Das ist doch echt gemein: Herr Bert wird immer übersehen. Niemand grüßt ihn. Und in der Pizzeria nimmt ihn auch niemand wahr. Dabei ist der kleine Kerl ein echter Hingucker mit seinen strubbeligen schwarzen Haaren und verschieden farbigen Socken. Ebenso sein Hund Alfonso, ein prächtiger Dackel. Und »er hat doch extra einen bunten Anzug gekauft«.
Die junge Schweizer Illustratorin Laura D’Arcangelo beginnt ihr zweites Bilderbuch Herr Bert und Alonso jagen einen Dieb mit einem Problem, das viele Kinder allzu gut kennen: Sie werden in der Welt der Großen übersehen.
Erst als ganz viele Leute merken, dass sie bestohlen wurden, da erinnern sich plötzlich alle an den Jungen und seinen Hund. Und für sie ist klar: Herr Bert ist der Dieb.
Treppauf und über die Dächer, zwischen stoischen Tauben
Um seine Unschuld zu beweisen, bleibt ihm und Alfonso nur eins: »Wir müssen uns verstecken und den Dieb finden.« Wie jeder gute Detektiv oder Kriminalist sammelt er alle Beweisstücke und Indizien, pinnt sie an eine große Schautafel und versucht, mit einem rotem Faden dem Dieb auf die Schliche zu kommen. Aber selbst der große Sherlock Holmes konnte nicht jedes Rätsel nur in seinem klugen Kopf lösen. Manchmal muss man raus auf die Straße. Das geht auch dem schönen Benedict Cumberbatch als Sherlock so und in seinem ikonischen Mantel rennt er durch die Gassen Londons.
Gut, dass Herr Bert Alfonso hat. Der ist zwar nicht ganz so unschuldig wie Herr Bert. Hat aber eine gute Schnüffelnase. Und außerdem muss er dringend raus und wieder pinkeln. Und schon ist man mittendrin in der schönsten Verfolgungsjagd, treppauf und über die Dächer, zwischen stoischen Tauben durch.
Auch Tischdecken aus der Pizzeria inspirieren
Inspiriert für ihre entzückende Detektivgeschichte wurde die aus Bern stammende Bilderbuchschaffende D’Arcangelo unter anderem von ihrem kleinen Bruder. Von Klassikern des Genres, von Sherlock Holmes bis Emil und die Detektive. Von Krimikomödien in Technicolor und Kinderabenteuerserien aus den 1960er Jahren. Und von Tischdecken aus der Pizzeria. Die waren unverkennbar Vorbild für Herrn Berts bunt karierten Anzug.
Bilder wie ein Trickfilm mit reichlich Slapstick
Laure D‘Arcangelos Bilder wirken sehr dynamisch, fast trickfilmartig und sind gespickt mit reichlich Slapstick: Alfonso zieht an der Leine, streckt sich lang zur geliebten Knoblauchwurstkette, Pizzas segeln vom Tablett, Hüte fliegen vom Kopf, Haare und Jackenzipfel flattern im Laufwind, Füße in langen, schwarzen Schuhen rasen übers Pflaster. Die Figuren sind mit gelbem Strich konturiert und kräftig bunt gouachiert sowie mit Farbstifttupfern akzentuiert. Nicht zu vergessen das rot-grüne Karomuster, fast ein Running Gag. Und die Erkenntnis, dass es manchmal ganz gut ist, unsichtbar zu sein. Herr Bert und Alfonso haben das Zeug zum modernen Klassiker.
Wenn auch kleine Leute immer längere Schatten werfen, der Tag sich dem Ende neigt, die Sonne fast untergegangen ist und nur noch ein paar letzte Strahlen über den Horizont glimmen, dann beginnt die Blaue Stunde. Die Illustratorin Isabelle Simler hat dieser besonderen Zeit ein betörend schönes Sachbuch gewidmet.
Von kaltklarem Eisblau bis samtigem Mitternachtsblau
Es ist ein Fest der Farbe Blau in allen Facetten. Schon auf dem Vorsatzpapier sind 32 Variationen von Blau zu sein, vom ganz hellen, kristallkaltem Eisblau bis zum fast schwarzen, samtweichen Mitternachtsblau. Es beginnt mit einer Landschaft in blauen Schattierungen, im Vordergrund die dunklen Konturen eines Nadelwaldes, die Hügellandschaft wie ein wogender Ozean dahinter. Eine Doppelseite weiter begegnen wir dem ersten Tier, dass die Farbe im Namen trägt, einem Blauhäher. »In der Kälte der Arktis streift ein Blaufuchs durch die verschneiten Ebenen« geht es weiter, das Bild ist ganz in Eisblau getaucht, mit Schneekristallen und Raureif wird die Kälte geradezu spürbar. Von den folgenden tropischen Blauen Pfeilgiftfröschen sollte man sich auch besser fernhalten und lieber dem Gezwitscher der Blaumeisen lauschen.
Von wegen, nachts sind alle Katzen grau
Isabelle Simler intensiviert zunehmend das Blau durch wenige andersfarbige Akzente, wie die puschelig gelben Bäuche der Blaumeisen, ein paar rote Beeren, lila Reflexionen der Abendröte im Gefieder der Blaureiher, den bernsteinfarbenen Augen der Diademmeerkatzen. Allmählich werden die Bilder dunkler, monochromer und ruhiger. »Stille legt sich über die Landschaft. Nur eine nachtblaue Katze schleicht durch das Gras.« Natalie Wollersheim übersetzt Simlers Texte mit einer lakonischen Poesie.
»So verharren sie in der Stille …«, heißt es auf der letzten Doppelseite mit den Tieren wie Scherenschnitten im Gegenlicht des Vollmondes, unter dem Sternenhimmel, » … und erwarten den Einbruch der Nacht«. Ein grandioses Schlussbild für den Zauber dieser einzigartigen Zeit und ihrer namensgebenden, faszinierenden Farbe.
Laura D’Arcangelo: Herr Bert und Alfonso jagen einen Dieb, atlantis, 48 Seiten, 16 Euro, ab 6 Jahren
Isabelle Simler: Die Blaue Stunde, Übersetzung: Natalie Wollersheim, Magellan, 48 Seiten, 18 Euro, ab 6 Jahren