Es ist wieder Zeit für Ausflüge. Raus in die Natur, in den Wald über die Felder oder in die Stadt oder auch vielleicht an den Strand oder in die Berge. Es gibt viele Ziele und die Wege dahin bieten viel zum Entdecken.
Genauso geht es den Leser_innen und Betrachter_innen von Ann Cathrin Raabs Wörterwuselwelten. Da machen sich viele kleine Tiere auf, fahren dahin und dorthin, sehen dies und das, essen etwas, machen etwas, bestehen Abenteuer und versammeln sich am Lagerfeuer. Bis sie abends erschöpft in die Betten fallen, in der „Betthupferldämmertraumhöhle“.
Die Geschichte ist charmant simpel, aber bestechend. Denn die grafisch wunderschön gestalteteten Doppelseiten teilen sich folgendermaßen auf: Im oberen Teil machen sich kleine Fantasietiere wie Drachenhund, Zweihorn, Hirsch mit Krebsgeweih, Schweinchen mit Ochsenhörnern eben zu einem Ausflug auf, mit allem Drum und Dran.
Der untere Teil der Seiten, der Grund auf dem die kleinen Fantasiehelden laufenfahrenfliegen ist gefüllt mitWorten von den Dingen, die man auf so einem Ausflug eben erleben kann. Ohne Leerzeichen, Komma oder Punkt reihen sich diese Worte aneinander und ergeben ein riesiges Gewusel. Man kann ganz ordentlich bei dem ersten Buchstaben in der obersten Reihe einer jeden neuen Seite anfangen und sich durchlesen durch Wortschlagen wie „Kipplasterschneckenpostrennwagenplanierraupenmotorrad-bulldozerrumsdibumsturbokäferwettrennen“ – oder aber einfach mittendrin irgendwo anfangen und dort auf die seltsamsten und schönsten Wortkombinationen stoßen, die man im normalen Sprachgebrauch erst mal nicht ständig hört.
Für Vorlesende ist dieses Buch eine Herausforderung, bietet aber auch jedes Mal neue Varianten und Kombinationen, da man sich unmöglich immer erinnern kann, wie man beim letzten Mal vorgelesen hat. Für kleine Betrachter_innen bieten die Fantasietierchen auf jeder Seite neue Details und Absonderlichkeiten, die es zu entdecken gilt (Sind das Erdbeeren am Kaktus? Wie kommt das Schiff mit der Ritterburg auf die Bergspitze?). Erstleser, die die Buchstaben können, hingegen werden richtig gefordert, in dem ganzen Gewimmel und Gewusel die richtigen Kombinationen zu finden, die zu sinnvollen Wörtern führen. Dabei lernen sie gleichzeitig und das ganz nebenbei und spielerisch, wie die deutsche Sprache Wortzusammensetzungen aushält, wenn man einfach nur mal seiner Fantasie freien Lauf lässt. Dann findet man nämlich auch den „Schokoschnutenschnittlauchwaffelfranzbrötchepuddingschmaus“ und entwickelt Bilder im Kopf, die an Sinnlichkeit und Genuss kaum zu toppen sind.
Wörterwuselwelten von Ann Cathrin Raab ist in schlichten Worten also ein Entdeckerbuch allererster Güte, nicht nur für kleine Menschen, die unserer abenteuerlichen und spaßigen Welt gerade erst auf die Spur kommen, sondern auch für die Erwachsenen, die manchmal genau diesen Spaß verloren haben. Zur allgemeinen Erheiterung und als Frischwörterkur für eingefahrene Hirne zur täglichen Lektüre dringendst empfohlen.
Ann Cathrin Raab: Wörterwuselwelten, Kunstanstifter, 2016, 24 Seiten, ab 4, 17,80 Euro