[Jugendrezension] Das Böse außerhalb der Mauern

gatedDer Weltuntergang steht bevor. Die Menschen der Gemeinde Mandrodage Meadows treffen eifrig Vorbereitungen, denn sie wurden von den Brüdern ausgewählt, zu überleben. Mitglied der Gemeinde ist die 17-jährige Lyla Hamilton. Wie die anderen gehorcht sie dem Anführer Pioneer bedingungslos, obwohl sie insgeheim hofft, dass er sich irrt. Sie fühlt sich nicht bereit für ihre Aufgabe. Deswegen macht sie sich Vorwürfe und schwört, sich zu bessern.

Dann trifft sie Cody, einen Jungen von außerhalb, und verliebt sich in ihn. Langsam gerät Lylas Weltbild ins Wanken. Was, wenn Pioneer gar nicht von den Brüdern auserwählt wurde? Was, wenn es keinen Weltuntergang gäbe?

„Ich dachte, das Böse lebe außerhalb unserer Mauern. Ich habe mich geirrt.“ Lyla erkennt, dass sie in einem Unterdrückungssystem gefangen ist. Sie versucht, den anderen Gemeindemitgliedern die Augen zu öffnen, bis es fast zu spät ist.
Doch Pioneer ist unberechenbar.

Mit Gated – Die letzten 12 Tage hat Amy Christine Parker ein tolles Debüt geschrieben. Es behandelt das Thema Sekten so, dass es für Jugendliche interessant ist. Lyla ist eine Protagonistin, mit der sich viele identifizieren können. Sie hat, wie viele Heranwachsende, eine Identitätskrise. Sie versucht herauszufinden, was für ein Mensch sie sein will. Das macht sie sympathisch. Lyla ist keine typische Heldin. Sie hadert mit sich und hat oft Angst, aber das macht sie bewundernswert. Denn sie überwindet sich und lehnt sich auf.
Auch die anderen Figuren sind gut ausgedacht und beschrieben. Eine der interessantesten Persönlichkeiten ist Lylas Mutter. An ihrem Beispiel versteht man, wie Menschen auf jemanden wie Pioneer hereinfallen.

Lyla kann sich schwach an ein Leben vor Mandrodage Meadows erinnern. Damals lebten sie in New York. Lyla, ihre große Schwester Karen und ihre Eltern. Ihre Mutter war immer fröhlich.
Dann verschwand Karen spurlos, direkt vor dem Haus. Nie wieder hörten die Hamiltons von ihr. Seitdem glaubte Lylas Mutter nicht mehr an das Gute. Es ist nachvollziehbar, dass den Hamiltons die Weltanschauung von Mandrodage Meadows gefällt.

Es ist nicht leicht, über das Thema Sekten zu schreiben, doch Amy Christine Parker hat es gut gemeistert. Das Buch bewertet nicht, es hilft, zu verstehen. Die Geschichte ist spannend, man fiebert bis zur letzten Seite mit und hofft sehr, dass es ein Happy End gibt.

Eine gute Idee fand ich es, am Anfang jedes Kapitels ein Zitat zu schreiben. Das sind teilweise fiktionale Aussagen von Pioneer, aber auch Zitate aus der Bibel oder von Jim Jones, Anführer des Peoples Temple. Überhaupt weist die Gemeinde Mandrodage Meadows Parallelen zum Peoples Temple auf, einer neureligiöse Gruppe, die 1978 durch die Massenselbsttötung in Jonestown, Guyana, bekannt wurde.

Auch wenn das Buch oft erschreckend ist, so schenkt es zugleich Hoffnung. Denn wie bemerkt Lyla so schön am Ende, als sie in den Sternenhimmel guckt: „Wenn ein Himmel, der so dunkel ist, so voller Licht sein kann, dann gilt das vielleicht auch für diese Welt.“

Juliane (15)

Amy Christine Parker: Gated – Die letzten 12 Tage, Übersetzung: Bettina Münch, dtv, 2014, 336 Seiten, ab 14, 16,95 Euro