presse. Schließlich bietet die Besitzerin dem Professor an, das Haus zu kaufen. Doch woher soll er so viel Geld nehmen?
Am Mittwoch, 28.9., 04:03 Uhr kommt Edvard die rettende Idee. Noch einmal wendet er sich als James über Facebook an Constance, die das private Spendenkonto verwaltet …
In den Einträgen eines Blogs erzählt der Held offenherzig und strunz-ehrlich von seinen Missgeschicken, Wünschen, Höhen und Tiefen – inklusive Allergieschock, Alkoholvergiftung und Knutschübungen mit einem Mädchen, das er eigentlich gar nicht will, bei dem er aber ständig einen Ständer kriegt. Mit anderen Worten: Edvard nimmt kein Blatt vor den Mund. Und das macht er so charmant und witzig, dass ich aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen bin. Dabei versinkt Autorin Zoë Beck nicht im platten Slapstick, sondern stattet ihren Protagonisten mit einer ordentlichen Portion Selbstironie aus. In all diesem Chaos sucht Edvard seinen eigenen Weg, jenseits der kulturell auf- und abgeklärten Bestrebungen von Dirigenten-Vater und Galeristen-Mutter, und bleibt dabei ganz beharrlich bei seiner Leidenschaft, der vermeintlich drögen Astrophysik. Sein Vorhaben, Tannenbaum zu helfen, führt schließlich dazu, dass in der Mutter das Rebellentum der eigenen Jugend wieder aufbricht.
Und dieser Seitenhieb richtet sich an die Eltern der jugendlichen Leser: Beck hält der Erziehergeneration den Spiegel der eigenen Angepasstheit und Saturiertheit vor und erinnert sie an ihre eigenen Träume und Weltverbesserungsbestrebungen.
So sehr hier auf der einen Seite das Facebook-Phänomen in wunderschönster Weise ad absurdum geführt wird, umso mehr steckt in der Geschichte auch die Sehnsucht nach dem leidenschaftlichen Kampf für eine wahre und gerechte Sache. Sie macht aus diesem urkomischen Jugendbuch eine All-Age-Lektüre mit Tiefgang.
Zoë Beck: Edvard. Mein Leben, meine Geheimnisse, Baumhaus Verlag, 2012, 190 Seiten, ab 14, 12,99 Euro