Kinder brauchen Kaninchen … oder ein anderes Haustier. Denn das gehört zum Großwerden einfach dazu. Zu dieser Überzeugung kommt man, wenn man Boris Kochs neuen Roman Das Kaninchen-Rennen gelesen hat. Am liebsten wäre ich noch mal Kind und würde ein Kaninchen verliehen bekommen.
So wie der zehnjährige Tim aus Niederrhode. In seinem Dorf gibt es nämlich die jahrhundertealte Tradition des Kaninchen-Rennens. Jedes zehnjährige Kind im Dorf bekommt ein Kaninchen anvertraut, das es trainieren muss, um ein halbes Jahr später zu einem Rennen anzutreten. Die Kaninchen werden verlost. Kurz zuvor können die Kinder die Tiere begutachten und sich einen Favoriten aussuchen. Tim jedoch kommt zu spät, so wie er immer und überall zu spät kommt, und erhascht nur noch einen kurzen Blick auf Kaninchen Nummer 13, das ihn mit frechen Augen anschaut. Als er das Kaninchen tatsächlich verliehen bekommt, erlebt er eine Überraschung: Sein Kaninchen hat nur drei Beine. Das Rennen scheint für Tim gelaufen … zumal seine Mitschüler und das ganze Dorf sich nun gegen ihn stellen, hat doch schon sein verstorbener Vater vor vielen Jahren vor dem Kaninchen-Rennen gekniffen. Wie der Vater so der Sohn, scheint es …
Boris Koch erschafft den liebens- und gleichzeitig manchmal hassenswerten Kosmos eines Dorfes, in dem jeder jeden kennt, Traditionen hochgehalten werden, Zugezogene und Außenseiter schräg angeschaut werden, Freundschaften zerbrechen, sich neue beste Freunde zusammentun und Herausforderungen angenommen werden. Mehr kann man hier fast kaum erzählen, ohne die Geschichte zu spoilern. Nur so viel: Tim erlebt jede Menge Hochs und Tiefs, Wendungen und Überraschungen auf dem Weg zum Kaninchen-Rennen. Und muss sich mit seinen Mitmenschen auf allen Ebenen des Lebens auseinandersetzen: mit den fiesen Mitschülern, dem enttäuschten Opa, den guten Kumpels und einem außergewöhnlichen Helfer. Die unerschütterliche Liebe zu seinem dreibeinigen Kaninchen wird in dem ganzen Chaos zu einer hilfreichen Konstante.
Tims Abenteuer wandelt sich von einer anfänglichen Tragikkomödie zur Lebensprüfung und das in einem locker leichten Erzählstil, bei dem das Lesen einfach Spaß macht, sich die Laune hebt und der richtig gut unterhält, weil Koch in der Perspektive von Tim bleibt und nicht den erhobenen Zeigefinger kreisen lässt. Tim wird zur Identifikationsfigur, zum Kumpel, zum Vorbild, zu einem, mit dem man sofort in den Kaninchenstall rennen will und sich gemeinsam, unerschrocken dem Leben stellt. Fabelhaft!
Boris Koch: Das Kaninchen-Rennen, Heyne fliegt, 2014, 336 Seiten, ab 10, 12,99 Euro