Gefiederte Liebesgeschichten

Ente

Federvieh in der KJL hat momentan Hochkonjunktur. Neulich hatten wir hier das ultimative Hühnerbuch, jetzt gibt es gleich zwei Bücher mit entsprechenden Protagonisten.
Bei Ulrich Hubs neuestem Werk meint man vielleicht in einem Treppenwitz gelandet zu sein, wenn man den Titel Lahme Ente, blindes Huhn betrachtet und die Assoziationen im Kopf schießen sofort ins Kraut.
Doch die Lektüre offenbart bereits auf Seite eins eine der entzückendsten Fabeln über das Leben, versteckte Wünsche, die Macht der Fantasie und die Freundschaft.

Eine tierisch gute Kombination

In einem grauen Hinterhof lebt die lahme Ente, futtert Erdnüsschen und wünscht sich eigentlich jemanden, mit dem sie diesen Snack teilen könnte. Eines Tages schneit das laute und selbstbewusste blinde Huhn herein und lässt sich durch nichts beirren. Die beiden raufen sich zusammen und ziehen hinaus in die Welt. Das Huhn stützt, die Ente sieht. So geht es eine lange Straße entlang, durch einen dunklen Wald, über eine hohe Schlucht, den höchsten Berg hinauf bis zum goldenen Tor, hinter dem die verborgenen Wünsche erfüllt werden.

Perfekte Ergänzung und das Wesentliche

Natürlich geht so eine Reise nicht ohne Konflikte und Streitigkeiten ab. Doch der Weg verändert die beiden Held:innen. Sie lernen sich gegenseitig besser kennen, aber auch sich selbst – so entdeckt die Ente, dass Fliegen ja ganz leicht ist … Und sie finden heraus, auf was es im Leben wirklich ankommt.
Ulrich Hub, Experte für allzu menschliche Tierstorys, erzählt dies mit so hintersinniger Leichtigkeit, dass auch Erwachsene an dieser Geschichte Gefallen finden werden. Denn hier spiegelt sich der Kern des Lebens in seinen Facetten: Wir sind alle nicht perfekt, gleichen uns jedoch in unseren grundsätzlichen Wünschen nach Gesehen-werden und Freundschaft. Das alles suchen wir manchmal an weit entfernten Orten, können gar nicht schnell genug vom Hof kommen … um dann festzustellen, dass so manches schon ganz nah ist. Allen Redewendungsassoziationen zum Trotz gleitet Ulrich Hub aber nie ins Banale oder Kitschige ab, sondern schafft es mit feiner Ironie und viel Humor, dass einem mit jeder Seite Huhn und Ente mehr ans Herz wachsen und man das Wesentliche unsere Existenz erkennt.

Love rules

Eine weitere ungewöhnliche Vogelpaarung findet sich in dem Bilderbuch Der Habicht und der Hahn von Käptn Peng und Melanie Garanin.
Der Habicht, der normalerweise eine Gefahr für Hühner darstellt, mag in diesem Fall den Hahn. Und dieser erwidert die Gefühle, sehr zum Unverständnis von Bauer und Hühnerschar.
Doch die beiden lassen sich von ihrer Umwelt nicht abhalten und verschmelzen zu einer Einheit.

Dynamisch in Musik und Strich

Der kurze Text stammt aus dem gleichnamigen Song von Käptn Peng, auch bekannt als Robert Gwisdek, Schauspieler, Musiker, Autor. Man kann sich das Buch also quasi vorsingen lassen und zwar in bester Liedermacherqualität, bei der die Stärke des Textes so richtig zu Geltung kommt.
Doch auch die schwarzkonturierten, aber farbig-strahlenden Aquarelle von Melanie Garanin sind eine Wonne, die den Aufruhr im Hühnerstall um die beiden Liebenden dynamisch und verspielt zeigen. Da wird der Bauer fast zum Schwein und der Regenwurm schwingt die Rassel.

Liebe, wen du willst

Die Botschaft ist natürlich klar und ein Plädoyer für eine grenzenlose Liebe, jenseits von Geschlechtern oder sonstigen Schubladen. Das ist zum einen ein Buchtrend unserer Zeit, aber eben auch immer noch nicht selbstverständlich und daher wichtig, es auch den ganz jungen Menschen auf so charmante Weise klarzumachen. Nur mit solchen Geschichten wird es vielleicht mal Generationen geben, die um gleichgeschlechtliche Liebe und queere Lebensformen kein Gewese mehr machen werden.

Ulrich Hub: Lahme Ente, blindes Huhn, Illus: Jörg Mühle, Carlsen, 2021, ab 8, 13 Euro
Käptn Peng: Der Habicht und der Hahn, Illus: Melanie Garanin, Huckepack, 2021, ab 5, 15 Euro

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