Ritter sind auch nicht mehr das, was sie mal waren: »Können Sie wenigstens reiten?«, fragt die mysteriöse Frau den jungen Schluffi im roten Kapuzenpulli mit Baseballcap und Kopfhörern um den Hals. »Nicht besonders … ich bin mit dem Bus hier«, antwortet der zerknirscht. Da überlegt man sich als Fee schon, ob man das berühmte Schwert rausrückt.
Aber das Zuhause der Dame vom See ist schon lange nur noch ein vermüllter Tümpel. Sie will unbedingt weg aus diesem Dreck, ist aber durch einen Zauber gebunden, und der Junge ihre einzige Chance zu entkommen. So erfrischend in die Gegenwart transportiert beginnt der französische Comicautor Frédéric Maupomé seine mehrbändige Neuerzählung der Artussage. Genauer die des Königs Pellinor. Das ist eine je nach Sichtweise mehr oder weniger eng mit Artus, der Tafelrunde und vor allem der mythischen Waffe Exkalibur verbandelte Figur. Spinoffs gibt es nämlich nicht erst seit Frazier (aus Cheers) oder Better Call Saul. Schon die Kelten hatten viel Zeit zu erzählen und Anlässe, die Heldensagen immer weiter auszuspinnen.
Die Suche ist das Ziel
Jetzt ist also Pelli an der Reihe, ein Nachfahre Pellinors, sich auf die Suche nach dem Biest zu machen. Ein magisches Wesen mit dem Kopf einer Schlange, dem Körper eines Leoparden und den Füßen eines Rehs. Suche ist wörtlich gemeint. Das scheue Fabelwesen soll nicht gejagt und erlegt werden. Es zu finden ist das Ziel des adoleszenten Suchers.
Frédéric Maupomé erzählt die traditionsreiche Geschichte der Quest mitreißend und lustig, mit überraschenden Drehs. Seine Figuren sind lebendig, egal ob Zeitgenossen oder keltischen Legenden entsprungen. Die Dialoge lesen sich spritzig und klug, von Christiane Bartelsen flott und authentisch übersetzt.
Croissants sind nicht nur luftiges Plundergebäck
Raffiniert verknüpft Maupomé Mythos und Moderne. Zum Beispiel, wenn er die Die Dame vom See, die Fee Nimue, Pelli zur Begleiterin aufsatteln lässt und dem Ganzen einen wohltuend weiblichen Touch gibt. Apropos aufsatteln: Statt per Bus machen sich die beiden per laut pötterndem Motorroller auf die Reise. Allerdings keine stilvolle Vespa, sondern ein kantiges Modell in Rot namens Geraldine ist das Gefährt in dieser famosen Road Novel.
Très français entwickelt Nimue ein Faible für Croissants. »Ich weiß nicht, wie ich ohne sie leben konnte«, sagt sie am Anfang des zweiten Bands, der Protest des Fischerkönigs. Und man ahnt, es geht nicht nur um luftig-fettiges Plundergebäck in Hörnchenform. Jahrhunderte war die Fee als Schwertaushändigerin an den See gefesselt. Endlich hat sie ihre Freiheit gewonnen und kann leben und die Welt entdecken.
Absolut lesens-und sehenswert wird die Quest-Reihe durch Wauter Mannaerts Illustrationen. In den zunächst ruhig und fast klassisch angelegten, durch schräge Bildumrahmungen dynamisierten Panels versteckt der belgische Zeichner und Autor viel subtilen Witz. Dabei setzt er bewährte Tricks filmischer Inszenierung geschickt um. So beginnt er mit einem Knall, um sich dann langsam zu steigern. Und Band 1 und 2 enden mit verheißungsvollen Cliffhangern. Die Figuren sind klar und eher schlicht in Szene gesetzt. Dafür gestaltet Mannaert Landschaften umso detaillierter und aufwendiger. Vom verdreckten See durch Felder bis in dunkle Wälder besticht die Farbpallette durch zahlreiche Schattierung von Grün, von gräulichem Schlammgrün über zarte Gras- und Knospentöne bis zu samtigem Tannennadel- und kristallinem Flaschengrün.
Liebevoll gestaltetes Biest
Besondere Liebe hat Wauter Mannaert laut eigener Aussage der Darstellung des Biests gewidmet, und ihm noch eine blaue Löwenmähne gegönnt. Im zweiten Band ist es dann auch häufiger zu sehen, taucht immer wieder, von Pelli und Nimue ungesehend, am Rand auf. Und bekommt auch eigene, kleine Szenen.
Monobloc in Seerosenranken
Vielleicht liegt es an den gestiegenen Papierpreisen. Oder es ist eine sehr charmante, neuzeitliche Zugabe, dass immer häufiger bereits das Vorsatzpapier von bebilderten Büchern ein echter Hingucker ist. Maennert nutzt diese Doppelseite, die einem beim Aufklappen des Buchdeckels entgegenspringt, aufs Allerschönste. Im ersten Band sind es von Seerosen umrankte Fabelwesen und die Helden auf dem Roller Geraldine. In den Ranken verfangen sind Zivilisationsmüll, Getränkedosen, Plastikflaschen, Pommesverpackungen. Und, geradezu ikonisch, zwei sogenannte Monoblocs, die überall auf der Welt zu findenden weißen Plastikstühle. Das ist sehr witzig und dezent umweltkritisch zugleich. Und stimmt perfekt auf die fabelhafte Quest-Saga ein.
Frédéric Maupomé: Quest – 1. Die Dame vom See, Illustration: Wauter Mannaert, Übersetzung: Christiane Bartelsen, Reprodukt, 2025,120 Seiten, 20 Euro, ab 8
Frédéric Maupomé: Quest – 2. Der Protest des Fischerkönigs, Illustration: Wauter Mannaert, Übersetzung: Christiane Bartelsen, Reprodukt, 2025, 120 Seiten, 20 Euro, ab 8

