Mit 200 Sachen ins Leben

200 Sachen – als Erwachsener kann man davon nur träumen. Damit ist nicht die Geschwindigkeit gemeint, mit der man über die Autobahn kacheln könnte, wenn man einen geeigneten und möglichst stilvollen, fahrbaren Untersatz hat.
Die junge Grafikerin Magdalena Skala, Jahrgang 1994,  hat mit Sachen – Mein 200-Bilder-Buch das perfekte Abbild der kindlichen Realität gestaltet. 200 farbige, klar konturierte Bilder von Alltagsgegenständen und Lebensmitteln finden sich auf zehn stabilen Papp-Doppelseiten.

Auf zehn Doppelseiten durch Lebensräume

Da geht es von der Garderobe mit Mantel, Schirm, Schuhen, Geldbörse und Smartphone gleich ins Kinderzimmer zu Schaukelpferd und Xylophon. Vor allem das Xylophon sticht ins Auge: Dieses einfache Instrument mit den bunten Metallplättchen findet sich doch tatsächlich bis heute magischerweise fast immer beim Spielzeug. Wenn es auch nur ansatzweise so viele ausgewachsenen Percussion- und Vibraphonisten gäbe, würde die Welt ganz anders, rhythmischer und auch schöner klingen.
Auf den nächsten Doppelseiten streift der Betrachter durchs Wohnzimmer mit Sessel, Wandschrank und Flachbildschirm in die Küche. Und mitten rein in den Kühlschrank, ins Bad, runter in den Keller und raus in den Garten. Wobei im eigentlichen Sinn keine Zimmer zu sehen sind, aber die Dinge, die man den einzelnen Räumen zuordnet.

Alltag in sattem Orange, Rot, Geld und Dunkelblau

In sattem Orange, Rot, Gelb und Dunkelblau entfaltet Skala alles, was die Alltagswelt eines Kindes prägt. Nichts fehlt, und kein Teil ist zu viel. Die idealen 200 Sachen halt, bei denen die Entrümplungsexpertin Marie Kondo garantiert nichts zum Ausmisten fände. Und auch keinen Anlass für den von ihr selbst absurderweise zum Verkauf angebotenen Krimskrams und Nippes, der Freude schenken soll, oder wie sie es sagt: „Spark joy.“

Kein Teil zu viel, nichts zu tun für die Entrümplungsexpertin

Dagegen wirkt Magdalena Skalas Wohnraumgestaltung wie pures Bauhausdesign, kein Schnickschnack, kein Firlefanz, kein überflüssiges Dekor. Für dieses Bilderbuch wurde Skala jetzt auch mit dem Meefisch (Fränkisch für Mainfisch – man kann als Erwachsener immer noch etwas lernen), einem in Markheidenfeld verliehenen Preis für Bilderbuchillustrationen ausgezeichnet. »Wie ein gutes italienisches Nudelgericht: einfach, klar, übersichtlich und vor allem wohlschmeckend«, so begründete der Illustrator und Hochschuldozent Marco Wagner den Juryentscheid.
Das ist zwar, insbesondere für einen Illustrator, ein etwas schräges Bild. Aber man versteht beim Betrachten von Skalas aufgeräumten, köstlich anzusehenden und Appetit auf mehr machenden Seiten was er meint.

Heißt es Pfannenwender? Sagt man Vierkantreibe?

Die Namen der Gegenstände sind ein Abbild der Wirklichkeit, sagt grob vereinfacht der Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem berühmten, später weitestgehend revidierten Frühwerk Tractatus logico-philosophicus. Magdalena Skala schafft mit ihren Illustrationen ein besonders gelungenes Abbild der kindlichen Realität. Das Tolle an diesem Buch ist, dass sie nichts benennt, nirgendwo steht »Stuhl«, »Waschmaschine« oder »Schubkarre«. Die Kinder lernen, den Sachen selbst Namen zu geben, vielleicht auch Dinge zu umschreiben. Und bei manchem Küchenutensil kommt der erwachsene Betrachter ins Grübeln, heißt es Pfannenwender? Sagt man Vierkantreibe?

Kondo kannste knicken

Gleichzeitig lernen Kinder Zusammenhänge, Funktionen und Themenkomplexe kennen: Im Bad findet sich nichts zu essen und Werkzeug eignet sich nicht zum Kochen.
Der Entdeckergeist wird zusätzlich durch einen Marienkäfer auf jeder Seite geweckt, der mal über ein Regal krabbelt, mal auf einem Flaschenetikett sitzt. Sachen ist ein klasse Bilderbuch – und kluger Einrichtungshelfer, da kann man jeden Kondo-Ratgeber knicken.

Magdalena Skala: Sachen – Mein 200-Bilder-Buch, Arena, 2020, 22 Seiten, ab 12 Monaten, 13 Euro